TE OGH 1989/12/19 10ObS419/89

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.12.1989
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Kellner als weitere Richter sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr. Robert Prohaska (AG) und Walter Benesch (AN) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Wilma B***, Nordbahnstraße 5/2/9/20, 1020 Wien, vertreten durch Martin K***, Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien, dieser vertreten durch Dr. Hans Schwarz, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei P*** DER A***,

Friedrich Hillegeist-Straße 1, 1021 Wien, vertreten durch Dr. Erich und Dr. Richard Proksch, Rechtsanwälte in Wien, wegen Berufsunfähigkeitspension, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 26.Juni 1989, GZ 32 Rs 101/89-51, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 18.Oktober 1988, GZ 16 b Cgs 136/86-42, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben. Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen. Die Kosten der Revisionsbeantwortung sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Das Erstgericht erkannte die beklagte Partei schuldig, der Klägerin ab 1.April 1986 eine Berufsunfähigkeitspension in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Es stellte im wesentlichen fest, daß die am 4.Oktober 1939 geborene Klägerin (die unbestritten als

Geschäftsführerin - Filialleiterin und zuletzt als Verkäuferin im Textilhandel tätig war) an hochgradiger Überempfindlichkeit des Bronchialsystems leidet und gegenüber vielen Stoffen überempfindlich ist. Es können Staub jeglicher Art, Rauch, Dämpfe, Gase, Reizstoffe von Putzmitteln, Reinigungsmitteln, Parfum, durch Wind aufgewirbelter Straßenstaub, Kälte oder Feuchtigkeit, Nebel und Smog, Asthmaanfälle auslösen, es können aber auch im Frühjahr und während der Grasblüte allergische Anfälle auftreten, weil die Klägerin an einer deutlichen Pollenempfindlichkeit leidet. Sensibilisierungsbehandlungen sind im Hinblick auf das breite Spektrum von Stoffen, auf die die Klägerin allergisch reagiert, nicht zielführend. Aufgeteilt auf das ganze Jahr sind Krankenstände in der Dauer von ein bis zwei Monaten zu prognostizieren. Durch die zu erwartenden Krankenstände sei die Klägerin, berücksichtige man noch den gesetzlichen Urlaubsanspruch, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht vermittelbar, es liege daher Berufsunfähigkeit vor.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei keine Folge und billigte die Rechtsansicht des Erstgerichtes.

Rechtliche Beurteilung

Die wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision der beklagten Partei ist im Sinne einer vom Abänderungsantrag mitumfaßten Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen berechtigt. Die Feststellung, daß mit Krankenständen von ein bis zwei Monaten, verteilt über ein Jahr zu rechnen sei, reicht zur abschließenden Beurteilung noch nicht aus.

Der Oberste Gerichtshof hat bisher bei Krankenständen von durchschnittlich 6 Wochen (10 Ob S 101/89), 30 Krankenstandstagen (10 Ob S 128/89), 30 bis 40 Krankenstandstagen (10 Ob S 153/89) oder 30 Arbeitstagen (10 Ob S 157/89) im Jahr, den Ausschluß vom allgemeinen Arbeitsmarkt verneint, weil im Jahr 1986 in Österreich auf 1000 Beschäftige insgesamt 1.056 Krankenstandsfälle und auf jeden Fall 14,6 Krankenstandstage kamen. Da dies nur ein Durchschnitt aller Versicherten ist, muß gerade bei älteren Versicherten mit häufigeren und länger dauernden Krankenstandsfällen, als dies dem Durchschnitt entspricht, jedenfalls gerechnet werden. In seiner Entscheidung 10 Ob S 385/89 hat jedoch der Oberste Gerichtshof in einem Fall, in welchem die einzelnen, auf eine bestimmte Krankheit zurückzuführenden Krankenstände von jeweils rund drei Wochen im Jahr voraussichtlich insgesamt acht Wochen erreichen werden, die Grenze der Fähigkeit eines Versicherten zu einer selbständigen oder unselbständigen Tätigkeit als erreicht erachtet.

Im Hinblick darauf reicht ein in den Feststellungen so weit gezogener Spielraum von Krankenständen in der Dauer von ein bis zwei Monaten nicht aus. Es ist daher erforderlich, durch Ergänzung des lungenfachärztlichen Gutachtens eine nähere Eingrenzung vorzunehmen, wobei bei der Prognose von Krankenständen nur ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit genügt. Es wird auch zu klären sein, in welcher Dauer die einzelnen Asthmaanfälle auftreten und wieder abklingen, insbesondere auch, ob alle allergischen Reaktionen tatsächlich auch einen Krankenstand notwendig bedingen oder ob, wie dies etwa bei einer Vielzahl von allergisch reagierenden Personen vorkommt, der Allgemeinzustand nicht so stark beeinträchtigt wird, daß Arbeitsunfähigkeit vorliegt.

Da das Verfahren im aufgezeigten Sinn ergänzungsbedürftig ist, war wie im Spruch zu entscheiden.

Der Vorbehalt der Kosten der Revisionsbeantwortung beruht auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E19658

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:010OBS00419.89.1219.000

Dokumentnummer

JJT_19891219_OGH0002_010OBS00419_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten