TE OGH 1989/12/19 10ObS400/89

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Veröffentlicht am 19.12.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Kellner als weitere Richter sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr.Robert Prohaska (Arbeitgeber) und Walter Benesch (Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Herta Z***, Engerthstraße 241-247/19/1/5, 1020 Wien, vertreten durch Mag.Christa M***, Kammer für Arbeiter und Angestellte, diese vertreten durch Dr.Hans Schwarz, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei A*** U***, Adalbert

Stifter-Straße 65, 1200 Wien, vertreten durch Dr.Adolf Fiebich, Dr.Vera Kremslehner, Dr.Josef Milchram, Rechtsanwälte in Wien, wegen Versehrtenrente, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27.September 1989, GZ 33 Rs 195/89-13, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 6.April 1989, GZ 13 Cgs 1243/88-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 648 bestimmten Revisionskosten binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist im Zentralgebäude der österreichischen Volksbanken AG beschäftigt. Dieses befindet sich in einem Häuserblock, der an die Maria Theresienstraße, Peregringasse und Kolingasse angrenzt. Die Klägerin betrat und verließ ihre Arbeitsstätte regelmäßig durch den Eingang bzw. Ausgang in der Kolingasse. In dem Häuserblock befindet sich auch eine Filiale der Volksbanken AG, bei der die Klägerin sowohl über ein Gehaltskonto als auch über ein Sparbuch verfügt. Am 24.März 1988 verließ die Klägerin ihre Arbeitsstätte kurz nach 17.00 Uhr und betrat über den Eingang Peregringasse die Bankfiliale, wo sie sich ca. 5 Minuten aufhielt und von ihrem Sparbuch einen Betrag von S 1.000 behob. Eine Abhebung vom Gehaltskonto nahm sie nicht vor, weil dieses bereits mit ungefähr S 20.000 überzogen war. Die Klägerin nahm bei der Bankfiliale wöchentlich Abhebungen in kleinerem Umfang vor. Die gegenständliche Abhebung war nicht die erste im Gehaltszeitraum getätigte Abhebung. Beim Verlassen der Bankfiliale stürzte die Klägerin im Vorraum der Bank und zog sich Verletzungen zu. Das Erstgericht stellte fest, daß die Gesundheitsstörung der Klägerin nicht Folge eines von ihr am 24.März 1988 erlittenen Arbeitsunfalles ist und wies das Klagebegehren, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, aus Anlaß des Arbeitsunfalles vom 24.März 1988 eine Versehrtenrente im Ausmaß von 40 % der Vollrente zu gewähren, ab.

Es liege kein Arbeitsunfall im Sinne des § 175 Abs. 2 Z 8 bzw. § 175 Abs. 2 Z 1 ASVG vor. Die Behebung von Beträgen von einem Sparbuch und nicht von einem Gehaltskonto sei nicht als Behebung des Entgeltes im Sinne der Bestimmung des § 175 Abs. 2 Z 8 anzusehen, überdies sei nach der jeweiligen Lohn- oder Gehaltsüberweisung auf das Girokonto nur der erste Weg zum Geldinstitut, der die Behebung zum Gegenstand habe, unfallversicherungsgeschützt, gleichgültig, ob das Entgelt zur Gänze oder nur teilweise behoben werde. Der Unfall sei daher anläßlich einer eigenwirtschaftlichen Verrichtung erfolgt. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin keine Folge. Ob nur der jeweils erste Weg zum Geldinstitut zur Behebung des unbar überwiesenen Entgeltes geschützt sei, müsse nicht erörtert werden, weil die Behebung von einem Sparbuch erfolgt sei. Der Gesetzgeber habe aber nur Unfälle, die sich im Zusammenhang mit der Benützung von Gehaltskonten ereignen, schützen wollen. Für eine ausdehnende Interpretation des § 175 Abs. 2 Z 8 ASVG auch auf Sparbuchbehebungen fehle im Hinblick auf die ausdrücklich nur auf unbare Gehaltszahlungen bezogene Gesetzesstelle jede Grundlage.

Rechtliche Beurteilung

Der wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Revision der Klägerin kommt keine Berechtigung zu.

Nach § 175 Abs. 2 Z 8 ASVG sind Arbeitsunfälle auch Unfälle, die sich auf einem mit der unbaren Überweisung des Entgeltes zusammenhängenden Weg von der Arbeits- oder Ausbildungsstätte oder der Wohnung zu einem Geldinstitut zum Zwecke der Behebung des Entgeltes und anschließend auf dem Weg zurück zur Arbeits- oder Ausbildungsstätte oder zur Wohnung ereignen. Diese Bestimmung wurde durch die 32. ASVG-Novelle geschaffen. In den Erläuterungen (181 BlgNR 14.GP, 71) wird dazu ausgeführt, daß nach den einschlägigen Bestimmungen der 28. Gehaltsgesetz-Novelle bzw. der 22. Vertragsbedienstetengesetz-Novelle für die Bundesbediensteten die gesetzliche Verpflichtung zur unbaren Gehaltsauszahlung normiert worden sei. Da dadurch die öffentlichen Bediensteten bzw. Vertragsbediensteten verpflichtet worden seien, ein Gehaltskonto bei einem Geldinstitut zu eröffnen, ergebe sich das Problem des Versicherungsschutzes für Unfälle, die sich auf dadurch notwendig werdenden Wegen ereigneten. Im Bereich der Privatwirtschaft bestehe zwar keine gesetzliche Verpflichtung zur unbaren Gehaltsauszahlung, die Eröffnung von Gehaltskonten in diesem Zusammenhang sei jedoch weit verbreitet, sodaß eine ausdrückliche Regelung dringend erforderlich erscheine.

Aus diesen Ausführungen ergibt sich, daß der Gesetzgeber den Unfallversicherungsschutz gegenüber der bis dahin geltenden Rechtslage nicht erweitern, sondern nur eine Klarstellung durch die ausdrückliche Regelung vornehmen wollte, denn das Oberlandesgericht Wien hatte als Höchstgericht den Unfallversicherungsschutz auf Wegen, die zum Lohnempfang nicht an der Arbeitsstätte vorgenommen wurden, als im ursächlichen Zusammenhang mit der die Unfallversicherung begründenden Beschäftigung stehend, schon bisher bejaht (SSV 14/40 ua). Es sollten daher nur jene Wege unter Unfallversicherungsschutz stehen, die der Versicherte deshalb zu seinem Kreditinstitut unternehmen muß, weil ihm das jeweilige Entgelt nicht bar ausbezahlt, sondern auf sein Gehaltskonto überwiesen wird.

Geht man von diesem Grundgedanken des Gesetzes aus, dann liegt kein Unfall im Sinn des § 175 Abs 2 Z 8 ASVG vor.

Geschützt ist nur ein Weg zur Verfügung über jenes Konto, auf welches das Arbeitsentgelt vom Dienstgeber unbar überwiesen wurde. Behebungen von einem Sparbuch stehen mit dem Lohnempfang in keinem ursächlichen Zusammenhang und sind dem eigenwirtschaftlichen Bereich zuzuordnen. Da der Arbeitnehmer in der Lage ist, nach der Überweisung sein Entgelt jeweils zur Gänze zu beheben, kann auch nur der erste Weg, der die (wenn auch nur teilweise) Behebung des Entgeltes zum Gegenstand hat unter Versicherungsschutz stehen (vgl auch Tomandl, das Leistungsrecht der österreichischen Unfallversicherung, 27). Wird nicht über das gesamte Entgelt verfügt, dann liegen die Überlegungen über Geldbehebungen in mehreren Teilbeträgen im eigenwirtschaftlichen Interesse und stehen nicht mehr im Zusammenhang mit der unbaren Entgeltzahlung. Dies ergibt sich auch aus dem Wortlaut des § 175 Abs. 2 Z 8 ASVG "auf einem mit der unbaren Überweisung des Entgeltes verbundenen Weg zum Zwecke der Behebung des Entgeltes" (Singular). Eine andere Auslegung würde schließlich zu einer Besserstellung jener Dienstnehmer, die ihr Entgelt auf ein Lohnkonto erhalten gegenüber jenen führen, denen im Betrieb der Lohn bar ausbezahlt wird. Unter Unfallversicherungsschutz stehen daher nur der erste Weg zum Kreditinstitut um über das unbar überwiesene Entgelt zu verfügen sowie allenfalls vorangegangene erfolglose Wege die in dieser Absicht unternommen wurden, sofern der Versicherte der begründeten Ansicht sein konnte, das Entgelt sei bereits auf sein Konto überwiesen.

Da der Oberste Gerichtshof zum Umfang des Versicherungsschutzes gemäß § 175 Abs. 2 Z 8 ASVG bisher noch nicht Stellung genommen hat, und es sich dabei um eine Rechtsfrage im Sinn des § 46 Abs 2 Z 1 ASGG handelt, konnte der klagenden Partei die Hälfte der verzeichneten Revisionskosten zugesprochen werden (SSV-NF 1/66).

Anmerkung

E19891

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:010OBS00400.89.1219.000

Dokumentnummer

JJT_19891219_OGH0002_010OBS00400_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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