TE OGH 1990/1/31 9ObA320/89

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Veröffentlicht am 31.01.1990
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Martin Meches und Franz Ofesny als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Helmut S***, Lokführer, Wien 12., Eichenstraße 2b/6/5/19, vertreten durch Dr. Wolfgang Waldeck und Dr. Hubert Hasenauer, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Ö*** B***, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen S 17.801 brutto sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 26.Juni 1989, GZ 34 Ra 70/89-15, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 27.Februar 1989, GZ 2 Cga 2030/88-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei S 17.801 brutto samt 4 % Zinsen seit 1.September 1988 binnen 14 Tagen bei Exekution zu zahlen, abgewiesen wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 7.210 (darin S 76 Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz, die mit S 4.153,20 (darin S 38 Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit S 2.472 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist bei der Beklagten als Lokführer beschäftigt. Er leistete von September 1985 bis November 1987 monatlich Überstunden im wechselnden Ausmaß, für die er Überstundenvergütungen erhielt. Diese Vergütungen wurden bei der Ermittlung des jeweiligen Urlaubsentgelts nicht berücksichtigt.

Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger den der Höhe nach außer Streit stehenden Betrag von S 17.801 brutto sA. Die Beklagte hätte seine Überstundenvergütungen bei der Bemessung des Urlaubsbezugs als "Mehrleistungsentschädigungen" nach dem Durchschnittsverdienst der letzten 13 Wochen berücksichtigen müssen. Die Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Nebenbezüge im Sinne des § 27 der Bundesbahn-Besoldungsordnung 1963 seien nach den Bestimmungen der §§ 15 ff GehG 1956 zu beurteilen. Es sei daher zwischen der Überstundenvergütung und der Mehrleistungszulage zu unterscheiden. Lediglich die letztgenannte Zulage begründe nach Punkt 14.2.2 der Urlaubsdienstanweisung einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Überstunden seien hingegen bei der Bemessung des Entgelts während eines Erholungsurlaubs, so wie auch im gesamten übrigen öffentlichen Dienst, nicht zu berücksichtigen. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt, da unter dem Begriff der "Mehrleistungsentschädigung" mangels weiterer Unterscheidung nicht nur die Mehrleistungszulage, sondern auch die Überstundenvergütung für regelmäßig geleistete Überstunden zu verstehen sei.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß die Revision zulässig sei. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichts und führte ergänzend aus, daß das Auslegungsergebnis auch durch einen Rückgriff auf privatrechtliche Überlegungen zur Entgeltfortzahlung, insbesondere hinsichtlich des Überstundenentgelts bestätigt werde. Das Urlaubsgesetz habe für die zitierte Dienstanweisung erkennbar als Vorbild gedient. Demnach bestehe ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Fortzahlung des Entgelts, nicht aber der Aufwandsentschädigung. Diesem Grundsatz sei auch in sämtlichen arbeitsrechtlichen Umschreibungen des fortzuzahlenden Entgelts (EFZG) Rechnung getragen worden. Auf eine besondere Vorschrift, wonach etwa Überstundenvergütungen von der Entgeltfortzahlung ausgenommen wären, habe die Beklagte nicht hingewiesen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision der Beklagten mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens abzuändern.

Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, da die Frage der Einbeziehung von Überstundenvergütungen in die Bezüge der Bediensteten der Beklagten während ihres Erholungsurlaubs vom Obersten Gerichtshof noch nicht entschieden wurde; sie ist auch berechtigt.

Das Dienstverhältnis der Bundesbeamten ist nach ständiger Rechtsprechung trotz eines in verschiedenen Punkten (wie etwa Ernennung, Beförderung und Besoldung der Bediensteten) deutlich hervortretenden öffentlich-rechtlichen Einschlags nach der ausdrücklichen Anordnung des § 1 Abs 2 der Bundesbahn-Besoldungsordnung (BBO) grundsätzlich ein privatrechtliches. Weiters ist anerkannt, daß die BBO ebenso wie die Dienstordnung für Bedienstete der ÖBB (DO) wie ein Kollektivvertrag nach den allgemeinen Auslegungsgrundsätzen der §§ 6 und 7 ABGB auszulegen ist (Arb.9.310, 8.560 ua). Demnach kommt es neben der Wortinterpretation und der Erforschung der erkennbaren Absicht des Normengebers auch auf die Rücksichtnahme auf ähnliche, in den Gesetzen bestimmt entschiedene Fälle und auf die Gründe anderer damit verwandter Normen an (vgl. Koziol-Welser, Grundriß3 I 17 ff). Nach § 6 Abs 2 BBO besteht der Monatsbezug des Beamten aus dem Gehalt und allfälligen Zulagen (Haushaltszulage, Dienstalterszulage, Dienstzulage, Verwendungszulage, Verwendungsabgeltung, Ergänzungszulage und Teuerungszulage). Das Monatsentgelt im Sinne des § 6 Abs 2 BBO ist daher ein eindeutig bestimmter Begriff und nicht - wie sonst im Arbeitsrecht - ein die gesamte Entlohnung umfassender Oberbegriff. Hinsichtlich der Nebenbezüge verweist § 27 Abs 1 BBO auf die sinngemäße Anwendung der §§ 15 bis 18 und 19 a bis 20 b des Gehaltsgesetzes 1956 (GehG). § 15 Abs 1 GehG zählt an Nebengebühren unter anderem die Überstundenvergütung (§ 16) und die Mehrleistungszulage (§ 18) auf. § 16 GehG regelt die Abgeltung von Dienstleistungen, die zeitlich über die Normaldienstzeit hinausgehen, während § 18 GehG eine Regelung für quantitative und qualitative Mehrleistungen, bezogen auf eine Zeiteinheit gegenüber der Normalleistung, trifft. Inhaltlich beziehen sich sohin beide Bestimmungen auf Mehrleistungen; während es bei der Überstundenvergütung vor allem auf die zeitliche Mehrleistung ankommt, werden bei der Mehrleistungszulage die Arbeitsleistungen selbst gezählt oder sonst gemessen (vgl: Zach, GehG, Band I § 18 Anm.4 ff).

Während des Erholungsurlaubs behalten die Bundesbahnbeamten und Lohnbediensteten nach der Dienstanweisung (79) betreffend die Neuregelung des Urlaubsrechts (DA) ihren Anspruch auf die ständigen Bezüge bzw. das ständige Entgelt (14.1). Soweit nicht in besonderen Vorschriften etwas anderes bestimmt ist, werden Mehraufwandsentschädigungen während des Erholungsurlaubs nicht gezahlt (14.2.1); Mehrleistungsentschädigungen werden nach dem Durchschnittsverdienst der letzten 13 Wochen, unter Ausscheidung der Verdienste für ausnahmsweise geleistete Arbeiten, bemessen (14.2.2). Der Revisionswerberin ist beizupflichten, daß die Ansicht der Vorinstanzen, der Ausdruck "Mehrleistungsentschädigung" beinhalte sowohl die Überstundenvergütung nach § 16 GehG als auch die Mehrleistungszulage nach § 18 GehG sowohl nach dem Wortlaut als auch dem Sinn der DA nicht der Rechtslage entspricht. Im Revisionsverfahren ist unbestritten, daß der Begriff der Mehrleistung an sich sowohl im rein zeitlichen als auch im quantitativ-qualitativen Bezug verstanden werden kann. Damit ist aber noch nichts darüber gesagt, welchen Begriffsinhalt die im Punkt 14.2.2 DA enthaltenen Mehrleistungsentschädigungen haben. Entgegen der Ansicht des Erstgerichts sind diese Bezüge jedenfalls ex definitione nicht als (ständige) Monatsbezüge gemäß § 6 Abs 2 BBO anzusehen. Es handelt sich dabei vielmehr um spezifische Nebenbezüge, die gemäß § 27 Abs 1 BBO nach den Normen des GehG zuzuordnen sind. Soweit das GehG zwischen der Überstundenvergütung und der Mehrleistungszulage unterscheidet, ist dies auch für das Besoldungsrecht der Beklagten von grundsätzlicher Bedeutung. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes trifft es nicht zu, daß dieses Besoldungsrecht in seinen einzelnen Bestimmungen zwischen diesen beiden Begriffen nicht differenziere und sie vermenge. Nach der für die Überstundenentlohnung maßgeblichen Nebenbezugsnorm "Überstundenrichtlinien-Turnusdienst (ÜR-T)" werden Überstunden als zeitliche Mehrleistungen expressis verbis durch "Überstundenvergütung" abgefunden. Nichts anderes ist dem § 15 der Dienstdauervorschrift A 10 zu entnehmen, der den Ausgleich von Mehr- und Minderleistungen in zeitlicher Hinsicht zum Gegenstand hat. Es ist daher davon auszugehen, daß das Besoldungsrecht der Beklagten den Begriff der Überstundenvergütung im Sinne des § 16 GehG wohl kennt und verwendet, so daß der Nichterwähnung der Überstundenvergütung in Punkt 14 DA normative Bedeutung zukommt und lediglich aus dem Gebrauch des Wortes "Entschädigung" statt "Zulage" noch auf keine Lücke geschlossen werden darf, zumal auch der Begriff der Mehraufwandsentschädigung vorkommt und mit § 20 GehG korrespondiert.

Schon der Wortlaut der Regelung des Punkt 14.2.2 DA spricht gegen die Interpretation der Vorinstanzen. Die Mehrleistungsentschädigungen werden.... nicht unter Ausscheidung der Verdienste für ausnahmsweise geleistete Überstunden, sondern für ausnahmsweise geleistete "Arbeiten" bemessen. Auch wenn der Ausdruck Mehrleistungszulage nicht erwähnt wird, zeigt schon diese Unterscheidung, daß damit nur ein Verweis auf § 18 GehG gemeint sein kann. In dieser Gesetzesstelle ist, wie das Berufungsgericht richtig erkannte, eine Art Akkordvergütung bzw. Leistungsentlohnung geregelt (vgl. Zach aaO Anm.7), die nicht auf die zeitliche Dauer, sondern auf die Intensität der Arbeit abstellt (vgl. § 96 Abs 1 Z 4 ArbVG). Daß sich aber Punkt 14.2.2 der DA sinngemäß gerade auf solche Akkordlöhne und leistungsbezogene Entgelte beziehen soll, zeigt schon ein Vergleich mit der ähnlichen Bestimmung des § 6 Abs 4 UrlG, wonach bei solchen Entgelten das Urlaubsentgelt nach dem Durchschnitt der letzten 13 voll gearbeiteten Wochen unter Ausscheidung nur ausnahmsweise geleisteten Arbeiten zu berechnen ist. Da auch Punkt 14.2.2 DA darauf abstellt, daß "Mehrleistungsentschädigungen" nach dem Durchschnittsverdienst der letzten 13 Wochen, unter Ausscheidung der Verdienste für ausnahmsweise geleistete Arbeiten, bemessen werden, ist der Bezug dieser Bestimmung auch im Hinblick auf die sinnverwandte Bestimmung des § 6 Abs 4 UrlG ausschließlich auf leistungsbezogene Entgelte eindeutig. Mehrleistungen lediglich in zeitlicher Hinsicht können daher von Punkt 14.2.2 DA nicht mitumfaßt sein. Mangels Einbeziehung der Überstundenvergütung in die Bezüge während des Erholungsurlaubs ist das Klagebegehren somit nicht berechtigt.

Die Kostenentscheidungen sind in § 41 bzw. in den §§ 41 und 50 ZPO begründet.

Anmerkung

E20140

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:009OBA00320.89.0131.000

Dokumentnummer

JJT_19900131_OGH0002_009OBA00320_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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