TE OGH 1990/2/1 8Ob531/90

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Veröffentlicht am 01.02.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch, Dr. Graf, Dr. Schalich und Dr. Jelinek als Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Othmar J***, Kraftfahrzeugmechaniker, 2.) Aloisia J***, beide

8544 Pölfing-Brunn, Obergreith, beide vertreten durch Dr. Leo Häusler, Rechtsanwalt in Leibnitz, wider die beklagte Partei Maria Anna F***, Büroangestellte, 8053 Graz, Grottenhofstraße 72, vertreten durch Dr. Gottfried Eisenberger, Dr. Jörg Herzog, Rechtsanwälte in Graz, wegen Feststellung und Unterlassung (Streitwert je S 15.000), infolge ao. Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz als Berufungsgerichtes vom 20. Juni 1989, GZ 5 R 93/89-23, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Leibnitz vom 24. November 1988, GZ 4 C 370/88p-17, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidung des Berufungsgerichtes wird abgeändert und das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt.

Die Beklagte ist schuldig, den Klägern die mit S 26.795 bestimmten Kosten des Verfahrens (einschließlich S 2.684,65 Umsatzsteuer und S 2.640 Barauslagen) binnen 14 Tagen je zur Hälfte zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Kläger sind je zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft EZ 465 KG Untergreith mit dem Grundstück Nr. 1412 Wald. Die Beklagte ist grundbücherliche Eigentümerin der Liegenschaft EZ 463 KG Untergreith, zu deren Gutsbestand unter anderem das Grundstück Nr. 1415/1 Wald gehört. Die Beklagte hat einen Weg angelegt, der teilweise auf der Grundfläche zwischen den Grenzpunkten 63 und 306 sowie 317 und 318, somit auf der Grundfläche, deren Zugehörigkeit zum Grundstück 1412 der Kläger oder 1415/1 der Beklagten strittig ist, verläuft.

Die Kläger begehrten die Feststellung, daß die Grenzlinie zwischen dem Grundstück Nr. 1412 und dem Grundstück Nr. 1415/1 Wald über die im Plan des Dipl.Ing.Dieter I*** vom 9. Juli 1986 ausgewiesenen Grenzpunkte Nr. 63 und 306 verläuft. Weiters beantragten sie, die Beklagte schuldig zu erkennen, jeden Eingriff in das Eigentumsrecht der Kläger an der Liegenschaft EZ 465, insbesondere am Grundstück Nr. 1412 Wald, westlich der Verbindung zwischen den genannten Grenzpunkten zu unterlassen. Sie begründeten ihr Begehren damit, daß die von der Beklagten vorgenommene Weganlegung einen Eingriff in ihre Eigentumsrechte darstelle, weil die davon betroffene Grundfläche zu ihrem Grundstück 1412 gehöre. Die geradlinige Verbindung zwischen den Grenzpunkten 63 und 306 stelle die Grenze zwischen den genannten Grundstücken der Streitteile dar. Die Kläger hätten das Grundstück 1412 mit der ungefähren Fläche von 10.880 m2 in der Natur auch so übergeben erhalten. Eine nachträgliche, von Dipl.Ing.Dieter I*** vorgenommene "Grenzkorrektur" könne der Beklagten kein Eigentum an dem strittigen Grundstücksteil verschaffen. Die Beklagte weigere sich somit zu Unrecht, die Grenze nach den Grenzpunkten Nr. 63 und 306 anzuerkennen.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Die geradlinige Verbindung zwischen den Vermessungspunkten 63 und 306 habe nie die Grenze zwischen den Grundstücken gebildet. Dem Ehegatten der Beklagten sei vom Bevollmächtigten des Verkäufers in der Natur jene Grenze gezeigt worden, die sich aus dem Plan des Dipl.Ing.Dieter I*** vom 24. September 1986 vom Vermessungspunkt 317 zum Vermessungspunkt 318 verlaufend ergebe.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es

traf - zusammengefaßt dargestellt - folgende Feststellungen:

Bruno S*** war Alleineigentümer der Liegenschaft EZ 10 KG Untergreith. Er beauftragte am 14. April 1986 Dkfm.Kurt S*** mit dem Verkauf einer Reihe von Grundstücken, darunter auch der Grundstücke 1412 Wald und 1415/1 Wald. In der Aufstellung Beilage A war das Grundstück Nr. 1412 mit einem Flächenausmaß von 8.902 m2 und das Grundstück Nr. 1415/1 mit einem solchen von 6.697 m2 ausgewiesen. Dkfm. S*** lud für den 9. Mai 1986 Kaufinteressenten zu einer "freiwilligen Versteigerung" in den Gasthof K*** nach Großklein. Die Beklagte und ihr Ehegatte zeigten sich an zwei Grundstücken interessiert. Es standen damals lediglich der Plan Beilage ./L sowie die genannte Aufstellung der zu veräußernden Grundstücke zur Verfügung. Ein anderer Plan existierte noch nicht.

Es kam schließlich auf dieser Grundlage zu einer Einigung über den Kauf der Grundstücke Nr. 1415/1 und 1420/3. Der Ehegatte der Beklagten sagte dabei zu S***, daß er S*** persönlich kenne und ihm dieser den Grenzverlauf im strittigen Bereich schon zeigen würde. Die Ehegatten wollten wissen, wo ihre Grundstücksgrenze tatsächlich in der Natur liegt. S*** meinte, daß eine genaue Vermessung sowie eine Auspflockung des Grenzverlaufes der Grundstücke noch erfolgen würde. Weiters wies er darauf hin, daß zuerst die Grenzen der Grundstücke des Bruno S*** zu den anderen Nachbarn geklärt werden müßten und erst dann die Grundstücke der Beklagten weggemessen würden.

Am 16. Mai 1986 kam es im Büro des Notars Dr. T*** zur Errichtung des Kaufvertrages zwischen Dkfm. Kurt S*** und der Beklagten über die Grundstücke Nr. 1415/1 und 1420/3, ohne daß zwischenzeitig eine Vermessung der zu erwerbenden Grundstücke stattgefunden hätte. Eine ausdrückliche Zusicherung "für die Fläche" und eine Haftungsübernahme wurde von Dkfm. S*** nicht abgegeben. Mit der Beklagten oder ihrem Ehegatten hat vor der Errichtung des Kaufvertrages keinerlei örtliche Begehung stattgefunden. Da eine Klärung der Grenzverläufe erforderlich war und auch von anderen Kaufinteressenten gewünscht wurde, beauftragte S*** Dipl.Ing.I*** mit der Vermessung der einzelnen Grundstücke laut Lageplan Beilage ./L. Der Auftrag lautete, eine Vermesseung derart vorzunehmen, daß klare Grenzen gegeben sind und nicht dahingehend, den Mappenplan Beilage ./L in die Natur einzumessen. Anfang Juni 1986 fand durch Dipl.Ing.I*** die Erstbegehung der zu veräußernden Liegenschaftsteile an Ort und Stelle statt. Die Grenzpunkte Nr. 63 und 306 waren als Außenpunkte bereits ersichtlich. Lediglich der Grenzverlauf wurde im Büro gezogen. Die Grenzpunkte 63 und 306 entsprachen nicht der Grenzlinie, wie sie aus Beilage ./IV ersichtlich ist, sollten aber zu dieser gemacht werden. Am 9. Juli 1986 erfolgte eine neuerliche Begehung durch Dipl.Ing.I***, bei welcher in der Natur die Absteckung der Grenzverläufe erfolgte. Das Ergebnis dieser Begehung war der Plan bzw. die Kartierung Beilage ./F mit den dort blau und grün eingezeichneten Grenzen. Die östliche Grenze des Grundstückes Nr. 1412 und damit auch die westliche des Grundstückes Nr. 1415/1 sollten dabei über die Grenzpunkte Nr. 63 und 306 verlaufen. Diese Kartierung trägt den Vermerk "wie hier eingezeichnet, bereits in der Natur vermarkt".

Dipl.Ing.I*** wurden dabei von Bruno S*** und einigen umliegenden Anrainern die Grenzen in der Natur gezeigt; er setzte an Hand dieser Grenzen dann die Grenzpflöcke. Die Beilage ./F wurde von Dipl.Ing. I*** Dkfm. S*** ausgefolgt. Er wies ihn jedoch darauf hin, daß es sich dabei um einen Rohentwurf und um keine endgültige Vermessung und Darstellung handelte.

Die Kläger erlangten etwa im Mai 1986 davon Kenntnis, daß durch Dkfm. S*** für Bruno S*** verschiedene Grundstücke zum Verkauf gelangen sollten. Der Erstkläger besichtigte etwa Ende Mai Anfang Juni 1986 mit diesem die zum Verkauf stehenden Teile. Zu diesem Zeitpunkt existierte noch keine Vermarkung. S*** teilte ihm mit, daß noch eine endgültige Vermessung und Vermarkung stattfinden würde, welche der Kläger vor Kaufabschluß abwarten wollte.

Mit dem Schreiben vom 28. Juli 1986 teilte S*** dem Erstkläger mit, daß in der Zwischenzeit die Vermarkung erfolgt sei und er sich bei einer Begehung ein Bild über das Ausmaß des Grundstückes Nr. 1412 machen könne. Mit diesem Schreiben wurde gleichzeitig auch eine Ablichtung der Beilage ./F übersandt. Einige Tage danach begab sich der Erstkläger mit seiner Ehegattin und seinem Vater an Ort und Stelle, um die vermarkte Grenze zu besichtigen. Er konnte dabei die einzelnen Grenzpflöcke mit den darauf befindlichen Nummern wahrnehmen. Wiederum einige Tage später vereinbarte er mit S*** eine neuerliche Begehung an Ort und Stelle, die etwa Mitte August 1986 stattfand. Bei dieser Gelegenheit zeigte S*** den Klägern an Hand der damals existierenden Grenzpflöcke mit den Nummern 63 und 306 in der Natur die Grenze zwischen den Grundstücken Nr. 1412 und 1415/1 als Ostgrenze des Grundstückes Nr. 1412. Zu diesem Zeitpunkt wußten die Kläger noch nicht, daß die Beklagte Eigentümerin des benachbarten Grundstückes Nr. 1415/1 war.

Bei dieser Begehung gingen die Kläger mit S*** sämtliche Grenzpunkte ihrer Grundstücke ab. Die Grenzlinie zwischen Nr. 63 und 306 verläuft gerade; auch diese Verbindungslinie wurde von den Klägern begangen. Bei dieser Begehung hatte S*** den Plan Beilage ./F mit. Er wollte den Klägern das Grundstück in diesem Ausmaß, wie es sich aus der Skizze darstellte, ins Eigentum übertragen, und zwar an der Ostgrenze über die Grenzpunkte Nr. 63 und 306 verlaufend.

Am 19. September 1986 wurde im Büro Dris. T*** der Kaufvertrag zwischen S*** als Bevollmächtigten des Bruno S*** einerseits und den Klägern andererseits über das Grundstück Nr. 1412 abgeschlossen. Kurz vor der Vertragserrichtung erhielt der Verfasser Dr. Werner P*** von Dkfm. S*** die Information, daß das Grundstück nicht mehr das ursprüngliche Flächenausmaß von 8.902 m2, sondern auf Grund der Ergebnisse der vorläufigen Vermessung des Dipl.Ing.I*** ein solches von 10.880 m2 aufweise, weshalb dieses Ausmaß in den Vertrag aufgenommen wurde. Zu diesem Zeitpunkt war Dr. P*** bekannt, daß Dipl.Ing. I*** mit der Erstellung eines endgültigen Vermessungsplanes beschäftigt war. Es wurde jedoch die endgültige Ausarbeitung des Planes nicht abgewartet, weil mit Nachdruck die Lastenfreistellung der Liegenschaft betrieben werden sollte.

Im Punkt IV. des Vertrages wurde eine Haftung des Verkäufers für "Lage, Beschaffenheit, Eignung oder ein bestimmtes Flächenausmaß" ausgeschlossen.

Die Beklagte hatte mit dem Kaufvertrag vom 6. Juni 1986 die Grundstücke Nr. 1416/3 mit dem ursprünglichen Flächenausmaß von 2655 m2 und mit dem Kaufvertrag vom 23. Mai 1986 das Grundstück Nr. 1410 mit dem ursprünglichen Flächenausmaß von 964 m2 erworben. Im August 1986 fand im Büro des Dipl.Ing. I*** eine Besprechung zwischen diesem, Dkfm. S*** und dem Ehegatten der Beklagten statt, weil es Differenzen über das Flächenausmaß der von der Beklagten erworbenen Grundstücke gab. Bei dieser Besprechung wurde festgelegt, daß als Flächenausgleich für die Beklagte der Grenzverlauf des Grundstückes Nr. 1415/1 nach Westen verschoben werden sollte. Dipl.Ing. I*** fragte dabei Dkfm. S***, ob das Grundstück 1412 bereits veräußert sei, was von diesem verneint wurde. In weiterer Folge wurde von Dipl.Ing.I*** der endgültige Vermessungsplan vom 24. September 1986, Beilage ./III, erstellt. Darin verläuft die Grenze zwischen den Grundstücken Nr. 1412 und 1415/1 nicht mehr über die Grenzpunkte 63 und 306, sondern über die Grenzpunkte 317 und 318, wobei es sich bei diesen um jene handelt, die auf Grund der Grenzverschiebung im Büro festgelegt wurden. Die neuen Grenzpunkte waren zu diesem Zeitpunkt in der Natur noch nicht vermarkt. Dipl.Ing.I*** schlug aus Kostengründen diese Grenzverschiebung in Richtung Westen vor.

Nach dem Ergebnis dieser endgültigen Vermessung wies das Grundstück des Klägers Nr. 1412 nun ein Flächenausmaß von 9.641 m2, die Grundstücke der Beklagten Nr. 1410 ein solches von 1411 m2, Nr. 1416/3 ein solches von 2535 m2, Nr. 1420/3 ein solches von 556 m2 und das Grundstück Nr. 1415/1 ein Flächenausmaß von 6396 m2 auf. Das Flächenausmaß des klägerischen Grundstückes Nr. 1412 hatte sich also zum Ausmaß der Kartierung vom 9. Juli 1986 um 1239 m2 verringert.

Bruno S*** hatte nach der Errichtung des Kaufvertrages vom 16. Mai 1986 und vor der Errichtung des Kaufvertrages vom 19. September 1986 mit dem Ehegatten der Beklagten zwei Begehungen an Ort und Stelle durchgeführt. Bei der ersten Begehung waren rot gefärbelte Stecken als Grenzpunkte mit Nummern bereits vorhanden. Im Bereich der strittigen Grenze befand sich im Graben unten ein weiterer rot gefärbelter Stecken. Die Grenze verlief zwischen beiden Punkten gerade. Beim unteren Stecken handelte es sich um jenen, der später durch die Ausschubarbeiten der Beklagten entfernt wurde (Nr. 306). Bei der zweiten Begehung waren bereits die Grenzsteine vorhanden. S*** zeigte auch dem Kläger die gleiche Grenze. Die zwischen diesen beiden Punkten verlaufende Grenze war jene, die S*** haben wollte. Die Bekagte selbst wurde weder von Dkfm. S*** noch von Bruno S*** jemals in der Natur

eingewiesen; ihr wurden die Grenzverläufe nicht gezeigt. Der Ehegatte der Beklagten erhielt im September 1986 von Dipl.Ing.I*** den Plan Beilage ./III zugesandt.

Im November 1986 begann die Beklagte im Bereich des Grenzpunktes Nr. 306 mit Ausschubarbeiten zur Verbesserung des dort befindlichen Servitutsweges. Dabei wurde der Grenzpunkt Nr. 306 verschoben, der Grenzstein verschüttet und der Grenzpflock herausgerissen. Am 16. November 1986 entdeckten die Kläger anläßlich einer Begehung ihres Grundstückes, daß dieser Grenzpunkt durch die Arbeiten der Beklagten unkenntlich geworden war. Daraufhin rief die Zweitklägerin am folgenden Montag - da sie S*** zwischenzeitig nicht erreichte - Dipl.Ing. I*** an. Sie wollte den Grenzpflock wieder dort einsetzen lassen, wo er sich vormals befunden hatte. Dipl.Ing.I*** sicherte zu, daß er sich die Sache an Ort und Stelle ansehen werde.

Am 21.November 1986 erschien ein Mitarbeiter des Dipl.Ing.I*** an Ort und Stelle. Er hatte den Auftrag, die Grenzpunkte 317 und 318 auf Grund eines Flächenausgleiches in der Natur einzumessen und zu kennzeichnen. Die Parteien wurden dieser Arbeit nicht beigezogen. Zu diesem Zeitpunkt waren die Grenzpunkte 63 und 306 eindeutig durch Plastikmarken ersichtlich. Der verschüttete Grenzpunkt 306 wurde durch Grabung freigelegt. Die Grenzpunkte 317 und 318 wurden völlig neu gesetzt. Sie haben vor dieser Aussteckung in der Natur nicht bestanden.

Der zufällig vorbeikommenden Zweitklägerin teilte der Mitarbeiter des Dipl.Ing.I*** mit, daß der Grenzpunkt 306 freigelegt und alles in Ordnung sei. Er sagte ihr nichts darüber, daß er inzwischen andere Grenzpunkte gesetzt hatte. Einige Tage danach warf die Zweitklägerin dem Ehegatten der Beklagten vor, daß die Ausschubarbeiten auf dem Grund der Kläger durchgeführt worden seien. Er stellte dies in Abrede und sicherte zu, sich über den tatsächlichen Grenzverlauf zu erkundigen. Einige Tage später kam der Ehegatte der Beklagten zu den Klägern und zeigte ihnen die Beilage ./III mit der nicht mehr über die Grenzpunkte 63 und 306, sondern über die Punkte 317 und 318 verlaufenden Grenze. Die Kläger sahen diese Urkunde bei dieser Gelegenheit erstmals. Sie hatten auch vorher mit der Beklagten über den Grenzverlauf nicht gesprochen.

Etwa im Dezember 1986 fand schließlich im Büro des Dr. T*** eine Besprechung zwischen den Klägern, Bruno S***,

Dkfm. S***, Dipl.Ing.I*** und Dr. P*** statt. Den Klägern wurde der Vorschlag gemacht, entweder vom Vertrag zurückzutreten oder eine Kaufpreisminderung zu akzeptieren. Die Kläger waren jedoch mit keiner dieser Lösungen einverstanden, sondern bestanden darauf, das Grundstück in jenem Ausmaß übertragen zu erhalten, wie es ihnen gezeigt worden war. Von der beklagten Partei war damals niemad zugegen.

Die grundbücherliche Durchführung der abgeschlossenen Kaufverträge erfolgte im Mai 1987, wobei die einzelnen Grundbuchseingaben in der Kanzlei Dris. T*** mit römischen Ziffern versehen wurden, um ein gestaffeltes Einlangen mit Minutenstempel in der Einlaufstelle des Bezirksgerichtes Leibnitz zu erlangen. Das Grundbuchsgesuch der Beklagten langte am 20. Mai 1987 um 10,11 Uhr ein, jenes der Kläger am 20. Mai 1987 um 10,13 Uhr. Das Gesuch der Beklagten wurde mit dem Beschluß vom 20. Mai 1987, jenes der Kläger mit dem Beschluß vom 22. Mai 1987 bewilligt und beide am 22. Mai 1987 vollzogen.

Rechtlich war das Erstgericht der Ansicht, daß die Grenze zwischen den Grundstücken der Streitteile durch die Vermessungspunkte 63 und 306 gebildet werde. Die westlich davon liegende Fläche gehöre zu dem von den Klägern gekauften Grundstück Nr. 1412. Nur diese seien in der Natur so eingewiesen worden. Die Beklagte habe das Grundstück 1415/1 nicht mit einer bestimmten Ausdehnung in der Natur erworben. Sie sei nicht Eigentümerin der strittigen Fläche geworden, weil eine Vermarkung mit den Grenzpunkten 317 und 318 erst nach Abschluß des Kaufvertrages über das Grundstück 1412 zwischen den Klägern und deren Rechtsvorgängern erfolgte.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge. Es änderte das erstgerichtliche Urteil dahin ab, daß es das Klagebegehren abwies. Das Gericht zweiter Instanz sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 15.000, nicht aber S 300.000 übersteigt und erklärte die Revision für nicht zulässig. Auf der Grundlage der vom Erstgericht getroffenen Feststellungen gelangte es zu einer anderen rechtlichen Beurteilung. Die Vertragsteile hätten einverständlich die Grundbuchsmappe ./L zum Inhalt der Kaufverhandlungen über das Grundstück 1415/1 gemacht und die Beklagte habe dieses Grundstück mit den Ausmaßen erworben, die sich aus dem Mappenplan ./L ergäben. Sie habe nicht nach dem Plan ./F gekauft. Die Beklagte habe zuerst gekauft, sie habe auch früher um die Eintragung ihres Eigentumsrechtes im Grundbuch angesucht. Die der Grundbuchseintragung widersprechende Verminderung der gekauften Fläche auf 6.396 m2 sei unaufgeklärt geblieben. Den Klägern sei es nicht gelungen nachzuweisen, daß die Grenzlinie zwischen den Punkten 63 und 306 verläuft.

Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die ao. Revision der Kläger aus dem Anfechtungsgrund des § 503 Z 4 ZPO mit dem Antrag, das angefochtene Urteil abzuändern und die Entscheidung des Erstgerichtes wiederherzustellen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt in der Revisionsbeantwortung, deren Erstattung ihr anheimgestellt wurde, die Revision zurückzuweisen oder ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und berechtigt.

Die Auffassung des Berufungsgerichtes, daß der Parteiwille zwischen den Verkäufern und der Beklagten eindeutig darauf gerichtet gewesen sei, das Grundstück Nr. 1415/1 so zu kaufen, wie es sich aus dem Mappenplan Beilage ./L in der Natur darstellt, entspricht nicht den vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen des Erstgerichtes. Ausdrücklich wurde festgehalten (AS 118), daß Josef F***, der Ehegatte der Beklagten, zu dem Verkaufsbevollmächtigten S*** sagte, daß er den bisherigen Liegenschaftseigentümer S*** persönlich kenne "und ihm dieser den Grenzverlauf im strittigen Bereich schon zeigen werde", und daß die Ehegatten F*** "wissen wollten, wo ihre Grundstücksgrenze tatsächlich in der Natur liegt". Dies kann aber nur so verstanden werden, daß der Grenzverlauf zwischen den beiden Grundstücken in der Natur einer späteren Feststellung vorbehalten blieb. Daß die Beklagte den Kaufvertrag früher abschloß als die Kläger, hat daher für die Frage des Grenzverlaufes nichts zu bedeuten.

Wohl aber wurde den Klägern das Grundstück Nr. 1412 mit den von ihnen geltend gemachten Grenzen sogleich in der Natur gezeigt. Dem Ehegatten der Beklagten wurde sodann zwischen den Vertragsabschlüssen vom 16. Mai 1986 und 19. September 1986 in der Natur eindeutig dargetan, daß die Grenzlinie durch die einzigen schon bisher in der Natur vorhandenen Grenzpunkte 63 und 306 lief (vgl. hiezu die Feststellungen des Erstgerichtes AS 125, 126). Sogar noch am 21. November 1986 waren an Ort und Stelle nur diese Grenzpunkte mit Plastikmarken ersichtlich gemacht (AS 126/127); dann erst wurden die Grenzpunkte 317, 318, auf die sich die Beklagte beruft, "völlig neu gesetzt; sie haben vor dieser Aussteckung in der Natur nicht bestanden" (AS 127).

Diese spätere Markierung der Grenzpunkte hat keinen Einfluß darauf, daß die Kläger das Grundstück Nr. 1412 mit der in der Natur ersichtlichen Grenze zwischen den Grenzpunkten 63 und 306 gekauft haben. Die Beklagte hat diese Tatsache im Hinblick darauf, daß ihr Ehegatte beim Kaufvertragsabschluß vom 16. Mai 1986 den Grenzverlauf der späteren Klärung an Ort und Stelle überließ, gegen sich gelten zu lassen.

Aus den dargestellten Gründen kann der Auffassung des Berufungsgerichtes, die Beklagte habe früher Rechte am strittigen Liegenschaftsteil erworben, nicht gefolgt werden. Vielmehr erweist sich die Auffassung des Erstgerichtes als zutreffend, daß die Kläger Eigentum an der Liegenschaft 1412 mit den in der Natur ständig sichtbaren Grenzpunkten 63 und 306 erworben haben. Die Ausschubarbeiten der Beklagten waren demnach widerrechtlich. Der Revision war daher Folge zu geben und das Ersturteil wiederherzustellen.

Der Kostenausspruch beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Ein von der Beklagten gerügter Rechenfehler des Erstgerichtes wurde dabei richtiggestellt.

Anmerkung

E20420

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0080OB00531.9.0201.000

Dokumentnummer

JJT_19900201_OGH0002_0080OB00531_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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