TE Vwgh Beschluss 2005/11/22 2004/03/0178

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Veröffentlicht am 22.11.2005
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Index

E000 EU- Recht allgemein;
E1E;
E3L E13206000;
E6J;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
59/04 EU - EWR;
91/01 Fernmeldewesen;

Norm

11997E234 EG Art234;
32002L0021 Rahmen-RL Kommunikationsnetze Art15;
32002L0021 Rahmen-RL Kommunikationsnetze Art16 Abs2;
32002L0021 Rahmen-RL Kommunikationsnetze Art16 Abs3;
32002L0021 Rahmen-RL Kommunikationsnetze Art16 Abs4;
32002L0021 Rahmen-RL Kommunikationsnetze Art16;
32002L0021 Rahmen-RL Kommunikationsnetze Art4 Abs1;
32002L0021 Rahmen-RL Kommunikationsnetze Art4;
32002L0021 Rahmen-RL Kommunikationsnetze Art6;
32002L0021 Rahmen-RL Kommunikationsnetze Art7;
32002L0021 Rahmen-RL Kommunikationsnetze Art8;
32002L0021 Rahmen-RL Kommunikationsnetze Erwägungsgrund12;
32002L0021 Rahmen-RL Kommunikationsnetze Erwägungsgrund22;
32002L0021 Rahmen-RL Kommunikationsnetze Erwägungsgrund27;
61990CJ0087 Verholen VORAB;
61998CJ0228 Dounias / Oikonomikon VORAB;
61999CJ0226 Siples VORAB;
61999CJ0459 MRAX VORAB;
AVG §8 idF 2004/I/010;
EURallg;
TKG 2003 §128;
TKG 2003 §129;
TKG 2003 §37 Abs1;
TKG 2003 §37 Abs5;
TKG 2003 §37;
VwGG §38b idF 2004/I/089;

Beachte

Vorabentscheidungsverfahren:* EU-Register: EU 2005/0003 21. Februar 2008 * EuGH-Zahl: C 426/05 * Ausgesetzte Beschwerde gemäß §38 AVG iVm §62 VwGG:2007/03/0028 B 26. April 2007 2006/03/0046 B 10. Oktober 2007 * EuGH-Entscheidung:EuGH 62005CJ0426 21. Februar 2008 * Enderledigung des gegenständlichen Ausgangsverfahrens im fortgesetzten Verfahren: 2008/03/0020 E 26. März 2008 VwSlg 17406 A/2008 * Fortgesetztes Verfahren im VwGH nach EuGH-Entscheidung: 2008/03/0023 E 26. März 2008 2008/03/0020 E 26. März 2008 VwSlg 17406 A/2008

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Handstanger, Dr. Berger, Dr. Lehofer und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, in der Beschwerdesache der Tele2 UTA Telecommunication GmbH in Wien, vertreten durch Brauneis, Klauser und Prändl Rechtsanwälte OEG in 1010 Wien, Bauernmarkt 2, gegen den Bescheid der Telekom-Control-Kommission vom 6. September 2004, Zl S 23/04-3, betreffend Parteistellung in Marktanalyseverfahren, den Beschluss gefasst:

Spruch

Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften werden nach Art 234 EG folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Sind die Art 4 und 16 der Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste (Rahmenrichtlinie) ABl L 108 vom 24. April 2002, S. 33, (RL 2002/21/EG) dahin auszulegen, dass unter "betroffenen" Parteien auch solche auf dem relevanten Markt als Wettbewerber auftretende Unternehmen zu verstehen sind, denen gegenüber in einem Marktanalyseverfahren spezifische Verpflichtungen nicht auferlegt, beibehalten oder abgeändert werden?

2. Für den Fall der Bejahung der ersten Frage:

Steht Art 4 der RL 2002/21/EG einer nationalen Vorschrift entgegen, die vorsieht, dass in einem Marktanalyseverfahren nur das Unternehmen Parteistellung hat, dem gegenüber spezifische Verpflichtungen auferlegt, abgeändert oder aufgehoben werden?

Begründung

I. Sachverhalt:

1. Die Beschwerdeführerin, eine in Österreich tätige Bereitstellerin elektronischer Kommunikationsnetze und -dienste, hatte am 16. Juli 2004 beantragt, dass ihr in den im Folgenden bezeichneten, von der belangten Behörde gemäß § 37 des österreichischen Telekommunikationsgesetzes, BGBl I Nr 70/2003 (TKG 2003), mit dem Artikel 16 der RL 2002/21/EG umgesetzt wurde, geführten Marktanalyseverfahren Parteistellung und das Recht auf Akteneinsicht eingeräumt werde:

"GZ

Markt

M 1/03

Zugang von Privatkunden zum öffentlichen Telefonnetz an festen Standorten

M 2/03

Zugang von Nichtprivatkunden zum öffentlichen Telefonnetz an festen Standorten

M 3/03

Inlandsgespräche für Privatkunden über das öffentliche Telefonnetz an festen Standorten

M 4/03

Inlandsgespräche für Nichtprivatkunden über das öffentliche Telefonnetz an festen Standorten

M 5/03

Auslandsgespräche für Privatkunden über das öffentliche Telefonnetz an festen Standorten

M 5a/03

Aufhebung der gemäß §§ 133 Abs. 2 TKG 2003 weitergeltenden Verpflichtungen der Telekom Austria betreffend den Markt 'Auslandsgespräche für Privatkunden über das öffentliche Telefonnetz an festen Standorten'

M 6/03

Auslandsgespräche für Nichtprivatkunden über das öffentliche Telefonnetz an festen Standorten

M 7/03

Originierung im öffentlichen Telefonnetz an festen Standorten

M 8a/03

Terminierung in das individuelle öffentliche Telefonnetz der Telekom Austria

M 8b/03

Terminierung in das individuelle öffentliche Telefonnetz der IT Austria

M 8c/03

Terminierung in das individuelle öffentliche Telefonnetz der Colt

M 8d/03

Terminierung in das individuelle öffentliche Telefonnetz der T- Mobile

M 8e/03

Terminierung in das individuelle öffentliche Telefonnetz der tele.ring

M 8f/03

Terminierung in das individuelle öffentliche Telefonnetz der Tele2

M 8g/03

Terminierung in das individuelle öffentliche Telefonnetz der Telekabel

M 8h/03

Terminierung in das individuelle öffentliche Telefonnetz der eTel

M 8/i/03

Terminierung in das individuelle öffentliche Telefonnetz der Equant

M 8j/03

Terminierung in das individuelle öffentliche Telefonnetz der UTA

M 8k/03

Terminierung in das individuelle öffentliche Telefonnetz der Liwest

M 9/03

Transitdienste im öffentlichen Festtelefonnetz

M 9a/03

Aufhebung der gemäß §§ 133 Abs. 2 TKG 2003 weitergeltenden Verpflichtungen der Telekom Austria betreffend den Markt 'Transitdienste im öffentlichen Festtelefonnetz'

M 11/03

Trunk- Segmente von Mietleitungen

M 12/03

Terminierende Segmente von Mietleitungen

M 13/03

Entbündelter Zugang einschließlich gemeinsamer Zugang zu Drahtleitungen und Teilabschnitten davon für die Erbringung von Breitband- und Sprachdiensten."

2. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 6. September 2004 wies die belangte Behörde diesen Antrag ab. Gemäß § 37 Abs 5 TKG 2003 hätte in Marktanalyseverfahren nach § 37 TKG 2003 nur jenes Unternehmen Parteistellung, dem gegenüber spezifische Verpflichtungen auferlegt, abgeändert oder aufgehoben würden, nicht aber andere Unternehmen, daher auch nicht die Beschwerdeführerin.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Für die Entscheidung über diese Beschwerde ist aus den nachfolgend dargelegten Gründen die beantragte Auslegung erforderlich:

II. Die maßgeblichen Bestimmungen des nationalen Rechts:

1. § 8 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes, BGBl Nr 51/1991 in der Fassung BGBl I Nr 10/2004:

"Personen, die eine Tätigkeit der Behörde in Anspruch nehmen oder auf die sich die Tätigkeit der Behörde bezieht, sind Beteiligte und, insoweit sie an der Sache vermöge eines Rechtsanspruches oder eines rechtlichen Interesses beteiligt sind, Parteien."

2. Telekommunikationsgesetz 2003, BGBl I Nr 70/2003 (TKG 2003):

"Marktanalyseverfahren

§ 37. (1) Die Regulierungsbehörde führt von Amts wegen unter Berücksichtigung der Bestimmungen der Europäischen Gemeinschaften in regelmäßigen Abständen, längstens aber in einem Abstand von zwei Jahren, eine Analyse der durch die Verordnung gemäß § 36 Abs. 1 festgelegten relevanten Märkte durch. Ziel dieses Verfahrens ist nach der Feststellung, ob auf dem jeweils relevanten Markt ein oder mehrere Unternehmen über beträchtliche Marktmacht verfügen oder aber effektiver Wettbewerb gegeben ist, die Aufhebung, Beibehaltung, Änderung oder Auferlegung von spezifischen Verpflichtungen.

(2) Gelangt die Regulierungsbehörde in diesem Verfahren zur Feststellung, dass auf dem relevanten Markt ein oder mehrere Unternehmen über beträchtliche Marktmacht verfügen und somit kein effektiver Wettbewerb besteht, hat sie diesem oder diesen Unternehmen geeignete spezifische Verpflichtungen nach §§ 38 bis 46 oder nach § 47 Abs. 1 aufzuerlegen. Bereits bestehende spezifische Verpflichtungen für Unternehmen werden, sofern sie den relevanten Markt betreffen, von der Regulierungsbehörde nach Maßgabe der Ergebnisse des Verfahrens unter Berücksichtigung der Regulierungsziele geändert oder neuerlich auferlegt.

(3) Stellt die Regulierungsbehörde auf Grund des Verfahrens fest, dass auf dem relevanten Markt effektiver Wettbewerb besteht und somit kein Unternehmen über beträchtliche Marktmarkt verfügt, darf sie - mit Ausnahme von § 47 Abs. 2 - keine Verpflichtungen gemäß Abs. 2 auferlegen; diesfalls wird das Verfahren hinsichtlich dieses Marktes durch Beschluss der Regulierungsbehörde formlos eingestellt und dieser Beschluss veröffentlicht. Soweit für Unternehmen noch spezifische Verpflichtungen auf diesem Markt bestehen, werden diese mit Bescheid aufgehoben. In diesem Bescheid ist auch eine angemessene, sechs Monate nicht übersteigende Frist festzusetzen, die den Wirksamkeitsbeginn der Aufhebung festlegt.

(4) Im Falle länderübergreifender Märkte, die durch Entscheidung der Europäischen Kommission festgelegt wurden, führen die betreffenden nationalen Regulierungsbehörden die Marktanalyse in enger Abstimmung und unter Berücksichtigung der Leitlinien zur Marktanalyse und zur Bewertung beträchtlicher Marktmacht durch und stellen einvernehmlich fest, ob ein oder mehrere Unternehmen über beträchtliche Marktmacht verfügen oder aber effektiver Wettbewerb gegeben ist. Die Absätze 1, 2, 3 und 5 sind sinngemäß anzuwenden.

(5) Parteistellung in diesem Verfahren hat nur das Unternehmen, dem gegenüber spezifische Verpflichtungen auferlegt, abgeändert oder aufgehoben werden.

(6) Nutzer und Betreiber von Kommunikationsdiensten oder - netzen sind verpflichtet, in dem in § 90 festgelegten Umfang in den Verfahren nach § 36 und § 37 mitzuwirken.

(7) Die Regulierungsbehörde hat nach Abs. 2 bis 4 erlassene Bescheide zu veröffentlichen und eine Abschrift an die Europäische Kommission zu übermitteln.

...

Konsultationsverfahren

§ 128. (1) Der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie sowie die Regulierungsbehörde gewähren interessierten Personen innerhalb einer angemessenen Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zum Entwurf von Vollziehungshandlungen gemäß diesem Bundesgesetz, die beträchtliche Auswirkungen auf den betreffenden Markt haben werden. Davon ausgenommen sind Maßnahmen gemäß §§ 91 Abs. 4, 122 und 130. Die Konsultationsverfahren sowie deren Ergebnisse werden von der jeweiligen Behörde der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, soweit § 125 nicht anderes bestimmt.

(2) Allfällige verfahrensrechtliche Fristen sind während der für die Stellungsnahme gewährten Frist gehemmt.

(3) Betrifft der Entwurf eine individuelle Vollziehungsmaßnahme, die auf Antrag einer Partei in Aussicht genommen ist, ist während der für die Stellungsnahme gewährten Frist ausschließlich eine Zurückziehung des Antrages zulässig. In diesem Fall ist das Verfahren einzustellen und der diesbezügliche Beschluss zu veröffentlichen.

(4) Der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie sowie die Regulierungsbehörde gewähren interessierten Personen innerhalb einer angemessenen Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu Fragen betreffend Endnutzer- oder Verbraucherrechte in Zusammenhang mit öffentlichen Kommunikationsdiensten. Sie berücksichtigen diese Stellungnahmen soweit dies angemessen ist, insbesondere wenn beträchtliche Auswirkungen auf den Markt zu erwarten sind.

...

Koordinationsverfahren

§ 129. (1) Betrifft der Entwurf einer Vollziehungshandlung gemäß § 128, die Auswirkungen auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten haben wird,

1.

die Marktdefinition (§ 36),

2.

eine Marktanalyse (§ 37),

3.

die Zusammenschaltung oder

4.

Verpflichtungen, die gemäß §§ 38 bis 42 auferlegt werden, ist der Entwurf gleichzeitig mit einer Begründung der Europäischen Kommission sowie den nationalen Regulierungsbehörden der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft zur Verfügung zu stellen und die Europäische Kommission sowie die nationalen Regulierungsbehörden der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft davon zu unterrichten.

(2) Die Europäische Kommission sowie die nationalen Regulierungsbehörden der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft können binnen einem Monat zu dem betreffenden Entwurf Stellung nehmen. Diesen Stellungnahmen ist weitestgehend Rechnung zu tragen. Außer in Fällen des Abs. 3 kann die sich daraus ergebende Vollziehungshandlung in Kraft gesetzt werden. Sie ist der Europäischen Kommission zu übermitteln.

(3) Die Vollziehungshandlung ist um weitere zwei Monate aufzuschieben, wenn

1. sie sich auf Entscheidungen gemäß §§ 36 Abs. 3 oder 37 Abs. 1 bezieht und

2. sie Auswirkungen auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten haben wird und

3. die Europäische Kommission mitgeteilt hat, sie sei der Auffassung, die Vollziehungshandlung schaffe ein Hemmnis für den Binnenmarkt oder dass ernsthafte Zweifel an der Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht, insbesondere mit den in § 1 genannten Zielen, bestünden. Falls die Europäische Kommission unter Angabe objektiver und detaillierter Gründe zur Zurückziehung des Entwurfes auffordert, ist das Normerzeugungsverfahren einzustellen. Verfahrensrechtliche Fristen bleiben während der Durchführung des Verfahrens nach diesem Absatz gehemmt.

(4) Vollziehungshandlungen gemäß Abs. 1 können ohne Durchführung der Verfahren gemäß Abs. 1 und 3 für die Dauer von höchstens drei Monaten erlassen werden, sofern die sofortige Vollziehungshandlung bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände erforderlich ist, um den Wettbewerb zu gewährleisten und die Nutzerinteressen zu schützen. Die Europäische Kommission sowie die nationalen Regulierungsbehörden der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft sind unverzüglich unter Anschluss einer vollständigen Begründung zu unterrichten. Vor einer Verlängerung der Geltungsdauer der Vollziehungsmaßnahme sind die Verfahren gemäß Abs. 1 und 3 durchzuführen.

(5) Aus Zweckmäßigkeitsgründen kann ein normsetzendes Organ die Veröffentlichung des Entwurfes sowie die Veröffentlichung der einlangenden Äußerungen durch die Regulierungsbehörde besorgen lassen.

(6) Die Regulierungsbehörde hat ein Verzeichnis über die anhängigen Verfahren nach Abs. 1 bis 4 zu führen und dieses zu veröffentlichen."

III. Die maßgeblichen Bestimmungen des Gemeinschaftsrechtes:

Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste (RL 2002/21/EG):

"Artikel 4

Rechtsbehelf

(1) Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass es auf nationaler Ebene wirksame Verfahren gibt, nach denen jeder Nutzer oder Anbieter elektronischer Kommunikationsnetze und/oder -dienste, der von einer Entscheidung einer nationalen Regulierungsbehörde betroffen ist, bei einer von den beteiligten Parteien unabhängigen Beschwerdestelle Rechtsbehelf gegen diese Entscheidung einlegen kann. Diese Stelle, die auch ein Gericht sein kann, muss über den angemessenen Sachverstand verfügen, um ihrer Aufgabe gerecht zu werden. Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass den Umständen des Falles angemessen Rechnung getragen wird und wirksame Einspruchsmöglichkeiten gegeben sind. Bis zum Abschluss eines Beschwerdeverfahrens bleibt der Beschluss der nationalen Regulierungsbehörde in Kraft, sofern nicht die Beschwerdeinstanz anders entscheidet.

...

Artikel 6

Konsultation und Transparenz

Abgesehen von den Fällen nach Artikel 7 Absatz 6, Artikel 20 oder Artikel 21 sorgen die Mitgliedstaaten dafür, dass die nationalen Regulierungsbehörden interessierten Parteien innerhalb einer angemessenen Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zum Entwurf von Maßnahmen geben, die sie gemäss dieser Richtlinie oder den Einzelrichtlinien zu treffen gedenken und die beträchtliche Auswirkungen auf den betreffenden Markt haben werden. Die nationalen Regulierungsbehörden veröffentlichen ihre jeweiligen Anhörungsverfahren. Die Mitgliedstaaten sorgen für die Einrichtung einer einheitlichen Informationsstelle, bei der eine Liste aller laufenden Anhörungen aufliegt. Die Ergebnisse des Anhörungsverfahrens werden von der nationalen Regulierungsbehörde der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, außer bei vertraulichen Informationen gemäss den Rechtsvorschriften der Gemeinschaft und des jeweiligen Mitgliedstaates über die Vertraulichkeit von Geschäftsgeheimnissen.

Artikel 7

Konsolidierung des Binnenmarktes für elektronische Kommunikation

(1) Bei der Erfüllung ihrer Aufgaben gemäss dieser Richtlinie und den Einzelrichtlinien tragen die nationalen Regulierungsbehörden den in Artikel 8 genannten Zielen, auch soweit sie sich auf das Funktionieren des Binnenmarktes beziehen, weitestgehend Rechnung.

(2) Die nationalen Regulierungsbehörden tragen zur Entwicklung des Binnenmarktes bei, indem sie miteinander und mit der Kommission auf transparente Weise kooperieren, um in allen Mitgliedstaaten eine kohärente Anwendung der Bestimmungen dieser Richtlinie und der Einzelrichtlinien zu gewährleisten. Zu diesem Zweck versuchen sie insbesondere, Einvernehmen über die geeignetsten Mittel und Wegen zur Bewältigung besonderer Situationen auf dem Markt zu erreichen.

(3) Zusätzlich zu der Anhörung nach Artikel 6 stellt eine nationale Regulierungsbehörde, die beabsichtigt, Maßnahmen zu ergreifen, die

a) in den Anwendungsbereich der Artikel 15 oder 16 dieser Richtlinie oder der Artikel 5 oder 8 der Richtlinie 2002/19/EG (Zugangsrichtlinie) oder aber des Artikels 16 der Richtlinie 2002/22/EG (Universaldienstrichtlinie) fallen, und

b) Auswirkungen auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten haben werden, gleichzeitig der Kommission und den nationalen Regulierungsbehörden der anderen Mitgliedstaaten den Entwurf der Maßnahme zusammen mit einer Begründung gemäss Artikel 5 Absatz 3 zur Verfügung und unterrichtet die Kommission und die übrigen nationalen Regulierungsbehörden hiervon. Die nationalen Regulierungsbehörden und die Kommission können nur innerhalb eines Monats oder innerhalb der in Artikel 6 genannten Frist, falls diese länger als ein Monat ist, Stellungnahmen an die betreffenden nationalen Regulierungsbehörden richten. Die Einmonatsfrist kann nicht verlängert werden.

(4) Richtet sich eine geplante Maßnahme gemäss Absatz 3 auf

a) die Festlegung eines relevanten Marktes, der sich von jenen unterscheidet, die in der Empfehlung im Einklang mit

Artikel 15 Absatz 1 definiert werden, oder

b) die Festlegung, inwieweit ein Unternehmen allein oder zusammen mit anderen eine beträchtliche Marktmacht gemäss

Artikel 16 Absätze 3, 4 oder 5 hat, wobei dies Auswirkungen auf den Handel zwischen den Mitgliedstaaten hätte, und hat die Kommission gegenüber der nationalen Regulierungsbehörde erklärt, dass sie der Auffassung ist, dass der Maßnahmenentwurf ein Hemmnis für den Binnenmarkt schaffen würde, oder hat sie ernsthafte Zweifel an der Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht und insbesondere den in Artikel 8 genannten Zielen, dann wird der Beschluss über den Maßnahmenentwurf um weitere zwei Monate aufgeschoben. Diese Frist kann nicht verlängert werden. Innerhalb dieses Zeitraums kann die Kommission im Einklang mit dem in Artikel 22 Absatz 2 festgelegten Verfahren beschließen, die betreffende nationale Regulierungsbehörde aufzufordern, den Entwurf zurückzuziehen. In dem Beschluss muss detailliert und objektiv analysiert sein, weshalb die Kommission der Auffassung ist, dass der Maßnahmenentwurf nicht angenommen werden sollte, und es sind zugleich spezifische Vorschläge zur Änderung des Maßnahmenentwurfs vorzulegen.

(5) Die betreffende nationale Regulierungsbehörde trägt den Stellungnahmen der anderen nationalen Regulierungsbehörden und der Kommission weitestgehend Rechnung; sie kann den sich daraus ergebenden Maßnahmenentwurf - außer in den in Absatz 4 genannten Fällen - annehmen und ihn der Kommission übermitteln.

(6) Ist eine nationale Regulierungsbehörde bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände der Ansicht, dass dringend - ohne das Verfahren gemäß den Absätzen 3 und 4 einzuhalten - gehandelt werden muss, um den Wettbewerb zu gewährleisten und die Nutzerinteressen zu schützen, so kann sie umgehend angemessene und einstweilige Maßnahmen erlassen. Sie teilt diese der Kommission und den übrigen nationalen Regulierungsbehörden unverzüglich mit einer vollständigen Begründung mit. Ein Beschluss der nationalen Regulierungsbehörde, diese Maßnahmen dauerhaft zu machen oder ihre Geltungsdauer zu verlängern, unterliegt den Bestimmungen der Absätze 3 und 4.

Artikel 16

Marktanalyseverfahren

(1) Sobald wie möglich nach der Verabschiedung der Empfehlung oder deren etwaiger Aktualisierung führen die nationalen Regulierungsbehörden unter weitestgehender Berücksichtigung der Leitlinien eine Analyse der relevanten Märkte durch. Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass die nationalen Wettbewerbsbehörden gegebenenfalls an dieser Analyse beteiligt werden.

(2) Wenn eine nationale Regulierungsbehörde gemäß den Artikeln 16, 17, 18 oder 19 der Richtlinie 2002/22/EG (Universaldienstrichtlinie) oder nach Artikel 7 oder Artikel 8 der Richtlinie 2002/19/EG (Zugangsrichtlinie) feststellen muss, ob Verpflichtungen für Unternehmen aufzuerlegen, beizubehalten, zu ändern oder aufzuheben sind, ermittelt sie anhand der Marktanalyse gemäß Absatz 1 des vorliegenden Artikels, ob auf einem relevanten Markt wirksamer Wettbewerb herrscht.

(3) Kommt eine nationale Regulierungsbehörde zu dem Schluss, dass dies der Fall ist, so erlegt sie weder eine der spezifischen Verpflichtungen nach Absatz 2 auf noch behält sie diese bei. Wenn bereits bereichsspezifische Verpflichtungen bestehen, werden sie für die Unternehmen auf diesem relevanten Markt aufgehoben. Den betroffenen Parteien ist die Aufhebung der Verpflichtungen innerhalb einer angemessenen Frist im Voraus anzukündigen.

(4) Stellt eine nationale Regulierungsbehörde fest, dass auf einem relevanten Markt kein wirksamer Wettbewerb herrscht, so ermittelt sie Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht auf diesem Markt gemäß Artikel 14 und erlegt diesen Unternehmen geeignete spezifische Verpflichtungen nach Absatz 2 des vorliegenden Artikels auf bzw. ändert diese oder behält diese bei, wenn sie bereits bestehen.

(5) Im Falle länderübergreifender Märkte, die in der Entscheidung nach Artikel 14 Absatz 4 festgelegt wurden, führen die betreffenden nationalen Regulierungsbehörden gemeinsam die Marktanalyse unter weitestgehender Berücksichtigung der Leitlinien durch und stellen einvernehmlich fest, ob in Absatz 2 des vorliegenden Artikels vorgesehene spezifische Verpflichtungen aufzuerlegen, beizubehalten, zu ändern oder aufzuheben sind.

(6) Maßnahmen, die gemäß den Absätzen 3, 4 und 5 getroffen werden, unterliegen den in den Artikeln 6 und 7 genannten Verfahren."

IV. Der Verwaltungsgerichtshof ist ein Gericht im Sinne des Art 234 EG, dessen Entscheidungen selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechtes angefochten werden können.

V. Erläuterungen zu den Vorlagefragen:

1. Nach Ansicht der Beschwerdeführerin widerspreche die innerstaatliche Regelung des § 37 Abs 5 TKG 2003, wonach im Marktanalyseverfahren nur das Unternehmen Parteistellung habe, dem gegenüber spezifische Verpflichtungen auferlegt, abgeändert oder aufgehoben werden, dem Art 4 Abs 1 der Richtlinie 2002/21/EG, wonach jedem von einer Entscheidung einer nationalen Regulierungsbehörde betroffenen Anbieter elektronischer Kommunikationsnetze oder -dienste das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf gegen die Entscheidung der nationalen Regulierungsbehörde eingeräumt werden müsse. Die Entscheidung der Regulierungsbehörde in einem Marktanalyseverfahren nach § 37 TKG 2003 bzw Art 16 RL 2002/21/EG stelle eine solche im Sinne des Art 4 der RL 2002/21/EG dar, von der nicht nur das konkrete Unternehmen, dem gegenüber spezifische Verpflichtungen auferlegt, abgeändert oder aufgehoben werden, sondern auch dessen Wettbewerber "betroffen" seien. Vom Ergebnis der Marktanalyse hänge nämlich unmittelbar ab, welche Ansprüche ein Wettbewerber des Marktbeherrschers gegen diesen habe.

2. Dem gegenüber steht die belangte Behörde auf dem Standpunkt, dass sich aus Art 4 Abs 1 RL 2002/21/EG keine Hinweise darauf ergäben, wer durch eine konkrete Entscheidung "betroffen" sei. Vielmehr gewährleiste das verpflichtend vorgesehene Konsultationsverfahren nach Art 6 RL 2002/21/EG eine Einbindung von Wettbewerbern des unmittelbar betroffenen Unternehmens in das Marktanalyseverfahren. Diese Regelung wäre entbehrlich, wenn Wettbewerber ohnehin schon als "betroffene" Parteien dem Verfahren beizuziehen wären.

3. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes ist die Auslegung der Art 4 Abs 1 und 16 Abs 3 der RL 2002/21/EG und damit die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechtes weder durch Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes ausreichend geklärt noch derart offenkundig, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bliebe:

3.1. Der belangten Behörde ist einzuräumen, dass sich aus der Regelung des Art 4 Abs 1 RL 2002/21/EG im Kontext zunächst nur das Erfordernis der Statuierung eines wirksamen Rechtsmittelverfahrens für von Regulierungsentscheidungen Betroffene ergibt. Wann allerdings von einer Betroffenheit in diesem Sinn auszugehen ist, wird in Art 4 nicht näher bestimmt.

3.2. Auch in Art 8 RL 2002/21/EG, der nicht nur "politische Ziele", sondern auch "regulatorische Grundsätze" festlegt, findet sich keine Determinierung der "Betroffenheit". Vielmehr wird hier die Tätigkeit der Regulierungsbehörde im Wesentlichen bloß final determiniert, nämlich durch Darstellung von Zielen, die durch ihre Tätigkeit erreicht werden sollen.

3.3. Ausgangspunkt für die Klärung der Frage der "Betroffenheit" kann aber Art 16 RL 2002/21/EG sein. Nach Abs 3 dieser Bestimmung ist von der nationalen Regulierungsbehörde weder eine der spezifischen Verpflichtungen nach Abs 2 aufzuerlegen noch sind diese beizubehalten, wenn sie zum Schluss kommt, dass auf einem relevanten Markt wirksamer Wettbewerb herrscht. Bei Bestehen bereichsspezifischer Verpflichtungen werden sie für die Unternehmen auf diesem relevanten Markt aufgehoben. Den betroffenen Parteien ist die Aufhebung der Verpflichtungen innerhalb einer angemessenen Frist im Voraus anzukündigen.

3.4. Fraglich ist, ob auch solche Unternehmen "betroffen" im Sinn von Art 16 Abs 3 sind, die etwa als Vertragspartner eines Unternehmens mit vormals beträchtlicher Marktmacht zwar nicht selbst Adressat der - bisherige bereichsspezifische Verpflichtungen aufhebenden - Entscheidung der Regulierungsbehörde sind, deren Vertragsbeziehungen aber insofern durch die Entscheidung berührt werden, als etwa ihr Netzzugang auf der Grundlage einer als bereichsspezifischen Verpflichtung angeordneten Verpflichtung zur Gewährung von Netzzugang beruht. Dafür spricht schon der Umstand, dass solche Unternehmen entsprechende Dispositionen zu treffen haben werden (etwa hinsichtlich weiteren Netzzugangs oder Preisgestaltung), weshalb die vorherige Ankündigung der Aufhebung von ihre Vertragsbeziehungen betreffenden Verpflichtungen diese Dispositionen erleichtert.

3.5. Gegen die Annahme, mit "betroffenen Parteien" im Sinne des Art 16 Abs 3 RL 2002/21/EG seien bloß jene Unternehmen gemeint, denen gegenüber spezifische Verpflichtungen aufgehoben werden, spricht wohl, dass diese - unstrittig ins Verfahren einzubeziehenden - Unternehmen schon auf Grund der gebotenen Verfahrensteilnahme entsprechende Kenntnisse über den Verfahrensgang und eine allfällige Aufhebung von Verpflichtungen haben werden. Diese Unternehmen sind durch eine Aufhebung von sie treffenden Verpflichtungen im Regelfall auch nicht beschwert.

3.6. Vor allem aber der Vergleich mit dem Regelungsgehalt des Art 16 Abs 4 RL 2002/21/EG spricht für die Annahme, dass unter "betroffenen Parteien" im Sinne des Art 16 Abs 3 RL 2002/21/EG (auch) andere Unternehmen zu verstehen sind als jene, denen gegenüber bereichsspezifische Verpflichtungen aufgehoben werden. Während nach Abs 3 die Aufhebung von bisher bestehenden Verpflichtungen den betroffenen Parteien innerhalb einer angemessenen Frist im Voraus anzukündigen ist, bedarf die (auch erstmalige) Auferlegung von spezifischen Verpflichtungen - im Fall des Fehlens von wirksamem Wettbewerb - nach Abs 4 keiner derartigen Ankündigung im Voraus, wird also sofort wirksam. Die Auferlegung von Verpflichtungen ist aber - für jenes Unternehmen, dem Verpflichtungen auferlegt werden - eine wesentlich einschneidendere Maßnahme als die Entlastung von bisher bestehenden Verpflichtungen. Wären nun mit "betroffenen Parteien" im Sinne von Art 16 Abs 3 bloß jene Unternehmen gemeint, die bisher Adressat von sie treffenden Verpflichtungen waren, führte dies zum - wohl nicht sachgerechten - Ergebnis, dass bloß entlastende Maßnahmen im Voraus anzukündigen wären, während im gegenteiligen Fall eine solche Vorankündigung nicht erfolgen müsste.

3.7. Es scheint also die Annahme eher zutreffend zu sein, dass auch andere als jene Unternehmen, denen gegenüber bereichsspezifische Verpflichtungen aufgehoben werden, als "betroffene Parteien" im Sinne des Art 16 Abs 3 RL 2002/21/EG anzusehen sind.

4.1. Dann aber spricht nach Ansicht des vorliegenden Gerichts der Umstand, dass in Art 4 Abs 1 und Art 16 Abs 3 RL 2002/21/EG jeweils der gleiche Begriff verwendet wird, dafür, dass dieser Begriff ("betroffen") auch den gleichen Bedeutungsinhalt haben soll.

4.2. Allerdings könnte gegen diese Ansicht Erwägungsgrund 12 zur RL 2002/21/EG ins Treffen geführt werden. Hier heißt es: "Jede Partei, die einem Beschluss einer nationalen Regulierungsbehörde unterliegt, sollte das Recht haben, bei einer von den beteiligten Parteien unabhängigen Stelle Rechtsbehelf einzulegen." Dabei wird also abgestellt auf eine Partei, die einer Entscheidung "unterliegt", was - enger - dahin verstanden werden könnte, dass es sich um den Adressaten einer Entscheidung handelt, der dieser direkt unterworfen (und nicht nur davon "betroffen") ist.

5.1. Der Gerichtshof hat im Urteil vom 11. Juli 1991 in den verbundenen Rechtssachen C-87/90, C-88/90 und C-89/90, Verholen, Slg 1991, I-3757, Rn 24, allgemein zum Rechtsschutzerfordernis ausgeführt, dass es zwar grundsätzlich Sache des nationalen Rechts ist, die Klagebefugnis und das Rechtsschutzinteresse des Einzelnen zu bestimmen, doch dürfe durch die nationalen Rechtsvorschriften das Recht auf einen effektiven gerichtlichen Rechtsschutz nicht beeinträchtigt werden. Die Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten werde also durch die Grundsätze der Nichtdiskriminierung und der Effektivität beschränkt, sodass die Durchsetzung von gemeinschaftsrechtlichen Ansprüchen nicht ungünstiger als die von innerstaatlichen gestaltet und deren Ausübung nicht praktisch verunmöglicht oder unverhältnismäßig erschwert werden darf (vgl dazu auch das Urteil des Gerichtshofes vom 3. Februar 2000, Rs C-328/98, Dounias, Slg 2000, I-577, Rn 58, 69).

5.2. Das vom nationalen Gesetzgeber bei seiner Verfahrensgestaltung zu erfüllende Erfordernis der Effektivität des Rechtsschutzes kann, bezogen auf die Situation eines Marktanalyseverfahrens, durchaus ambivalent gesehen werden:

5.3. So wird das Erfordernis der (gerichtlichen) Überprüfbarkeit von Entscheidungen einer nationalen Behörde vom Gerichtshof als ein allgemeiner Grundsatz des Gemeinschaftsrechtes angesehen (vgl das Urteil des Gerichtshofes vom 11. Jänner 2001, Rs C-226/99, Siples Srl, Slg 2001, I-277, Rn 17; aus jüngerer Zeit auch das Urteil vom 25. Juli 2002, Rs C-459/99, MRAX, Slg 2002, I- 6591).

Daraus könnte der Schluss gezogen werden, dass die Bestimmung des Art 4 Abs 1 RL 2002/21/EG hinsichtlich des persönlichen Anwendungsbereiches der "Betroffenheit" weit auszulegen sei. Zumindest Wettbewerber eines marktbeherrschenden Unternehmens, deren Vertragsbeziehungen zu diesem auf spezifischen Verpflichtungen beruhen, die diesem Unternehmen auferlegt wurden, könnten als individuell betroffen angesehen werden.

5.4. Als ein Aspekt von Effektivität wird aber auch die Raschheit des Verfahrens, in dem die betreffenden Ansprüche durchgesetzt bzw Verpflichtungen auferlegt werden, verstanden werden können. Dieser Aspekt der Raschheit wird von Art 16 RL 2002/21/EG insofern angesprochen, als die Marktanalyseverfahren "sobald wie möglich" nach der Verabschiedung der von der Kommission gemäß Art 15 RL 2002/21/EG zu erlassenden Empfehlung durchzuführen sind. Auch Erwägungsgrund 22 der RL 2002/21/EG spricht die Notwendigkeit der Sicherstellung von "zügigen, nicht diskriminierenden und transparenten Verfahren" als Voraussetzung für einen lauteren und wirksamen Wettbewerb an. Bezogen auf die vorliegend zu beurteilenden Verfahren (Marktanalyseverfahren nach Art 16 RL 2002/21/EG) ist im gegebenen Zusammenhang auch die in Erwägungsgrund 27 berücksichtigte Problematik von sich rasch ändernden Marktverhältnissen aufzuzeigen: Von der Kommission sind - im Einklang mit den Grundsätzen des Wettbewerbsrechts - Leitlinien zur Beurteilung der Frage, ob auf einem bestimmten Markt Wettbewerb herrscht, festzulegen. Diese sind "regelmäßig (zu) überprüfen, damit diese in einem sich raschen entwickelnden Markt auf Dauer angemessen sind". Dem entspricht die innerstaatliche Regelung des § 37 Abs 1 TKG 2003, wonach Marktanalyseverfahren "in regelmäßigen Abständen, längstens aber in einem Abstand von zwei Jahren" durchzuführen sind. Die allfällige Notwendigkeit der Führung eines Mehr- bzw Vielparteienverfahrens stünde mit der einen wichtigen Teilaspekt des Grundsatzes der Effektivität darstellenden Notwendigkeit einer raschen Verfahrensführung in einem gewissen Widerspruch.

6. Zu verweisen bleibt auf die Mechanismen der Art 6 und 7 RL 2002/21/EG, innerstaatlich umgesetzt durch die §§ 128, 129 TKG 2003: Entsprechend dem Konsultationsverfahren nach Art 6 ist von den nationalen Regulierungsbehörden "interessierten Parteien innerhalb einer angemessenen Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zum Entwurf von Maßnahmen zu geben". Nach Art 7 haben die nationalen Regulierungsbehörden mit der Kommission zu kooperieren, um eine kohärente Anwendung der Bestimmungen der Rahmenrichtlinie und der Einzelrichtlinien zu gewährleisten. Wenn nun ohnehin allen Wettbewerbern eines einem Verfahren nach Art 16 RL 2002/21/EG unterzogenen Unternehmens Parteistellung im betreffenden Verfahren zu gewähren wäre, reduzierte sich die Bedeutung eines besonderen Konsultationsverfahrens, weil dann die betroffenen Interessierten im Verfahren selbst ihre Vorstellungen einbringen könnten.

7. Da somit die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts weder durch Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes ausreichend geklärt ist noch derart offenkundig erscheint, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bliebe, wird gemäß Art 234 EG die eingangs unter Punkt 1 formulierte Frage mit dem Ersuchen um Vorabentscheidung vorgelegt.

8. Im Falle der Bejahung der ersten Frage ist für die vom Verwaltungsgerichtshof zu treffende Entscheidung weiters von Bedeutung, ob die von der belangten Behörde zur Begründung ihrer Entscheidung herangezogene Bestimmung des § 37 Abs 5 TKG 2003 mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist.

9. Durch § 37 Abs 5 TKG 2003 wird Parteistellung in einem Marktanalyseverfahren nur jenem Unternehmen eingeräumt, dem gegenüber spezifische Verpflichtungen auferlegt, abgeändert oder aufgehoben werden. Mit der Parteistellung sind nach österreichischem Verfahrensrecht wesentliche Mitwirkungsrechte verbunden, etwa das Recht auf Akteneinsicht, Parteiengehör, Kenntnisnahme von und Stellungnahme zu den Ergebnissen des Beweisverfahrens, und das Recht zur Erhebung von Rechtsmitteln. Ohne Parteistellung wäre die Wirksamkeit eines einem "betroffenen" Unternehmen zustehenden Rechtsmittels also stark beeinträchtigt. So ermöglicht erst die Parteistellung ein das Verfahren vor der Regulierungsbehörde auslösendes und mitgestaltendes Einflussnahmerecht. Nur bei vollständiger Kenntnis des Verfahrensstandes, bei Anhörung und Mitwirkung bei der Sachverhaltsfeststellung kann ein Rechtsmittel wirksam sein.

10. Die Verzahnung der Parteistellung mit der Rechtsmittelerhebung führt also zu dem Bedenken, dass der Ausschluss der Parteistellung im Verfahren vor der Regulierungsbehörde mit der - allfälligen - Notwendigkeit der Gewährleistung eines wirksamen Rechtsbehelfs gegen Entscheidungen der Regulierungsbehörde nach Art 4 Abs 1 RL 2002/21/EG nicht vereinbar mit dem Gemeinschaftsrecht sein könnte, weshalb auch die unter Punkt 2 formulierte Frage mit dem Ersuchen um Vorabentscheidung vorgelegt wird.

Wien, am 22. November 2005

Gerichtsentscheidung

EuGH 61990CJ0087 Verholen VORAB
EuGH 61998CJ0228 Dounias / Oikonomikon VORAB
EuGH 61999CJ0226 Siples Srl VORAB
EuGH 61999CJ0459 MRAX VORAB

Schlagworte

Gemeinschaftsrecht Richtlinie EURallg4Gemeinschaftsrecht Richtlinie Umsetzungspflicht EURallg4/2Parteibegriff - Parteienrechte Allgemein diverse Interessen Rechtspersönlichkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2004030178.X00

Im RIS seit

29.12.2005

Zuletzt aktualisiert am

23.11.2015
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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