TE OGH 1990/2/15 8Ob560/89

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Veröffentlicht am 15.02.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Griehsler als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Schwarz, Dr. Graf und Dr. Jelinek als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R*** Ö***, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1011 Wien, Singerstraße 17-19, wider die beklagte Partei G*** W*** "A***" AG,

2344 Maria Enzersdorf, Südstadtzentrum 4, vertreten durch Dr. Karl F. Engelhart, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung und Rechtsgestaltung (Streitwert S 18,000.000,--), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 1.Dezember 1988, GZ 2 R 170/88-10, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 5.Mai 1988, GZ 36 Cg 564/87-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

In Abänderung der angefochtenen Entscheidung wird:

1.

festgestellt, daß sämtliche Haftungsansprüche der klagenden Partei, die sie gegen die beklagte Partei hinsichtlich des Bauwerkes ("Bauvorhaben") in der Schiffamtsgasse 1-3 im 2.Wiener Gemeindebezirk aus welchem Titel auch immer behauptet, aufgrund der vorläufigen Anerkennung der Schlußrechnung vom 26.4.1984 durch die klagende Partei nicht untergegangen sind, und

2.

die beklagte Partei schuldig erkannt, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit S 165.775,50 bestimmten Verfahrenskosten zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Partei hat die beklagte Partei auf Grund deren Angebotes vom 16.Jänner 1980 mit der Errichtung eines Bundesamtsgebäudes "Vermessungsamt" in der Schiffamtsgasse 1-3 im

2. Wiener Gemeindebezirk beauftragt. Die Übergabe des Gebäudes erfolgte am 27.Oktober 1983. Ende April 1984 legte die beklagte Partei die Schlußrechnung vom 26.April 1984. Mit Schreiben vom 30. Mai 1984 teilte die Bundesgebäudeverwaltung mit, daß die Endsumme dieser Schlußrechnung von S 407,050.348,89 mit Wirksamkeit vom 28. Mai 1984 "vorläufig anerkannt" wird. Konkrete Einwendungen gegen die Schlußrechnung hat die klagende Partei in der Monatsfrist nicht erhoben.

In ihrer vorliegenden Klage stellt die klagende Partei das Begehren, es werde gegenüber der beklagten Partei festgestellt, "daß sämtliche Haftungsansprüche der klagenden Partei gegen die beklagte Partei hinsichtlich des Bauvorhabens Wien 2, Schiffamtsgasse 1-3, aus welchem Titel auch immer auf Grund der vorläufigen Anerkennung der Schlußrechnung vom 26.April 1984 durch die klagende Partei nicht untergegangen und/oder ausgeschlossen sind." Hilfsweise wird die Feststellung begehrt, "die vorläufige Anerkennung der Schlußrechnung vom 26.April 1984 hinsichtlich des Bauvorhabens Wien 2, Schiffamtsgasse 1-3, seitens der klagenden Partei ist insoweit unwirksam, als dadurch diesbezügliche Haftungsansprüche der klagenden Partei gegenüber der beklagten Partei aus welchem Titel auch immer untergegangen sind und/oder ausgeschlossen wurden". Hiezu brachte die klagende Partei vor, laut Bericht des Ziviltechnikers Dipl.Ing. W*** vom 10.Oktober 1986 habe die beklagte Partei Beträge in der Höhe von insgesamt S 16,002.524,54 infolge nicht ordnungsgemäßen Vertragsabschlusses mit den einzelnen Baufirmen und/oder sorgfaltswidriger Abrechnung bzw Überprüfung der Schlußrechnungen (jeweils im Verhältnis Beklagte - beauftragte Bauunternehmungen) bzw nicht entsprechender Baukontrolle zu Unrecht und entgegen der vertraglichen Vereinbarung mit der klagenden Partei auf diese überwälzt und dadurch das Ziel der klagegegenständlichen Vertragsgestaltung, eine möglichst kostengünstige und sparsame Bauerrichtung zu erreichen, zumindest teilweise verfehlt. Weiters habe der Sachverständige Dipl.Ing. R*** in seinem im Verfahren zu AZ 24 c Vr 3589/86 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien erstatteten Gutachten festgestellt, daß die beklagte Partei an die Firma I*** Gesellschaft mbH & Co KG Überzahlungen im Betrag von S 2,456.157,86 geleistet habe. Insgesamt ergebe sich sohin, daß bei ordnungsgemäßer Vertragserfüllung (Bauüberwachung, Abrechnung und Vertragsabschluß) seitens der beklagten Partei der klagenden Partei ein um S 18,458.682,50 geringerer Aufwand entstanden wäre. Die beklagte Partei sei von diesem Sachverhalt in Kenntnis gesetzt worden, habe jedoch unter Hinweis auf die Anerkennung der Schlußrechnung durch die klagende Partei jegliche Ersatzleistung abgelehnt. Durch diese vorläufige Anerkennung der Schlußrechnung sei von der klagenden Partei aber nicht auf die Geltendmachung von Haftungsansprüchen gegen die beklagte Partei aus welchem Titel immer verzichtet worden und es seien dadurch auch nicht solche Ansprüche untergegangen. Die in der Vertragsbestimmung Punkt 9 vorgesehene Anerkennung als Schlußrechnung sollte lediglich die Rechtsfolge der Fälligkeit auslösen, es sollten damit aber nicht die einzelnen Rechnungspositionen und die ihnen zugrundeliegenden Schlußrechnungen der Subunternehmer anerkannt werden; dies ergebe sich auch daraus, daß unabhängig davon längere Gewährleistungs- und Schadenersatzfristen vereinbart worden seien. Die klagende Partei beabsichtige daher, die klagegegenständlichen Beträge bei der nächsten fällig werdenden, der beklagten Partei zustehenden Entgeltrate compensando in Abzug zu bringen. Vorsichtshalber werde durch das Eventualbegehren auch das allfällige Anerkenntnis der Schlußrechnung wegen von der beklagten Partei veranlaßten Irrtums angefochten, weil die klagende Partei die Tragweite ihrer Erklärung falsch beurteilt und zufolge der Kürze der Zeit und im Hinblick auf den Umfang der Schlußrechnung deren von der beklagten Partei veranlaßte Unvollständigkeit und Fehlerhaftigkeit nicht erkannt habe. Das Feststellungsinteresse der klagenden Partei ergebe sich aus der Gefahr des baldigen Ablaufes der Anfechtungs- bzw Verjährungsfrist.

Die beklagte Partei bestritt die Richtigkeit des Klagevorbringens, beantragte die Abweisung der Klage und brachte vor: Ihre Passivlegitimation sei nicht gegeben, weil sie die ihr aus dem Vertragsverhältnis mit der klagenden Partei entstandenen Entgeltforderungen im Einverständnis mit der klagenden Partei an die E*** Ö*** S***-C*** zediert habe; die von der klagenden Partei beabsichtigte "Aufrechnung" sei deshalb auch nicht möglich. Es fehle auch das erforderliche Feststellungsinteresse, da die klagende Partei ihre angeblichen Ersatzansprüche mit S 18,458.682,50 genau beziffert habe und daher ohnehin eine Leistungsklage einbringen könne. Der vorgenannte Forderungsbetrag widerspreche auch dem Klagebegehren, mit welchem ganz unbestimmte Haftungsansprüche erhoben werden. Im Sinne des Punktes 9 des Vertrages habe die klagende Partei die Schlußrechnung mangels Erhebung von Einwendungen jedenfalls anerkannt, so daß beide Klagebegehren rechtlich bedeutungslos erschienen. Das Schreiben der Bundesbaudirektion Wien vom 30.Mai 1984 enthalte detaillierte Ziffern, in welchem Ausmaß die Rechnung anerkannt werde. Ein derartiges Schreiben wäre denkunmöglich, wenn die Schlußrechnung nur die von der klagenden Partei in der Klage behaupteten Auswirkungen hätte, denn diesfalls wäre die Schlußrechnung nicht von der Bundesbaudirektion Wien derart detailliert überprüft und schließlich anerkannt worden. Grundsätzlich werde im staatlichen Hochbau die Schlußrechnung erst dann anerkannt, wenn sämtliche darin enthaltenen Positionen von der Bundesgebäudeverwaltung überprüft und keine Mängel festgestellt worden seien. Die Bundesgebäudeverwaltung habe hochqualifizierte Beamte, welche bei dem klagegegenständlichen Bauobjekt eine begleitende Kontrolle durchgeführt, also schon während des gesamten Bauzeitraumes auf sämtliche Entscheidungen Einfluß genommen und die einzelnen Professionistenrechnungen bereits vor Legung der Schlußrechnung überprüft hätten; die einzelnen Arbeiten seien nach Anweisungen der örtlichen staatlichen Bauaufsicht durchgeführt worden. Auch die Voraussetzungen für eine Irrtumsanfechtung lägen aus den im einzelnen angeführten Gründen nicht vor. Das Erstgericht wies sowohl das Haupt- als auch das Eventualklagebegehren ab. Es stellte fest:

Nach der Bestimung des Punktes 9 des Anbotes wurde zwischen den Streitteilen folgendes vereinbart:

"Die Gesellschaft (beklagte Partei) verpflichtet sich, die Abrechnung des gesamten Bauvorhabens gemäß der RVstH binnen fünf Monaten nach vollständiger Übergabe des Neubaus der Bundesgebäudeverwaltung I Wien vorzulegen, sodaß der Bundesgebäudeverwaltung I Wien für die Überprüfung dieser Abrechnung ein Zeitraum von einem Monat verbleibt. Die Abrechnung ist durch Vorlage der Schlußrechnungen und Zinsenabrechnungen unter Berücksichtigung der durch die Republik Österreich allenfalls bereits geleisteten Zahlungen zu belegen. Wenn die Bundesgebäudeverwaltung I Wien innerhalb von einem Monat ab der vollständigen Vorlage dieses Nachweises keine Einwendungen erhebt, gilt die Abrechnung als anerkannt."

Die beklagte Partei trat am 21.Oktober 1980 ihre Entgeltforderungen im Zusammenhang mit der Errichtung des klagegegenständlichen Bundesamtsgebäudes in der Betragshöhe von S 400,000.000 an die E*** Ö*** S***-C*** ab. Diese

verständigte mit Schreiben vom 21.Oktober 1980 die durch die Bundesgebäudeverwaltung I vertretene klagende Partei von der erfolgten Zession, die ihrerseits die Forderungsabtretung mit Schreiben vom 31.März 1981 zur Kenntnis nahm. Eine Rückabtretung der Forderung ist nicht erfolgt.

In seiner rechtlichen Beurteilung verneinte das Erstgericht das Vorliegen eines rechtlichen Interesses der klagenden Partei am gestellten Feststellungsbegehren, weil bereits eine Leistungsklage möglich sei. Die Entgeltforderungen der beklagten Partei stünden infolge Zession der E*** Ö*** S***-C*** zu und gegen diese könnte das beantragte Urteil auch keine Rechtskraftwirkung entfalten. Das erhobene Feststellungsbegehren könne im übrigen auf Grund der zwischen den Streitteilen getroffenen Vereinbarung auch nichts daran ändern, daß mangels fristgerecht erhobener Einwendungen die Schlußrechnung weiterhin als anerkannt zu gelten habe. Das Eventualbegehren sei unschlüssig und die Haftungsansprüche seien nicht genügend konkretisiert.

Das Berufungsgericht bestätigte das erstgerichtliche Urteil. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes jeweils den Betrag von S 300.000,-- übersteigt. In seiner Entscheidungsbegründung vertrat es die Ansicht, die vorläufige Anerkennung der Schlußrechnung der beklagten Partei durch die klagende Partei erscheine unerheblich, rechtlich bedeutsam sei lediglich, daß die klagende Partei innerhalb der vereinbarten Monatsfrist ab vollständiger Vorlage der Abrechnung keine Einwendungen gegen die Schlußrechnung erhoben habe. Die Vertragsinhalt gewordene Bestimmung des Punktes 9 des Anbots der beklagten Partei vom 16.Jänner 1980 (Seite 21, Beilage ./1) könne nämlich nur so verstanden werden, daß die Richtigkeit der von der beklagten Partei vorgenommenen Abrechnung als anerkannt gelte, wenn binnen Monatsfrist seitens der klagenden Partei keine Einwendungen erhoben würden. Die Ansicht der klagenden Partei, nach Punkt 9 des Anbots sei unter Anerkennung der Abrechnung lediglich zu verstehen, daß "die Legung der Schlußrechnung als solche und deren Anerkennung als Schlußrechnung" bestätigt werden sollte, lasse sich aus dem Vertragstext nicht ableiten. Im genannten Vertragspunkt werde ausdrücklich ausgeführt, wodurch die Abrechnung zu belegen sei (insbesondere durch Vorlage der Schlußrechnungen), daß der klagenden Partei ein Zeitraum von einem Monat für die Überprüfung der Abrechnung verbleiben sollte und nach Verstreichen dieses Zeitraumes für den Fall der Nichterhebung von Einwendungen die Abrechnung als anerkannt gelten solle. Dies könne bei objektiver Interpretation des Vertragstextes nach dem Wortsinn nur bedeuten, daß die Richtigkeit der Abrechnung als anerkannt gelten sollte. Unbestrittenermaßen habe die klagende Partei innerhalb der Monatsfrist Einwendungen nicht erhoben. Die Richtigkeit der von der beklagten Partei vorgenommenen Abrechnung gelte sohin als anerkannt. Die ausdrückliche "vorläufige Anerkennung der Schlußrechnung" durch die klagende Partei könne an dieser Tatsache nichts ändern. Selbst wenn also die vorläufige Anerkennung der Schlußrechnung durch die klagende Partei wirkungslos wäre, verbliebe das Anerkenntnis auf Grund der Nichtäußerung. Da das Feststellungsbegehren lediglich darauf gerichtet sei, daß die Haftungsansprüche der klagenden Partei auf Grund der vorläufigen Anerkennung der Schlußrechnung nicht untergegangen und/oder ausgeschlossen seien, erscheine es rechtlich bedeutungslos, da Haftungsansprüche der klagenden Partei eben bereits aus einem anderen Grunde untergegangen und ausgeschlossen seien. Aus eben diesen Gründen mangle es aber auch an einem rechtlichen Interesse der klagenden Partei an dem in eventu erhobenen Rechtsgestaltungsbegehren. Mit diesem begehre die klagende Partei ebenfalls nur die Unwirksamkeitserklärung der vorläufigen Anerkennung der Schlußrechnung vom 6.April 1984, diese aber bleibe selbst für den Fall des Obsiegens der klagenden Partei infolge des durch das Stillschweigen der klagenden Partei bewirkten Anerkenntnisses rechtlich bedeutungslos. Da die Entgeltforderung der beklagten Partei einverständlich an eine Bank abgetreten worden sei, könne die klagende Partei gegenüber der beklagten Partei auch nicht mehr im Kompensationswege Zahlungen einbehalten.

Gegen das berufungsgerichtliche Urteil richtet sich die auf den Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revision der klagenden Partei mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne der Klagestattgebung. Die Revisionswerberin vertritt den Standpunkt, ebensowenig wie mit der schriftlich erfolgten Anerkennung der Schlußrechnung sei mit einer allfälligen stillschweigenden Anerkennung der Schlußrechnung eine Anerkennung der in dieser enthaltenen Einzelpositionen verbunden gewesen. Die richtige Auslegung des Vertragspunktes 9 ergebe, daß mit der Anerkennung der Abrechnung nur die Erfüllung der Vertragspflicht der beklagten Partei zur Legung der Schlußrechnung anerkannt und damit die Rechtsfolge der Fälligkeit ausgelöst worden sei. Nicht anerkannt worden seien damit die einzelnen Rechnungspositionen und die diesen zugrundeliegenden Schlußrechnungen der Subunternehmer, wie dies aus den vereinbarten längeren Gewährleistungs- und Schadenersatzfristen hervorgehe. Auch im Hinblick darauf, daß ein Großbauvorhaben nicht binnen vier Wochen geprüft werden könne, würde eine gegenteilige Vertragsauslegung gegen Treu und Glauben verstoßen. Die berufungsgerichtliche Verneinung der Passivlegitimation zufolge erfolgter Zession übersehe, daß sich die Abtretung lediglich auf Forderungen aus dem Werkvertrag bezogen habe. Auch die Ansicht, die klagende Partei hätte anstelle der angekündigten Einbehaltung im Kompensationswege die Leistungsklage anbringen müssen, sei unrichtig, weil der klagenden Partei nicht zugemutet werden könne, auf eine ihr zustehende Erfüllungsmöglichkeit zu verzichten.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Der Streit der Parteien dieses Rechtsstreites geht in Wahrheit um die rechtlichen Wirkungen der Anerkennung der Schlußrechnung der beklagten Partei vom 26.April 1984 durch die klagende Partei, gleichviel ob sie nun durch das Schreiben der klagenden Partei an die beklagte Partei vom 30.Mai 1984, das ausdrücklich von einer "vorläufigen" Anerkennung spricht, oder durch die nicht fristgerechte Erhebung von Einwendungen aufgrund der Parteienvereinbarung, daß andernfalls die Abrechnung "als anerkannt" gilt (Punkt 9 des Anbots), bewirkt wurde, denn es nehmen beide Parteien gerade in Beziehung auf diese Frage einander ausschließende Standpunkte ein: die klagende Partei bestreitet nämlich entschieden die Ansicht der beklagten Partei, daß alle Einwendungen der beklagten Partei gegen die Forderungen aus der Schlußrechnung vom 26. April 1984 ausgeschlossen seien, und meint, sie habe nicht auf ihre Haftungs- und Gewährleistungsansprüche verzichtet. Unter diesem Gesichtspunkt muß daher auch das Klagehauptbegehren der klagenden Partei gelesen und beurteilt werden: die klagende Partei will durch das angestrebte Feststellungsurteil Klarheit im Verhältnis zur beklagten Partei schaffen, daß ihre Haftungsansprüche, die sie hinsichtlich des Bauvorhabens Schiffamtsgasse 1-3 im 2.Wiener Gemeindebezirk zu haben behauptet, aufgrund der vorläufigen Anerkennung der Schlußrechnung vom 26.April 1984 nicht untergegangen seien. In dem Worte "vorläufig" liegt nämlich auch der Sinn, den die Unterlassung fristgerechter Einwendungen aufgrund der vereinbarten Fiktion der Anerkennung der Schlußrechnung gemäß Punkt 9 des Anbots allein haben konnte, nämlich eine nach dem Stand des damaligen Wissens der klagenden Partei geschehene, also "vorläufige" und demgemäß auch als Wissenserklärung bloß deklaratorische Anerkennung der in Rechnung gestellten Forderung. In der Formulierung des Klagebegehrens kann deshalb kein seiner Berechtigung entgegenstehendes Hindernis erblickt werden.

Was aber den wahren Kern des Streites der Parteien betrifft, wie er eben aufgezeigt wurde, so muß der klagenden Partei beigestimmt werden. Nach der Aktenlage bestand zum fraglichen Zeitpunkt der Forderungsanerkennung durch die klagende Partei - gleichviel ob jene durch Ablauf der Einwendungsfrist aufgrund der vereinbarten Anerkennungsfiktion oder jene durch das Schreiben der klagenden Partei vom 30.Mai 1984 - überhaupt kein Streit der Parteien über die Berechtigung der Forderung der beklagten Partei aus der Schlußrechnung vom 26.April 1984, der bereinigt werden sollte. Eine solche Ausgangslage wäre aber unabdingbare Voraussetzung für ein konstitutives (abstraktes) Anerkenntnis als selbständiger Verpflichtungsgrund mit Einredenausschluß (Koziol-Welser, Grundriß I8, 274, Anm 4 mwH, insbes OGH in JBl 1986, 175 und 383; Ertl in Rummel ABGB Rz 6 zu § 1380 mwH, insbes JBl 1981, 90; Bydlinski in Klang IV/2, 400). Dem Anerkenntnis der klagenden Partei kann demgemäß - und zwar in den beiden aufgezeigten Fällen - nur bloß deklaratorische Wirkung ohne Einwendungsausschluß zuerkannt werden. Das aber haben beide Vorinstanzen nicht erkannt.

Der Einwand der beklagten Partei, sie sei passiv hier nicht klagelegitimiert, weil sie ihre Forderung aus der fraglichen Schlußrechnung vom 26.April 1984 an die E*** Ö***

S***-C*** abgetreten hat, ist nicht berechtigt, denn die Forderungsabtretung hat auf die Haftung des Zedenten für Schadenersatz und Gewährleistung gegenüber dem Schuldner keinen Einfluß. Gerade darum geht es aber hier.

Auch der Einwand, dem Feststellungsklagebegehren stehe der Umstand entgegen, daß die klagende Partei ihre schon ziffernmäßig genannte Forderung aus Schadenersatz und Gewährleistung bereits mit Leistungsklage geltend machen könnte, ist nicht berechtigt, denn es steht keineswegs fest, daß die klagende Partei ihre Forderungen aus den behaupteten Rechtstiteln nur gegen die beklagte Partei geltend machen kann: sollte sie nämlich von der Neugläubigerin E*** Ö*** S***-C*** geklagt werden, so könnte sie in jenem Rechtsstreit nicht nur ihre Gewährleistungseinreden, sondern auch alle ihre Schadenersatzforderungen als Gegenforderungen (aufrechnungsweise) geltend machen, die bis zum Zeitpunkt des Entstehens der Forderung begründet wurden (SZ 51/38, auch Rummel in Rummel ABGB Rz 5 zu § 1443); die Forderungsabtretung erfolgte ja schon am 21.Oktober 1980 und betraf demnach eine erst künftig entstehende Forderung der hier beklagten Partei. Von der Zessionarin E*** Ö*** S***-C*** wurde die klagende Partei aber

bisher nicht auf Zahlung in Anspruch genommen, sie kann deshalb ihr gegenüber auch nicht ihre Gewährleistungsansprüche und Schadenersatzforderungen einredeweise als Beklagte oder durch eine Feststellungsklage geltend machen. Es mag zwar wahrscheinlich sein, daß die hier klagende Partei von der Zessionarin E*** Ö*** S***-C*** auf Zahlung in Anspruch genommen wird, doch ist es unklar, ob dies tatsächlich der Fall sein wird und ob dabei die Zessionarin zur Frage der Anerkennung der Forderung denselben oder einen anderen Standpunkt als die beklagte Partei und Forderungszedentin einnehmen wird. Jedenfalls kann bei dieser Sach- und Rechtslage die klagende Partei nicht gezwungen werden, zur Klärung der streitigen Rechtslage bezüglich ihrer Ansprüche aus Gewährleistung und Schadenersatz mit Leistungsklage gegen die beklagte Partei vorzugehen, wenn sie in erster Linie ihre behaupteten Ansprüche im Aufrechnungswege befriedigen will, andererseits aber noch nicht weiß, ob sie dazu in die Lage kommen oder doch gezwungen sein wird, die beklagte Partei auf Leistung zu klagen, in welchem Fall ihr bei Verfristung Anspruchsverlust droht. Nach Ansicht des 8.Senates des Obersten Gerichtshofes kommt es für die Zulässigkeit der Feststellungsklage gegen den Zedenten nicht darauf an, ob das in diesem Rechtsstreit ergehende Urteil irgend eine Wirkung gegenüber der Zessionarin E*** Ö***

S***-C*** hat oder nicht hat.

Aus den dargelegten Erwägungen war der Revision der klagenden Partei Folge zu geben und in Abänderung der angefochtenen Entscheidung dem Klagehauptbegehren stattzugeben.

Der Kostenausspruch beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E21469

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0080OB00560.89.0215.000

Dokumentnummer

JJT_19900215_OGH0002_0080OB00560_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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