TE OGH 1990/2/20 5Ob73/89

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Veröffentlicht am 20.02.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Jensik, Dr.Zehetner, Dr.Klinger und Dr.Schwarz als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin Dipl.-Ing.Heidelore H***, Architektin, Graz, Schubertstraße 24, vertreten durch Dr.Ernst Chalupsky, Rechtsanwalt in Wels, wider die Antragsgegner 1) S*** W***, 6400 Wels, Stadtplatz 1, vertreten durch Dr.H Humer, per Adresse Magistrat der Stadt Wels, 2) Dr.Rudolf S***, Jurist, 4600 Wels,

Prielstraße Nr. 17, 3) Dr.Eva S***, Ärztin, ebendort,

4) Matthias S***, Kirchendiener, 4600 Wels, Martin-Luther-Platz 4, 5) Kurt B***, Angestellter, 4600 Wels, Stelzhamerstraße 16, 6) Dr.Felix A***, Arzt, 4600 Wels, Stelzhamerstraße 18, 7) Elisabeth A***, Private, ebendort,

8)

Karl Heinz K***, Angestellter, 9) Herta R***, Angestellte,

10)

Lieselotte J***, Angestellte, 11) Dr.Gustav M***, Hofrat des Obersten Gerichtshofes, 12) Katharina F***, Private,

13)

Lieselotte J***, Angestellte, 14) Irene I***, Angestellte,

15)

Rudolf K***, Versicherungsdirektor, 16) Elisabeth A***, Private, 17) Dkfm. Helmut A***, Professor, sämtliche 4600 Wels, Stelzhamerstraße 16, 18) Ing.Horst P*** KG, 4600 Wels, Kienzlstraße 26, 19) Elisabeth K***, Angestellte, 20) Renate I***, Angestellte, 21) Dr.Gerhard F***, Arzt, 22) Dr.Herbert S***, Angestellter, 23) Josef S***, Angestellter,

24)

Elfriede H***, Private, 25) Charlotte L***, Angestellte,

26)

Ing. Gerold W***, sämtliche 4600 Wels, Stelzhamerstraße 16,

27)

Erhard K***, Angestellter, 4600 Wels, Kreuzpointstraße 7,

28)

Helga K***, Angestellte, ebendort, sämtliche Antragsgegner mit Ausnahme der Erstantragsgegnerin, der 24. Antragsgegnerin, des 27. Antragsgegners und der 28. Antragsgegnerin vertreten durch Dr.Franz Gütlbauer, Rechtsanwalt in Wels, wegen Durchführung von Erhaltungsarbeiten (§§ 14 Abs 1 Z 1, 15 Abs 1 Z 1, 26 Abs 1 Z 3 WEG) infolge Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Sachbeschluß des Kreisgerichtes Wels als Rekursgerichtes vom 25.Jänner 1989, GZ R 935/88-21, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Wels vom 15.Juni 1988, GZ Msch 16/87-17, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur ergänzenden Verhandlung und neuen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Parteien haben die Kosten des Revisionsrekursverfahrens jeweils selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die Parteien sind Miteigentümer der Liegenschaft EZ 319 KG Wels, Haus in Wels, Stelzhamerstraße 16, wobei mit den einzelnen Miteigentumsanteilen Wohnungseigentum an einzelnen Räumlichkeiten verbunden ist. Die Miteigentumsanteile der Antragstellerin betragen 956/10.000stel (B-LNR 2; Eigentum laut TZ 2173/1968 und TZ 4107/1972; Wohnungseigentum an den Wohnungen 1 bis 4 laut TZ 127/1973) und 1.323/10.000stel (B-LNR 1; Eigentum als Erbin nach ihrem am 8.September 1980 verstorbenen Vater, TZ 5750/1982;

Wohnungseigentum schon seit TZ 127/1973 an den Wohnungen 5 bis 7). Nach der Aktenlage (Grundbuchsauszug vom 6.November 1987; ON 13;

Beilagen 2 und 3) erwarben einige Antragsgegner ihre Miteigentumsanteile (TZ 2874/1975) schon vor dem Inkrafttreten des Wohnungseigentumsgesetzes 1985, einige erst als Einzelrechtsnachfolger (B-LNR 6, 7, 11, 13, 20, 22, 28, 31 und 32) nach diesem Zeitpunkt oder erwarben nach diesem Zeitpunkt Anteile zu schon früher erworbenen dazu (B-LNR 17).

Die Antragstellerin begehrt mit der Begründung, die Hoffenster in den Wohnungen 5 bis 7 müßten wegen ihres schlechten Zustandes ausgetauscht werden, ihr beschlußmäßig den Austausch dieser Fenster laut vorgelegten Kostenvoranschlag auf Kosten sämtlicher Miteigentümer zu bewilligen und die Arbeiten innerhalb von 2 Monaten durchzuführen.

Die von Dr.Franz Gütlbauer vertretenen Antragsgegner wendeten ein, bei Abschluß des Wohnungseigentumsvertrages und Übergabe der Wohnung sei zwischen allen Miteigentümern eine Vereinbarung darüber geschlossen worden, daß der Aufwand für Reparaturen (= Erhaltung) an Hausteilen, die zu einer bestimmten Wohnung gehören, wie Fenster, vom jeweiligen Wohnungseigentümer zu tragen seien.

Das Erstgericht wies auch im zweiten Rechtsgang diesen Antrag ab. Es stellte folgenden wesentlichen Sachverhalt fest:

Schon vor Errichtung des Gebäudes in Wels, Stelzhamerstraße 16, unterschrieben alle Wohnungseigentumswerber gegenüber dem Wohnungseigentumsorganisator ein sogenanntes Sammelanbot, das im wesentlichen den gleichen Inhalt wie der spätere Wohnungseigentumsvertrag hat. Darin befand sich auch der Satz, der Wohnungsorganisator sei berechtigt, eine rechtsverbindliche Hausordnung zu erlassen, zu deren Einhaltung sich die Käufer verpflichteten. Anläßlich der Übergabe der Wohnungen im Oktober/November 1972 kam es zur Begehung der Wohnungen, wobei die einzelnen Wohnungseigentümer pauschal darauf hingewiesen wurden, daß sie für die Erhaltung, Wartung und Reparatur bzw. Erneuerung von Fenstern, Balkonen, Türen udgl. selbst zuständig seien. Etwa 14 Tage nach Übergabe der Wohnungen fand eine Übergabebesprechung statt, zu der sämtliche Wohnungseigentümer eingeladen worden waren. Bei dieser etwa 2 bis 3 Stunden dauernden Besprechung wurde auch die Hausordnung von dem die Besprechung leitenden Rudolf N*** Punkt für Punkt durchgegangen. Diskussionen gab es lediglich bezüglich der Tierhaltung, nicht aber bezüglich aller anderen Punkte. Auch wurden keine Einwendungen gegen die Hausordnung erhoben, auch nicht gegen deren Punkt 2, der wie folgt lautet: "Reparaturen an Hausteilen, die zu einer bestimmten Wohnung gehören (Fenster, Balkone, Terrassen, Wohnungseingangstür), sind vom jeweiligen Wohnungseigentümer zu veranlassen und zu zahlen."

Punkt 36 der Hausordnung lautet: "Die Anerkennung der Hausordnung durch den Wohnungseigentümer erfolgt durch die Unterfertigung des Wohnungseigentumsvertrages bzw. einer Erklärung, die bei der Hausverwaltung hinterlegt ist."

Punkt VI b des Wohnungseigentumsvertrages lautet: "Die 'Wohnungsfreunde' ist berechtigt eine für alle Miteigentümer rechtsverbindliche Hausordnung zu erlassen, zu deren Einhaltung sich die Miteigentümer verpflichten."

Punkt X des Wohnungseigentumsvertrages lautet: "Die Rechte und Verpflichtungen aus diesem Vertrag gehen auf die Rechtsnachfolger bzw. die Erben der Vertragsparteien über."

Eine gleichartige Bestimmung ist auch in Punkt XIII des Kaufvertrages enthalten.

Bei der Übergabebesprechung war die Antragstellerin selbst nicht anwesend, sondern entweder durch ihren Vater Dipl.-Ing.H*** oder dessen Ehegattin vertreten. Die Angelegenheiten bezüglich der Wohnungen 5 bis 7 erledigte damals für die Antragstellerin deren Vater Dipl.-Ing.Friedrich H***. Die Antragstellerin war durch ihren Vater informiert worden. Ihr war auch die in der Folge im Stiegenhaus aufgehängte Hausordnung bekannt. Sie hat diesbezüglich nie gegenüber irgendjemandem Widerspruch erhoben.

Diese Hausordnung wurde seit Übergabe der Wohnungen stets von allen Wohnungseigentümern, auch von den neu hinzugekommenen, eingehalten. Die Erhaltung und Reparatur der Fenster erfolgte in der Form, daß der jeweilige Wohnungseigentümer die notwendigen Arbeiten selbst veranlaßte und die Kosten hiefür trug, so z.B. Karl Heinz K***. Einige Wohnungseigentümer tauschten überhaupt auf eigene Kosten die Fenster zur Gänze aus.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, daß durch die von allen Wohnungseigentümern anerkannte Hausordnung ein vom § 19 Abs 1 WEG abweichender Verteilungsschlüssel vereinbart worden sei. Dies sei mangels Widerspruches eines Miteigentümers gegen die seit 1972 im Stiegenhaus aufgehängte Hausordnung jedenfalls schlüssig erfolgt.

Das Rekursgericht bestätigte den erstgerichtlichen Sachbeschluß. Die Bestimmungen der Hausordnung, wonach Reparaturen an Hausteilen, die zu einer bestimmten Wohnung gehören (Fenster, Balkone, Terrassen udgl.), vom jeweiligen Wohnungseigentümer zu veranlassen und zu zahlen sind, gehe über übliche Maßregeln zur Ordnung des Gebrauches der gemeinschaftlichen Teile der Liegenschaft eindeutig hinaus. Eine Bindung der einzelnen Miteigentümer an diese Bestimmung der Hausordnung könne daher nur dann bestehen, wenn die darin festgelegte Instandhaltungspflicht des einzelnen Wohnungseigentümers von allen Miteigentümern zumindest konkludent vereinbart worden sei. Eine solche konkludente Vereinbarung sei auf Grund des festgestellten Verhaltens der Wohnungseigentümer anläßlich der Übergabebesprechung und im Rahmen der tatsächlichen Durchführung solcher Reparaturen in der Folgezeit anzunehmen. Derartige Vereinbarungen, die vor Inkrafttreten des Wohnungseigentumsgesetzes 1975 nach § 8 Abs 4 WEG (1948) zu beurteilen gewesen seien, hätten nicht der Schriftform bedurft. Das Rekursgericht vermöge sich der vom LGZ Wien (MietSlg 34.548/43 und 36.639) vertretenen Auffassung nicht anzuschließen, wonach eine vor Inkrafttreten des Wohnungseigentumsgesetzes 1975 konkludent geschlossene Vereinbarung über einen vom Gesetz abweichenden Verteilungsschlüssel durch den Eintritt auch nur eines neuen Miteigentümers nach dem 1.September 1975 hinfällig werde, sofern mit diesem eine schriftliche Vereinbarung geschlossen werde. Selbst wenn man die Möglichkeit eines konkludenten Beitrittes des neuen Miteigentümers zur seinerzeit getroffenen Vereinbarung nunmehr verneinen müßte und auch die bloße Überbindung von Vertragspflichten durch den früheren Wohnungseigentümer auf den Einzelrechtsnachfolger zur Erzielung der Wirkungen des § 19 Abs 1 Z 3 WEG nicht ausreichend wäre, könne doch in einem solchen Fall nur der neueintretende Miteigentümer, nicht aber jener Wohnungseigentümer, der die Vereinbarung selbst geschlossen habe bzw auf dem sie im Wege der Gesamtrechtsnachfolge übergegangen sei, die Rechtsunwirksamkeit der Vereinbarung geltend machen.

Das Rekursgericht erklärte den Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig, weil für die zur Beurteilung dieser Rechtssache maßgebende Rechtsfrage (Einfluß des Eintrittes eines neuen Miteigentümers nach dem 1.September 1975 auf eine nach dem WEG 1948 konkludent geschlossene Vereinbarung über die Aufteilung von Aufwendungen) keine veröffentlichte Judikatur des Obersten Gerichtshofes vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs der Antragstellerin ist im Ergebnis berechtigt. Die Antragstellerin bekämpft die rekursgerichtliche Entscheidung im wesentlichen damit, daß

a) nicht festgestellt sei, daß die Wohnungseigentümer seinerzeit die gesetzliche Regelung über die Verteilung der Aufwendungen kannten, sodaß auch nicht konkludent eine Abänderung dieser Regel vereinbart werden konnte;

b) eine Änderung der Außenfenster vom Anteilsverwaltungsrecht des Miteigentümers nicht erfaßt sei, insbesondere deswegen nicht, weil dadurch auch die äußere Erscheinung des Hauses betroffen sei, und

c) entgegen der Rechtsansicht des Rekursgerichtes im Falle des Wechsels auch nur eines Miteigentümers - sei es durch Einzelrechtsnachfolge, sei es durch Gesamtrechtsnachfolge - eine frühere (konkludente) Vereinbarung über die Aufteilung der Aufwendungen für das Haus hinfällig werde, weil das Wohnungseigentumsgesetz 1975 eine schriftliche Vereinbarung aller Miteigentümer verlange.

Der Oberste Gerichtshof hat hiezu folgendes erwogen:

Die im Sammelanbot und im Wohnungseigentumsvertrag dem Wohnungseigentumsorganisator erteilte Ermächtigung zur Erlassung einer Hausordnung ist - wie das Berufungsgericht zutreffend ausführte - keine geeignete Grundlage, aus der eine seinerzeit nach § 8 Abs 4 WEG 1948 mögliche Vereinbarung aller Miteigentümer über die Aufteilung der Aufwendungen für die Liegenschaft abweichend vom gesetzlichen Verteilungsschlüssel abgeleitet werden könnte. Unter "Hausordnung" wird nämlich sowohl nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch als auch unter Berücksichtigung der in den Rechtsvorschriften gebrauchten Begriffen nicht die Regelung der Aufteilung der die Miteigentümer einer Liegenschaft treffenden finanziellen Lasten unter diese verstanden, sondern die Regelung der Benützung der allgemeinen Teile des Hauses durch die Bewohner und das Verhalten derselben in den ihnen zur alleinigen Nutzung überlassenen Teilen des Hauses, soweit dadurch andere Bewohner beeinträchtigt werden könnten. Schon aus diesem Grund kann in der Ermächtigung zur Erlassung einer Hausordnung keine Vereinbarung im Sinne des § 8 Abs 4 WEG 1948 gelegen sein.

Gemäß § 29 Abs 1 Z 2 WEG 1975 ist die Wirksamkeit einer Vereinbarung, die vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes nach § 8 Abs 4 WEG 1948 geschlossen wurde, nach den bisherigen Vorschriften zu beurteilen. Während der Geltung des WEG 1948 bedurften solche Vereinbarungen nicht, wie seit dem WEG 1975 gemäß dessen § 19 Abs 1 Z 2, der Schriftform. Sie konnten sogar durch konkludentes Verhalten abgeschlossen werden (MietSlg 32.540; Würth in Rummel, ABGB, Rdz 6 zu § 19 WEG). Ob eine solche Vereinbarung durch konkludentes Verhalten zustande kam, ist nach § 863 ABGB zu beurteilen. Demnach kommt es darauf an, ob von den Vertragspartnern ein solches Verhalten gesetzt wurde, welches mit Überlegung aller Umstände keinen vernünftigen Grund überlassen kann, an einer entsprechenden Willenserklärung der Beteiligten zu zweifeln. Ein solches unzweifelhaftes Verhalten zeigten die damaligen Wohnungseigentümer bei der Wohnungsübergabe, bei der Übergabebesprechung mit ins Einzelne gehender Erläuterungen der - wenn auch gleichsam als lex fugitiva in die Hausordnung aufgenommenen - Regeln über die Aufteilung bestimmter Aufwendungen und vor allem durch das in der Folge dieser Regelung entsprechende unwidersprochen gebliebene Verhalten der Wohnungseigentümer, die auf eigene Kosten die ihnen nach dieser Regelung obliegenden Instandsetzungsarbeiten durchführen ließen. Dabei ist zu beachten, daß die Reparatur von Fenstern und Balkonen etc nur in größeren und ungleichen Abständen bei jeweils verschiedenen Miteigentümern notwendig wird, so daß noch nicht alle Miteigentümer entsprechende Arbeiten durchführen lassen mußten. Deren Schweigen zu entsprechenden Maßnahmen einzelner Miteigentümer im Zusammenhang mit dem Wissen, daß seinerzeit eine solche Vorgangsweise widerspruchslos besprochen wurde, bedeutet nichts anderes, als daß alle Miteigentümer diese Regelung (weiterhin) akzeptierten. Entgegen der von der Antragstellerin vertretenen Ansicht kommt es nicht darauf an, ob den seinerzeitigen Miteigentümern die gesetzliche Regelung der Aufteilung der für die Liegenschaft zu tätigenden Aufwendungen bekannt war oder nicht. Maßgebend ist lediglich, ob aus dem objektiven Verhalten auf eine entsprechende Willenserklärung geschlossen werden kann. Da das Gesetz ausdrückliche und stillschweigende Erklärung gleichstellt, kommt es in beiden Fällen nicht auf den Willen, geschweige denn das Motiv des Erklärenden an, sondern auf das Verständnis, das ein redlicher Erklärungsempfänger davon gewinnen durfte (Rummel in Rummel, ABGB, Rdz 8 und 9 zu § 863).

Sowohl das WEG 1948 als auch das WEG 1975 fordern für die Wirksamkeit einer von der gesetzlichen Regel abweichenden Vereinbarung über die Aufteilung der Aufwendungen für die Liegenschaft ein Übereinkommen aller Miteigentümer. Da in dem hier zu beurteilenden Fall nach dem Abschluß der Vereinbarung Miteigentümer wechselten, muß noch geprüft werden, wie sich das auf den Bestand der genannten Vereinbarung auswirkt. Dabei ist zwischen Gesamtrechtsnachfolge (hier: Erbschaft) und Einzelrechtsnachfolge zu unterscheiden.

Da der Erbe nach § 547 ABGB den Erblasser vorstellt, hat er auch in Bezug auf die vom Erblasser getroffene Vereinbarung nach § 8 Abs 4 WEG 1948 keine andere Rechtsstellung als dieser. Da überdies die Gültigkeit der Vereinbarung nur von der Zustimmung aller Miteigentümer, unabhängig von der Größe ihres Miteigentumsanteiles, abhängt, wird eine solche Vereinbarung nicht dadurch beeinträchtigt, daß ein Miteigentümer - auf welchem Weg immer - einen anderen Miteigentumsanteil dazuerwirbt: dadurch wird nur die Anzahl der an der Vereinbarung beteiligten Personen kleiner, ändert aber nichts an der Willensübereinstimmung dieser.

Vereinbarungen nach § 8 Abs 4 WEG 1948 bzw § 19 Abs 1 Z 2 WEG 1975 haben bloß schuldrechtliche Wirkung zwischen den Vertragspartnern. Das bedeutet aber nicht, daß jeder Eigentümerwechsel durch Einzelrechtsnachfolge ohne weiteres bewirkt, daß die seinerzeitige Vereinbarung unwirksam wird. Die Rechtswirksamkeit der Vereinbarung hängt davon ab, daß sie zwischen allen Miteigentümern besteht. Sie bleibt daher jedenfalls dann bestehen, wenn sie vom Rechtsvorgänger auf seinen Nachfolger - sei es wegen einer den Rechtsvorgänger diesbezüglich treffenden Pflicht zur Überbindung, sei es auf Grund bloßer Vertragsgestaltung - überbunden wurde oder wenn der Rechtsnachfolger in die gesamte Rechtsstellung seines Vorgängers eintrat, weil in einem solchen Fall weiterhin alle Miteigentümer Vertragspartner sind. Es besteht kein Grund dafür, daß ein bisher vertraglich gebundener Miteigentümer frei werden sollte, bloß weil der Rechtsnachfolger eines Vertragspartners an dessen Stelle trat, wenn dieser zur Aufrechterhaltung der Vereinbarung bereit ist. Derartiges wird von einem Teil der Rechtsprechung sogar für den Fall des Eintrittes des Einzelrechtsnachfolgers eines Miteigentümers in eine bestehende Benützungsregelung angenommen (SZ 58/84), obgleich bei einer Benützungsregelung häufig persönliche Rücksichtnahmen schwerer ins Gewicht fallen (so Gamerith in Rummel, ABGB, Rdz 4 zu § 834) als dies bei der Aufteilung bloß finanzieller Lasten unter eine (meist) große Zahl von Miteigentümern der Fall ist. Die nach dem WEG 175 geforderte Schriftform trifft nur den der seinerzeit konkludent geschlossenen Vereinbarung neu beitretenden Miteigentümer. Sie ist - unter Berücksichtigung ihres Schutzzweckes - schon eingehalten, wenn der Rechtsnachfolger mittels schriftlichen Vertrages in die Rechtsstellung seines Vorgängers eintrat. Schließlich bleibt die Vereinbarung auch wirksam, wenn ein Einzelrechtsnachfolger ohne übernommene Verpflichtung der Vereinbarung beitritt, weil - wie bereits oben gesagt wurde - der bloße Wechsel eines Miteigentümers für einen anderen keinen Grund abgibt, selbst nicht mehr an die seinerzeit übernommene Verpflichtung gebunden zu sein. Solange daher ein neuer Miteigentümer, für den die Vereinbarung nicht ohnedies kraft Rechtsüberganges gilt, die Abgabe einer (seit 1.September 1975 schriftlichen) Beitrittserklärung nicht abgelehnt hat, besteht ein Schwebezustand, während dessen Dauer die anderen Miteigentümer (als Vertragspartner der ursprünglichen Vereinbarung) gebunden bleiben. Erst wenn ein Einzelrechtsnachfolger, dem ein diesbezügliches Entscheidungsrecht zusteht, den Beitritt zur seinerzeitigen Vereinbarung ablehnt und daher die gesetzlich geforderte Übereinstimmung aller Miteigentümer nicht mehr erreicht werden könnte, wäre die Vereinbarung hinfällig.

Entgegen der Rechtsansicht der Antragstellerin ist die Aufteilung der Kosten einer Fensterreparatur unabhängig davon, in welcher Form diese Reparatur zu erfolgen hat, damit dadurch nicht eine Beeinträchtigung der äußeren Erscheinung des Hauses erfolgt. Der Bestand der seinerzeitigen Vereinbarung wird also nicht dadurch berührt, daß die Reparatur oder der Austausch der Fenster nicht in beliebiger Form durch den hiezu verpflichteten Miteigentümer erfolgen darf.

Für die hier zu beurteilende Rechtssache bedeutet dies, daß mit den Parteien an Hand eines alle Eigentümerwechsel vom Zeitpunkt der seinerzeitigen Vereinbarung bis zur neuen Entscheidung ausweisenden Grundbuchsauszuges zu erörtern und ein allenfalls erforderlich werdendes Beweisverfahren darüber durchzuführen ist, ob jeweils mit allen Miteigentümern die seinerzeitige Vereinbarung aufrecht blieb. Dabei ist auf die oben dargelegten Grundsätze Bedacht zu nehmen. Nur wenn feststeht, daß die seinerzeitige Vereinbarung nicht mehr wirksam ist, wäre auch noch zu prüfen, ob es sich bei den von der Antragstellerin begehrten Arbeiten um solche nach § 14 Abs 1 Z 1 WEG binnen angemessener Frist durchzuführende handelt. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 26 Abs 2 WEG im Zusammenhang mit § 37 Abs 3 Z 19 MRG.

Anmerkung

E20670

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0050OB00073.89.0220.000

Dokumentnummer

JJT_19900220_OGH0002_0050OB00073_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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