TE OGH 1990/2/22 7Ob1/90

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Veröffentlicht am 22.02.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Egermann, Dr. Niederreiter und Dr. Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*** W***, Wörgl, Bahnhofstraße 15, vertreten durch Dr. Josef Steinbacher, Rechtsanwalt in Wörgl, wider die beklagte Partei I***, Internationale Unfall- und Schadenversicherungs AG, Innsbruck, Rennweg 18, vertreten durch Dr. Heinz Bauer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen S 640.000,-- s.A., infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 14.September 1989, GZ 2 R 175/89-47, womit das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 2.Dezember 1988, GZ 11 Cg 5/88-41, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und in der Sache selbst erkannt:

"Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen S 640.000,-- samt 4 % Zinsen seit 1.9.1983, die mit S 253.854,90 (darin S 20.691,20 an Umsatzsteuer und S 26.251,70 an Barauslagen) bestimmten Verfahrenskosten erster Instanz (einschließlich des Berufungsverfahrens im ersten Rechtsgang), die mit S 49.431,60 (darin S 5.738,60 an Umsatzsteuer und S 15.000,-- an Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (im zweiten Rechtsgang) und die mit S 14.756,40 (darin S 2.459,40 an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens beim Obersten Gerichtshof zu ersetzen."

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Schreiben vom 22.1.1953 setzte die klagende Partei das Amt der Tiroler Landesregierung, Landesbaudirektion, davon in Kenntnis, daß sie die Neuerrichtung eines Hochbehälters plane, um dem gelegentlich auftretenden Stoßbedarf an großen Wassermengen begegnen zu können und einen annähernd konstanten Wasserdruck im Ortsschwerpunkt zu erzielen. Dieser zusätzliche Wasserhochbehälter sollte einen Nutzinhalt von 1.400 m3 haben. Er sollte mit einer Rohrleitung mit einem Durchmesser von 200 mm mit dem Ort Wörgl verbunden werden. Dem Schreiben wurden die vom Baubezirksamt Kufstein ausgearbeiteten technischen Unterlagen angeschlossen. Die klagende Partei ersuchte ferner um die Durchführung des wasserrechtlichen Bewilligungsverfahrens.

Mit Bescheid des Amtes der Tiroler Landesregierung vom 2.3.1953 wurde die wasserrechtliche Bewilligung zum Bau und Betrieb dieser zusätzlichen Wasserversorgungsanlage auf die Dauer des konsensmäßigen Bestandes und unter Einhaltung von mehreren im Spruch des Bescheides näher angeführten Bedingungen erteilt. Unter anderem enthielt der Bewilligungsbescheid folgende Bedingungen:

"1. Die Anlage ist projektgemäß unter Berücksichtigung der angegebenen Entwurfsänderungen unter der Bauaufsicht des Bezirksamtes Kufstein auszuführen und dauernd in ordentlichem und hygienisch einwandfreiem Zustand zu erhalten. Die Ausführung des Hochbehälters hat durch eine verläßliche, mit der Durchführung von Eisenbetonarbeiten bestens vertraute Bauunternehmung zu erfolgen.

3. In der Steilstrecke nach dem Hochbehälter ist die Druckrohrleitung Durchmesser 200 mm durch eine ausreichende Anzahl betonierter Fixpunkte abzusichern.

4. Nach Fertigstellung einer höchstens 250 m langen Rohrstrecke und erfolgter Sicherung der Krümmer und Formstücke, jedoch bei frei sichtbaren Dichtungsstellen ist eine Druckprobe durchzuführen, wobei der 1,5-fache hydrostatische Druck 30 min. lang gehalten werden muß. Das Ergebnis der Druckprobe ist mit der Bauvollendungsanzeige dem Amt der Tiroler Landesregierung vorzulegen."

Die klagende Partei ließ in der Folge die Bauarbeiten von der M*** Baugesellschaft mbH mit Sitz in Innsbruck, einem Fachunternehmen auf dem Gebiet des Tief- und Industriebaues, durchführen.

Mit Bescheid des Amtes der Tiroler Landesregierung vom 21.8.1961 wurde unter anderem die mit Bescheid vom 2.3.1953 wasserrechtlich bewilligte und errichtete Anlage sowie die Verbindungsleitung Brixentalerstraße - Salzburgerstraße unter Einhaltung mehrerer Bedingungen für überprüft erklärt. In dem in diesem Bescheid enthaltenen Befund wurde auch ausgesprochen, daß die mit dem Bescheid vom 2.3.1953 bewilligte Anlage projektgemäß ausgeführt wurde.

Die Entleerungsleitung im Gebäude war ursprünglich mit 200 mm Durchmesser projektiert und in den Bewilligungsbescheid aufgenommen worden. Im Detailplan vom 23.6.1953 wurde die Entleerungsleitung im Gebäude von Dipl.Ing. Dr. Walter P*** mit 300 mm Durchmeser projektiert. In den Kollaudierungsoperaten wird die Änderung der Entleerungsleitung im Gebäude von 200 auf 300 mm Durchmesser nicht erwähnt.

Die Entleerungsleitung wurde mit einem Durchmesser von 300 mm vom Gebäude mit ca. 16 % Gefälle bis zu einem Übergangsschacht geführt und von dort mit einem Gefälle von 60 % mit einem Durchmesser von 200 mm weitergeführt. Der Schacht war mit einem zweiteiligen nicht verankerten Betondeckel abgedeckt. Am 14.1.1982 wurde anläßlich einer Entleerung des Hochbehälters der Betondeckel des Übergangsschachtes abgehoben und seitlich verschoben. Durch den Wasseraustritt kam es zum Abspülen des umliegenden Geländes. Dieser Schaden führte zum Abgang einer Mure, die starke Erosionserscheinungen hervorrief. Sämtliche auf eigenen und fremden Grundstücken entstandene Schäden wurden auf Kosten der klagenden Partei in den Jahren 1982 und 1983 behoben. Die Kosten für den Ersatz von Schäden für Dritte ohne Verbesserung des alten Zustandes betrugen mehr als S 640.000.

Die jährliche Reinigung des Hochbehälters, wie sie in Punkt 8 des Bescheides vom 2.3.1953 vorgeschrieben worden war, erfolgte nicht durch Auslassen des Behälters, sondern vorwiegend durch eine jährliche Wasseruntersuchung.

Die klagende Partei hatte mit der beklagten Partei für die Zeit vom 18.4.1979 bis 1.1.1985 eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen. Die vereinbarte Versicherungssumme betrug S 640.000 pro Sachschaden. Versichert werden sollten laut Versicherungspolizze unter anderem das Wasser- und Kanalwerk Wörgl.

Dem Versicherungsvertrag liegen die Allgemeinen Bedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHVB 1963) und die Ergänzenden Allgemeinen Bedingungen für die Haftpflichtversicherung (EHVB 1963) zugrunde. Punkt 3 der EHVB 1963, "Baugewerbe und ähnliche Gewerbe", lautet: Z 1: "Darunter fallen im Sinne dieser Bedingungen:

Baumeister, Maurermeister, Bauunternehmer, Demolierungsunternehmer, Deichgräber, Baggereien, Straßenbauer; Brunnenmeister, Tiefbauunternehmer, Sprengungsunternehmer, Gerüstverleiher, Verleiher von Baumaschinen, Stukkateure und Gipser, Betonwarenerzeuger, Kunststeinerzeuger, Erzeuger von Baustoffen aller Art, Steinbruchunternehmer, Sand- und Schottererzeuger, Kalkbrennereien; Zimmermeister." Die Ziffer 5 dieses Punktes hat folgenden Wortlaut: "Der Versicherer ist von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn der Versicherungsnehmer oder derjenige, der im einzelnen Fall die Aufsicht führt, das die Haftpflicht auslösende Ereignis durch bewußtes Zuwiderhandeln gegen Baugesetze oder baubehördliche Vorschriften herbeigeführt hat..."

Die klagende Partei begehrt die Zahlung von S 640.000,-- s.A. Die beklagte Partei verweigere zu Unrecht die Schadenersatzleistung. Die Behauptung, die Entleerungsanlage sei seinerzeit ohne Planung und Berechnung sowie ohne behördliche Aufsicht erstellt worden, sei unrichtig. Die Entleerungsleitung sei vom Baubezirksamt Kufstein geplant und auf Grund des Bescheides des Amtes der Tiroler Landesregierung vom 2.3.1953 errichtet worden. Das Baubezirksamt Kufstein habe auch die Bauleitung gehabt. Die von der beklagten Partei behaupteten technischen Mängel der Entleerungsleitung seien nicht gegeben; baurechtliche Vorschriften seien nicht verletzt worden. Die Entleerungsleitung sei nicht planabweichend ausgeführt worden. Der Zustand der Anlage sei der beklagten Partei im Zeitpunkt des Abschlusses des Versicherungsvertrages bekannt gewesen. Es könne keine Rede davon sein, daß die klagende Partei oder ihre Organe bewußt gegen Baugesetze oder baubehördliche Vorschriften verstoßen hätten.

Die beklagte Partei, die das Klagebegehren der Höhe nach außer Streit stellte, beantragte die Abweisung der Klage. Planung und Ausführung der Entleerungsleitung seien von der klagenden Partei im eigenen Verantwortungsbereich vorgenommen worden. Es habe an der behördlichen Aufsicht gefehlt. Die im Bescheid der Tiroler Landesregierung erteilten Auflagen seien von der klagenden Partei nicht eingehalten worden. Dies sei als bewußtes Zuwiderhandeln gegen baubehördliche Vorschriften zu werten. Habe aber die klagende Partei, ohne eine Konzession zu besitzen, Arbeiten in Eigenregie durchgeführt, die einem der unter Punkt 3 Z 1 der EHVB 1963 aufgezählten Unternehmen zuzuordnen seien, sei in analoger Weise auch die Bestimmung des Punktes 3 Z 5 der EHVB 1963 anzuwenden, wonach der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei sei, wenn der Versicherungsnehmer das die Haftpflicht auslösende Ereignis durch bewußtes Zuwiderhandeln gegen Baugesetze oder baubehördliche Vorschriften herbeigeführt habe. Die nicht projektgemäße Ausführung der Entleerungsleitung habe zum Schadensereignis geführt. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und traf außer dem bereits dargestellten Sachverhalt noch folgende Feststellungen:

Der Übergangsschacht, zu dem die Entleerungsleitung vom Gebäude aus mit einem Durchmesser von 300 mm und einem Gefälle von ca. 16 % geführt und von dort mit einem Durchmesser von 200 mm und einem Gefälle von 60 % weitergeführt wurde, war in keinem Projektplan erwähnt oder enthalten. Auch in den Kollaudierungsoperaten wird die Errichtung des Schachtes nicht erwähnt.

Wenn der Übergang vom Durchmesser 300 mm auf Durchmesser 200 mm in der Entleerungsleitung mit einem Formstück mit entsprechender Betonummantelung hergestellt worden wäre, hätte das Wasser abfließen können, ohne Schäden auszulösen. Die Errichtung eines Übergangsschachtes war kausal für den Schadenseintritt. In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht aus, die klagende Partei habe den Übergangsschacht in der Entleerungsleitung ohne Baubescheid errichtet. Dieser Schacht sei durch den Bewilligungsbscheid vom 21.8.1961 nicht sanktioniert worden. Die Existenz dieses Schachtes sei der Behörde bei der Kollaudierung nicht bekannt gewesen. Die Entleerungsleitung sei im Hinblick auf das Vertrauen auf die plangemäße Durchführung nicht abgegangen worden. Es handle sich hiebei nicht um eine geringfügige Änderung des Projektes, die nachträglich ohne Wissen der Behörde durch den Kollaudierungsbescheid genehmigt worden wäre. Da die klagende Partei als Bauherr den Inhalt des Bescheides vom 2.3.1953 samt Auflagen gekannt habe, hätten sie und derjenige, der die Aufsicht geführt habe, wissen müssen, daß die Errichtung des Schachtes von der Baubewilligung nicht umfaßt gewesen und der Bau sohin in voller und bewußter Kenntnis der mangelnden baubehördlichen Deckung erfolgt sei. Die beklagte Partei habe damit das Vorliegen der Ausschlußvoraussetzungen iS des Punktes 3 Z 5 der EHVB 1963 bewiesen und sei leistungsfrei.

Das Berufungsgericht hob die Entscheidung des Erstgerichtes unter Rechtskraftvorbehalt auf. Die Errichtung der von den ursprünglichen Plänen abweichenden Entleerungsleitung bedeute einen Verstoß gegen baubehördliche Gesetze oder baubehördliche Vorschriften. Bewußtes Zuwiderhandeln im Sinne der Bestimmung des Punktes 3 Z 5 der EHVB 1963 bedeute das Bewußtsein der Rechtswidrigkeit der Handlungsweise auf Seite des Versicherungsnehmers. Nicht entscheidend sei, ob der Versicherungsnehmer die Verbotsvorschrift in ihrem Wortlaut oder in ihrem genauen Umfang gekannt, und ob er gewußt habe, daß es sich um eine baugesetzliche oder baubehördliche Vorschrift handle. Die rechtliche Schlußfolgerung des Erstgerichtes, die klagende Partei und derjenige, der die Aufsicht geführt habe, hätten - da der klagenden Partei als der Bauherrin der Inhalt des Bescheides vom 2.3.1953 bekannt gewesen sei - wissen müssen, daß die Errichtung des Schachtes von der Baubewilligung nicht umfaßt sei, reiche zur Herstellung des Ausschlußtatbestandes nicht hin. Das Kennenmüssen genüge nicht, um das Bewußtsein der Rechtswidrigkeit der Handlungsweise auf Seiten des Versicherungsnehmers oder dessen, der die Aufsicht führte, bejahen zu können. Das bewußte Zuwiderhandeln sei eine Tatfrage. Es sei die Feststellung erforderlich, über wessen Anordnung die entscheidende Bauführung erfolgte oder wer davon wußte, auf Grund welcher Umstände und Überlegungen es zu diesen baulichen Maßnahmen gekommen sei und in wessen Verantwortungsbereich sie fielen. Unerörtert sei auch geblieben, ob die das Schadensereignis auslösende Bauführung - wie die klagende Partei geltend mache - einer bescheidmäßigen Genehmigung nicht bedurft hätte.

Die beklagte Partei bekämpft den Aufhebungsbeschluß der zweiten Instanz mit Rekurs und beantragt die Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichtes. Für die vom Berufungsgericht vermißten Feststellungen sei die klagende Partei beweispflichtig. Eine Erörterung dieser Fragen sei entbehrlich, weil der Anscheinsbeweis bereits unzweifelhaft erbracht habe, daß Organe der klagenden Partei oder des Baubezirksamtes Kufstein bewußt gegen Baugesetze oder baubehördliche Vorschriften verstoßen hätten. Den in Frage kommenden Personen hätten die Planunterlagen bekannt sein müssen. Ob die Errichtung des Schachts genehmigungspflichtig sei oder nicht, sei eine Rechtsfrage.

Die klagende Partei beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist im Ergebnis berechtigt, wenn auch nicht im Sinne einer Entscheidung zugunsten der beklagten Partei. Es besteht jedoch im Verfahren über einen Rekurs nach § 519 Abs 1 Z 3 ZPO kein Verbot der reformatio in peius, weil durch § 519 Abs 2 ZPO bei Spruchreife die Entscheidungsbefugnis des Berufungsgerichtes über die Berufung an den Obersten Gerichtshof devolviert, dieser daher über die noch nicht erledigten Berufungsanträge zu entscheiden hat (Fasching, Lehrbuch2, Rz 1823).

Es liegt eine Betriebshaftpflichtversicherung vor, wobei das E-, Wasser- und Kanalwerk der klagenden Partei samt Installationen versichert ist. Die Risken der Betriebshaftpflichtversicherung sind die typischen Betriebsgefahren und darüber hinaus alle Tätigkeiten, die mit dem Betrieb in einem inneren ursächlichen Zusammenhang stehen. Den Beweis für den Eintritt des Versicherungsfalles im Rahmen der allgemeinen Risikoumschreibung hat im Streitfall der Versicherungsnehmer zu erbringen. Daß es sich bei dem Ereignis vom 14.1.1982 um einen unter das versicherte Risiko gehörenden Versicherungsfall (typische Betriebsgefahr) handelt, ist nicht zweifelhaft und auch gar nicht strittig. Das Vorliegen eines Risikoausschlusses oder der Voraussetzungen für die Leistungsfreiheit wegen Verletzung einer vereinbarten oder gesetzlichen Obliegenheit hat nach einhelliger Ansicht der Versicherer zu behaupten und zu beweisen. Hier wurde lediglich Leistungsfreiheit nach Punkt 3 Z 5 der EHVB 1963 behauptet (bzw. wurde nur dieser Einwand aufrecht erhalten). Punkt 3 Z 5 der EHVB 1963 gilt jedoch (Punkt 3 Z 1 der EHVB 1963) nur für "Baugewerbe und ähnliche Gewerbe" (erst durch die EHVB 1978 wurde die Klausel des "bewußten Zuwiderhandelns" auf alle Betriebsrisken ausgedehnt). Dies wurde offensichtlich auch von der beklagten Partei erkannt. Es wurde von ihr dementsprechend der Standpunkt vertreten (AS 7 = S 3 der Klagebeantwortung), die genannte Klausel sei analog auch auf den Betrieb der klagenden Partei anzuwenden. Eine Analogie kommt jedoch umsoweniger in Betracht, als der Oberste Gerichtshof von der Auffassung abgerückt ist, allgemeine Versicherungsbedingungen seien wie Gesetze auszulegen (7 Ob 3/89 mit zustimmender Anmerkung von Schauer in RdW 1989, 329). Gemessen am Verständnis eines verständigen Durchschnittsbürgers (7 Ob 3/89) kann es aber nicht zweifelhaft sein, daß die angeführte Klausel nach ihrer Stellung und ihrer Überschrift nur für Baugewerbe und ähnliche Gewerbe gilt. Um ein solches handelt es sich aber beim versicherten Betrieb der klagenden Partei nicht. Die beklagte Partei kann sich daher nicht mit Erfolg auf Leistungsfreiheit nach Punkt 3 Z 5 der EHVB 1963 berufen.

Dazu kommt, daß die beklagte Partei die analoge Anwendung des Punktes 3 Z 5 der EHVB 1963 mit der - von der klagenden Partei bestrittenen - Behauptung geltend gemacht hat, die klagende Partei habe, ohne eine Konzession zu besitzen, die Entleerungsanlage in Eigenregie durchgeführt und sei deshalb einem der in Punkt 3 Z 1 der EHVB 1963 aufgezählten Unternehmen zuzuordnen. Festgestellt aber wurde nicht, daß die klagende Partei die Bauarbeiten durchgeführt hat, sondern daß sie durch die M*** Gesellschaft mbH durchgeführt wurden. Wurde aber die Entleerungsanlage nicht von der klagenden Partei, sondern von der M*** Gesellschaft mbH durchgeführt, fallen die Voraussetzungen für die Einwendung der beklagten Partei iS des Punktes 3 Z 5 der EHVB 1963 fort.

Die Sache erweist sich damit im Sinne des Klagebegehrens als zur Entscheidung reif, so daß gemäß § 519 Abs 2 ZPO in der Sache selbst zu erkennen und dem Klagebegehren stattzugeben war. Die Entscheidung über die Verfahrenskosten erster Instanz erfolgte nach § 41 ZPO, jene über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens nach den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E20722

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0070OB00001.9.0222.000

Dokumentnummer

JJT_19900222_OGH0002_0070OB00001_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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