TE OGH 1990/2/22 8Ob534/89

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Veröffentlicht am 22.02.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatpräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Graf, Dr. Schiemer und Dr. Jelinek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B*** Beratungs- und Beteiligungsgesellschaft mbH, 5020 Salzburg, St. Julienstraße 13, vertreten durch Dr. Kurt Asamer und Dr. Christian Schubert, Rechtsanwälte in Salzburg, wider die beklagte Partei Christa G*** & Co Gesellschaft mbH, 5542 Flachau, Feuersang 104, vertreten durch Dr. Friedrich Frühwald, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung und Räumung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgerichtes vom 7. Dezember 1988, GZ 21 R 418/88-23, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Radstadt vom 3. August 1988, GZ C 1221/88s-13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

I.) den

Beschluß

gefaßt:

Die wegen Nichtigkeit erhobene Revision wird zurückgewiesen.

II.) zu Recht erkannt:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 6.172,20 S (einschließlich 1.028,70 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Josef S*** (Verpflichteter) war Alleineigentümer der Liegenschaft EZ 172 Grundbuch KG 55304 Feuersang und Inhaber des darauf befindlichen Gasthausbetriebes "Alter Jagdhof" in Flachau, Feuersang 104, Mit Notariatsakt vom 30. Oktober 1986 schloß der Verpflichtete mit der Beklagten - deren einziger Geschäftsführer er ist - betreffend seinen gesamten Gasthausbetrieb den Unternehmenspachtvertrag (Beilage I), der erstmalig am 30. Oktober 2085 unter Einhaltung einer zehnjährigen Kündigungsfrist aufgekündigt werden kann. Dieser Bestandvertrag umfaßt das ganze Anlage- und Umlaufvermögen sowie die "laufende Geschäftstätigkeit des Verpflichteten" und wurde am 29. April 1987 auf der genannten Liegenschaft zu Gunsten der Beklagten einverleibt.

Das Bezirksgericht Radstadt bewilligte über Antrag der V*** S*** am 16. Dezember 1986 zur AZ E 38/86 die Zwangsversteigerung der Liegenschaft. Nach dem Inhalt der Versteigerungsbedingungen war das Bestandrecht der Beklagten nicht ohne Anrechnung auf das Meistbot zu übernehmen. Beim Versteigerungstermin vom 19. Jänner 1988 wurde die Liegenschaft der Klägerin zugeschlagen. Das Bezirksgericht Radstadt verteilte das Meistbot von 9,900.000 S in der Weise, daß es aus der Verteilungsmasse die Forderung eines gemäß § 216 Abs 1 Z 2 EO bevorrechteten Gläubigers und sodann die Forderungen mehrerer Hypothekargläubiger berichtigte. Das dem einverleibten Bestandrecht der Beklagten vorausgehende Pfandrecht einer Raiffeisenkasse für einen Höchstbetragskredit von 1,300.000 S kam infolge der Erschöpfung des Meistbotes nicht mehr zum Zug. Rekurse des Verpflichteten gegen den Verteilungsbeschluß an das Landesgericht Salzburg und den Obersten Gerichtshof blieben erfolglos. Der Klägerin wurde die ersteigerte Liegenschaft auf Grund der beantragten zwangsweisen Räumung am 2. Mai 1988 vom Vollstrecker des Bezirksgerichtes Radstadt durch Abnahme des Universalschlüssels des Verpflichteten und Übergabe an den Vertreter der Klägerin übergeben. Nach Erfüllung der Versteigerungsbedingungen bewilligte das Bezirksgericht Radstadt am 17. Juni 1988 der Klägerin die Einverleibung ihres Eigentumsrechtes; dieser Beschluß wurde am 21. Juni 1988 im Grundbuch vollzogen.

Das Bezirksgericht Radstadt nahm mit Beschluß vom 4. Mai 1988 über Antrag der Beklagten die von ihr erlegten Pachtzinse infolge behaupteter Nichtannahme durch die Klägerin gemäß § 1425 ABGB zu Gericht an. Die Beklagte erlegte seither für die Monate Februar bis Juli 1988 den monatlichen Pachtzins von je 11.333,33 S. Die Klägerin kündigte als nunmehrige Eigentümerin der Liegenschaft den Bestandvertrag mit der Beklagten zum 31. Dezember 1988 gerichtlich auf und beantragte, daß ihr der Bestandgegenstand bis zum 14. Jänner 1989 übergeben werde. Denn das Bestandrecht der Beklagten habe im Meistbot keine Deckung gefunden und sei deshalb wie ein nicht verbüchertes zu behandeln und nicht zu übernehmen.

Die Beklagte erhob gegen die Aufkündigung rechtzeitig Einwendungen und beantragte die Aufhebung der Kündigung mit der Begründung, daß das Bestandverhältnis der Klägerin bekannt gewesen sei, die Bestimmungen des § 1121 ABGB kein Anwendungsfeld haben könnten, weil das MRG anzuwenden sei und die Beklagte ordnungsgemäß den vereinbarten Bestandzins bezahle. Daß das Bestandrecht im Meistbot keine Deckung finde, stehe mangels Rechtskraft des Verteilungsbeschlusses noch nicht fest. Schließlich habe die Klägerin durch die Rücküberweisung (des Bestandzinses) vom 12. April 1988 eindeutig zum Ausdruck gebracht, daß sie das Pachtverhältnis als solches nicht anerkenne, doch sei gerade dies Voraussetzung für eine Aufkündigung.

Das Erstgericht erklärte die Aufkündigung für wirksam und gab dem Räumungsbegehren statt. Die Klägerin sei zur Aufkündigung gemäß § 1121 ABGB ohne Einhaltung der zwischen Josef S*** und der Beklagten vereinbarten Kündigungsfrist berechtigt gewesen. Die Bestimmungen des MRG seien nicht anzuwenden, weil ein Pachverhältnis vorliege. Ob die Klägerin aus Anlaß der Bezahlung der ersten Pachtzinse und deren Nichtannahme erklärt habe, daß kein Bestandverhältnis vorliege, sei rechtlich ohne Bedeutung, weil die Klägerin das Recht habe, diesbezüglich ihre Meinung zu ändern und das Bestandverhältnis anzuerkennen, was auf jeden Fall durch die Einbringung der gerichtlichen Kündigung geschehen sei. Das Berufungsgericht verwarf die Berufung der Beklagten, soweit Nichtigkeit geltend gemacht wurde, und gab ihr im übrigen nicht Folge. Es sprach aus, daß der von der Bestätigung betroffene Wert des Streitgegenstandes 300.000 S übersteige, teilte im wesentlichen die Rechtsansicht des Erstrichters und verwies noch darauf, daß der Notariatsakt in seinem § 4 Abs 1 auch ein Betriebspflicht des Pächters (Beklagte) enthalte.

Ad I.): Das Berufungsgericht verwarf mit Beschluß die Berufung der Beklagten wegen Nichtigkeit gemäß § 477 Abs 1 Z 4 ZPO, weil die Beklagte entgegen den Berufungsbehauptungen nicht durch einen gesetzwidrigen Vorgang des Erstgerichtes (Erklärung der Rechtssache zur Ferialsache) von der für den 3. August 1988 anberaumten Verhandlungstagsatzung ausgeschlossen worden sei. Soweit sich die Revision neuerlich auf diese angebliche Nichtigkeit des erstgerichtlichen Verfahrens stützt, ist sie schon auf Grund des § 519 ZPO unzulässig und zurückzuweisen, weil nach einhelliger Lehre und Rechtsprechung die Anfechtung aller Beschlüsse des Berufungsgerichtes, mit welchen die wegen Nichtigkeit erhobene Berufung als unbegründet zurück oder abgewiesen wurde, ausgeschlossen ist (EFSlg. 57.844; SZ 54/190; JBl 1955, 276 uva; Fasching IV 409). Daß das Verfahren und die Entscheidung zweiter Instanz nichtig wäre, wurde in der Revision nicht behauptet. Ad II.): Der Revision der Beklagten kommt im übrigen keine Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

Die gerügte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).

Die gehörige Aufkündigung des Bestandvertrages zum 31. Dezember 1988 wird von der Beklagten nicht in Frage gestellt. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, daß eine Aufkündigung, wie sich aus § 1116 ABGB und § 560 ZPO ergibt, immer das Vorhandensein eines Bestandvertrages voraussetzt, dessen Beendigung nach Ablauf der Kündigungsfrist durch die Aufkündigung bewirkt werden soll. Fehlt in der Aufkündigung die widerspruchslose Behauptung des Bestehens eines Bestandverhältnisses, muß dies (aus materiellrechtlichen Gründen) zur Aufhebung der Kündigung führen (MietSlg 35.820, 31.747, 23.176; Fasching IV 631). In der am 24. Juni 1988, zeitlich somit nach dem Hinterlegungsbeschluß des Bezirksgerichtes Radstadt eingebrachten Aufkündigung hat die Klägerin ausdrücklich vorgetragen, daß zu Gunsten der Beklagten ein Bestandvertrag einverleibt sei, das Bestandrecht im Meistbot keine Deckung finde und daher das Bestandverhältnis aufgekündigt werde. Die Aufkündigung ist daher nicht nur schlüssig, sondern gibt auch den Standpunkt der Klägerin, daß (jedenfalls nun) das Bestehen eines Bestandvertrages nicht bestritten werde, unzweifelhaft wieder. Auf Grund des Zugeständnisses der Beklagten (Einwendungen ON 4 AS 11) und der Beweisergebnisse wurde dann auch das Bestehen eines Bestandvertrages (Beilage I) festgestellt. Diese Feststellung hat die Beklagte im Berufungsverfahren nicht bekämpft. Angesichts dieser Sachlage gehen die Hinweise der Revision über die Unschlüssigkeit der Klage ins Leere, weil sie nicht auf den Zeitpunkt der Aufkündigung und des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz, sondern auf einen davor liegenden Zeitpunkt abstellen. Im Revisionsverfahren ist auch nicht mehr strittig, daß die Klägerin als Ersteherin der Liegenschaft das Bestandrecht der Beklagten mangels Deckung im Meistbot nicht zu übernehmen hatte. An den verbücherten Bestandvertrag ist der Ersteher gemäß § 150 Abs 1 und 3 EO gebunden und hat dann auch kein Recht zur vorzeitigen Kündigung, wenn die Einverleibung entweder dem Recht des erstbetreibenden Gläubigers im Range vorausgeht oder im Meistbot volle Deckung findet. Da hier das Meistbot keine Deckung bietet, ist das Bestandrecht wie ein unverbüchertes zu behandeln (Würth in Rummel, ABGB2 Rz 1 und 2 zu § 1121). Gemäß § 1121 ABGB muß der Bestandnehmer in einem solchen Fall - soweit nicht Schutzvorschriften des MRG oder Schutzrechte nach dem LPG und KlGG entgegenstehen, die aber hier, wie noch auszuführen ist, nicht in Betracht kommen - "dem Ersteher weichen". Die Beklagte stützt sich bloß darauf, daß der Unternehmenspachtvertrag vom 30. Oktober 1986 (Beilage I) in Wirklichkeit eine Geschäftsraummiete sei, welche dem MRG unterstellt werden müsse. Dies haben die Vorinstanzen jedoch zutreffend verneint. Soweit die Beklagte demgegenüber nur allgemein und ohne Bezugnahme auf die konkreten Verfahrensergebnisse das Gegenteil darzutun versucht, ist sie darauf zu verweisen, daß sie noch im erstgerichtlichen Verfahren, aber auch im Zwangsversteigerungsverfahren zur AZ E 38/86 des Bezirksgerichtes Radstadt selbst von einem Pachtvertrag ausging und gar nicht behauptete, es liege eine Geschäftsraummiete vor. Ihr bezügliches Vorbringen in diesem Verfahren (Seite 11) lautet nur, es "ist auch noch zu beachten, daß die Bestimmungen des § 1121 ABGB kein Anwendungsfeld haben können, weil nach Auffassung der gekündigten Partei überhaupt das Mietrechtsgesetz seine Anwendung finden wird". Daß der Bestandvertrag (Beilage I) entgegen seinem Text nach dem Willen der Vertragsparteien eine Geschäftsraummiete betroffen habe, wurde somit erstmals in der Berufung vorgetragen.

Auch inhaltlich kann diesen Ausführungen der Revision über das Vorliegen einer Geschäftsraummiete nicht beigetreten werden. Bei der Abgrenzung zwischen Geschäftsraummiete und Unternehmenspachtvertrag kommt es auf die Gesamtheit der Umstände des Einzelfalles (MietSlg 38.457, 38.135; SZ 58/8 uva) und auf die Zweckbestimmung der Bestandsache bei Vertragsabschluß bzw auf die dem Bestandnehmer eingeräumten Befugnisse an. Ein Unternehmenspachtvertrag liegt im allgemeinen vor, wenn ein lebendes Unternehmen Gegenstand des Bestandvertrages ist, also eine organisierte Erwerbsgelegenheit mit allem, was zum Begriff "good will" gehört, übergeben wird (MietSlg 38.457, 38.135, SZ 58/8; Würth in Rummel, § 1091 ABGB Rz 2 mwN). Neben den Räumen muß dem Bestandgeber im allgemeinen auch das beigestellt werden, was wesentlich zum Betrieb des Unternehmens und zu seinem wirtschaftlichen Fortbestand gehört. Wenn der Bestandgeber alle wesentlichen Grundlagen des Unternehmens zur Verfügung stellt, ist jedenfalls Pacht anzunehmen (MietSlg 32.164; MietSlg 16.566 für den Fall der Übergabe eines lebenden Gasthausunternehmens uva). Im allgemeinen wird jedoch schon in der Vereinbarung einer Betriebspflicht ein wesentliches Kriterium für die Annahme eines Pachtvertrages sein (MietSlg 38.457, 38.135; SZ 58/8 uva; Klang in Klang2 V 28; Würth aaO). Daß die vom Berufungsgericht hervorgehobene Betriebspflicht tatsächlich nicht bestanden hätte, wird in der Revision nicht behauptet. Wenn es auch für die Beurteilung der Frage, ob Unternehmenspacht vorliegt, nicht darauf ankommt, wie die Vertragspartner ihr Rechtsverhältnis bezeichneten, so ist es doch von Bedeutung, was - Unternehmen oder Räume - als Gegenstand des Bestandverhältnisses genannt wurde (MietSlg 22.113 mwN). Vorliegend ist nach dem Inhalt des Vertrages (Beilage I) Gegenstand eines "Unternehmenspachtvertrages" der "gesamte Gastgewerbebetrieb samt dem dazugehörigen Anlage- und Umlaufvermögen zu Besitz, zur Nutzung und zur Führung im eigenen Namen und für eigene Rechnung der Pächterin". Es ist somit von einem Betrieb und nicht von Räumlichkeiten die Rede.

Das Vorliegen der für die Annahme eines Pachtvertrages wesentlichen Komponenten haben die Vorinstanzen schon auf Grund des unter Beilage I im Akt befindlichen Unternehmenspachtvertrages vom 30. Oktober 1986 ausreichend deutlich festgestellt, zumal von der Beklagten gar nicht behauptet wurde, der schriftliche Vertrag Beilage I entspreche nicht dem wahren Parteiwillen. Die aus dem Vertrag Beilage I ersichtlichen Bestimmungen weisen so eindeutig in Richtung eines Unternehmenspachtvertrages hin, daß die Vorinstanzen zu Recht dem Klagebegehren stattgegeben haben.

Der Revision der Beklagten kann deshalb kein Erfolg beschieden sein. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E20406

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0080OB00534.89.0222.000

Dokumentnummer

JJT_19900222_OGH0002_0080OB00534_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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