TE OGH 1990/2/28 2Ob14/90

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Veröffentlicht am 28.02.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel, Dr. Melber, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Willibald M***, technischer Angestellter, Saumstraße 12, 4180 Zwettl, vertreten durch Dr. Heinz Oppitz, Dr. Heinrich Neumayr, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei D*** A*** V*** AG, Schottenring 15, 1011 Wien, vertreten durch Dr. Georg Maxwald, Dr. Georg Bauer, Rechtsanwälte in Linz, wegen S 68.258,34 sA, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 21.November 1989, GZ 4 R 92/89-10, womit das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 13.Jänner 1989, GZ 7 Cg 281/88-4, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Auf die Kosten des Rekursverfahrens ist gleich weiteren Verfahrenskosten Bedacht zu nehmen.

Text

Begründung:

Der am 10.8.1949 geborene Kläger erlitt am 4.7.1974 bei einem Verkehrsunfall schwere Verletzungen. Laut Feststellungsurteil vom 20.11.1975 ist die beklagte Partei dem Kläger gegenüber für jene Schäden ersatzpflichtig, die er auf Grund des Verkehrsunfalles in Zukunft noch erleidet.

Mit seiner Klage begehrt der Kläger den Ersatz eines Verdienstentganges von S 68.258,34 für die Zeit von November 1987 bis einschließlich Juni 1988 mit der Begründung, er sei jahrelang bei der C***-L*** AG als Angestellter tätig gewesen und habe seinen Arbeitsplatz mit Ende Oktober 1987 verloren. Formell sei die Auflösung des Dienstverhältnisses zwar einverständlich erfolgt, doch seien dieser Auflösung monatelange Verhandlungen vorausgegangen, wobei auf die Angestellten auch seitens der Unternehmensleitung ein entsprechender Druck einerseits ausgeübt worden sei, andererseits habe man den Angestellten auch entsprechende Vorteile versprochen, wenn sie einer einverständlichen Auflösung des Dienstverhältnisses zustimmten. Unter dem Druck dieser Verhältnisse habe sich der Kläger eben entschlossen, der ihm vorgeschlagenen einverständlichen Auflösung des Dienstverhältnisses zuzustimmen. Er sei der Meinung gewesen, daß er auf dem Arbeitsmarkt ohne weiteres wieder einen Arbeitsplatz finden werde, diese Hoffnung habe sich jedoch nicht erfüllt. Die unfallsbedingte Behinderung des Klägers habe immer wieder zur Ablehnung seiner Bewerbungen geführt. Als besonders hinderlich bei der Postensuche habe sich der Umstand erwiesen, daß der Kläger vom Landesinvalidenamt gemäß § 14 Abs 2 des InvalideneinstellungsG 1969 in den Kreis der begünstigten Invaliden eingereiht worden sei. In dem Bescheid sei die Minderung der Erwerbsfähigkeit mit 50 % festgestellt worden. Ohne die unfallsbedingten Verletzungen hätte der Kläger wieder einen Posten gefunden, bei welchem er ein ähnliches Einkommen erzielt hätte wie bei der C***-L*** AG. Er begehre daher den Ersatz des durchschnittlichen Verdienstes in der Höhe des vor Auflösung des Dienstverhältnisses bezogenen Einkommens abzüglich der erhaltenen Zahlungen.

Die beklagte Partei wendete ein, der Kläger habe durch die einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses gegen die Schadensminderungspflicht verstoßen. Als begünstigter Invalider hätte er nach dem Invalideneinstellungsgesetz nicht gekündigt werden können. Das Verdienstentgangsbegehren sei sittenwidrig, weil der Kläger sein Dienstverhältnis offensichtlich deshalb so leichtfertig gelöst habe, weil er das Risiko seiner Arbeitslosigkeit und des damit verbundenen Verdienstentganges auf die beklagte Partei habe verlagern wollen. Der Kläger habe dadurch, daß er das Dienstverhältnis aufgelöst habe, weil ihm entsprechende Vorteile versprochen worden seien, jeglichen Verdienstentgangsanspruch verwirkt. Hinsichtlich dieser Vorteile werde überdies Vorteilsausgleichung eingewendet.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, ohne Beweise aufgenommen zu haben. Es führte aus, nach der Rechtsprechung erscheine trotz der Bejahung des adäquaten Kausalzusammenhanges die Zurechnung der Schadensfolge (hier: Verdienstentgang durch Verlust des Arbeitsplatzes) nicht mehr gerechtfertigt, wenn diese aus der aus einer freien Entschließung beruhenden Handlung des Verletzten oder eines Dritten (hier: Arbeitgeber) entstehe, wenn diese durch die Unfallsfolgen (Verletzungen) erst ermöglicht worden, nicht aber durch sie herausgefordert worden sei. Im konkreten Fall behaupte der Kläger lediglich, er habe seinen Arbeitsplatz 1987 dadurch verloren, daß er der im Zuge des allgemeinen Personalabbaues von seinem Dienstgeber unter gewisser Druckausübung (welcher jedoch auch die anderen Angestellten ausgesetzt gewesen seien) vorgeschlagenen einvernehmlichen Auflösung des Dienstverhältnisses zugestimmt habe, zumal ihm von seinem Dienstgeber auch entsprechende Vorteile versprochen worden seien und er auch der Meinung gewesen sei, auf dem Arbeitsmarkt ohne weiteres wieder unterkommen zu können. Der Kläger behaupte somit nicht einmal, daß der Verlust des Arbeitsplatzes durch die vor 13 Jahren erlittenen Unfallsfolgen erst ermöglicht worden sei, geschweige denn, daß der Entschluß des Klägers und seines Dienstgebers, das Dienstverhältnis einvernehmlich aufzulösen, durch diese herausgefordert worden sei. Die Klage sei sohin mangels Schlüssigkeit abzuweisen.

Das Berufungsgericht hob das Urteil des Erstgerichtes unter Rechtskraftvorbehalt auf. Es führte aus, der behauptete Verdienstentgang des Klägers sei eine adäquate Folge des Schadensereignisses vom 4.7.1974. Den Klagsbehauptungen zufolge erhalte nämlich der Kläger nur deshalb keinen Arbeitsplatz, weil er durch den Unfall seine Erwerbsfähigkeit zur Hälfte eingebüßt habe. Dadurch unterscheide sich der gegenständliche Fall vom bekannten Zurechnungsproblem, wer für die ungünstigen Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt einzustehen habe, wenn ein Unfallsopfer mangels Nachfrage keine Anstellung mehr finde. Hier habe die Unfallverletzung des Klägers in einer keineswegs außergewöhnlichen Verkettung der Umstände zur Dauerarbeitslosigkeit des Klägers geführt. Insoweit sei der Beurteilung des Erstgerichtes zu folgen. Unzutreffend gelöst sei jedoch das Zurechnungsproblem worden. Letztlich laufe die Argumentation des Erstgerichtes doch wieder auf eine Unterbrechung des Kausalzusammenhanges durch die freiwillige Aufgabe des Arbeitsplatzes seitens des Klägers hinaus. Zur Unbrauchbarkeit dieser Methode der Schadenszurechnung sei auf Koziol2 I 61 f und 169 f sowie Reischauer in Rummel, ABGB, Rz 18 f zu § 1295 ABGB zu verweisen. Überzeugender erscheine der von Reischauer (aaO Rz 21) vorgeschlagene Weg, nach den Grundsätzen des Mitverschuldens bzw der Rettungspflicht zu verfahren, wenn durch das Verhalten des Geschädigten Folgeschäden entstünden. Sei also der adäquate Folgeschaden dem Selbstschädiger vorwerfbar, habe er ihn nach den Grundsätzen des § 1304 ABGB anteilig oder sogar zur Gänze selbst zu tragen; fehle hingegen ein Verschulden des Selbstschädigers oder sei es zu vernachlässigen, trage allen Schaden der Schädiger. Im gegenständlichen Fall habe der Kläger seinen Arbeitsplatz bei der C***-L*** AG freiwillig aufgegeben. Dies indiziere ein im Sinne des § 1304 ABGB vorwerfbares Verhalten, sage jedoch nichts über den Grad des Verschuldens aus. Die Behauptung des Klägers, einem Druck des Arbeitgebers ausgesetzt gewesen zu sein, sei daher zu prüfen. Erst die genaueren Umstände des Arbeitsplatzverlustes könnten Aufschluß geben, ob und allenfalls in welchem Ausmaß es gerechtfertigt erscheine, die beklagte Partei für den Ersatz der Folgeschäden haftbar zu machen. Fragen des Betriebsklimas, das der Kläger als offensichtlich unerwünschter Arbeitnehmer zu erwarten gehabt hätte, würden dabei ebenso erörtert werden müssen wie die Möglichkeiten der Arbeitsplatzsicherung nach dem Invalideneinstellungsgesetz. Solange diese Entscheidungsgrundlagen fehlten, sei die Sache nicht spruchreif. Die beklagte Partei bekämpft den Beschluß des Berufungsgerichtes mit Rekurs und stellt den Antrag, das Urteil des Erstgerichtes wiederherzustellen, hilfsweise dem Berufungsgericht die meritorische Entscheidung aufzutragen.

Der Kläger beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Ist es dem Kläger wegen der beim Unfall erlittenen Verletzungen nicht möglich, eine Anstellung zu finden, dann war für den darauf zurückzuführenden Verdienstentgang der Unfall kausal. Er war jedoch nicht die alleinige Ursache für den Eintritt eines Verdienstentganges, da der Kläger trotz seiner Verletzungen jahrelang eine Berufstätigkeit ausübte und seine Behinderung auch nicht der Grund für die Auflösung des Dienstverhältnisses war. Ausgelöst wurde der Verdienstentgang erst durch die Beendigung des Dienstverhältnisses bei der C***-L*** AG. Ist dem Kläger kein Verschulden an der Auflösung des Dienstverhältnisses anzulasten, dann ist der Schaden, den er dadurch erlitt, daß er wegen der Unfallsfolgen keine neue Anstellung mehr finden kann, der beklagten Partei zuzurechnen. Einen Verdienstentgang, den der Kläger dadurch erlitten hat, daß er seinen Arbeitsplatz durch eigenes Verschulden verlor, muß ihm die beklagte Partei jedoch nicht ersetzen (2 Ob 152/73, 2 Ob 35,36/76, 2 Ob 127/78; vgl auch Koziol2 I 170 f). In diesem Fall kommt auch eine Schadensteilung nicht in Frage. Entscheidend ist somit, ob den Kläger am Verlust seines Arbeitsplatzes ein Verschulden trifft. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn er aus freiem Entschluß seine Anstellung bei der C***-L*** AG aufgab. Daß dies der Fall war, kann auf Grund der Klagsbehauptungen jedoch nicht gesagt werden, denn der Kläger brachte vor, er habe den Arbeitsplatz im Zuge des allgemeinen Personalabbaues verloren. Dazu im Widerspruch stünde zwar die in der Klage angeführte einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses, doch behauptet der Kläger, die Auflösung sei nur formell einvernehmlich erfolgt. Die näheren Umstände der Beendigung des Dienstverhältnisses müssen daher geprüft werden. Hätte der Kläger den Arbeitsplatz auch verloren, wenn er einer einvernehmlichen Lösung des Vertrages nicht zugestimmt hätte, dann würde darin, daß er der einvernehmlichen Beendigung des Dienstverhältnisses zustimmte, kein Verschulden liegen. Ein Verschulden wäre auch dann zu verneinen, wenn dem Kläger eine Fortsetzung des Dienstverhältnisses gegen den Willen des Dienstgebers aus irgendwelchen Gründen unzumutbar gewesen wäre. Seine Behauptung, es sei auf ihn Druck ausgeübt worden, ist daher näher zu erörtern und zu prüfen. Eine Zustimmung zur Vertragsauflösung wegen erhoffter Vorteile wäre hingegen dem Kläger als Verschulden anzurechnen. Ebenso ist es nicht der beklagten Partei, sondern allein dem Kläger zuzurechnen, daß er die Situation auf dem Arbeitsmarkt unrichtig einschätzte und der Meinung war, er werde trotz seiner Behinderung wieder eine gleichwertige Tätigkeit erhalten.

Das Verfahren erweist sich somit als ergänzungsbedürftig, weshalb dem gegen den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes gerichteten Rekurs ein Erfolg zu versagen war.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E19978

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0020OB00014.9.0228.000

Dokumentnummer

JJT_19900228_OGH0002_0020OB00014_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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