TE OGH 1990/2/28 3Ob23/90

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Veröffentlicht am 28.02.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hule, Dr.Klinger, Dr.Angst und Dr.Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der betreibednen Partei M*** P*** L***, Strickwarenfabrik, Via Garibaldi 25, Maranello, Italien, vertreten durch Dr. Paul Bachmann, Rechtsanwalt in Wien, wider die verpflichtete Partei Emil O***, Pensionist, Wien 7., Richtergasse 4 und Wien 2., Praterstraße 30, vertreten durch Dr. Franz J. Salzer, Rechtsanwalt in Wien, wegen ital. Lire 10,630.520 sA, infolge Revisionsrekurses der verpflichteten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 29.November 1989, GZ 2 R 211/89-6, womit der Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 1.August 1988, GZ 1 Nc 107/88-1, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Rekurswerber hat die Kosten des Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Mit Urteil (Sentenza) des Landesgerichtes Modena vom 12.5.1987 wurde der Verpflichtete in Person und als Inhaber der Firma O*** Strickwarenimport mit dem Sitz in Wien zur Zahlung von ital. Lira 8,000.000 und zum Ersatz der Prozeßkosten von ital. Lira 2,378.520 verurteilt. Aus diesem Urteil geht hervor, daß sich der Verpflichtete in den Prozeß durch die Bevollmächtigung des Dr. Alberto B*** eingelassen hat, der nach Bestreitung des Klagebegehrens und Antrag auf dessen Abweisung sein Mandat zurückgelegt hat. Bei der mündlichen Beweisaufnahme am 30.1.1986 und bei der Kammersitzung am 6.5.1987 erschien jeweils nur der Prozeßbevollmächtigte der betreibenden Partei, der beantragte, den Verpflichteten auf Grund der bereits erhobenen Beweise ohne Berücksichtigung weiterer Einwände und Anträge im Sinne der Klage zu verurteilen. Hierauf wurde das Verfahren geschlossen. Das Landesgericht Modena stellte in seinem Urteil fest, daß der Verpflichtete im eigenen Namen und nicht als Vertreter bei der betreibenden Partei Herrenhemden zum Kaufpreis in der Höhe des Klagsbetrages bestellt, bezogen, aber nicht bezahlt habe. Dem Verpflichteten wurde dieses Urteil an seinen früheren Rechtsanwalt Dr. Alberto B*** und an den Rechtsanwalt Enrico C*** zugestellt.

Auf Grund dieses Urteiles samt einer Bestätigung des Kanzleileiters, daß dagegen weder ein Rechtsmittel noch ein Wiedereinsetzungsantrag erhoben worden ist, sowie einer von der Prätur in Bozen bestätigten Übersetzung dieser beiden Dokumente wurde der betreibenden Partei mit Beschluß des Erstgerichtes die Gehalts- und Fahrnisexekution gegen den Verpflichteten bewilligt und in der Folge zu 7 E 10.655/88 des Exekutionsgerichtes Wien vollzogen. Das Oberlandesgericht gab dem dagegen vom Verpflichteten erhobenen Rekurs keine Folge. Es folgerte rechtlich, daß die vom Verpflichteten behauptete Säumnisentscheidung nicht vorliege, weil sich dieser, durch einen Rechtsanwalt vertreten, in den Streit mit der betreibenden Partei eingelassen habe und die Endentscheidung diesem Rechtsanwalt zugestellt worden sei. Ansonsten seien alle für eine Exekutionsbewilligung erforderlichen Voraussetzungen gegeben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Verpflichteten ist nicht berechtigt. Gemäß § 83 Abs 3 EO ist gegen die Entscheidung über einen wegen Bewilligung oder Verweigerung der Exekution auf Grund eines ausländischen Titels erhobenen Rekurs der weitere Rekurs auch dann zulässig, wenn das Gericht zweiter Instanz den angefochtenen erstrichterlichen Beschluß bestätigt hat. Die Bestimmung des § 528 ZPO ist gemäß § 78 EO als allgemeine Bestimmung über das Rekursverfahren auch im Exekutionsverfahren anzuwenden (MietSlg 36.815, 3 Ob 80/86). Die Ausnahme des § 83 Abs 3 EO bezieht sich nur auf § 528 Abs 1 Z 1 ZPO in der hier gemäß Art. XLI Z 5 WGN 1989 noch anzuwendenden aF. Die Rechtsmittelbeschränkung nach § 528 Abs 2 ZPO aF bleibt dadurch unberührt (3 Ob 5/86, zuletzt 3 Ob 115/89). Obwohl das Rekursgericht einen Zulässigkeitsausspruch unterlassen hat, ist ein Verbesserungsverfahren entbehrlich, weil der Rekurs eine erhebliche Rechtsfrage zur Darstellung bringt.

Der Verpflichtete gesteht in seinem Rekurs zu, sich in das Verfahren vor dem Landesgericht Modena eingelassen zu haben; aus dem Titel geht hervor, daß er dessen Zuständigkeit nicht bestritten hat. Das entscheidende italienische Gericht war daher nach Art. 5 Z 6 des Abkommens vom 16.11.1971 zwischen der Republik Österreich und der Italienischen Republik über die Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, von gerichtlichen Vergleichen und von Notariatsakten, BGBl. 1974/521 (im folgenden Vollstreckungsvertrag) zuständig. Der von der betreibenden Partei vorgelegte Titel ist auch mit der nach Art. 9 Abs 1 Z 2 b des Vollstreckungsvertrages erforderlichen Bestätigung des Leiters der italienischen Gerichtskanzlei versehen und beglaubigt übersetzt. Nach Art 7 Z 3 des Vollstreckungsvertrages ist die Anerkennung eines Titels zu versagen, wenn im Falle einer Versäumnisentscheidung die säumige Partei von dem Verfahren nicht zeitgerecht Kenntnis erhalten hat, um sich zu verteidigen, oder wenn, wie im Falle eines Zahlungsbefehles oder eines Zahlungsauftrages, der Schuldner aus einem von ihm nicht zu vertretenden Grund nicht in der Lage gewesen ist, zeitgerecht Widerspruch oder Einwendung zu erheben. Nach den Materialien (RV 376 BlgNR 13. GP, 9) folgt diese Bestimmung dem Art 4 Z 4 des österreichisch-französischen Vertrages und erläutert, daß es sich bei dem Grund, dessentwegen der Schuldner nicht in der Lage war, zeitgerecht Widerspruch oder Einwendungen zu erheben, um einen solchen handeln muß, der von ihm nicht zu vertreten ist. Inhaltlich handle es sich bei dieser Hinzufügung aber wohl nicht um eine Einschränkung der Rechte des Schuldners, sondern nur um eine Klärung.

Nach Art 9 Abs 1 Z 3 des Vollstreckungsabkommens mit Italien ist dem Antrag auf Vollstreckung einer Versäumnisentscheidung eine mit der Bestätigung der Richtigkeit versehene Abschrift der Ladung oder ein anderes zur Feststellung der ordnungsgemäßen Ladung des Beklagten geeignetes Schriftstück anzuschließen. Dieser Zustellnachweis soll offensichtlich die Überprüfung gewährleisten, daß der zu verpflichtenden Partei die Möglichkeit geboten wurde, sich rechtliches Gehör zu verschaffen, daß ihr somit die notwendige Kenntnis vom Begehren und dem gegen sie eingeleiteten Verfahren verschafft wurde und daß ihr auch genügend Zeit geboten wurde, sich in den Streit einzulassen.

Über die Auslegung des Begriffes "Versäumungsentscheidung" findet sich in den Materialien kein Hinweis. Art 7 Z 3 des Vollstreckungsabkommens mit Italien bezieht sich auf zwei Fallgruppen, die des echten Versäumungsurteiles im Sinne des § 396 ZPO und die eines Zahlungsbefehles im Sinne des § 448 ZPO oder eines Zahlungsauftrages im Sinne des § 550 ZPO. Beide Fallgruppen haben gemeinsam, daß sich die zur Zahlung verpflichtete Partei vor Ergehen des Titels nicht in das Verfahren eingelassen hat bzw. nicht einlassen konnte (vgl. Matscher, Die Neuregelung der Rechtsbeziehungen zwischen Österreich und Italien, JBl 1977, 189). Daß Art 9 Abs 1 Z 3 des Vollstreckungsabkommens mit Italien noch weitere als die genannten Formen von Versäumungsentscheidungen und im besonderen die Fälle eines unechten Versäumungsurteiles iS des § 399 ZPO in seinen Regelungsinhalt einbeziehen wollte, erscheint daher fraglich (aM Matscher aaO), weil eine erst im Laufe des Verfahrens eintretende Säumnis des Beklagten dessen schutzwürdige Interessen, die durch Art 7 Z 3 des Vollstreckungsabkommens mit Italien gewahrt werden sollen, nicht schmälert. Jedenfalls genügt aber nach Art 9 Abs 1 Z 3 des Vollstreckungsabkommens ein zur Feststellung der ordnungsgemäßen Ladung des Beklagten geeignetes Schriftstück. Ein solches ist im vorliegenden Fall das Urteil selbst, weil es die Beteiligung des Verpflichteten am Verfahren ausweist. Eine solche wird vom Verpflichteten in seinen Rechtsmitteln auch zugestanden. Seiner Auffassung, daß das Vollstreckungsabkommen auch den (zusätzlichen) Nachweis seiner Ladung zu den (folgenden) Verhandlungen fordere, in denen er zufolge Zurücklegung des Mandates durch seinen ital. Anwalt nicht mehr vertreten war, kann nicht beigepflichtet werden. Richtig ist, daß das italienische Recht in Übereinstimmung mit § 27 Abs 1 öZPO die Anwaltspflicht im Verfahren vor dem Landesgericht kennt (Art 82 Abs 3 iVm Art 365 der italienischen ZPO). Die Kündigung oder der Widerruf einer einem Rechtsanwalt erteilten Vollmacht erlangt aber auch dort gegenüber der anderen Partei erst durch die Bestellung eines neuen Verteidigers Wirksamkeit (Art 85), und die unterlassene Bestellung eines neuen Verteidigers bildet keinen Unterbrechungsgrund (Art 301 Abs 3).

Die Beurkundung der Ladung des letztlich Unterlegenen zu späteren Verhandlungstagsatzungen sieht das Vollstreckungsabkommen mit Italien aber nicht vor. Auch der Nachweis der Zustellung des ersten verfahrenseinleitenden Schriftsatzes an den Beklagten kann keine Auskunft über dessen ordnungsgemäße Ladung zu den folgenden Verhandlungen geben. Die Forderung nach dem Anschluß einer solchen Bestätigung würde daher im Falle einer Säumnis der unterlegenen Partei nach Streiteinlassung einen inhaltsleeren Formalismus darstellen, wie auch Matscher (aaO) zugesteht. Die Kenntnis des Beklagten von dem gegen ihn eingeleiteten Verfahren sowie die ihm zeitlich ausreichend eingeräumte Möglichkeit, sich in den Streit einzulassen, um sich gegenüber der Klagsforderung zur Wehr setzen zu können - und nur dies will das Vollstreckungsabkommen mit Italien mit den zitierten Bestimmungen gesichert wissen - geht aber aus der im Urteil dokumentierten Tatsache hervor, daß der Verpflichtete einen italienischen Rechtsanwalt beauftragt hat und dieser alle für eine Abwehr des Klagsanspruches erforderlichen Schritte gesetzt hat. Der Titel belegt einen weitreichenderen Sachverhalt, als er aus dem Nachweis der Zustellung des ersten verfahrenseinleitenden Schriftsatzes hervorgehen könnte. Das Fehlen des urkundlichen Nachweises über die Ladung des Beklagten zu den Folgeverhandlungen stellt daher weder einen Abweisungsgrund, noch Anlaß für einen Verbesserungsauftrag dar.

Dem Rekurs war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 78 EO, 40 und 50 ZPO.

Anmerkung

E20612

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0030OB00023.9.0228.000

Dokumentnummer

JJT_19900228_OGH0002_0030OB00023_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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