TE OGH 1990/3/1 13Os163/89

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Veröffentlicht am 01.03.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 1.März 1990 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hörburger, Dr. Brustbauer, Dr. Kuch und Dr. Markel als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kluwik als Schriftführerin in der Strafsache gegen Karl Peter K*** wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls nach den §§ 127, 128 Abs. 1 Z 4, 130, erster Fall, StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 18.Oktober 1989, GZ 11 Vr 1952/89-15, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwaltes Dr. Hauptmann, und des Verteidigers Dr. Hummer, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird dahin Folge gegeben, daß die über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe auf 3 1/2 (dreieinhalb) Jahre herabgesetzt wird.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 1.Juli 1943 geborene Karl Peter K*** des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls nach den §§ 127, 128 Abs. 1 Z 4, 130, erster Fall, StGB und des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach dem § 229 Abs. 1 StGB schuldig erkannt. Als Vergehen liegt ihm (unter anderem) die Unterdrückung des Führerscheins der Gabriele M***, begangen am 11. August 1989 in Graz, zur Last (Urteilstat II/3). Nach den auf diese Tat (und die damit in Zusammenhang stehende Diebstahlstat I/12 des Urteilsspruches) bezüglichen Feststellungen stahl der Angeklagte aus dem unversperrten PKW der Gabriele M*** eine Geldtasche im Wert von etwa 300 S samt darin befindlichem Bargeld von 100 S. Mit dieser Geldtasche, in welcher sich auch der Führerschein der Gabriele M*** befand, entfernte er sich rasch vom Tatort. Er war jedoch von Johann K*** beobachtet worden, der Gabriele M*** informierte. Diese vermochte den Angeklagten einzuholen und zur Herausgabe der weggenommenen Gegenstände zu verhalten (US 5 verso, zweiter Absatz). Der Angeklagte hatte es - wie auch bei Unterdrückung anderer bei Diebstählen erlangter Urkunden, deren er sich stets durch Wegwerfen entledigte (US 3 verso, zweiter Absatz, 4 Mitte, 4 verso, dritter Absatz, 5, zweiter Absatz) - zumindest ernstlich für möglich gehalten und sich damit abgefunden, daß Gabriele M*** die weggenommene Urkunde nicht mehr wiedererlangen und verwenden können werde (US 7 verso, Ende des ersten Absatzes).

Ausschließlich gegen die Verurteilung wegen Urkundenunterdrückung im erwähnten Falle (II/3 des Urteilsspruches) hat der Angeklagte eine ausdrücklich auf die Z 9 und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde erhoben, in welcher er ausführt, die Tat sei nicht einmal versucht, keinesfalls aber vollendet worden, weil Gabriele M*** den Führerschein unmittelbar nach seiner Wegnahme wieder an sich gebracht habe und daher am Gebrauch der Urkunde tatsächlich nicht gehindert worden sei.

Diesen Rechtsausführungen kann nicht gefolgt werden: Das Vergehen der Urkundenunterdrückung nach dem § 229 Abs. 1 StGB begeht, wer eine Urkunde, über die er nicht (allein) verfügen darf, vernichtet, beschädigt oder unterdrückt, wenn er mit dem Vorsatz handelt, zu verhindern, daß sie im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses und einer Tatsache gebraucht werde. Als Unterdrücken ist jede Handlung anzusehen, die die Urkunde zwar unversehrt erhält, den Berechtigten jedoch um die Möglichkeit bringt, sich ihrer zu bedienen (SSt. 47/28, 51/21 uva; Foregger-Serini StGB4 Erl. II zu § 229 StGB). Um diese Möglichkeit ist der Berechtigte aber schon dann gebracht, wenn die Urkunde - wie etwa hier durch Bruch des Gewahrsams - seiner ungehinderten Verfügungsmacht zu widmungsgemäßem Gebrauch (wenn auch bloß vorübergehend - vgl. Kienapfel im WK, § 229 Rz 24) entzogen wird. Im vorliegenden Falle wurde das Ansichbringen und die Mitnahme des Führerscheins der Gabriele M*** durch den Angeklagten, wodurch die Berechtigte - wenn auch nur kurzfristig - um die Möglichkeit der Verwendung dieser Urkunde zu Beweiszwecken gebracht wurde, vom Erstgericht daher zu Recht als Unterdrücken im dargestellten Sinn und als vollendetes Vergehen nach dem § 229 Abs. 1 StGB beurteilt. Entgegen der vom Verteidiger erst im Gerichtstag vorgetragenen Rechtsauffassung verlangt diese Strafnorm keinen speziellen Gebrauchsverhinderungsvorsatz (SSt. 51/21; Foregger-Serini StGB4 § 229 Erl. III), weswegen auch der solcherart behauptete Feststellungsmangel zur subjektiven Tatseite nicht vorliegt.

Rechtliche Beurteilung

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war sohin zu verwerfen.

Das Erstgericht verurteilte den Angeklagte nach dem ersten Strafsatz des § 130 StGB unter Bedachtnahme auf den § 28 StGB zu viereinhalb Jahren Freiheitsstrafe. Es wertete als erschwerend das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen, die vielen einschlägigen Vorstrafen, die zusätzliche Qualifikation nach dem § 128 Abs. 1 Z 4 StGB, den raschen Rückfall, die Fortsetzung der strafbaren Handlungen über einen längeren Zeitraum und den Umstand, daß sich der Angeklagte trotz seiner Verurteilung durch das Bezirksgericht für Strafsachen Graz am 16.August 1989, 2 U 371/89 (vier Monate Freiheitsstrafe) von der weiteren Begehung gewerbsmäßiger Diebstähle nicht abhalten ließ; als mildernd hingegen das reumütige Geständnis und den Umstand, daß in zwei Fällen durch die rasche Reaktion der Bestohlenen kein Schaden entstand, ferner die teilweise Sicherstellung der Diebsbeute.

Der Berufung, mit welcher der Angeklagte eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe anstrebt, kommt Berechtigung zu.

Zwar kann von der in der Berufung behaupteten drückenden Notlage iS des § 34 Z 10 StGB im Hinblick auf die vom Angeklagten bezogene Sozialhilfeunterstützung keine Rede sein. Der Berufungswerber weist jedoch mit Recht darauf hin, daß im vorliegenden Falle seinem auf Schuldeinsicht beruhenden Geständnis, das wesentlich zur Wahrheitsfindung beitrug und erst die Aufklärung zahlreicher von ihm begangener Taten ermöglichte, erhebliche Bedeutung zukommt. Andererseits fallen die Vorverurteilungen wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender Taten (§ 33 Z 2 StGB) und die Fortsetzung der strafbaren Handlungen durch längere Zeit (§ 33 Z 1 StGB) im Hinblick auf die Qualifizierung der Straftat nach dem § 130 StGB als erschwerend nicht ins Gewicht (vgl. Foregger-Serini, StGB4, Erl. II zu § 33 Z 2).

Wird dies entsprechend berücksichtigt, so erweist sich das in erster Instanz gefundene Strafmaß als überhöht. In Stattgebung der Berufung war demnach die Strafe, wie aus dem Spruch ersichtlich, schuldangemessen zu reduzieren.

Anmerkung

E19909

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0130OS00163.89.0301.000

Dokumentnummer

JJT_19900301_OGH0002_0130OS00163_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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