TE OGH 1990/3/6 5Ob533/90

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Veröffentlicht am 06.03.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik, Dr. Zehetner, Dr. Klinger und Dr. Schwarz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Adolfine T***, Hausfrau, Schladming, Klaus 153, vertreten durch den Sachwalter Dr. Norbert B***, Rechtsanwalt in Schladming, dieser vertreten durch Dr. Friedrich Jöllinger, Rechtsanwalt in Leoben, wider die beklagte Partei Karl T***, Bundesbahnpensionist, Lassing, Moos 80, vertreten durch Dr. Roger Haarmann und Dr. Bärbl Haarmann, Rechtsanwälte in Liezen, wegen Wiederaufnahme des Verfahrens 8 Cg 75/82 des Kreisgerichtes Leoben infolge Revision der beklagten Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 20. November 1989, GZ 5 R 203/89-25, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes Leoben vom 1. August 1989, GZ 8 Cg 245/88-20, teilweise bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Urteil des Erstgerichtes vom 9. November 1982, 8 Cg 75/82-17, wurde die Ehe der Streitteile aufgrund einer Klage des Beklagten (nach Durchführung eines Verfahrens, an dem sich die Klägerin trotz wiederholter Ladung nicht beteiligt hatte) gemäß § 49 EheG aus dem Verschulden der Klägerin geschieden. Mit Beschluß des Bezirksgerichtes Schladming vom 12. November 1987, SW 1/87-12, wurde für die Klägerin Dr. Norbert B***, Rechtsanwalt in Schladming, gemäß § 273 ABGB zum Sachwalter bestellt, der die Verwaltung der im Eigentum der Klägerin stehenden Liegenschaften sowie die Vertretung der Klägerin gegenüber Ämtern, Behörden und Sozialversicherungsanstalten zu besorgen hat. Nach dem Gutachten des Gerichtssachverständigen Univ.Prof. Dr. Werner L*** vom 7. Juni 1988 sind die der Klägerin in dem erwähnten Scheidungsverfahren angelasteten Eheverfehlungen sowie der Umstand, daß sie die Ladungen im Scheidungsverfahren ignorierte, Ausdruck einer bei ihr seit 1979/80 bestehenden Geisteskrankheit (Schizophrenie).

Mit der am 30. Juni 1988 beim Erstgericht überreichten Wiederaufnahmsklage begehrte die durch ihren Sachwalter vertretene Klägerin, gestützt auf diese Sachverständigengutachten, gemäß § 530 Abs.1 Z 7 ZPO die Aufhebung des Scheidungsurteils vom 9. November 1982 und die Abweisung der Klage des Beklagten auf Scheidung der Ehe aus ihrem Verschulden. Die gegenständliche Klageführung sowie die Genehmigung der Prozeßführung der Klägerin im Vorprozeß durch den Sachwalter wurde vom Bezirksgericht Schladming pflegschaftsgerichtlich genehmigt.

Der Beklagte beantragte die Abweisung der Wiederaufnahmsklage. Der vorliegende Sachverhalt hätte bloß eine Nichtigkeitsklage nach § 529 Abs.1 Z 2 ZPO gerechtfertigt, die aber nunmehr verfristet sei. Für den Fall der Stattgebung des Wiederaufnahmebegehrens werde die Scheidungsklage auf § 55 Abs.3 EheG, subsidiär auf § 51 EheG gestützt.

Die Klägerin beantragte für den Fall einer Scheidung nach § 55 Abs.3 EheG einen Ausspruch im Sinne des § 61 Abs.3 EheG, für den Fall einer Scheidung nach § 51 EheG einen Verschuldensausspruch nach § 61 Abs.2 EheG.

Das Erstgericht hob das Scheidungsurteil vom 9. November 1982 auf (Punkt 1), wies das Begehren des Beklagten, die Scheidung aus dem alleinigen Verschulden der Klägerin auszusprechen, ab (Punkt 2) und schied die Ehe der Streitteile gemäß § 55 Abs. 3 EheG mit dem Ausspruch nach § 61 Abs.3 EheG (Punkt 3). Es stellte folgenden, für das Revisionsverfahren wesentlichen Sachverhalt fest:

Bei der Klägerin bestand bereits vor dem Mai 1982 eine Geisteskrankheit (Schizophrenie), die ab 1979 signifikant geworden ist. Die Klägerin hat die Ladungen im Scheidungsverfahren infolge ihrer Geisteskrankheit ignoriert. Die Eheverfehlungen waren Ausdruck ihrer Geisteskrankheit.

Die Stattgebung des Wiederaufnahmebegehrens begründete das Erstgericht in rechtlicher Hinsicht damit, daß das Vorbringen im Vorprozeß, die Klägerin sei geisteskrank, eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde. Das auf § 49 EheG gestützte Scheidungsbegehren des Beklagten wäre abgewiesen worden. Der Nichtigkeitsgrund der mangelnden Prozeßfähigkeit der Klägerin im Vorprozeß sei durch die Genehmigung ihrer Prozeßführung beseitigt worden.

Das vom Beklagten angerufene Berufungsgericht bestätigte den Punkt 1 des Ersturteils (Bewilligung der Wiederaufnahme des Verfahrens 8 Cg 75/82 des Erstgerichtes) als Teilurteil; im übrigen hob es das Ersturteil auf und verwies es die Rechtssache unter Rechtskraftvorbehalt zur neuen Verhandlung und Entscheidung über das Scheidungsbegehren im wiederaufgenommenen Verfahren an das Erstgericht zurück. Das Teilurteil begründete das Berufungsgericht im wesentlichen wie folgt:

Der zur Begründung der Wiederaufnahmsklage geltend gemachte Sachverhalt bilde zwar den zur Erhebung der Nichtigkeitsklage gemäß § 529 Abs.1 Z 2 ZPO berechtigenden Tatbestand. Er erfülle aber auch die Voraussetzungen des Wiederaufnahmsgrundes nach § 530 Abs.1 Z 7 ZPO. Im Falle seiner Erweislichkeit falle nämlich die Entscheidungsgrundlage des wiederaufzunehmenden Verfahrens, in dem die Ehe aus dem Verschulden der Klägerin geschieden wurde, weg, weil die angenommenen Eheverfehlungen der Klägerin nicht als schuldhaft zugerechnet werden könnten. Es sei nicht unzulässig, einen Sachverhalt, der allenfalls Anlaß zu einer Nichtigkeitsklage nach § 529 Abs.1 Z 2 ZPO geben könnte, zum Anlaß einer Wiederaufnahmsklage nach § 530 Abs.1 Z 7 ZPO zu machen, wobei bereits in der Beschränkung auf die Wiederaufnahmsklage eine Genehmigung der an sich nichtigen Prozeßführung des Vorprozesses erblickt werden könnte. Inwieweit dies gegen Treu und Glauben verstoßen sollte, sei nicht erkennbar und werde auch vom Beklagten nicht näher begründet. Die vom Beklagten nicht bekämpfte Feststellung, daß die Wiederaufnahmsklägerin schon während des wiederaufzunehmenden Ehescheidungsprozesses geisteskrank war, mache den geltend gemachten Wiederaufnahmsgrund geeignet, eine für sie günstiger Entscheidung herbeizuführen. Durch die aufgrund ihres Geisteszustandes unverschuldet unterbliebene Teilnahme der Wiederaufnahmsklägerin am Ehescheidungsverfahren werde sie keineswegs von weiterem Sachvorbringen ausgeschlossen - zumal im Ehescheidungsverfahren die Fällung eines Versäumungsurteils im Sinne des § 399 ZPO ausgeschlossen gewesen sei -, insbesondere nicht vom Vorbringen solcher Umstände, die im wiederaufzunehmenden Verfahren gar nicht vorgebracht werden konnten, weil sie noch nicht bekannt waren. Nach Bewilligung der Wiederaufnahme müsse neu verhandelt werden; die Parteien seien nicht an ihr Vorbringen im Vorprozeß gebunden und auch nicht das Gericht an frühere Beweisergebnisse.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen das Teilurteil des Berufungsgerichtes gerichtete Revision des Beklagten ist nicht berechtigt.

Das Berufungsgericht hat in Übereinstimmung mit Lehre und Rechtsprechung richtig erkannt, daß es nicht unzulässig ist, einen Sachverhalt, der Anlaß zu einer Nichtigkeitsklage nach § 529 Abs.1 Z 2 ZPO geben könnte, zum Anlaß einer Wiederaufnahmsklage nach § 530 Abs.1 Z 7 ZPO zu machen, wobei bereits in der Beschränkung auf die Wiederaufnahmsklage eine Genehmigung der an sich nichtigen Prozeßführung im Vorprozeß gelegen ist (Fasching, Kommentar IV 472 f; SZ 37/25; JBl. 1966, 324). Inwieweit diese Vorgangsweise einen Verstoß gegen Treu und Glauben bilden soll, ist nicht ersichtlich und wird vom Beklagten auch in der Revision nicht näher dargelegt. Dadurch, daß auf einen gegebenen Sachverhalt nicht die keine Behauptung der inhaltlichen Unrichtigkeit der Entscheidung voraussetzende Nichtigkeitsklage nach § 529 Abs.1 Z 2 ZPO, sondern die für das Ergebnis der Entscheidung kausale Wiederaufnahmsgründe voraussetzende Wiederaufnahmsklage nach § 530 Abs.1 Z 7 ZPO erhoben wird (vgl. dazu Fasching, Kommentar IV 472), ist der Beklagte nicht beschwert. Die (nicht für eine Nichtigkeitsklage nach § 529 Abs.1 Z 2 ZPO, wohl aber für eine Wiederaufnahmsklage nach § 530 Abs.1 Z 7 ZPO geltende) Frist des § 534 Abs.3 ZPO ist hier gewahrt.

Dem Berufungsgericht ist aber auch darin beizupflichten, daß der festgestellte Sachverhalt den Wiederaufnahmsgrund des § 530 Abs.1 Z 7 ZPO in Verbindung mit Abs.2 dieser Gesetzesstelle erfüllt. Daß sich die Klägerin am Vorprozeß nicht beteiligt und ihr Sachwalter dieses Verhalten mit Zustimmung des Pflegschaftgerichtes genehmigt hat, macht die Entscheidung im Vorprozeß noch nicht sachlich richtig und das Vorbringen der Geisteskrankheit der Klägerin noch nicht ungeeignet, eine ihr günstigere Entscheidung im Vorprozeß herbeizuführen. Im Scheidungsverfahren ist die Fällung von Versäumungsurteilen und Urteilen gemäß § 399 ZPO nach wie vor ausgeschlossen (§ 9 JMV RGBl. 1897/283; § 460 Z 9 ZPO; Fasching, Kommentar III 614, Fasching, Lehrbuch2 Rz 2338). Als der Vorprozeß stattfand, galt im Scheidungsverfahren der Untersuchungsgrundsatz insofern, als die Tatsachen und Beweise der Aufrechterhaltung der Ehe dienten (§ 77 der 1. DVEheG; Fasching, Kommentar II 860);

Geständnis oder Übereinkommen der Eheleute hatten außer Betracht zu bleiben (§§ 13 f HfD JGS 1819/1595; §§ 9 f JMV RGBl 1897/283;

Fasching, Kommentar II 860).

Es war daher der Revision ein Erfolg zu versagen.

Der Vorbehalt der Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 52 ZPO (Fasching, Kommentar II 357).

Anmerkung

E20327

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0050OB00533.9.0306.000

Dokumentnummer

JJT_19900306_OGH0002_0050OB00533_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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