TE Vwgh Erkenntnis 2005/11/23 2003/16/0503

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Veröffentlicht am 23.11.2005
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Index

L34007 Abgabenordnung Tirol;
L37017 Getränkeabgabe Speiseeissteuer Tirol;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

BAO §311;
Getränke- und SpeiseeissteuerG Tir 1993 idF 1998/053;
LAO Tir 1984 §1;
LAO Tir 1984 §234 Abs2;
LAO Tir 1984 §48;
LAO Tir 1984 §49;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Köller, Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde der H GmbH & Co KG, vertreten durch Waldbauer & Paumgarten & Naschberger Rechtsanwälte Partnerschaft in 6332 Kufstein, Josef-Egger-Straße 3, gegen den Gemeinderat der Gemeinde S wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in einer Getränkesteuerangelegenheit, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Antrag der Beschwerdeführerin vom 12. Februar 2002, der Gemeinderat der Gemeinde S möge als sachlich in Betracht kommende Oberbehörde an Stelle des Gemeindevorstandes der Gemeinde S über den Vorlageantrag der Beschwerdeführerin vom 9. Oktober 2000 in der Sache selbst erkennen, wird als unzulässig zurückgewiesen.

Die Gemeinde S hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 18. April 2000 wies der Bürgermeister der Gemeinde S Anträge auf Rückzahlung von Steuern auf alkoholische Getränke betreffend den Abgabenzeitraum 1995 bis 1999 ab. Die Beschwerdeführerin erhob dagegen mit Schriftsatz vom 12. Mai 2000 Berufung. Nach Ergehen einer abweisenden Berufungsvorentscheidung vom 25. September 2000 stellte die Beschwerdeführerin am 9. Oktober 2000 einen Vorlageantrag. Am 12. Februar 2002 richtete die Beschwerdeführerin an den Gemeinderat der Gemeinde S einen "Devolutionsantrag gemäß § 73 Abs. 2 AVG" mit der Begründung, der Gemeindevorstand der Gemeinde S habe bislang über den Vorlageantrag nicht entschieden. Mit Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde S vom 28. Februar 2003 wurde das Verfahren über den Vorlageantrag im Hinblick auf das beim EuGH anhängige Verfahren bezüglich der Getränkesteuer aus verfahrensökonomischen Gründen ausgesetzt. Mit Bescheid vom 23. April 2003 gab die Tiroler Landesregierung der dagegen erhobenen Vorstellung Folge und behob den Aussetzungsbescheid des Gemeinderates.

Mit der vorliegenden, am 26. November 2003 zur Post gegebenen Säumnisbeschwerde begehrte die Beschwerdeführerin, der Verwaltungsgerichtshof möge in Stattgebung der Säumnisbeschwerde über den Devolutionsantrag vom 12. Februar 2002, mit welchem beantragt worden sei, der Gemeinderat der Gemeinde S möge als sachlich in Betracht kommende Oberbehörde an Stelle des Gemeindevorstandes der Gemeinde S über die Vorlage der Berufung der Beschwerdeführerin vom 9. Oktober 2000 in der Sache selbst erkennen, der Berufung antragsgemäß stattgeben und die bezahlte Steuer auf alkoholische Getränke für den geltend gemachten Zeitraum zurückerstatten.

Die Beschwerdeführerin erachtete sich "dadurch, dass die belangte Behörde seit 12. 2. 2002, zumindest seit 23. 4. 2003, bis heute nicht über den Devolutionsantrag entschieden hat, obwohl ihr dies möglich gewesen wäre", in ihrem subjektiven Recht auf Entscheidung verletzt.

Die belangte Behörde stellte nicht in Abrede, dass innerhalb der sechsmonatigen Entscheidungsfrist keine Entscheidung über den Devolutionsantrag der Beschwerdeführerin ergangen ist und legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.

Mit Verfügung vom 29. April 2005 gab der Verwaltungsgerichtshof dem Antrag des Gemeinderates der Gemeinde S, die Frist zur Bescheiderlassung bis zum 30. September 2005 zu verlängern, statt. Ergänzend wurde unter Hinweis auf § 234 TLAO ausgeführt, dass - anders als im Anwendungsbereich des AVG - in Abgabenverfahren eine Devolution nur gegen die Säumnis der Abgabenbehörde erster Instanz an die Abgabenbehörde zweiter Instanz vorgesehen sei. Ein unzulässig gestellter Devolutionsantrag sei daher nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes zurückzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 1 Abs. 1 lit. a der Tiroler Landesabgabenordnung (TLAO) gilt dieses Gesetz in Angelegenheiten der nicht bundesgesetzlich geregelten öffentlichen Abgaben des Landes und der Gemeinden, mit Ausnahme der Verwaltungsabgaben. Gemäß § 1 Abs. 2 TLAO gilt dieses Gesetz weiters für die Erstattung von Abgaben und Beiträgen sinngemäß, soweit in anderen Abgabengesetzen nichts anderes bestimmt ist.

§ 48 TLAO sieht vor, dass sich die sachliche und örtliche Zuständigkeit der Abgabenbehörden nach den Vorschriften über ihren Wirkungsbereich und nach den Abgabenvorschriften richtet.

Das Tiroler Getränke- und Speiseeissteuergesetz 1993, LGBl. Nr. 88/1993 idF LGBl. Nr. 53/1998 enthält keine Vorschriften über die örtliche und sachliche Zuständigkeit von Abgabenbehörden.

Gemäß § 49 TLAO ist in Angelegenheiten der Gemeindeabgaben in erster Instanz der Bürgermeister (mit Ausnahme der Abgabenangelegenheiten der Landeshauptstadt Innsbruck) und in zweiter Instanz der Gemeindevorstand (Stadtrat) sachlich zuständig, so die in § 48 TLAO erwähnten Vorschriften keine Bestimmungen über die sachliche Zuständigkeit enthalten.

Die Abgabenbehörden sind verpflichtet, über die in Abgabenvorschriften vorgesehenen anbringen der Parteien ohne unnötigen Aufschub zu entscheiden (§ 234 Abs. 1 TLAO).

Wird einer Partei ein Bescheid der Abgabenbehörde erster Instanz nicht innerhalb von sechs Monaten nach dem Einlangen des Anbringens bekannt gegeben, geht gemäß § 234 Abs. 2 TLAO auf ihr schriftliches Verlangen die Zuständigkeit zur Entscheidung auf die Abgabenbehörde zweiter Instanz über. Für Bescheide, die auf Grund von Abgabenerklärungen zu erlassen sind, beträgt die Frist ein Jahr.

Anders als im Anwendungsbereich des AVG ist in Abgabenverfahren eine Devolution somit nur gegen die Säumnis der Abgabenbehörde erster Instanz an die Abgabenbehörde zweiter Instanz vorgesehen (vgl. auch § 311 BAO). Im Beschwerdefall wurde mit dem Devolutionsantrag jedoch eine Säumnis der Abgabenbehörde zweiter Instanz geltend gemacht. Der Devolutionsantrag vom 12. Februar 2002 war daher als unzulässig zurückzuweisen.

Hinsichtlich des in der Beschwerde angeführten hg. Beschlusses vom 29. November 2001, Zl. 2001/16/0517, wird angemerkt, dass dieser keine über den damaligen Beschwerdefall hinausgehende Bedeutung entfaltet hat.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf den §§ 47 ff VwGG i.V.m. § 3 Abs. 2 der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 23. November 2005

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2003160503.X00

Im RIS seit

08.01.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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