TE OGH 1990/3/8 7Ob529/90

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Veröffentlicht am 08.03.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Egermann, Dr. Niederreiter und Dr. Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Ing. Alfred P***-K***, Kaufmann, Wien 7., Kaiserstraße 8,

2.) Dkfm. Christiane G***-P***, Private, Wien 4., Argentinierstraße 2, 3.) Ing. Ernst P***, Kaufmann, Enzersdorf a. d. Fischa, 4.) Dkfm. Maria P***, Private, Wien 3., Sechskrügelgasse 12, 5.) Ing. Elisabeth T***, Private, Wien 23., Schreckgasse 4, alle vertreten durch Dr. Robert Csokay, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Ferdinand B*** OHG, Wien 3., Landstraßer Hauptstraße 23, vertreten durch Dr. Erich Proksch und Dr. Richard Proksch, Rechtsanwälte in Wien, wegen Aufkündigung, infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 25. Oktober 1989, GZ 41 R 583/89-19, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 24. April 1989, GZ 45 C 876/87m-14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der beklagten Partei die mit S 3.708,-- bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 618,-- Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagenden Parteien kündigten das Bestandverhältnis mit der beklagten Partei aus den Gründen des § 30 Abs. 2 Z 4 und 7 MRG auf und begehrten die Räumung des Bestandobjektes. Das Erstgericht hob die Aufkündigung auf und wies das Räumungsbegehren ab. Nach seinen Feststellungen wurde die beklagte offene Handelsgesellschaft im Jahre 1980 gegründet. Gesellschafter sind Mag. Helmut H*** und Dagmar H***. Vor der Gründung der OHG wurde in dem Geschäftslokal von der Familie B*** seit dem Jahre 1939 der Textilhandel betrieben. Am 30. Juli 1980 schloß die beklagte Partei mit der I*** Textilhandelsgesellschaft mbH (im folgenden nur Firma I***) einen Pachtvertrag ab, dessen wesentliche Punkte folgenden Wortlaut haben:

"I. Die Verpächterin verpachtet und übergibt und die Pächterin pachtet und übernimmt spätestens mit Wirkung vom 1. November 1980 das gegenständliche Unternehmen gegen einen monatlichen Pachtschilling von S 23.000 ...

VI. Die Pächterin übernimmt mit 1. November 1980 das vorhandene Warenlager, nachdem die Verpächterin einen Abverkauf wegen Geschäftsverpachtung durchgeführt hat. Das Warenlager wird um einen 50 % verminderten Einkaufspreis übernommen, wobei der Übernahmspreis den Betrag von S 150.000 nicht übersteigen darf.

XX. Die Pächterin ist verpflichtet, das Unternehmen als Textileinzelhandel fortzuführen und Änderungen des Geschäftszweiges nur mit ausdrücklicher Zustimmung der Verpächterin und der Hausinhabung vorzunehmen.

XII. Weiters ist die Verpächterin berechtigt, die Auflösung des Pachtvertrages zu einem ihr genehmen Zeitpunkt zu begehren, wenn über das Vermögen der Pächterin das Konkursverfahren eingeleitet wird bzw. der Geschäftsbetrieb durch längere Zeit unbegründet stillgelegt wird."

Vor dem Abschluß des Pachtvertrages wurden in dem Geschäft Wäsche und Freizeitmode verkauft. Von der Firma I*** wird mehr Gewicht auf Freizeitmode wie zB Jeans gelegt; das Sortiment, das von der Firma I*** angeboten wird, ist auch billiger als das bisher von der protokollierten Firma B*** angebotene Sortiment. Die Firma I*** war bei Vertragsabschluß nicht nur am Standort, sondern auch am Kundenstock interessiert, da sofort Umsätze erzielt werden konnten und es nicht notwendig war, das Geschäft einzuführen. Zur Berechnung des Pachtschillings gelangte man, indem die durchschnittlichen Gewinne der letzten Jahre zugrundegelegt und der monatliche Betrag hiezu in Relation gesetzt wurde.

Nach der Ansicht des Erstgerichtes liege eine Unternehmenspacht vor. Die Verpachtung eines Unternehmens sei keine Weitergabe im Sinne des § 30 Abs. 2 Z 4 MRG. Da im Mietgegenstand eine geschäftliche Tätigkeit entfaltet werde, liege der Kündigungsgrund des § 30 Abs. 2 Z 7 MRG nicht vor. Es sei diesbezüglich nicht von Bedeutung, ob die Geschäftsräume für eine geschäftliche Tätigkeit des Mieters oder für geschäftliche Zwecke dritter Personen benützt würden.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000 übersteigt. Das Berufungsgericht verneinte das Vorliegen von Verfahrensmängeln, übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und teilte auch dessen Rechtsansicht.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revision der klagenden Parteien ist nicht berechtigt.

Die Verpachtung eines Unternehmens ist keine Weitergabe des Mietgegenstandes im Sinne des § 30 Abs. 2 Z 4 MRG (RdW 1986, 369; Würth in Rummel, ABGB, Rz 23 zu § 30 MRG mwN). Wie der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat, lassen sich bei der Unterscheidung zwischen Geschäftsraummiete und Unternehmenspacht feste, allgemein anwendbare Regeln nicht aufstellen. Es kommt auf die Gesamtheit der Umstände des Einzelfalls an (MietSlg. 32.162/23, 30.174, 28.121; 1 Ob 581/87). Eine Unternehmenspacht liegt im allgemeinen vor, wenn ein lebendes Unternehmen Gegenstand des Bestandvertrages ist, also eine organisierte Erwerbsgelegenheit mit allem, was zum Begriff des "good will" gehört (MietSlg. 37.125/7, 35.163, 34.206; 1 Ob 581/87). Neben den Räumen muß dem Bestandnehmer im allgemeinen auch das beigestellt werden, was wesentlich zum Betrieb des Unternehmens und seinem wirtschaftlichen Fortbestand gehört, also Betriebsmittel, Kundenstock und Gewerbeberechtigung. Das bedeutet allerdings nicht, daß im Einzelfall alle diese Merkmale gleichzeitig gegeben sein müßten. Weder die Beibringung der Gewerbeberechtigung durch den Bestandnehmer (vgl. MietSlg. 32.162/23) noch das Fehlen eines vollständigen Warenlagers (vgl. MietSlg. 34.206) muß gegen die Annahme eines Pachtverhältnisses sprechen. Eines der wichtigsten Kriterien stellt die Vereinbarung der Betriebspflicht dar (MietSlg. 37.125/7, 34.206 uva). Es muß ein wirtschaftliches Interesse des Bestandgebers an der kontinuierlichen Weiterführung des übergebenen Unternehmens bestehen (MietSlg. 37.125/7, 34.206 uva).

Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung ist die Rechtsansicht der Vorinstanzen zu billigen. Ob die OHG selbst eine Gewerbeberechtigung hatte, ist entgegen der Meinung der Revision nicht von entscheidender Bedeutung, weil selbst in Ausnahmefällen sogar über ein erst zu errichtendes Unternehmen ein Pachtvertrag abgeschlossen werden kann, wenn die wesentlichen Grundlagen für einen Unternehmensbeginn vom Bestandgeber beigestellt werden (MietSlg. 32.162/23), sodaß es auch hier genügen muß, wenn die zum Betrieb notwendige Gewerbeberechtigung vom Pächter beigebracht wurde. Da ein vollständiges Warenlager und die Kontinuität des Warenlagers nicht notwendige Voraussetzung eines Pachtverhältnisses sind, kann sich die Revision auch nicht mit Erfolg auf den teilweisen Abverkauf und die Verlagerung des Schwerpunktes des Warenangebotes berufen. Daß die notwendigen Einrichtungsgegenstände vorhanden waren, ist nicht strittig. Ebenso ist davon auszugehen, daß an dem bekannten Standort schon vom Großvater der Gesellschafter der OHG und somit schon seit Jahrzehnten ein Textilwarengeschäft betrieben wurde und eine für Textilwaren bekannte Adresse vorhanden war, was zum sogenannten "good will" eines Unternehmens gehört. Die vereinbarte Betriebspflicht stellte hier auch keine bloße Leerformel dar, da die Gründung der OHG durch die Nachkommen der früheren Geschäftsinhaber und die Verpachtung erfolgten, um diesen allenfalls eine spätere Fortführung des schon seit Jahrzehnten bestehenden Familienunternehmens zu ermöglichen. Der beklagten Partei war offenbar daran gelegen, daß am bisherigen Standort ein Geschäft der gleichen Branche weitergeführt wird. Die Behauptung, daß schon zum Zeitpunkt des Abschlusses des Pachtvertrages die Absicht bestand, die Geschäftsbezeichnung zu ändern, stellt eine unbeachtliche Neuerung dar. Mit der Behautpung, daß der Bestandzins ohne Bezugnahme auf den Unternehmenserfolg vereinbart worden sei, entfernt sich die Revision vom festgestellten Sachverhalt. Zusammenfassend ergibt sich somit, daß dem Vertragspartner der beklagten Partei das Geschäftslokal mit Kundenstock und Betriebsmitteln in einem solchen Ausmaß übergeben wurde, zu dem das Unternehmen ohne Unterbrechung fortgeführt werden konnte. Entgegen der Meinung der Revision wurde somit ein lebendes Unternehmen übergeben. Es wurde aber auch die für die Unternehmenspacht typische Betriebspflicht vereinbart.

Demgemäß ist der Revision ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E20084

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0070OB00529.9.0308.000

Dokumentnummer

JJT_19900308_OGH0002_0070OB00529_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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