TE OGH 1990/3/13 4Ob509/90

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Veröffentlicht am 13.03.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Kodek, Dr. Niederreiter und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dipl.Ing. Adolf W***, Kaufmann, Wien 1., Hoher Markt 8-9, vertreten durch Dr. Helmut Michlmayr, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei prot. Firma W*** & L*** in Liquidation, Wien 1., Hoher Markt 12, vertreten durch den Liquidator Dr. Peter Hierzenberger, Rechtsanwalt in Wien, und den der beklagten Partei beigetretenen Nebenintervenienten KommRat Michael L***, Kaufmann, Wien 1., Hoher Markt 2, vertreten durch DDr. Peter Stern, Rechtsanwalt in Wien, wegen Abschlusses eines Mietvertrages (Streitwert S 84.000), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 8.November 1989, GZ 48 R 529/89-16, womit infolge Berufung der beklagten Partei und des Nebenintervenienten das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 18.Mai 1989, GZ 48 C 645/88i-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 4.629,60 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 771,60 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu zahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte vermietete das im Haus Wien 1., Hoher Markt 8-9, ebenerdig gelegene Geschäftslokal (Ecklokal Hoher Markt/Judengasse) für die Zeit ab 1.November 1958 an Ekkehard B*** zum Betrieb eines Verkaufsgeschäftes für Tapeten, Teppiche, Vorhänge und Möbelstoffe; der Abschluß des Mietvertrages und sämtliche Vertragsbedingungen wurden in einem Aktenvermerk vom 17.10.1958 festgehalten. Damals waren Simon W*** - der Vater des Klägers - und der Nebenintervenient Michael L*** Gesellschafter der Beklagten. Als der Mieter einen teuren Umbau der Geschäftsräumlichkeiten durchzuführen plante, trat er im Jahre 1965 an den persönlich haftenden und zur Einzelvertretung der Beklagten befugten Gesellschafter Simon W*** heran; um sich für die beabsichtigten Investitionen abzusichern, versuchte er, eine Ablöse für die Investitionen oder ein Weitergaberecht zu erlangen. Simon W*** räumte ihm das Recht ein, dann, wenn er ausziehe, einen Nachfolgemieter namhaft zu machen, mit dem er, B***, über die Ablöse sprechen könne und mit dem er, Simon W***, einverstanden sein müsse. Zwischen Ekkehard B*** und Simon W*** bestand darüber Einvernehmen, daß es sich bei dem namhaft zu machenden Mieter um einen "charakterlich einwandfreien Mieter" handeln müsse; sie verstanden darunter einen Mieter, der nicht "irgendwie unzumutbar" sei, also z.B. mit Rauschgift handle, eine "Nordsee"-Filiale betreibe oder sich sonst auf unzumutbare Weise - etwa durch den Betrieb eines Bordells - geniere. Daß der Nachmieter in den Bestandräumen nur den Detailhandel mit Tapeten und Vorhängen ausüben dürfte, war nicht vereinbart; darüber, ob er auch ein Pelzhändler sein könnte, wurde damals nicht gesprochen.

Nachdem die Gesellschafter in der Folge beschlossen hatten, die beklagte Gesellschaft zu liquidieren, und noch bevor dieser Beschluß am 29.Juli 1974 im Handelsregister eingetragen worden war, versuchte Simon W*** namens der Beklagten das Geschäftslokal mit Mietvertrag vom 4.Mai 1973 seinem Sohn, dem Kläger, zu vermieten; vorher hatte die als Mieterin auftretende B*** Gesellschaft mbH auf ihre vermeintlichen Mietrechte zugunsten des Klägers verzichtet und der Kläger an Ekkehard B*** eine vereinbarte Ablöse von S 700.000,-

gezahlt. Seit der darauf folgenden Eröffnung seines Geschäftes in den umstrittenen Räumlichkeiten betreibt der Kläger dort einen Pelzhandel. Beim Abschluß des Mietvertrages vom 4.Mai 1973 wußte er, daß sich die Beklagte in Liquidation befand und es Streitigkeiten zwischen den Gesellschaftern gab. Der Nebenintervenient wurde von dem Vertragsabschluß nicht in Kenntnis gesetzt.

Mit dem vom Klagevertreter textierten Schreiben vom 21.Juni 1985 erklärte Ekkehard B*** der Beklagten folgendes:

"Mir wurde das Recht eingeräumt, die Hauptmietrechte an den obigen Geschäftsräumlichkeiten an eine dritte Person zu den gleichen Bedingungen zu übertragen.

Ich nominiere hiemit Herrn Dipl.Ing. Adolf W***.... als meinen Rechtsnachfolger mit sämtlichen Rechten und Pflichten an obigen Geschäftsräumlichkeiten. Ich ersuche, Herrn Dipl.Ing. Adolf W*** als meinen Rechtsnachfolger mit allen Rechten und Pflichten als Hauptmieter anzuerkennen, und unter diesen Bedingungen verzichte ich auf die mir zustehenden Rechte."

Die Beklagte lehnt jedoch den Abschluß eines Mietvertrages mit dem Kläger ab.

Der Kläger begehrt nun, die Beklagte schuldig zu erkennen, mit ihm einen Mietvertrag über das näher beschriebene Geschäftslokal im Haus Wien 1., Hoher Markt 8-9, zu den im AV vom 17.Oktober 1958 festgehaltenen Bedingungen abzuschließen.

Die Beklagte und ihr Nebenintervenient beantragen die Abweisung des Klagebegehrens. Die Weitergabe des Bestandobjektes an den Kläger und der Mietvertrag vom 4.Mai 1973 seien nicht rechtswirksam zustande gekommen, weil Simon W*** zu diesem Zeitpunkt nicht mehr berechtigt gewesen sei, allein über die Mietrechte zu verfügen; er habe daher auch kein Weitergaberecht einräumen können. Auch die Weitergabe der Mietrechte durch Ekkehard B*** an den Kläger sei nicht wirksam gewesen. Aus dem Vorbringen des Klägers ergebe sich, daß die Beklagte mit dem namhaft gemachten Nachmieter einverstanden sein müsse; ein solches Einverständnis liege aber nicht vor. Die Ausübung des Weitergaberechtes zugunsten des Klägers verursache der Beklagten einen Vermögensschaden, weil der Abschluß eines solchen Mietvertrages zu unüblichen, für die Beklagte wirtschaftlich nicht zu vertretenden Bedingungen erfolgte und der Kläger nunmehr auf diesem Weg einen Mietvertrag zu denselben Bedingungen erzwingen wolle, zu denen er bereits mit seinem Vater Simon W*** im bewußten und gewollten Zusammenwirken einen von der Beklagten nicht anerkannten Mietvertrag geschlossen habe. Im Hinblick auf diesen Vertragsabschluß und die Ausübung des Pelzhandelsgewerbes durch den Kläger bestünden gegen ihn auch schwerwiegende persönliche Bedenken. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt, wobei es den im Spruch genannten AV vom 17.Oktober 1958 zum "integrierenden Bestandteil" seines Urteils erklärte. Ekkehard B*** sei auf Grund der mit Simon W*** getroffenen Vereinbarung berechtigt gewesen, den Kläger als Mietnachfolger vorzuschlagen. Es bestünden keine Gründe, die gegen die Mietrechtsnachfolge des Klägers sprächen, so daß er infolge der Weigerung der Beklagten, einen Mietvertrag mit ihm abzuschließen, zur Klage berechtigt sei. Daß der Mietvertrag vom 4. Mai 1973 nicht wirksam zustande gekommen sei, treffe zwar zu, sei aber ohne Bedeutung; die Mietvereinbarung zwischen Ekkehard B*** und der Beklagten aus dem Jahre 1958 sei jedenfalls wirksam. Daß die Präsentation eines Pelzhändlers bei Einräumung des Vorschlagsrechtes ausgeschlossen worden wäre, habe nicht festgestellt werden können. Soweit die Beklagte aber meine, daß ihr durch die Namhaftmachung des Klägers, der einen Pelzhandel betreibe, ein Vermögensschaden zugefügt werde, sei ihr zu entgegnen, daß Simon W*** bei der Einräumung des Präsentationsrechtes einzelzeichnungsberechtigter Gesellschafter der Beklagten gewesen sei und die Beklagte daher nur im Innenverhältnis auf diesen Gesellschafter Rückgriff nehmen könne; die Bedenken gegen Simon W*** könnten aber nicht gegenüber dem Kläger als seinem Sohn geltend gemacht werden. Zwischen Ekkehard B*** und Simon W*** sei vereinbart worden, daß Simon W***, nicht aber die Beklagte, mit dem vorgeschlagenen Nachmieter einverstanden sein müsse. Daß sich aber Simon W*** gegen den Abschluß des Mietvertrages mit dem Kläger ausgesprochen hätte, sei weder behauptet noch bewiesen worden.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000 übersteige. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als Ergebnis eines mängelfreien Verfahrens und einer unbedenklichen Beweiswürdigung. Soweit die Berufungswerber davon ausgingen, daß die Vermietung an einen Pelzhändler für die Beklagte, die gleichfalls einen Pelzhandel betreibe, unzumutbar sei, entfernten sie sich von den Feststellungen des Ersturteiles, sei doch danach bei der Einräumung des Präsentationsrechtes nicht vereinbart worden, daß der präsentierte Nachmieter kein Pelzhändler sein dürfe. Ein allfälliger Verstoß Simon W*** gegen Treu und Glauben könne nicht dem Kläger zugerechnet werden. Eine bewußte Teilnahme des Klägers an der Verletzung der gesellschaftlichen Vertragstreue seines verstorbenen Vaters sei den getroffenen Feststellungen nicht zu entnehmen; es stehe nämlich fest, daß dem Ekkehard B*** das Präsentationsrecht ohne die Aufnahme einer Konkurrenzklausel bereits im Jahr 1965 eingeräumt, dieses Recht aber erstmals 1973 ausgeübt wurde. Wie weit Simon W*** versuchte, zum Nachteil der Beklagten Mietrechte für sich oder seinen Sohn zu erwerben, sei hier nicht zu prüfen. Gegen dieses Urteil wendet sich die Revision der Beklagten wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß das Klagebegehren abgewiesen wird; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Wie der Oberste Gerichtshof schon in einem vorangegangenen Rechtsstreit zwischen denselben Parteien ausgesprochen hat, ist Simon W*** namens der Beklagten die Verpflichtung eingegangen, mit dem vom Mieter Ekkehard B*** nahmhaft zu machenden Dritten einen neuen Mietvertrag abzuschließen, sofern er "charakterlich einwandfrei" in dem näher besprochenen Sinn sein sollte. Der als Nachmieter namhaft gemachte Dritte - also der Kläger - trat demnach nicht in den bestehenden Mietvertrag ein; vielmehr muß der Abschluß eines neuen Mietvertrages - notfalls durch Klage - durchgesetzt werden (4 Ob 544/87).

Der Klageanspruch wäre nur dann nicht berechtigt, wenn der Kläger kein "charakterlich einwandfreier Mieter", also "irgendwie unzumutbar" wäre, z.B. wenn er mit Rauschgift handelte, eine "Nordsee"-Filiale betriebe oder sich sonst auf unzumutbare Weise - wie etwa durch Betreiben eines Bordells - verhielte. Daß das Führen eines Pelzgeschäftes weder einem der beispielsweise aufgezählten Fälle gleichgehalten werden kann noch auf charakterliche Mängel schließen läßt, bedarf keiner näheren Begründung; ein Verbot der Vermietung an einen Unternehmer, der der beklagten Pelzhändlerin Konkurrenz machen könnte, wurde aber nach den für den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen der Vorinstanzen nicht getroffen. Für die Beklagte wäre daher selbst dann nichts gewonnen, wenn sie trotz der nun seit 1974 stattfindenden Liquidation noch immer in einem unmittelbaren Konkurrenzverhältnis zum Kläger stehen sollte.

Die Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, daß ihr der Abschluß eines Mietvertrages mit dem Kläger zu den Bedingungen, die mit Ekkehard B*** vereinbart waren, deshalb unzumutbar wäre, weil diese Bedingungen wirtschaftlich nicht vertretbar seien und sie demnach einen Vermögensschaden erlitte. Bleiben nämlich die Vertragsbedingungen unverändert, dann kann eine Verschlechterung der Vermögenslage der Beklagten durch die bloße Änderung der Person des Mieters nicht eintreten.

Die Beklagte meint nun, der Vater des Klägers habe zu einer Zeit, da die Liquidation zwischen ihm und dem Nebenintervenienten bereits beschlossen war, an der Überlassung des Bestandrechtes mitgewirkt und damit die Beklagte vermögensrechtlich benachteiligt. Dem Kläger, der im übrigen jetzt als Rechtsnachfolger seines Vaters persönlich haftender Gesellschafter der Beklagten ist, sei infolge seines Naheverhältnisses zu Simon W*** jede Gutgläubigkeit abzusprechen. Die Überlassung des Bestandobjektes an den Kläger sei wegen der Besonderheit der Rechtssubjekte gleichsam ein Geschäft mit sich selbst gewesen, so daß sich die Frage ergebe, ob dieses Rechtsgeschäft nicht allenfalls zufolge Sittenwidrigkeit nichtig ist. Dem ist zu erwidern, daß - wie schon die Vorinstanzen ausgeführt haben - der Kläger seinen Anspruch nicht auf den Mietvertrag vom 4. Mai 1973 stützt; die Frage eines "In-sich-Geschäftes" stellt sich schon deshalb nicht. Daß sich aber der Kläger schon 1973 bemüht hatte, das umstrittene Mietlokal zu erwerben, nimmt ihm, auch wenn er damals von den Streitigkeiten zwischen seinem Vater und dem Nebenintervenienten gewußt hat, noch nicht die Eigenschaft eines "charakterlich einwandfreien" Mieters im Sinne der Vereinbarung zwischen Simon W*** und Ekkehard B***.

Die Revision mußte mithin erfolglos bleiben.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E20019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0040OB00509.9.0313.000

Dokumentnummer

JJT_19900313_OGH0002_0040OB00509_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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