TE OGH 1990/3/14 3Ob542/90

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Veröffentlicht am 14.03.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Dr. Angst als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W*** IN DER G*** A*** G*** FÜR S*** UND A***

mbH, Schönaugasse 4, 8010 Graz, vertreten durch Dr. Gerhard Richter und Dr. Rudolf Zahlbruckner, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei Josefine S***, Hauptstraße 60, 8430 Leitring, vertreten durch Dr. Heinz Pratter, Rechtsanwalt in Leibnitz, wegen Räumung einer Mietwohnung, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz als Berufungsgerichtes vom 6. Oktober 1989, GZ. 3 R 190/89-13, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 12. April 1989, GZ. 5 C 636/88-7, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil des Berufungsgerichtes wird aufgehoben. Die Rechtssache wird an das Berufungsgericht zur neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Prozeßkosten.

Text

Begründung:

Die beklagte Hauptmieterin der Wohnung im ersten Obergeschoß des im Eigentum der klagenden Gesellschaft stehenden Hauses Annengasse 49 in Graz hat die Wohnung an Ernst H*** untervermietet, der dort mit seiner Ehefrau Manuela H*** wohnt; diese hatte zuvor zwischen dem 12. Oktober 1984 und dem 14. August 1985 im früheren Wohnhaus Ungergasse 18 in Graz Kleinbrände gelegt und war am 18. Mai 1988 vom Strafgericht rechtskräftig des Vergehens der schweren Sachbeschädigung schuldig erkannt worden.

Die klagende Partei, die der Beklagten das Mietverhältnis bereits aufgekündigt hatte (5 C 600/88h des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz), erklärte in der am 30. Dezember 1988 erhobenen Klage die Aufhebung des Vertrages aus dem Grund des § 1118 Fall 1 ABGB und begehrte die Räumung der Wohnung. Die Bewohnerin Manuela H*** habe aus pyromanischer Veranlagung wiederholt versucht, das Gebäude durch Brandlegung zu beschädigen oder zu zerstören, und zuletzt am 7. Oktober 1988 einen Brand entfacht, durch den zwei Fensterflügel angesengt wurden. Für diesen erheblich nachteiligen Gebrauch habe die Beklagte als Bestandnehmerin einzustehen.

Die Beklagte beantragte, das Räumungsklagebegehren abzuweisen. Manuela H*** habe nur vor Ostern 1988 einmal ein brennendes Papier aus dem Küchenfenster in den Hof und einmal im Stiegenhaus weggeworfen. Mit anderen Vorfällen im Haus habe sie nichts zu tun und es sei ärztlich bestätigt, daß Manuela H*** wieder vollkommen gesund und eine weitere Therapie nicht geboten sei. Es sei keine Gefährdung der Haussubstanz eingetreten. Ein Auflösungsgrund liege nicht vor.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und stellte noch fest:

Manuela H*** warf am 13. April 1988 brennendes Zeitungspapier vom Wohnungsfenster in den Hof. Am 14. April 1988 ließ sie im Stiegenhaus ein brennendes Zeitungspapier fallen. Das Feuer wurde von anderen Personen sofort ausgetreten. In beiden Fällen entstand kein Schaden. Sie beging die Taten in Zuständen des Alleinseins und einer psychischen Ausnahmesituation infolge Krankheit und vorangegangener Fehlgeburten. Zweifelhaft ist die Täterschaft der Manuela H*** bei den weiteren Vorfällen des Jahres 1988, als im Haus Türschilder und ein Klingeltaster samt Fassung abmontiert, ein Klingeltaster angebrannt, eine Arzttafel abmontiert und die Fußmatte vor einer Wohnung im zweiten Stock mit Zeitungspapier am 31. März 1988 angezündet wurden, der Brand aber von einem Hausbewohner gelöscht werden konnte, am 1. Oktober 1988 das Fensterbrett im Stiegenhaus durch Entzünden mehrerer Streichhölzer und am 7. Oktober 1988 der Lack eines Fensterrahmens im Stiegenhaus angesengt wurde. Auch als die Hausbesorgerin am 22. März 1988 eingebrannte Stellen am Fußabstreifer vor ihrer Wohnung fand, konnte wie in den übrigen Fällen ein Täter nicht ermittelt werden. Das Erstgericht verneinte das Vorliegen des Aufhebungsgrundes nach § 1118 Fall 1 ABGB, weil durch das der Beklagten allerdings zuzurechnende (erwiesene) Verhalten der Bewohnerin des Mietgegenstandes keine Gefahr für die Substanz des Hauses entstanden und eine vorherige Abmahnung nicht erfolgt sei.

Das Berufungsgericht änderte das Urteil über Berufung der klagenden Partei ab. Es gab dem Räumungsbegehren statt und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 15.000,-- nicht aber S 300.000,-- übersteigt und die Revision nicht zulässig sei. Ein Eingehen auf die Tatsachen- und Beweisrüge erübrige sich, weil ein erheblich nachteiliger Gebrauch schon darin liege, daß die in den Mietgegenstand aufgenommene Manuela H*** zweimal Zeitungspapier entzündete und einmal in den Hof, das andere Mal im Stiegenhaus fallen ließ; damit drohe eine Beschädigung der Substanz der Bestandsache und des ganzen Gebäudes, wenn auch im Einzelfall die Gefahr eines Brandausbruches nicht bestand. Dem Vermieter müsse ein erhebliches Interesse daran zugebilligt werden, daß weitere derartige Vorfälle verhindert werden, weil Manuela H*** schon früher Brandlegungen begangen hatte und das Wegwerfen brennenden Zeitungspapieres in einem Wohnhaus jedenfalls geeignet sei, wichtige Interessen des Vermieters zu verletzen und den übrigen Hausbewohnern das Zusammenleben zu verleiden. Das Verhalten der Bewohnerin sei der Beklagten zuzurechnen, weil sie nicht behauptet habe, unverschuldet keine Kenntnis davon erhalten und keine Möglichkeit gehabt zu haben, für Abhilfe zu sorgen.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil erhobene außerordentliche Revision der Beklagten ist mit dem hilfsweisen Aufhebungsantrag berechtigt. Zu Recht beruft sich die Beklagte auf ihr Vorbringen in erster Instanz, daß Manuela H*** am 28. Oktober 1988 ärztlich attestiert wurde, ihr psychischer Zustand sei nun geheilt, sie sei vollkommen gesund, der Pyromanie-Verdacht auf Paranoia habe sich nicht bestätigt und eine Therapie sei nicht erforderlich. Sie hat zum Beweis dieser Behauptung den im Landes-Sonderkrankenhaus für Psychiatrie und Neurologie in Graz am 28. Oktober 1988 abgefaßten Arztbrief vorgelegt. Das Erstgericht hat dazu keine Feststellungen getroffen, weil es in den zwei von Manuela H*** gesetzten Tathandlungen gegen Mitte April 1988 keinen erheblich nachteiligen Gebrauch des Mietgegenstandes erblickte und sich daher mit der Frage nicht befassen mußte, ob ähnliche Fehlhandlungen künftig auszuschließen sind. Das Berufungsgericht hat hingegen aus dem früheren, zur strafgerichtlichen Verurteilung der Manuela H*** führenden Verhalten in einem anderen Haus und den beiden erwiesenen Vorfällen die Besorgnis abgeleitet, es könne zu weiteren Brandlegungen und damit zu einer echten Gefahr für das Haus und seine Bewohner kommen. Es hätte sich aber mit dem Einwand befassen müssen, daß diese Gefährdung nicht mehr vorliege, weil die psychische Ausnahmesituation, von der im Urteil des Erstgerichtes die Rede ist, endgültig beseitigt sei. Dabei mag es einerseits von Bedeutung sein, ob sich Manuela H*** im Haus nur an den beiden aufeinanderfolgenden Tagen und etwa aus besonderen, nicht wieder zu erwartenden Anlässen dazu hinreißen ließ, Zeitungspapier zu entzünden und einmal vom Fenster in den Hof, das andere Mal ins Stiegenhaus zu werfen, oder ob sie doch mit den anderen ähnlichen gehäuften Vorfällen zu tun hat, wie die klagende Partei in ihrer Beweisrüge dartun will. Andererseits ist auf den Inhalt des Arztbriefes in Zusammenhalt mit der Aussage der Zeugin Manuela H*** Bedacht zu nehmen. Es bedarf jedenfalls weiterer Feststellungen zur abschließenden Beurteilung, ob der auf § 1118 Fall 1 ABGB gegründete Räumungsanspruch der Vermieterin gegen die Beklagte, in deren Wohnung Manuela H*** wohnt, wegen einer von ihr ausgehenden Gefährdung von Sachen und Personen gegeben ist.

Der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes wird dann gefolgt werden können, wenn nach wiederholtem pyromanischen Zündeln durch die Bewohnerin auch für die Zukunft nicht auszuschließen ist, daß es zu weiteren ähnlichen Gefährdungshandlungen kommen kann (vgl. JBl. 1959, 31) und die beklagte Hauptmieterin nicht unverzüglich Abhilfe geschafft hat, wobei es entgegen der Ansicht der Revisionswerberin hier auf die Zeit der Auflösungserklärung ankommt (MietSlg. 25.156, 35.220 ua.).

Es bedarf daher der Aufhebung und Zurückverweisung an das Berufungsgericht, das auf die Revisionsverfahrenskosten als weitere Kosten des Rechtsstreits Bedacht zu nehmen haben wird (§ 52 Abs. 1 Satz 2 ZPO).

Anmerkung

E20002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0030OB00542.9.0314.000

Dokumentnummer

JJT_19900314_OGH0002_0030OB00542_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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