TE OGH 1990/3/27 10ObS429/89

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Veröffentlicht am 27.03.1990
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Angst als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Felix Joklik (Arbeitgeber) und Gerald Kopecky (Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Mico S***, 1050 Wien, Vogelsanggasse 18/2, vertreten durch Dr. Gustav Teicht und Dr. Gerhard Jöchl, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei W*** G***, 1101 Wien, Wienerbergstraße 15-19,

vertreten durch Dr. Helene Klaar, Rechtsanwalt in Wien, wegen Krankengeld, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 15. September 1989, GZ 33 Rs 170/89-16, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 17. Februar 1989, GZ 15 Cgs 511/88-9, teilsweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Das Erstgericht wies das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, dem Kläger das Krankengeld in gesetzlicher Höhe für die Zeit vom 16. Februar bis 13. August 1987 und vom 19. August bis 6. November 1987 zu gewähren, ab. Es stellte im wesentlichen folgendes fest:

Der Kläger war in Österreich bis 13. Februar 1987 (in der Krankenversicherung) versichert. Er verzog nach Beendigung des letzten Arbeitsverhältnisses nach Jugoslawien. Dort wurde er am 16. Februar 1987 infolge Krankheit arbeitsunfähig. Diese Arbeitsunfähigkeit wurde von einem (jugoslawischen) Arzt am 28. Februar 1987 rückwirkend ab 16. Februar 1987 bestätigt. Der Kläger ließ am 20. Februar 1987 durch seine Ehefrau ein eingeschriebenes Schreiben beim Postamt seines Aufenthaltsortes aufgeben, in dem er der beklagten Partei die Erkrankung mitteilte, dem aber ein ärztliches Zeugnis nicht angeschlossen war. Dieses Schreiben langte bei der beklagten Partei nicht ein. Der Kläger reiste am 17. Juli 1987 nach Wien zurück. Am 17. August 1987 wurde der beklagten Partei von einem (österreichischen) Arzt gemeldet, daß der Kläger ab 14. August 1987 infolge Krankheit arbeitsunfähig sei. Von der Erkrankung, zu der es am 16. Februar 1987 in Jugoslawien kam, machte der Kläger der beklagten Partei erstmals bei einer Vorsprache am 7. Dezember 1987 Mitteilung, wobei er mehrere ärztliche Bestätigungen vorlegte. Die beklagte Partei anerkannte hierauf den Krankengeldanspruch für die Zeit vom 14. August (Meldung des österreichischen Arztes) bis 19. August 1987 (Ablauf der Frist von 26 Wochen gemäß § 139 Abs 1 ASVG). Der Kläger sprach nach seiner Rückkehr von Wien vor dem 7. Dezember 1987 mehrmals in anderen Angelegenheiten bei der beklagten Partei vor, ohne ihr dabei die Erkrankung vom 16. Februar 1987 mitzuteilen.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt dahin, daß der Kläger gemäß § 139 Abs 1 ASVG Anspruch auf Krankengeld für 26 Wochen habe. Die in der Satzung der beklagten Partei vorgesehene Erhöhung der Anspruchsdauer auf 78 Wochen gelte gemäß deren § 31 Abs 2 nicht für Versicherungsfälle, die erst nach dem Ende der Versicherung eingetreten seien. Der Krankengeldanspruch bestehe daher nur bis 19. August 1987. In dieser Zeit habe er aber gemäß § 143 Abs 1 Z 1 ASVG geruht, weil der beklagten Partei die Meldung der Arbeitsunfähigkeit des Klägers nicht zugegangen sei. Die Aufgabe bei der Post genüge nicht.

Das Berufungsgericht änderte das Urteil des Erstgerichtes infolge Berufung des Klägers dahin ab, daß es die beklagte Partei unter Abweisung des Mehrbegehrens schuldig erkannte, dem Kläger vom 19. Februar bis 13. August 1987 das Krankengeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Der Anspruch des Klägers sei nicht gemäß § 102 Abs 1 ASVG erloschen, weil er ihn vor Ablauf von zwei Jahren geltend gemacht habe. Es schade nicht, daß die eingeschrieben aufgegebene Mitteilung von der Erkrankung bei der beklagten Partei nicht eingelangt sei, weil dies einen besonderen Grund für die nicht rechtzeitige Meldung bedeute, der es gemäß § 143 Abs 2 ASVG gerechtfertigt erscheinen lasse, das Krankengeld für die zurückliegende Zeit zu gewähren. Da die beklagte Partei nicht behauptet habe, daß der Kläger zu Unrecht ab 16. Februar 1987 krankgeschrieben worden sei, komme es entgegen ihrem Standpunkt nicht darauf an, daß sie erst aufgrund einer die erforderliche Information enthaltenen Meldung in der Lage gewesen wäre, die notwendigen Vorkehrungen für die Erbringung der Leistung einschließlich einer Arzt- und Laienkontrolle zu treffen. Gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache mit dem Antrag, es im Sinn der vollständigen Abweisung des Klagebegehrens abzuändern.

Der Kläger beantragte, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Der Versicherungsfall ist nach dem Ende der Versicherung und nach dem auf das Ende der Versicherung nächstfolgenden Arbeitstag eingetreten (vgl § 120 Abs 1 Z 2 ASVG), weshalb sich der Anspruch des Klägers auf Krankengeld auf § 122 Abs 2 Z 2 ASVG gründet. Leistungen nach dieser Bestimmung werden gemäß dem nachfolgenden Abs 4 Satz 3 nicht gewährt, wenn sich der Anspruchsberechtigte ins Ausland begibt.

Da der Kläger offensichtlich jugoslawischer Staatsangehöriger ist, muß geprüft werden, ob er nach dem AbkSozSi-Jugoslawien (im folgenden "Abkommen" genannt) trotz der angeführten Regelung Anspruch auf Krankengeld hat. Hier kommen Art 11 Abs 2 und Art 12 des Abkommens in Betracht. Der Oberste Gerichtshof pflichtet in diesem Zusammenhang der vom Bundesministerium für soziale Verwaltung im Erlaß vom 4. Februar 1985, Zl 24.363/2-2/84 (abgedruckt in der MGA Zwischenstaatliches Sozialversicherungsrecht in Anm 3 zu Art 12), vertretenen Ansicht bei, wonach die angeführten Bestimmungen im Hinblick auf § 122 Abs 5 ASVG auch auf aus der Versicherung ausgeschiedene anspruchsberechtigte Personen anzuwenden sind.

Art 11 Abs 2 des Abkommens ist anzuwenden, wenn sich der Kläger nach Jugoslawien begab, um dort seinen Wohnort zu begründen, Art 12 Abs 1 hingegen, wenn er dort nur vorübergehend Aufenthalt nehmen wollte. Dies kann hier jedoch dahingestellt bleiben, weil sich für Geldleistungen kein Unterschied ergibt. In beiden Fällen ist hiefür nämlich Art 12 Abs 5 des Abkommens maßgebend (im ersten Fall gemäß Art 11 Abs 2 letzter Satz des Abkommens). Wohl wird in der Z 6 des Schlußprotokolls zum Abkommen die Anwendung des Art 12 Abs 1 des Abkommens auf bestimmte Personen eingeschränkt. Diese Einschränkung gilt aber schon nach dem Wortlaut der Bestimmung und auch nach ihrem Zweck nur für Sachleistungen, zumal unter den im Art 12 Abs 1 angeführten "Leistungen" nur Sachleistungen zu verstehen sind (MGA Zwischenstaatliches Sozialversicherungsrecht Anm 4 zu Art 12). Für die im Abs 5 des Art 12 des Abkommens geregelten Geldleistungen gilt daher die Einschränkung der Z 6 des Zusatzprotokolls zum Abkommen nicht.

Nach Art 12 Abs 5 des Abkommens richtet sich der Anspruch des Klägers auf Krankengeld nach den österreichischen Rechtsvorschriften, weil der österreichische Versicherungsträger zuständiger Versicherungsträger ist (vgl Art 1 Z 6 des Abkommens). Tritt der Versicherungsfall, wie hier, im Gebiet des anderen Vertragsstaates ein, so ist gemäß Art 5 Abs 2 der Durchführungsvereinbarung zum Abkommen der Anspruch auf Geldleistungen beim aushelfenden Versicherungsträger, hier also gemäß Art 2 Abs 3 der Durchführungsvereinbarung iVm Art 15 des Abkommens bei der für den Aufenthaltsort der betreffenden Person zuständigen (jugoslawischen) Kommunalen Sozialversicherungsanstalt, geltend zu machen. Diese hat den Antrag unter Beischluß eines vertrauensärztlichen Berichtes, aus dem die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit hervorgeht, unverzüglich an den zuständigen Versicherungsträger weiterzuleiten.

Der Kläger hat den Anspruch nicht beim angeführten jugoslawischen Versicherungsträger geltend gemacht. Aus Art 41 des Abkommens ist aber abzuleiten, daß Eingaben bei den hiefür zuständigen Stellen jedes der Vertragsstaaten wirksam eingebracht werden könne. Dies wird zwar nur für die in den innerstaatlichen Rechtsvorschriften geregelten Eingaben gesagt, muß aber analog auch für die im Abkommen oder in der Durchführungsvereinbarung geregelten Eingaben gelten, weil die Interessenslage des Anspruchsberechtigten hiefür gleich ist.

Es schadet daher an sich nicht, daß der Kläger den Anspruch nicht beim jugoslawischen Versicherungsträger geltend machte. Aus Art 5 Abs 2 der Durchführungsvereinbarung zum Abkommen ergibt sich aber, daß dem zuständigen Versicherungsträger ein vertrauensärztlicher Bericht zukommen muß. Macht der Anspruchsberechtigte den Anspruch nicht beim aushelfenden Versicherungsträger geltend, muß er daher dafür Sorge tragen, daß der zuständige Versicherungsträger einen vertrauensärztlichen Bericht erhält, wobei er dieser Pflicht genügt, wenn er die Bescheinigung eines Arztes anschließt, der ihn aufgrund des Abkommens betreut. Ohne die Vorlage einer solchen Bescheinigung, die dem Anspruchsberechtigten durchaus zuzumuten ist, entspricht er nicht der bezogenen Bestimmung der Durchführungsvereinbarung zum Abkommen, zumal der zuständige Versicherungsträger nur auf diese Weise in die Lage versetzt wird, darüber zu entscheiden, ob er die Ladung des Anspruchsberechtigten zum Kontrollarzt (vgl § 143 Abs 6 Z 1 ASVG und Art 5 Abs 3 der Durchführungsvereinbarung zum Abkommen) veranlassen soll.

Ein Anspruchsberechtigter, dessen Anspruch sich auf das Abkommen gründet, hat also die Möglichkeit, den Anspruch auf Krankengeld beim aushelfenden Versicherungsträger geltend zu machen, wenn der Versicherungsfall im Gebiet des betreffenden Vertragsstaates eintritt, und er muß in diesem Fall eine ärztliche Bescheinigung nicht vorlegen, weil der aufhelfende Versicherungsträger aufgrund des Art 5 Abs 2 der Durchführungsvereinbarung zum Abkommen von sich aus zum Beischluß eines vertrauensärztlichen Berichtes verpflichtet ist. Mach der Anspruchsberechtigte seinen Anspruch aber nicht beim aushelfenden, sondern beim zuständigen Versicherungsträger geltend und ist dieser ein österreichischer Versicherungsträger, so hat er aus den angeführten Gründen eine ärztliche Bescheinigung vorzulegen. Der Kläger hat seiner Meldung keine ärztliche Bescheinigung angeschlossen; sie war daher nicht formgerecht. In einem solchen Fall ist aber die Arbeitsunfähigkeit dem Versicherungsträger nicht gemäß § 143 Abs 1 Z 1 ASVG gemeldet, weshalb der Anspruch auf Krankengeld ruht. Die Meldung des Klägers hätte somit das Ruhen auch dann nicht verhindert oder beendet, wenn sie bei der beklagten Partei eingegangen wäre. Der Umstand, daß dies nicht der Fall war, kann deshalb nicht als besonderer Grund im Sinn des § 143 Abs 2 ASVG angesehen werden, der es gerechtfertigt erscheinen läßt, das Krankengeld zu gewähren, obwohl die Arbeitsunfähigkeit nicht gemeldet wurde. Andere Gründe sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes kommt es nicht darauf an, ob der Kläger während der strittigen Zeit tatsächlich infolge Krankheit arbeitslos war. Dies ist nur für das Entstehen des Anspruchs, nicht aber für dessen Ruhen wesentlich, weil der Eintritt des Ruhens allein daran geknüpft wird, daß die Arbeitsunfähigkeit dem Versicherungsträger nicht (formgerecht) gemeldet wird.

Da der Anspruch des Klägers in der im Revisionsverfahren noch strittigen Zeit gemäß § 143 Abs 1 Z 1 ASVG ruhte und das Krankengeld für diese Zeit nicht gemäß dem nachfolgenden Abs 2 zu gewähren ist, erweist sich das Klagebegehren auch in dem Umfang als nicht berechtigt, in dem ihm vom Berufungsgericht stattgegeben wurde. Der Ausspruch über die Kosten der Rechtsmittelverfahren beruht auf §§ 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

Anmerkung

E20794

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:010OBS00429.89.0327.000

Dokumentnummer

JJT_19900327_OGH0002_010OBS00429_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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