TE OGH 1990/3/29 6Ob536/90

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Veröffentlicht am 29.03.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Schlosser, Dr. Redl und Dr. Kellner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R*** W*** registrierte Genossenschaft mbH, Hollandstraße 2, 1020 Wien, vertreten durch Dr. Hans Litschauer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1. Johann H***, Tischlermeister,

2. Martina H***, Pensionistin, beide An der Unteren Alten Donau 438, 1200 Wien, vertreten durch Dr. Gerhard Weiser, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 7,580.297,74 sA, infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 10. November 1989, GZ 13 R 164/89-20, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 28. April 1989, GZ 5 Cg 216/87-15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit S 36.260,72 (darin enthalten S 6.043,45 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Partei begehrte, die beiden Beklagten zur ungeteilten Hand zur Zahlung von S 6,406.677,74 samt 8,5 % Zinsen und 5 % Verzugszinsen seit 1. Juli 1987, weiters S 605.726,50 samt 10 % Zinsen und 5 % Verzugszinsen seit 1. Juli 1987 und S 567.893,50 samt 10 % Zinsen und 5 % Verzugszinsen seit 1. Juli 1987 zu verurteilen. Sie brachte vor, sie habe den beiden Beklagten mehrere Kredite eingeräumt, die Beklagten hätten die vereinbarten Rückzahlungen nicht eingehalten. Zum 30.Juni 1987 sei der Klagsbetrag offen und fällig. Nachdem es schon vorher wiederholt Zahlungsschwierigkeiten gegeben habe und die Beklagten zur Rückzahlung der Kredite aufgefordert worden seien, hätten diese am 15. Mai 1987 die damals aushaftenden Kreditsalden als fällig anerkannt. Zur teilweisen Abdeckung des Saldos auf dem Kreditkonto Nr. 2.506.590 sei ein zur Besicherung verpfändetes Sparbuch realisiert und eine Rückzahlungsvereinbarung getroffen worden. Auch diese sei nicht eingehalten worden, der Klagsbetrag hafte zum 1.Juli 1987 unberichtigt aus.

Die Beklagten wandten ein, es bestehe zwar ein Kreditverhältnis, die Höhe des Begehrens der klagenden Partei sei aber nicht berechtigt, weil diese die Kredite zu Unrecht fällig gestellt und Verzugszinsen berechnet habe. Die klagende Partei habe ausdrücklich zugesagt, daß sie den Beklagten wegen der langjährigen Geschäftsverbindung Wohlwollen entgegenbringe und vorerst nicht mit rechtlichen Schritten gegen sie vorgehen werde. Wegen der zugesagten Stundung sei das gesamte Klagebegehren unberechtigt. Ein Anerkenntnis sei nicht abgegeben worden.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es stellte im wesentlichen fest, daß die klagende Partei den beiden Beklagten in der Zeit von 1976 bis 1983 insgesamt vier Kredite eingeräumt hat, und zwar mit Kreditverträgen vom 20. August 1976 zwei Kredite über je eine Million Schilling, damaliger Zinssatz 9 % pro Jahr, Verzugszinsen 7 % pro Jahr, rückzahlbar in 120 gleichbleibenden monatlichen Raten; mit Kreditvertrag vom 9. November 1982 ein Kredit über 3 Millionen Schilling, damaliger Zinssatz 10,5 % pro Jahr, Kreditprovision 1/6 % pro Monat, Überziehungsprovision 1/6 %o pro Tag, Verzugszinsen 5 % pro Jahr, abzudecken bis 31.Oktober 1987, und schließlich mit Kreditvertrag vom 28.Juni 1983 einen Kredit über 1,5 Millionen Schilling, damaliger Zinssatz 8,75 % pro Jahr, Kreditprovision 1/6 % pro Monat, Überziehungsprovision 1/6 %o pro Tag, Verzugszinsen 5 % pro Jahr, rückzahlbar bis 30.September 1984. Alle Kreditverträge enthielten die Klausel, daß der Kreditgeber berechtigt ist, den vereinbarten Jahreszinsfuß entsprechend zu erhöhen, wenn sich die Geld- oder Kapitalmarktverhältnisse durch Erhöhung der Einlagenzinssätze, der Bankrate oder der Mindestreserven oder durch Änderung der Bestimmungen über die Kreditvergabe ändern, weiters, daß der Kreditgeber berechtigt ist, den gesamten Kredit unter anderem sofort fällig und zahlbar zu stellen, wenn sich die wirtschaftlichen Verhältnisse der Kreditnehmer verschlechtern oder diese ihren Verpflichtungen aus dem Kreditvertrag nicht nachkommen.

Da hinsichtlich der gegenständlichen Kredite keine ordnungsgemäßen Zahlungen einlangten, kam es im Mai 1987 zu Besprechungen zwischen den Streitteilen, deren Ergebnis in zwei von den beiden Beklagten unterfertigten Urkunden vom 15. Mai 1987 (Beilagen A und B) festgehalten wurde. Diese lauten:

"Herr Johann H*** und Frau Martina H***

anerkennen, der R*** W*** reg. Genossenschaft mbH folgende Ausleihungen per 15. Mai 1987 unberichtigt aushaftend zu schulden:

Konto 2.506.590, Schuldner Johann und Martina H***, einen Betrag von S 6,293.693,74

Konto 2.550.416, Schuldner Johann H***, Bürge Martina H*** einen Betrag von S 585.949,50

Konto 1-02.550.416, Schuldner Johann und Martina H***,

einen Betrag von S 549.352,50

Herrn Johann H*** und Frau Martina H***

verpflichten sich

1. bis spätestens 10.Juni 1987 S 300.000 auf das Konto 2.506.590 zur Einzahlung zu bringen;

2. monatlich S 30.000 jeweils zum 20. eines jeden Monats, erstmals am 20.Juni 1987 auf das Konto 2.506.590 einzuzahlen und

3. den Erlös aus dem beabsichtigten Verkauf der zum Teil mit Hilfe oben angeführter Ausleihungen finanzierten Pension in Hochfügen zur Gänze zur Rückführung des gegenständlichen Kreditengagements zu verwenden.

Ferner ist der R*** W*** reg. Genossenschaft mbH über die laufenden Verkaufsverhandlungen schriftlich zu berichten. Terminsverlust ist vereinbart.

Diese Vereinbarung ist vorläufig mit 30.September 1987 befristet und tritt nur unter nachstehend angeführten Voraussetzungen in Kraft:

1. Pünktliche Einhaltung und Beibehaltung der vereinbarten Rückführung;

2. Vorlage schriftlicher Unterlagen über Verkaufsverhandlungen der Pension Hochfügen;

3. Vorlage der Bilanzen 1984 bis 1986 des Tichlereibetriebes in Wien und der Bilanzen 1982 bis 1986 der Pension Hochfügen sowie Saldenlisten per 3/87 und die jeweiligen Umsatzsteuervoranmeldungen beider Betriebe.

4. Nachweis über die Löschung des Zwangspfandrechtes über

S 654.988,38 ob EZ 395 KG Stadlau, GB Floridsdorf, simultan EZ 324, KG Fügenberg, GB Zell/Ziller zu Steuer-Nr. 611/6169 zugunsten der Republik Österreich und

5. Unterfertigung der Rangordnung für beabsichtigte Veräußerung ob EZ 395, KG Stadlau, GB Floridsdorf und EZ 324 KG Fügenberg, GB Zell/Ziller durch Herrn Johann H*** und Frau Martina H***.

Sollte der Verkauf der Pension bis 15.September 1987 nicht abgeschlossen bzw. die Rückführung des Gesamtkreditengagements noch nicht erfolgt sein, gilt als vereinbart, daß spätestens zu diesem Zeitpunkt eine Neuregelung des Kreditengagements unter Berücksichtigung der vertraglichen Gegebenheiten zu erfolgen hat. Wird auch nur eine der angeführten Vereinbarungen nicht termingerecht erfüllt, gelten die Kredite weiterhin als sofort fällig und zahlbar gestellt.

Zum Zeichen Ihres vollinhaltlichen Einverständnisses ersuchen wir Sie, beiliegende Kopie unterfertigt zu retournieren."

Diese Urkunde wurde für die R*** W*** von J*** und

N*** sowie unter dem Beisatz "vollinhaltlich einverstanden" vom Erstbeklagten als Kreditschuldner und von der Zweitbeklagten als Mitschuldner und Bürge unterschrieben.

Die vom Erstbeklagten als Kreditschuldner und von der Zweitbeklagten als Mitschuldner und Bürge unterschriebene Vereinbarung, datiert mit 15.Mai 1987 (Beilage B) hat folgenden

Wortlaut:

"Herr Johann H*** und Frau Martina H***

anerkennen der R*** W*** reg. Gen.m.b.H. folgende

Ausleihungen per 15.Mai 1987 unberichtigt aushaftend zu schulden:

Konto 2.506.590, Schuldner Johann und Martina H*** einen Betrag von S 6,293.693,74

Konto 2.550.416, Schuldner Johann H***, Bürge Martina H***, einen Betrag von S 585.949,50

Konto 1-02.550.416, Schuldner Johann und Martina H***,

einen Betrag von S 549.352,50.

Herr Johann H*** und Frau Martina H***

bestätigen hiemit die per 15.Mai 1987 erfolgte Umbuchung des Realisaterlöses zu Sparbuch-Nr. 32.536.088 über S 871.587,71 zugunsten des Kontos 2.506.590".

In der Folge wurde von den Beklagten lediglich am 17.Juni 1987 eine Zahlung von S 100.000 geleistet, weitere Zahlungen auf die offenen Kredite erfolgten nicht. Der Kredit laut Konto-Nr. 2.506.590 war einschließlich der Sollzinsen von 8,5 % per 30. Juni 1987 mit S 6,406.677,74 offen, jener zu Konto-Nr. 001-02.550.416 einschließlich der Sollzinsen von 10 % per 30. Juni 1987 mit S 567.893,50 und der Kredit zu Konto-Nr. 2.550.416 einschließlich der Sollzinsen von 10 % per 30. Juni 1987 mit S 605.726,50. Die Verzugszinsen betrugen einheitlich 5 % pro Jahr.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, die Beklagten hätten mit den Urkunden Beilagen A und B die damals bestehenden Kreditschulden anerkannt. Da sie ihre übernommenen Zahlungsverpflichtungen nicht erfüllt hätten, seien die im Spruch angeführten offenen Kreditbeträge zur Zahlung fällig. Die Höhe der Zinsen ergebe sich aus den Feststellungen zu den einzelnen Kreditvereinbarungen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beiden Beklagten keine Folge. Es verneinte das Vorliegen von Verfahrensmängeln und übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes. Rechtlich meinte das Berufungsgericht, es sei davon auszugehen, daß die aufgenommenen Kredite schon zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarungen vom 15. Mai 1987 fällig gewesen seien. In diesen Vereinbarungen sei festgelegt worden, daß die Kredite weiterhin als sofort fällig und zahlbar gestellt gelten sollten, wenn auch nur eine der getroffenen Vereinbarungen nicht termingerecht erfüllt werde. Damit sei nur eine bloße, die Geltendmachung nicht aber die Fälligkeit hinausschiebende "reine Stundung" vereinbart worden, welche die Verzugsfolgen, insbesondere die Geltendmachung von Verzugszinsen nicht hinausgeschoben habe. Das Begehren auf Zinsen und Verzugszinsen sei daher dem Grunde und der Höhe nach berechtigt.

Die gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes erhobene Revision der beiden Beklagten ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht hat das Vorliegen von Verfahrensmängeln verneint und die Feststellungen des Erstgerichtes über die Höhe der Zinsen und Verzugszinsen zum 30.Juni 1987 als durch die Aussage des Angestellten der klagenden Partei, Dr. Peter S***, ausreichend gedeckt erachtet und übernommen. Wenn die Beklagten in ihrer Revision nunmehr ausführen, die Feststellungen über die Höhe der begehrten Zinsen seien auf keine Beweisergebnisse gegründet, so bekämpfen sie damit nicht einen Mangel des Berufungsverfahrens sondern die Beweiswürdigung. Die Frage, ob Beweisergebnisse zur Rechtfertigung bestimmter Feststellungen ausreichend seien, fällt in das Gebiet der Beweiswürdigung. Eine mangelhafte oder unzureichende Beweiswürdigung kann im Revisionsverfahren nicht angefochten werden. Nur wenn sich das Berufungsgericht mit der Beweisfrage überhaupt nicht befaßt hätte, wäre sein Verfahren mangelhaft (JBl. 1956, 51 ua). Dies trifft hier keineswegs zu.

Das Berufungsgericht ist nach dem Inhalt der Vereinbarungen vom 15. Mai 1987 auch zutreffend davon ausgegangen, daß damit nicht die Fälligkeit der Forderung geändert, sondern nur für den Fall der pünktlichen Einhaltung die Geltendmachung der Forderung hinausgeschoben werden sollte (arg. aus der Formulierung "Wird auch nur eine der angeführten Vereinbarungen nicht termingerecht erfüllt, gelten die Kredite weiterhin als sofort fällig und zahlbar gestellt"). Dies ergibt sich auch aus dem letzten Mahnschreiben der klagenden Partei vom 22.Juni 1987, Beilage C, in welchem neuerlich darauf hingewiesen wurde, daß mangels Erfüllung der Bedingungen die im Schreiben "angeführten Ausleihungen als weiterhin fällig und zahlbar gestellt und Terminsverlust als vereinbart" gelten und bei Nichteinhaltung der im Schreiben gesetzten letzten Nachfrist von zwei Wochen die Klagseinbringung - also nur die Geltendmachung, nicht aber die schon früher erfolgte Fälligstellung - angekündigt wurde. Eine solche "reine Stundung" beseitigt den objektiven Verzug nicht. Ohne besondere Anhaltspunkte ist nicht anzunehmen, daß der Gläubiger den Schuldner mit der reinen Stundung aus der Verantwortung für subjektiven Verzug entlassen will (Reischauer in Rummel2, ABGB, Rz 13 zu § 904). Die klagende Partei hat daher zu Recht neben den vertraglichen Zinsen auch die vereinbarten Verzugszinsen in der zum Zeitpunkt der Klagseinbringung gültigen Höhe geltend gemacht.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Der Ausspruch über die Kosten der Revisionsbeantwortung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E20362

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0060OB00536.9.0329.000

Dokumentnummer

JJT_19900329_OGH0002_0060OB00536_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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