TE OGH 1990/4/4 1Ob512/90

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Veröffentlicht am 04.04.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Schlosser, Dr. Graf und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Bogumila D***, Hausfrau, Wien 13, Melchartgasse 29, vertreten durch Dr. Elisabeth Constanze Schaller, Rechtsanwältin in Traiskirchen als Verfahrenshelferin, wider die beklagte Partei Ing. Wolfgang D***, Angestellter, Wien 13, Melchartgasse 29, vertreten durch Dr. Johann-Etienne Korab, Rechtsanwalt in Wien, wegen Ehescheidung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 30.Juni 1989, GZ 11 R 68/89-98, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 4.Jänner 1989, GZ 6 Cg 37/88-94, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 4.606,20 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 617,70 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die am 1.Jänner 1950 geborene Klägerin und der am 21.Jänner 1931 geborene Beklagte schlossen am 17.Juli 1975 die Ehe; der Ehe entstammen zwei Kinder.

Die Klägerin begehrt mit ihrer am 11.November 1983 überreichten Klage die Scheidung der Ehe aus dem Verschulden des Beklagten und machte als Eheverfehlungen im wesentlichen geltend, der Beklagte sei lieblos, beschimpfe sie und habe sie im Zuge von Auseinandersetzungen geschlagen.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und stellte für den Fall der Scheidung einen Mitschuldantrag. Er wendete im wesentlichen ein, daß er Eheverfehlungen im vergangenen halben Jahr nicht gesetzt habe. Die Klägerin treffe das überwiegende Verschulden an der Zerrüttung der Ehe. Sie habe es schon vor Einbringung der Scheidungsklage abgelehnt, für ihn den Haushalt zu führen, sie versuche, ihm die Kinder zu entfremden, sie gegen ihn aufzuhetzen und verweigere ihm jegliche Auskunft darüber, ob eines der Kinder krank sei. Sie versuche auch zu verhindern, daß er mit den Kindern einen seit langem geplanten und mit der Klägerin abgesprochenen Urlaub antreten könne.

Das Erstgericht schied die Ehe aus dem überwiegenden Verschulden der Klägerin. Es stellte fest, der Beklagte habe mehrmals die körperliche Integrität der Klägerin beeinträchtigt. Die körperlichen Attacken des Beklagten seien aber letztlich nur Reaktionshandlungen auf die Eheverfehlungen der Klägerin gewesen. Sie habe nicht nur die Haushaltsführung vernachlässigt, sondern auch ihre Pflicht zur anständigen Begegnung gegenüber dem Beklagten verletzt, indem sie ihn in Gegenwart der Kinder wiederholt beschimpft bzw herabgesetzt habe. Die Eheverfehlungen der Klägerin hätten sich über einen Zeitraum von vielen Jahren hingezogen, während es sich bei den Verfehlungen des Beklagten lediglich um vereinzelte Eingriffe gehandelt habe. In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Auffassung, daß durch die beiderseitigen Eheverfehlungen die Ehe unheilbar zerrüttet sei; die Wiederherstellung einer dem Wesen der Ehe entsprechenden Lebensgemeinschaft könne nicht mehr erwartet werden. Beide Streitteile treffe ein Verschulden an der Zerrüttung der Ehe, doch überwiege das Verschulden der Klägerin eindeutig. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Es übernahm erkennbar die erstgerichtlichen Feststellungen. Die inhaltslose Rechtsrüge sei nicht berechtigt. Die Klägerin könne offenbar selbst keine Argumente dafür finden, wieso den Beklagten das überwiegende Verschulden am Scheitern der Ehe treffen sollte. Sein Verschulden, das lediglich in - zwar menschlich verständlichen, aber dennoch als überzogen zu beurteilenden - Reaktionshandlungen auf die jahrelangen verschiedenen krassen Eheverfehlungen der Klägerin bestanden habe, trete derart in den Hintergrund, daß der Verschuldensausspruch des Erstgerichtes gerechtfertigt sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist nicht berechtigt.

Eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens erblickt die Klägerin darin, daß das Berufungsgericht in nichtöffentlicher Sitzung entschieden habe, obwohl auf den Seiten 7 und 8 der Berufungsschrift zur Dartuung der Beweis- und Tatsachenrüge drei Zeugen geführt worden seien. Der Revisionsgrund ist nicht gegeben. Weder die Klägerin noch der Beklagte stellten einen ausdrücklichen Antrag auf Anberaumung einer mündlichen Berufungsverhandlung, was einen Verzicht auf eine mündliche Verhandlung darstellt (§ 492 Abs 1 zweiter Satz ZPO). Liegt aber ein Verzicht auf eine mündliche Berufungsverhandlung vor, bildet die Unterlassung der Anberaumung keinen Verfahrensmangel. Der Antrag auf mündliche Verhandlung muß nach ständiger Rechtsprechung "ausdrücklich" erfolgen. Diese seit der 5.Gerichtsentlastungsnovelle verlangte Eindeutigkeit einer Antragstellung (SZ 21/110, SZ 13/63) wurde auch in der Neufassung der Bestimmung des § 492 Abs 1 ZPO durch Art IV der ZVN 1983, BGBl 1983/135, beibehalten. Der seinem Wortlaut nach nur auf (neuerliche) Vernehmung mehrerer Zeugen gerichtete Antrag in der Berufungsschrift der Klägerin läßt im vorliegenden Fall eben nicht mit der im § 492 ZPO geforderten Deutlichkeit erkennen, daß die Anberaumung einer mündlichen Berufungsverhandlung beantragt werde. Es reicht nicht aus, ohne eine solche Antragstellung eine Beweis- und Tatsachenrüge zu erheben und sich zur Dartuung dieses Berufungsgrundes auf Beweise zu berufen, deren Aufnahme durch das Berufungsgericht erfolgen soll. Dies folgt schon daraus, daß die ohne ausdrücklichen Antrag auf Anberaumung einer mündlichen Berufungsverhandlung erhobene Beweis- und Tatsachenrüge dennoch beachtlich ist und das Berufungsgericht auch ohne solchen Antrag diesen Berufungsgrund sehr wohl zu prüfen hat (JBl 1988, 472) und dann, wenn es auf Grund der Aktenlage Bedenken gegen die Richtigkeit und Vollständigkeit der erstgerichtlichen Tatsachenfeststellungen hat und zur Entscheidung eine Beweiswiederholung oder -ergänzung als notwendig erachtet, die mündliche Berufungsverhandlung von Amts wegen nach § 492 Abs 2 zweiter Satz ZPO anzuberaumen hat (SZ 59/6, SZ 57/142 ua; Fasching IV 197). Die in der Revision vertretene Rechtsauffassung, daß bei einem 15.000 S übersteigenden Streitwert auf jeden Fall, somit auch ohne Antrag, eine Berufungsverhandlung anzuberaumen wäre, übersieht, daß bei einem Streitwert unter 15.000 S die Parteien nicht einmal ein Antragsrecht iS des § 492 Abs 1 ZPO haben (§ 501 zweiter Satz ZPO).

Mangelhaft soll das Berufungsverfahren weiters deshalb sein, weil die zweite Instanz die erstgerichtliche Beweiswürdigung nicht ausreichend auf ihre Vollständigkeit, innere Logik und ihre Vereinbarkeit mit psychologischen Erfahrungstatsachen etc untersucht habe. Nach ständiger Rechtsprechung kann selbst eine unzureichende Beweiswürdigung im Revisionsverfahren nicht angefochten werden. Nur wenn sich das Berufungsgericht mit der Beweisrüge überhaupt nicht befaßt hat, ist sein Verfahren mangelhaft geblieben. Selbst eine knapp gehaltene Begründung, die erkennen läßt, daß eine Überprüfung stattgefunden hat, genügt demnach (8 Ob 630/89). Die vom Berufungsgericht vorgenommene Erledigung der Beweis- und Tatsachenrüge entspricht diesen Voraussetzungen. Die Frage, ob eine Beweiswiederholung erforderlich ist, gehört dem Bereich der irrevisiblen Beweiswürdigung an (EFSlg 57.831, 55.104 ua; Fasching IV 310), desgleichen die Beurteilung der Frage, ob bei bestimmten Beweisergebnissen einer von mehreren logisch denkbaren Sachverhalten wahrscheinlicher ist als der andere (8 Ob 259/79 ua), oder ob die vorliegenden Beweisergebnisse auch andere Schlußfolgerungen ermöglicht hätten (1 Ob 574/83, 2 Ob 532/78). Das Berufungsgericht hat die Rechtsrüge der Berufung zutreffend als "inhaltslos", gemeint nicht gesetzmäßig ausgeführt, bezeichnet, wenn es auch nach der Ausführung, die Klägerin könne offenbar selbst keine Argumente für ein überwiegendes Verschulden des Beklagten am Scheitern der Ehe finden, dann in einem Satz den Verschuldensausspruch des Erstgerichtes als gerechtfertigt ansah, somit meritorisch behandelte. In der Rechtsrüge der Berufung wurde tatsächlich in keiner Weise dargestellt, warum die Verschuldensteilung des Erstgerichtes unrichtig sein sollte, die Rechtsrüge beschränkte sich vielmehr auf wenige allgemeine Ausführungen, lehnte aber die Richtigkeit der rechtlichen Schlußfolgerungen zur Verschuldensteilung im Ersturteil völlig begründungslos ab. Wenn aber der Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt wurde, so kann nach ständiger Rechtsprechung die rechtliche Beurteilung auch im Revisionsverfahren nicht mehr bekämpft werden (EFSlg 57.835 uva; Fasching IV 322). Im übrigen geht auch die Rechtsrüge der Revision erneut nicht vom maßgeblichen Urteilsachverhalt aus, sondern wendet sich neuerlich, aber unzulässig gegen die auch im Eheverfahren in dritter Instanz nicht überprüfbare Beweiswürdigung der Vorinstanzen (EFSlg 57.827, 55.102 ua).

Der Revision ist daher der Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E20556

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0010OB00512.9.0404.000

Dokumentnummer

JJT_19900404_OGH0002_0010OB00512_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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