TE OGH 1990/4/4 9ObA68/90

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Veröffentlicht am 04.04.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Gamerith und Dr.Jelinek sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Robert Müller und Ferdinand Rodinger als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Eddy A***, Discjockey, Tamsweg 460, vertreten durch Dr.Norbert Grill, Rechtsanwalt in Jenbach, wider die beklagte Partei Michael H***, Pächter der N***-Tanzbar, Kirchbichl, Kastengstatt 2, vertreten durch Dr.Gerhard Maurer und Dr.Andreas Widschwenter, Rechtsanwälte in Wörgl, wegen S 97.200 sA (Revisionsstreitwert S 33.600 sA), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 7. November 1989, GZ 5 Ra 139/89-24, womit infolge der Berufungen beider Parteien das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 3.Juli 1989, GZ 44 Cga 122/88-16, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 3.292,80 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 548,80 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile vereinbarten mündlich, daß der Kläger vom 12.Mai bis 11.Juni 1988 in der Diskothek des Beklagten ab 21.00 Uhr als Discjockey arbeiten und hiefür mit täglich netto S 1.000 zuzüglich freier Kost und Logis entlohnt werden sollte. Eine Probezeit wurde nicht vereinbart.

Der Kläger begann seine Tätigkeit am 12.Mai 1988. Bereits am 13. Mai 1988 trat er seinen Dienst alkoholisiert an. Der Beklagte ermahnte ihn mit den Worten, das tue man nicht, die Arbeit könne er "so nicht haben". Trotzdem kam der Kläger auch am dritten Arbeitstag, dem 14.Mai 1988, wieder alkoholisiert und mit einem Trainingsanzug bekleidet zu Dienstbeginn ins Lokal. Hierauf forderte der Beklagte den Kläger auf, er solle die Lohnbestätigung unterschreiben und heimfahren. Tatsächlich unterschrieb der Kläger dann am 15.Mai 1988 die Urkunde Beilage ./1: "Einvernehmliche Auflösung nach drei Tagen Probezeit, Gage vollständig erhalten."

Wenn der Kläger diese Urkunde nicht unterschrieben hätte, hätte er vom Beklagten nicht das vereinbarte Nettogehalt für die drei Tage, die er bei ihm beschäftigt war, erhalten. Der Kläger erklärte bei Unterfertigung der Beilage ./1 nicht, daß er mit der Vorgangsweise des Beklagten nicht einverstanden sei. Er nahm sich allerdings vor, rechtliche Schritte einzuleiten.

Mit der am 24.Juni 1988 eingebrachten Klage begehrt der Kläger vom Beklagten S 97.200 restliches Entgelt. Dieser Betrag setze sich aus einem täglichen Fixum von S 1.000 netto zuzüglich je S 200 Halbpension für 81 Tage zusammen, weil der Beklagte, der mit ihm den Dienstvertrag bis Ende Juli geschlossen habe, diesen ohne wichtigen Grund einseitig für beendet erklärt habe.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und brachte - neben dem nicht erwiesenen Einwand einer vereinbarten Probezeit von drei Tagen - vor, der Kläger habe sich wegen der dauernden Alkoholisierung als unbrauchbar erwiesen; die Streitteile hätten deshalb vereinbart, daß eine weitere Tätigkeit des Klägers nicht mehr erforderlich sei.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit S 33.600 und einem Teil des Zinsenbegehrens statt und wies das (allerdings unrichtig berechnete) Mehrbegehren ab. Es ging von einem befristeten Dienstverhältnis vom 12.Mai bis 11.Juni 1988 aus. Eine einvernehmliche Beendigung sei nicht zustandegekommen, weil die Vereinbarung vom 15.Mai 1988 wirkungslos sei; der Kläger hätte nämlich ohne Unterfertigung der Beilage ./1 auch den ihm zustehenden Nettolohn für drei Tage nicht erhalten. Der Beklagte habe das Dienstverhältnis durch vorzeitige Auflösung beendet, ohne einen berechtigten Grund hiefür auch nur zu behaupten. Es sei daher von einer unberechtigten vorzeitigen Auflösung auszugehen, sodaß dem Kläger für die als vereinbart festgestellte Dienstzeit bis 11.Juni 1988 das restliche Entgelt samt Abgeltung für freie Kost und Quartier zustehe.

Gegen dieses Urteil erhoben beide Teile Berufung. Der Kläger bekämpfte den klagsabweisenden Teil mit Ausnahme der Abweisung des Zinsenmehrbegehrens und beantragte, das Urteil dahin abzuändern, daß ihm weitere S 63.600 sA zugesprochen werden. Der Beklagte bekämpfte den klagsstattgebenden Teil und beantragte, das Klagebegehren zur Gänze abzuweisen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht, der Berufung des Beklagten hingegen Folge und änderte das angefochtene Urteil im Sinn der gänzlichen Klagsabweisung ab. Es übernahm die Tatsachenfeststellungen des Erstgerichts, meinte aber, der Beklagte habe einen Sachverhalt vorgetragen, der die Entlassung des Klägers nach § 27 Z 4 AngG gerechtfertigt habe; dieser habe sich nämlich beharrlich geweigert, ordnungsgemäße Dienste zu leisten, indem er trotz Ermahnung wieder alkoholisiert seinen Dienst angetreten habe. Daß der Beklagte diesen Sachverhalt unrichtig als einvernehmliche Auflösung qualifiziert habe, schade nicht.

Der Kläger ließ die Abweisung des Klagebegehrens im Umfang von S 63.600 sA in Rechtskraft erwachsen und ficht das Berufungsurteil wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung nur insoweit an, als auch sein Klagebegehren im Umfang von S 33.600 sA abgewiesen wurde. Der Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil der Streitwert S 30.000 übersteigt (- die diesbezüglichen Revisionsausführungen sind unzutreffend, aber irrelevant -); sie ist aber im Ergebnis nicht berechtigt.

Der Kläger vertritt die Auffassung, das Berufungsgericht habe zu Unrecht angenommen, es reiche aus, wenn der Beklagte ein Tatsachenvorbringen erstattet habe, das auf einen berechtigten Entlassungsgrund schließen lasse. Der Beklagte habe sich ausdrücklich auf eine einvernehmliche Lösung des Dienstverhältnisses gestützt. Diese Auflösung sei zwar wirksam, nicht aber der Verzicht des Klägers auf seine Ansprüche aus dem Dienstvertrag. Die Feststellungen, die für eine Entlassung sprechen würden, kämen wegen der "Sperrwirkung des Aufhebungsvertrages" nicht zum Zuge. Es ist zwar richtig, daß der Beklagte gemäß § 243 Abs 2 ZPO nur diejenigen Tatsachen behaupten muß, auf die sich seine Einwendungen gegen den Klagsanspruch gründen, er jedoch keine rechtliche Qualifikation vornehmen muß. Der Umstand, daß eine Partei einen Sachverhalt unrichtig rechtlich beurteilt, schließt die richtige rechtliche Beurteilung durch das Gericht nicht aus (Fasching, Lehrbuch2 Rz 1268 und 508).

Der Beklagte hat sich im vorliegenden Verfahren aber wiederholt und ausdrücklich (Einwendungen gegen die Klage ON 6, Berufung ON 19, Revisionsbeantwortung ON 26) darauf gestützt, daß der Kläger gegen ihn keine Ansprüche mehr hätte, weil sie die einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses vereinbart hätten. Er hätte zwar genügend Gründe für die Entlassung gehabt; wegen dieser Gründe habe er aber mit dem Kläger die einvernehmliche Auflösung vereinbart (ganz deutlich ON 19 S. 5 unten, 6 oben und Revisionsbeantwortung S. 2 unten).

Unter diesen Umständen scheidet die vom Berufungsgericht vorgenommene Umdeutung des Vorbringens des Klägers in die Behauptung, er habe den Kläger berechtigt entlassen, aus. Das an sich eine Entlassung rechtfertigende Verhalten des Klägers war für den Beklagten nur das Motiv, die vorzeitige einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses anzustreben. Sie ist auch rechtsgültig zustandegekommen.

Hält man sich die Situation am 14.Mai 1988 vor Augen, nämlich, daß der Beklagte allen Grund gehabt hätte, den Kläger gemäß § 27 Z 4 AngG wegen beharrlicher Pflichtverletzung zu entlassen - es geht auch bei einem Discjockey nicht an, daß er trotz Ermahnung bereits alkoholisiert zum Dienst erscheint -, war es ein Entgegenkommen des Beklagten, nicht die Entlassung auszusprechen, sondern an den Kläger mit dem Anbot einer einvernehmlichen Auflösung des Dienstverhältnisses heranzutreten. Dieser einvernehmlichen Auflösung hat der Kläger zugestimmt, ohne einen Vorbehalt zu erklären; daß er sich "vornahm", in der Folge gegen den Kläger Geldansprüche geltend zu machen, ist eine unbeachtliche Mentalreservation. Davon, daß sich der Kläger bei Unterfertigung der Beilage ./1 in einer ungerechtfertigten Zwangslage befunden hätte, kann keine Rede sein. Hätte der Kläger die Beilage ./1 in der vorliegenden Form nicht unterfertigen wollen, weil er mit der einvernehmlichen vorzeitigen Auflösung nicht einverstanden war, hätte er dies eben unterlassen müssen; seinem Einwand, dann hätte ihm der Beklagte auch das ihm noch zustehende Entgelt für die drei Tage in der Höhe von S 3.000 netto nicht gezahlt, ist zu entgegnen, daß einerseits gar nicht feststeht, daß ihm der Beklagte dies angedroht hat, andererseits konnte dieser zu Recht eine Bestätigung dafür verlangen, daß er dem Kläger sein bis zur einvernehmlichen Auflösung fällig gewordenes Entgelt gezahlt hat (§ 1426 ABGB). Hätte sich der Beklagte tatsächlich geweigert, dem Kläger ohne Unterfertigung der Beilage ./1 in der vorliegenden Form den restlichen Lohn zu zahlen, hätte dieser den Betrag jederzeit einklagen können. Aus all dem ergibt sich, daß sich der Kläger frei von ungerechtfertigtem Zwang mit der einvernehmlichen vorzeitigen Auflösung des Dienstverhältnisses einverstanden erklärt hat. Da seine Lohnforderungen bis zum Zeitpunkt der einvernehmlichen Auflösung voll befriedigt wurden, stehen ihm gegen den Beklagten keine Forderungen aus dem Dienstverhältnis mehr zu, sodaß das Klagebegehren im Ergebnis zur Gänze berechtigt abgewiesen wurde. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E20434

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:009OBA00068.9.0404.000

Dokumentnummer

JJT_19900404_OGH0002_009OBA00068_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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