TE OGH 1990/4/4 1Ob578/90

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Veröffentlicht am 04.04.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann, Dr.Schlosser, Dr.Graf und Dr.Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gerhard H***, Forstwirt, Seeboden, Süduferweg 111, vertreten durch Dr.Heinz Walther, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei K*** L***, Feldkirchen, Friedensstraße 1, vertreten durch Dr.Edwin Kois, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen Aufkündigung infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Berufungsgerichtes vom 15.Dezember 1989, GZ 1 R 581/89-18, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 17.August 1989, GZ 14 C 1156/88-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß die Aufkündigung für rechtswirksam erklärt wird und die beklagte Partei schuldig ist, die von der klagenden Partei in Bestand genommene Turkwiese (Grundstück 681/1 und 681/2 in EZ 82 KG Keutschach) im Ausmaß von etwa 25.000 m2 binnen 14 Tagen bei Exekution zu räumen und der klagenden Partei geräumt von ihren Fahrnissen zu übergeben. Die beklagte Partei ist ferner schuldig, der klagenden Partei die mit S 18.265,04 bestimmten Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen (darin S 2.635,84 Umsatzsteuer und S 2.450 Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Vereinbarung vom 11.1.1966 hat der Kläger der beklagten Partei von seiner am Keutschacher See gelegenen Liegenschaft EZ 82 KG Keutschach die etwa 25.000 m2 große "Turkwiese" (Grundstück 681/1 und 681/2) zur Führung eines gewerblich zu nutzenden Campingplatzes bis 31.12.1974 gegen Zahlung eines wertgesicherten Jahreszinses von S 20.000 in Bestand gegeben; von der beklagten Partei darauf errichtete Anlagen sollten nach Beendigung des Bestandverhältnisses in das Eigentum des Klägers übergehen. In der Vereinbarung ist von "Pachtverhältnis", "Pachtschilling" und "Pachtgegenstand" die Rede. Die beklagte Partei hat in der Folge auf der Turkwiese mit Zustimmung des Klägers auf Grund entsprechender Baubewilligungen mehrere Gebäude errichtet: die Rezeption im Ausmaß von 16 m2, die "Gemeinschaftshütte" mit Werkzeugraum (im Ausmaß von 24 m2) und eine festgemauerte Toilettanlage. Auf dem Bestandobjekt befinden sich ferner sechs Stromanschlußkästen und ein Sportplatz; vom Ufer reichen verschiedene Einbauten in den See. Nach Ablauf der vereinbarten Bestanddauer wurde das Bestandverhältnis stillschweigend verlängert.

Der Kläger kündigte am 21.6.1988 der beklagten Partei das Bestandobjekt zum 31.3.1989 unter Hinweis auf § 49 MRG ohne Geltendmachung eines Kündigungsgrundes im Sinne des Mietrechtsgesetzes auf.

Die beklagte Partei wendete ein, das Bestandverhältnis unterliege den Kündigungsbeschränkungen des Mietrechtsgesetzes, sodaß dessen § 49 nicht anzuwenden sei.

Das Erstgericht erklärte die Aufkündigung für rechtsunwirksam und wies das Räumungsbegehren ab. Das als Miete zu beurteilende Bestandverhältnis betreffe keine unverbaute Fläche, sondern eine Grundfläche mit umbauten, geschäftlichen Zwecken dienenden Räumen (Superädifikaten), weshalb es dem Kündigungsschutz des Mietrechtsgesetzes unterliege.

Das Gericht zweiter Instanz bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes zwar S 60.000, nicht aber S 300.000 übersteige und die Revision unzulässig sei. Der Kläger habe der beklagten Partei kein lebendes Unternehmen übergeben und keine Betriebspflicht überbunden. Die Vereinbarung vom 11.1.1966 sei daher ein Mietvertrag. Würde es sich um eine "reine" Grundstücksmiete handeln, wäre das Bestandverhältnis § 49 Abs 1 zweiter Satz MRG zufolge bloß bis zum 31.12.1988 dem Kündigungsschutz gemäß den §§ 19 bis 23 MG unterlegen. Dann wäre eine nicht auf die mietrechtsgesetzlichen Kündigungsgründe gestützte Aufkündigung zu einem nach dem 31.12.1988 liegenden Kündigungstermin möglich, auch wenn die Aufkündigung noch vor dem 31.12.1988 eingebracht wurde. Da aber Vertragszweck die Führung eines gewerblichen Campingplatzes gewesen sei, gelte es zu prüfen, ob die eine analoge Anwendung des § 1 MRG rechtfertigende geschäftliche Raummiete vorliege. Nach der Rechtsprechung sei die entgeltliche Überlassung von Grundflächen, auf welchen Geschäftsräume als Superädifikate errichtet sind, als Raummiete zu beurteilen und fielen daher in den analogen Anwendungsbereich des § 1 MRG. Dabei komme es auf das funktionelle Verhältnis der zum Mietgegenstand gehörenden umbauten Räume zu den ausdehnungsmäßig überwiegenden Freilandanlagen an. Dabei sei maßgeblich nicht etwa das Größen-, sondern nur das funktionelle Verhältnis der umbauten Räume zu den, wenn auch noch so großen Freilandanlagen. Da der Campingbetrieb ohne die von der beklagten Partei errichteten Räumlichkeiten nicht aufrechtzuerhalten wäre und diese umgekehrt ohne die Campingfläche sinnlos wären, bestehe ein untrennbarer funktioneller Zusammenhang zwischen den Superädifikaten und der Freilandanlage.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen vom Kläger erhobene außerordentliche Revision ist zulässig, weil zur Frage, ob die Überlassung von Freiflächen zum Betrieb eines Campingplatzes den mietrechtlichen Kündigungsbeschränkungen unterworfen ist, Rechtsprechung fehlt; das Rechtsmittel ist im Ergebnis auch berechtigt.

Mit den Anfechtungsgründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der Aktenwidrigkeit bringt der Kläger allerdings, wie der Oberste Gerichtshof geprüft hat, keine verfahrensrechtlichen Fragen von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO aF zur Darstellung (§ 510 Abs 3 ZPO). Dagegen zeigt die Revision erhebliche Rechtsfragen des materiellen Rechts, die von den Vorinstanzen unrichtig gelöst wurden, auf. Trotz der im Vertrag gewählten Bezeichnungen kann es nicht zweifelhaft sein, daß das Bestandverhältnis zwischen den Streitteilen nicht als Pacht, sondern als Miete zu beurteilen ist:

Nach dem auch für die Grenzziehung zwischen diesen beiden Typen des Bestandrechtes maßgeblichen Vertragszweck sind weder landwirtschaftlich genutzte Flächen noch ist - nach den vorinstanzlichen Feststellungen - ein gewerbliches Unternehmen, sondern ist eine etwa 25.000 m2 große Freifläche am Ufer des Keutschacher Sees Gegenstand der Gebrauchsüberlassung. An der Beurteilung des Bestandverhältnisses als Miete kann auch der vom Kläger in der Revision für die Annahme einer Pacht ins Treffen geführte Umstand, daß er sich die forstwirtschaftliche Nutzung der Bestandfläche vertraglich vorbehalten habe, nichts ändern, weil es allein auf die Art des Gebrauches bzw der Nutzung des Bestandgegenstandes durch den Bestandnehmer ankommt. Soweit der Kläger aber geltend macht, daß er der beklagten Partei einen bereits vorhandenen Gewerbebetrieb überlassen habe, genügt der Hinweis, daß er derartiges im Verfahren erster Instanz nicht vorgebracht hat. Da das Bestandverhältnis als Miete zu beurteilen ist, gilt es im Kündigungsstreit ferner zu prüfen, ob der Bestandgegenstand den Kündigungsbeschränkungen des Mietrechtsgesetzes unterliegt. Das Mietverhältnis wurde einerseits erst zu einem Termin nach dem 31.12.1988 aufgekündigt, sodaß es insoweit nicht mehr vom Übergangsrecht des § 49 Abs 1 MRG betroffen ist, andererseits beruft sich der Kläger auf keinen wichtigen Kündigungsgrund im Sinne des § 30 MRG. Entscheidend ist damit, ob das Bestandverhältnis als eine dem Mietrechtsgesetz unterworfene Raummiete oder eine von dessen Eingriffsnormen, namentlich den Kündigungsbeschränkungen dieses Gesetzes, nicht betroffene Flächenmiete zu beurteilen ist. Nach dem Wortlaut des § 1 Abs 1 MRG kann nicht bezweifelt werden, daß das Mietrechtsgesetz im Gegensatz zum Mietengesetz nur mehr die Raummiete erfaßt (SZ 58/25 uva).

Nach der Rechtsprechung (MietSlg 36.234/38 ua) kommt es, wenn Freiflächen gemeinsam mit Baulichkeiten in Bestand gegeben werden, nicht allein auf das Verhältnis zwischen bebauter und nichtbebauter Fläche an, wesentliches Abgrenzungskriterium ist dann auch das funktionelle Verhältnis der zum Mietgegenstand gehörenden umbauten Räume zu den - in den meisten Fällen - der Ausdehnung nach überwiegenden Freiflächen; entscheidend ist es dann also, ob den umbauten Räumen für die Benützbarkeit des gesamten Objektes selbständige Bedeutung beizumessen ist. Nichts anderes kann gelten, wenn der Mieter zwar eine gänzlich unbebaute Freifläche in Bestand nimmt, jedoch in Verwirklichung des Vertragszweckes (hier die Errichtung und der Betrieb eines Campingplatzes) mit Wissen und Willen des Vermieters darauf festgemauerte Superädifikate aufführt. Nun kann es keinem Zweifel unterliegen, daß den im Verhältnis zur Größe der gemieteten Freifläche gänzlich unbedeutenden Räumlichkeiten - Empfangsraum, Gerätehütte und sanitäre Anlagen - für die Benützbarkeit eines charakteristischerweise auf Freiflächen betriebenen Campingplatzes keine selbständige Bedeutung zukommt, sondern bloße Hilfsfunktionen beizumessen sind. Dementsprechend hat der Oberste Gerichtshof im MietSlg 36.234/38 auch darauf hingewiesen, daß etwa Dusch- und Umkleideräume allein eine Freiluftsportanlage als ganzes noch nicht als eine Räumlichkeit im Sinne des § 1 Abs 1 MRG beurteilen lassen könnten. Völlig gleichgelagert ist der vorliegende Sachverhalt: Einer als Campingplatz genutzten ausgedehnten Seeuferwiese stehen größenmäßig gänzlich unbedeutende Baulichkeiten gegenüber, welchen keinerlei selbständige Bedeutung beizumessen ist.

Die vom Gericht zweiter Instanz zur Stützung seiner gegenteiligen Auffassung ins Treffen geführte Judikatur betreffend Superädifikate auf gemieteten Grundflächen trägt dessen Ansicht beim vorliegenden Sachverhalt nicht: Dort war jeweils den Baulichkeiten das entscheidende wirtschaftliche Gewicht beizumessen: So war auf einem Lagerplatz im Ausmaß von nicht einmal 1.000 m2 ein zweigeschossiges Büro-, Garagen- und Wohngebäude (SZ 58/25), auf einer Grundfläche von rund 500 m2 ein Einfamilienhaus (1 Ob 616/86 = MietSlg 38.485), auf einer Fläche von etwas mehr als 7.000 m2 ein mit einem Aufwand von 8 bis 10 Mio S errichteter Bauhof (7 Ob 677/86 = MietSlg 38.256), auf einem Grundstück von ca 900 m2 ein zweigeschossiges Haus (JBl 1985, 107), Tankstellen mit

Servicestationen (SZ 57/194; 1 Ob 704/85 = MietSlg 37.223;

8 Ob 550,551/86 = MietSlg 38.255), die Berg- und Talstation sowie

die Stützen einer Seilbahn (1 Ob 640/88), Lagerschuppen, die etwa ein Viertel der Grundflächen bedeckten (6 Ob 700/88) bzw ein kugelförmiges Haus auf einer Fläche von nur 64 m2 (WoBl 1989, 135) aufgeführt worden. Daß diese Fälle dem hier zu beurteilenden Sachverhalt nicht vergleichbar sind, kommt doch bei einem Campingplatz das wirtschaftliche Gewicht nahezu ausschließlich der in Bestand genommenen Freifläche zu, bedarf keiner weitwendigen Erörterung.

Da die Vorinstanzen das Bestandverhältnis zwischen den Streitteilen zu Unrecht als eine den Kündigungsbeschränkungen der §§ 30 bis 36 MRG unterworfene Geschäftsraummiete beurteilt haben und der Kläger deshalb bei der Beendigung des Bestandverhältnisses nicht auf wichtige Gründe beschränkt ist, ist in Stattgebung der Revision die nach Frist und Termin unbedenkliche Aufkündigung für rechtswirksam zu erklären und dem Räumungsbegehren ist stattzugeben. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E20573

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0010OB00578.9.0404.000

Dokumentnummer

JJT_19900404_OGH0002_0010OB00578_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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