TE OGH 1990/4/4 9ObA75/90

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Veröffentlicht am 04.04.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Robert Müller und Ferdinand Rodinger als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Walter P***, Tischlergeselle, Wien 15., Hütteldorferstraße 50/1/10, vertreten durch Dr. Erhard Doczekal ua, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei M*** A***- UND W*** mbH, M. R*** & Co Gesellschaft

mbH, Wien 1., Freyung 6, vertreten durch Dr. Martin Binder ua, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung (Streitwert S 6.000,--), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27. November 1989, GZ 34 Ra 71, 72/89-9, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 26. Juli 1988, GZ 19 Cga 2024/88-4, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß das Klagebegehren, es werde festgestellt, daß der klagenden Partei für 567,5 an Sonntagen geleistete Stunden Ruhezeiten zustehen, abgewiesen wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 1.890,56 (darin S 164,96 Umsatzsteuer und S 76,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens, die mit S 3.334,72 (darin S 549,12 Umsatzsteuer und S 40,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit S 1.947,60 (darin S 329,60 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit der am 25.April 1988 eingebrachten Klage begehrt der Kläger die Feststellung, daß ihm für 567,5 an Sonntagen geleistete (Arbeits-)Stunden Ruhezeiten zustehen. Er habe seit 21.April 1985 an Sonntagen gearbeitet, ohne dafür die gemäß den §§ 5 und 6 des Kollektivvertrags für das holz- und kunststoffverarbeitende Gewerbe (kurz KV) vorgesehenen Ruhezeiten konsumieren zu können. Er habe zwar das Arbeitsverhältnis gekündigt, doch sei die Kündigungsfrist noch nicht abgelaufen. Das Feststellungsinteresse sei gegeben, da der Kläger während des aufrechten Arbeitsverhältnisses aus den Ersatzruhezeiten keine Leistungsansprüche ableiten könne. Die Beklagte stellte außer Streit, daß der Kläger an Sonntagen insgesamt 567,5 Stunden gearbeitet habe, ohne die Ersatzruhezeiten konsumiert zu haben, und daß die Kündigungsfrist noch nicht abgelaufen sei. Im übrigen erhob sie die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs und beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Diesem fehle das für ein Feststellungsbegehren erforderliche rechtliche Interesse. Das Begehren sei auch gemäß § 19 des KV verfristet, da der Kläger vor der Klageerhebung keine Ersatzruheansprüche geltend gemacht habe. Er habe zuletzt am Sonntag, den 29.November 1987, gearbeitet und befinde sich seither im Krankenstand. Das Erstgericht wies die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs zurück und gab dem Klagebegehren auf Grund des außer Streit gestellten Sachverhalts statt. Der Rechtsweg sei zulässig, da es sich bei dem geltend gemachten Anspruch um einen bürgerlich-rechtlichen handle. Die Ersatzruhe könne gemäß § 6 ARG im entsprechenden Ausmaß zu einer anderen einvernehmlich festgesetzten Zeit nachgeholt oder nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses finanziell abgegolten werden. Da das Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Streitverhandlung noch aufrecht gewesen sei, sei der finanzielle Anspruch daher noch nicht fällig. Das Feststellungsinteresse des Klägers liege vor. Die Verfallsfrist des § 19 Z 2 KV beziehe sich nur auf finanzielle Ansprüche, zumal § 19 Z 1 den Arbeitnehmer zur sofortigen Nachprüfung des ausgezahlten Lohnbetrages verpflichte und sich die Bestimmung des § 19 Z 2 KV auf den Auszahlungstag der Lohnperiode, in der die den Anspruch begründenden Arbeiten geleistet worden seien, als Fälligkeitstag beziehe.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden habe, S 30.000 übersteige. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichtes hinsichtlich der Zulässigkeit des Rechtswegs sowie der Nichtanwendbarkeit der Verfallsbestimmung des Kollektivvertrags und führte ergänzend aus, daß bei der Prüfung, ob ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung bestehe, auf den Schluß der Verhandlung erster Instanz abzustellen sei. Da der Kläger während des aufrechten Arbeitsverhältnisses nicht auf Gewährung der Ersatzruhe klagen könne, habe er seine Leistungsansprüche mangels Fälligkeit noch nicht mit Klage geltend machen können. Er dürfe mit diesen nicht auf eine künftige Prozeßführung verwiesen werden. Seine Leistungsansprüche wegen der nicht konsumierten Ersatzruhezeiten seien auch nicht deshalb vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig geworden, daß er wegen des Krankenstandes oder wegen der Kürze der Zeit bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr in der Lage gewesen sei, die Ersatzruhe in Anspruch zu nehmen. Gegen dieses Urteil richtet sich die aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision der Beklagten mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragte in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor, da der Kläger die Behauptung der Beklagten, er befinde sich seit November 1987 im Krankenstand, nicht bestritten hat. Den in der Revision aufrechterhaltenen Einwänden der Beklagten, der Rechtsweg sei nicht zulässig und dem Klagebegehren fehle es am Feststellungsinteresse, ist entgegenzuhalten:

Nach ständiger Rechtsprechung kommt es bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs in erster Linie auf den Wortlaut des Klagebegehrens und darüber hinaus auf die Klagebehauptungen an. Entscheidend ist die Natur des erhobenen Anspruches. Ohne Einfluß ist es hingegen, was die beklagte Partei einwendet oder ob der Anspruch begründet ist. Maßgeblich ist nur, ob nach dem Inhalt der Klage ein privatrechtlicher Anspruch erhoben wird, über den die ordentlichen Gerichte zu entscheiden haben (Fasching Kommentar I 63, derselbe, Lehrbuch2 Rz 101; SZ 56/33; RZ 1984/18; EvBl 1987/168; Arb. 10.479 uva). Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin richtet sich die vorliegende Klage nicht darauf, verwaltungsrechtlich zu ahndende Verstöße gegen die Einhaltung der Arbeitsruhe (§ 27 Abs 1 ARG) aufzuzeigen, sondern auf die Feststellung, daß dem Kläger aus seinem Arbeitsverhältnis noch Ersatzruhezeiten zustehen. Insoferne ist sowohl die Zulässigkeit des Rechtswegs als auch das für die Klage erforderliche Feststellungsinteresse gegeben. Voraussetzung jeder Feststellungsklage ist ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung, das sich unmittelbar aus dem streitigen Rechtsverhältnis ergeben und geeignet sein muß, die konkrete, aktuelle Gefährdung der Rechtssphäre des Klägers durch den Beklagten zu beenden oder zu verhindern, ohne daß bereits eine Leistungsklage zur endgültigen Bereinigung des streitigen Rechtsverhältnisses erhoben werden kann (vgl. Kuderna, ASGG § 50 Erl.16, § 54 Erl.6). Auch wenn die Anzahl der vom Kläger verrichteten Arbeitsstunden an Sonntagen außer Streit steht, wendet sich die Beklagte gegen weitere Ansprüche des Klägers, die sich seiner Ansicht nach als Rechtsfolge aus den gesetzlich und kollektivvertraglich angeordneten Ersatzruhezeiten ergeben. Es besteht daher insoweit ein aktueller Anlaß zu einer vorbeugenden Klärung, ob der Kläger aus der Sonntagsarbeit und der Tatsache des Nichtverbrauches der Ersatzruhezeiten noch einen Anspruch auf diese und in der Folge aus diesen Zeiten hat (vgl. Fasching, Lehrbuch2 Rz 1096 ff). Ein Anspruch auf die geltend gemachten Ersatzruhezeiten steht dem Kläger aber nicht zu.

Nach § 5 Z 5 des KV kann der Arbeitgeber, wenn die betrieblichen Verhältnisse es erfordern, die Wochenend- und Feiertagsruhe im Rahmen des ARG und der Arbeitsruhegesetzverordnung verschieben. Gemäß § 6 Abs 1 ARG hat der Arbeitnehmer, der während seiner wöchentlichen Ruhezeit (§ 2 Abs 1 Z 3) beschäftigt wird, in der folgenden Arbeitswoche Anspruch auf Ersatzruhe, die auf seine Wochenarbeitszeit anzurechnen ist. Die Ersatzruhe ist im Ausmaß der während der wöchentlichen Ruhezeit geleisteten Arbeit zu gewähren, die innerhalb von 36 Stunden vor dem Arbeitsbeginn in der nächsten Arbeitswoche erbracht wurde. Diese Regelung trägt dem öffentlichen Interesse an der Regeneration der Arbeitskraft der Arbeitnehmer aus arbeitsmedizinischen und volksgesundheitlichen Überlegungen Rechnung. Dementsprechend ist auch eine finanzielle Abgeltung sowohl der Wochenend-, der Wochen- als auch der Ersatzruhe grundsätzlich verboten (vgl. 1289 BlgNR 15.GP, 14; B. Schwarz, ARG2 105 ff, 121) und ein Horten von Ersatzruheansprüchen grundsätzlich ausgeschlossen (Adametz-Dollinger-Dungl, Kommentar zum ARG 128). Wird ein Arbeitnehmer ausnahmsweise während der Ersatzruhe beschäftigt, ist diese Ersatzruhe gemäß § 6 Abs 3 ARG in entsprechendem Ausmaß zu einer anderen, einvernehmlich festgesetzten Zeit nachzuholen. Der Anspruch des Arbeitnehmers auf Ersatzruhe bleibt insoweit gewahrt. Eine Erhöhung des Ausmaßes der Ersatzruhe findet nicht statt, sondern die gesamte Ersatzruhe, die gemäß § 2 Abs 1 Z 4 ARG ununterbrochen zu bleiben hat, wird zeitlich verschoben. Diese Verschiebung darf aber schon wegen der Wahrung des Erholungsinteresses des Arbeitnehmers nicht allzuweit in die Zukunft erfolgen. B. Schwarz (aaO 228) vertritt dazu die Ansicht, daß in der Regel die nächste Woche nach der ersten der Störung folgenden Arbeitswoche für die Ersatzruhe zu wählen ist. Da aber im vorliegenden Fall weder eine solche Vereinbarung noch eine Vereinbarung vor Antritt der Arbeit, für welche die Ersatzruhe gebührte, behauptet wurde, kommt nicht § 6 Abs 3 ARG, sondern § 6 Abs 5 ARG zur Anwendung, wonach die Ersatzruhe unmittelbar vor dem Beginn der folgenden wöchentlichen Ruhezeit zu liegen hat (1.444 BlgNR 15.GP, 2; 1289 BlgNR 15.GP, 19; F.D. in RdW 1984, 148). Erkrankt der Arbeitnehmer zum vereinbarten oder zu dem sich aus dem Gesetz ergebenden Zeitpunkt der Konsumation des Ersatzruheanspruches, so geht dieser Anspruch verloren, da eine Übertragungsmöglichkeit der Ersatzruhe in eine andere Woche insoweit vom Gesetzgeber nicht vorgesehen ist (vgl. Schrank, Sonderfälle des Ersatzruheverbrauches, RdW 1985, 187 f; Dollinger in FS Schnorr (1988), Die Neuregelung der Arbeitsruhe an Wochenenden aus rechtsdogmatischer und rechtspolitischer Sicht, 57 ff, 64 f). Daraus folgt, daß dem Kläger, abgestellt auf den Schluß des Verfahrens erster Instanz, auch aus der unmittelbar vor dem Krankenstand geleisteten Sonntagsarbeit keine Ersatzruhezeiten im Sinne eines Zeitausgleiches mehr zustehen können. Die Frage, ob der Kläger nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, wenn keine andere Verteilung der Arbeitszeit mehr möglich ist, aus dem Nichtverbrauch der Ersatzruhezeiten Bereicherungsansprüche gegen die Beklagte geltend machen kann (vgl. B. Schwarz aaO 121, 129 f und 234 f; Arb. 10.543), ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens.

Die Kostenentscheidung ist in § 41 ZPO bzw. in den §§ 41 und 50 ZPO begründet.

Anmerkung

E20764

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:009OBA00075.9.0404.000

Dokumentnummer

JJT_19900404_OGH0002_009OBA00075_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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