TE OGH 1990/4/18 3Ob514/90 (3Ob515/90)

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Veröffentlicht am 18.04.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Klinger, Dr. Kellner und Dr. Schalich als weitere Richter in der Pflegschaftssache für die mj.Kinder 1) Nina H***, geboren 27. Juli 1983, und 2) Michaela H***, geboren 4.April 1986, beide in vorläufiger Obsorge bei der Mutter Ulrike H***, Hausfrau, Wels, Ingeborg-Bachmann-Straße 12, infolge Revisionsrekurses des Vaters Gerald H***, Kraftfahrer, Steinerkirchen, Landstraße 1, vertreten durch Dr. Manfred Nordmeyer, Rechtsanwalt in Wels, gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Wels als Rekursgericht vom 22. November 1989, GZ R 980, 981/89-17, womit die Beschlüsse des Bezirksgerichtes Wels vom 28.September 1989 und vom 6.Oktober 1989, GZ 1 P 171/89-9 und 10, bestätigt wurden, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Soweit sich der Revisionsrekurs gegen die Bestätigung des Beschlusses des Erstgerichtes ON 9 (Regelung der Obsorge) und der ersten beiden Absätze des Beschlusses des Erstgerichtes ON 10 (Auferlegung eines einstweiligen Unterhaltes) richtet, wird er zurückgewiesen; soweit er sich gegen die Maßgabebestätigung des dritten Absatzes des Beschlusses des Erstgerichtes ON 10 (Entscheidung über die Familienbeihilfe) richtet, wird ihm nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Die Ehe der Eltern der beiden minderjährigen Kinder Nina H***, geboren 27.Juli 1983, und Michaela H***, geboren 4. April 1986, ist seit 27.Oktober 1989 rechtskräftig geschieden. Beide Eltern stellten den Antrag, ihnen die Obsorge für beide Kinder zuzuerkennen. Die Mutter stellte weiters den Antrag, den Vater zur Zahlung eines einstweiligen Unterhaltes von 2.000 S monatlich für Nina und 1.500 S für Michaela und zur Herausgabe der Familienbeihilfenkarte zu verpflichten.

Das Erstgericht faßte den Beschluß, daß die Obsorge für beide Kinder künftig der Mutter allein zukomme (Beschluß ON 9) und verpflichtete den Vater mit einstweiliger Verfügung nach § 382 a EO, einen vorläufigen Unterhalt von 1.200 S für jedes Kind zu zahlen und die Familienbeihilfenkarte sofort an die Mutter herauszugeben oder sie beim zuständigen Finanzamt zu hinterlegen (Beschluß ON 10). Das Gericht zweiter Instanz gab den gegen diese Beschlüsse erhobenen Rekursen des Vaters nicht Folge und bestätigte sie, den Beschluß ON 10 jedoch mit der Maßgabe, daß die Mutter gemäß § 12 Abs. 1 FamL*** ermächtigt werde, die Familienbeihilfe anstelle des Vaters in Empfang zu nehmen.

Die beiden Vorinstanzen gingen von folgenden Tatsachenfeststellungen aus:

Während aufrechter Ehe wurden die Kinder von der nicht berufstätigen Mutter in der ehelichen Wohnung in Wels betreut. Am 29. Juni 1989 zog der Vater aus der Ehewohnung aus und hält sich seither bei seiner Mutter in Steinerkirchen auf. Beide Eltern nahmen in der Folge die Kinder jeweils eigenmächtig zu sich. In der Tagsatzung vom 4.September 1989 faßte das Pflegschaftsgericht den Beschluß, daß die Kinder vorläufig in der Obsorge der Mutter verbleiben und dem Vater ein Wochenendbesuchsrecht zustehe, was beide Eltern durch Abgabe eines Rechtsmittelverzichts akzeptierten. Die Wohnverhältnisse bei der Mutter sind ordentlich. Die auch weiterhin nicht berufstätige Mutter kümmert sich ausreichend um die Pflege und Erziehung der Kinder. Die Kinder haben in ihrer bisherigen Umgebung ihren Freundeskreis und besuchen in Wels Schule und Kindergarten. Die Mutter hat einen Lebensgefährten, den sie ehelichen will. Die Beziehung der Mutter zu diesem Mann wirkt sich für die Kinder nicht nachteilig aus.

Auch beim Vater und seiner Mutter wären die Kinder gut untergebracht und würden durch die mütterliche Großmutter ebenfalls einwandfrei erzogen.

Auf Grund dieses Sachverhaltes war das Erstgericht der Auffassung, daß der Grundsatz der Kontinuität der Pflege und Erziehungsverhältnisse bei annähernd gleicher Eignung für die Mutter spreche. Das Gericht zweiter Instanz stellte die Eignung des Vaters zur Obsorge mit der Begründung etwas in Frage, daß er trotz der rechtskräftigen vorläufigen Regelung keinen Unterhalt zahle und auch nicht zustimme, daß die Familienbeihilfe von der Mutter entgegengenommen werde.

Die Auferlegung des einstweiligen Unterhaltes begründeten beide Vorinstanzen damit, daß die Voraussetzungen des § 382 a EO vorlägen. Das Gericht zweiter Instanz verwies zur Entscheidung über die Familienbeihilfe darauf, daß die Entscheidung über die Familienbeihilfe dem Pflegschaftsgericht obliege.

Rechtliche Beurteilung

Auf den Revisionsrekurs ist noch die Rechtslage vor der Erweiterten Wertgrenzennovelle 1989 anzuwenden, weil die Entscheidung der zweiten Instanz vor dem 1.Jänner 1990 erging. Soweit die zweite Instanz die Entscheidung des Erstgerichtes über die Obsorge bestätigt hat, ist danach der Revisionsrekurs unzulässig, weil keiner der nach § 16 Abs. 1 AußStrG idF vor der WGN 1989 allein zulässigen Rechtsmittelgründe geltend gemacht wird. Eine Nichtigkeit ist nicht erkennbar. Entgegen der Darstellung im Revisionsrekurs hat das Erstgericht Beweise aufgenommen. Es wurden nicht nur Berichte der Bezirkshauptmannschaft Wels und des Magistrats der Stadt Wels verwertet, sondern auch mehrere Auskunftspersonen gehört, darunter auch der Vater, mag er auch nicht gerade zu allen im Antrag aufgestellten Behauptungen vernommen worden sein. Immerhin ergab sich bei der Befragung des Vaters durch die zuständige Sozialarbeiterin, daß er der Mutter konkret nur vorwerfen konnte, daß sie mit einem ihm nicht genehmen Lebensgefährten zusammenlebe. Bedeutungsvolle neue Verfahrensergebnisse, die unbedingt eine neue Anhörung des Vaters erfordert hätten (vgl EFSlg 55.686), lagen nicht vor. Es wurden auch in zweiter Instanz keine entscheidenden neuen Gesichtspunkte aufgezeigt (wie dies der im Revisionsrekurs zitierten Entscheidung EvBl 1965/133 zu Grunde lag). Die Unterlassung einer neuen Befragung des Vaters oder der Einholung des Gutachtens eines Sachverständigen könnte daher vielleicht einen Verfahrensmangel darstellen; dieser wäre aber nicht von so einschneidender Bedeutung, daß ihm das Gewicht einer Nichtigkeit zukäme (vgl EFSlG 55.696 ff). Eine Aktenwidrigkeit liegt nicht vor. Die Feststellung, daß sich der Vater weigert, für das Kind Unterhalt zu zahlen, konnte auf die Behauptungen der Mutter gestützt werden. Ob diese Behauptung zutrifft, gehört ins Gebiet der in dritter Instanz nicht bekämpfbaren Beweiswürdigung. Die Unterlassung zusätzlicher Beweisaufnahmen zu diesem Beweisthema, könnte wiederum höchstens einen gewöhnlichen Verfahrensmangel begründen.

Eine offenbare Gesetzwidrigkeit ist gleichfalls nicht gegeben. Das Gericht zweiter Instanz hat genau dargelegt, daß beide Elternteile an sich zur Obsorge für die Kinder geeignet sind, daß es aber aus Gründen der Kontinuität dem Wohl der Kinder besser entspricht, wenn sie in der bisherigen Umgebung und damit bei der Mutter bleiben. Die Beachtung dieses in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes anerkannten Kriteriums (EFSlg 48.430 ua) kann nicht offenbar gesetzwidrig sein.

Soweit die zweite Instanz den Beschluß auf Auferlegung des einstweiligen Unterhaltes im Sinne des § 382 a EO bestätigt hat, steht gemäß den §§ 402 Abs. 2 und 78 EO in Verbindung mit § 528 Abs. 1 Z 1 ZPO idF vor der WGN 1989 kein weiteres Rechtsmittel offen. Auch wenn das Verfahren nach § 382 a EO zu gewissen Besonderheiten nötigen mag (vgl EvBl 1989/77 oder ÖAV 1989, 46) sind nach Ansicht des erkennenden Senates doch die allgemeinen Rechtsmittelbeschränkungen der EO anzuwenden, weil hier nichts für eine Erweiterung des Rechtszuges spricht.

Zulässig ist der Revisionsrekurs nur insoweit, als gleichzeitig mit der Erlassung der einstweiligen Verfügung nach § 382 a EO auch eine Regelung über die Familienbeihilfe erfolgte. Die Entscheidung der zweiten Instanz kann trotz der benützten Formulierung nicht als Bestätigung des erstgerichtlichen Beschlusses aufgefaßt werden; denn es ist ein Unterschied, ob dem Vater die Herausgabe der Familienbeihilfenkarte aufgetragen wird, oder ob die Mutter zur Empfangnahme der Familienbeihilfe ermächtigt wird. Der Revisionsrekurs ist jedoch nicht berechtigt.

Richtig ist, daß die Mutter nur den Antrag gestellt hat, den Vater zu verpflichten, die "Kinderbeihilfenkarte" an die Mutter oder das Finanzamt herauszugeben. Gemäß § 23 FamL*** könnte hierüber das Finanzamt erkennen. Eine gerichtliche Entscheidung ist in diesem Zusammenhang nicht vorgesehen. Auch im Außerstreitverfahren ist das Gericht in der Regel an den Sachantrag der Parteien gebunden (EFSLg 55.334). Neben dem Antragsprinzip herrscht aber im Außerstreitverfahren auch der Grundsatz der Amtswegigkeit. Das Gericht hat also auch oft ohne Antrag der Parteien Entscheidungen zu treffen. Ein solcher Fall ist hier gegeben, wenn man nicht ohnedies den Antrag der Mutter entsprechend umdeuten müßte. Gemäß § 12 Abs. 1 FamL*** hat das Vormundschafts- oder Pflegschaftsgericht eine geeignete Person zu ermächtigen, die Familienbeihilfe anstelle des Anspruchsberechtigten in Empfang zu nehmen, wenn dieser zum Unterhalt oder zur Pflege des minderjährigen Kindes, für welches ihm die Familienbeihilfe gewährt wird nicht angemessen beiträgt, und hat von Amts wegen zu entscheiden, wenn es Kenntnis dieser Voraussetzungen erlangt. Aus Anlaß der Erlassung der einstweiligen Verfügung nach § 382 a EO und in Berücksichtigung des zwar verfehlten Antrages der Mutter hatte daher schon das Erstgericht die jetzt vom Gericht zweiter Instanz getroffene Entscheidung von Amts wegen fällen müssen. Die Voraussetzungen nach § 12 Abs. 1 FamL*** lagen vor; denn es wurde als bescheinigt angenommen, daß sich der Vater weigert, Unterhalt zu leisten, und die Pflege der Kinder oblag seit der dargestellten Regelung der Mutter.

Es mag sein, daß eine Entscheidung nach § 12 Abs. 1 FamL*** nicht Teil der einstweiligen Verfügung nach § 382 a EO ist; es war aber nicht unzulässig, aus Anlaß der Erlassung einer einstweiligen Verfügung eine solche Entscheidung zu treffen.

Anmerkung

E20602

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0030OB00514.9.0418.000

Dokumentnummer

JJT_19900418_OGH0002_0030OB00514_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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