TE OGH 1990/4/24 4Ob505/90 (4Ob1513/90)

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.04.1990
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Kodek, Dr.Niederreiter und Dr.Redl als weitere Richter in den zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Rechtssachen der klagenden Parteien 1) Berta G***, Landwirtin, Mühlbach a.M. 49, als eingeantwortete Alleinerbin nach dem am 20.August 1985 verstorbenen Josef G***, 2) Herta S***, Hauseigentümerin, Groß Riedenthal 80, 3) Maria F***, Hauseigentümerin, Oberdorf 3, sämtliche vertreten durch Dr.Theophil Hallavanya, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Michael S***, Weinhauer, Sooß, Winzerhaus, vertreten durch DDr.Ingeborg Schäfer-Guhswald, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 76.522,44 sA (43 C 405/86 des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien) und Räumung (43 C 211/84 des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 2.März und 30.Juni 1988, GZ 48 R 568/87-47, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 10.August 1987, GZ 43 C 405/86-39, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt und beschlossen:

Spruch

I) Die außerordentliche Revision des Beklagten wegen Zahlung von

S 76.522,44 sA (führender Akt 43 C 181/84, nunmehr 43 C 405/86 des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien) wird zurückgewiesen;

II) die Revision des Beklagten wegen Räumung (verbundener Akt 43 C 211/84 des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien) wird

1)

soweit sie Nichtigkeit geltend macht, zurückgewiesen;

2)

im übrigen wird der Revision nicht Folge gegeben. Der Beklagte ist schuldig, den Klägern die mit S 4.098,95 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 192 Barauslagen und S 355,17 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am 22.Oktober 1962 verstorbene Engelbert S*** war zu 3/4-Anteilen Eigentümer der Liegenschaft EZ 1754 KG Margarethen mit dem Haus in Wien 5., Högelmüllergasse 2 A, und führte dort als Mieter des Geschäftslokals 3, der ehemaligen Hausbesorgerwohnung Tür 2 und der Dienstwohnung Tür 1 seit dem Jahre 1932 eine Gastwirtschaft mit eigener Konzession. Nach seinem Tod gingen die Miteigentumsanteile und das Gastwirtschaftsunternehmen samt den Mietrechten im Erbweg auf seine Witwe Franziska S*** über. Mit Notariatsakt vom 4.8.1976 verpachtete Franziska S*** den Gasthausbetrieb, den sie zunächst als Witwenfortbetrieb weitergeführt und in der Folge bereits verpachtet gehabt hatte, für die Dauer von fünf Jahren an Franz R***. Als Pachtzins wurde ein - wertgesicherter - monatlicher Betrag von S 5.500 vereinbart. Überdies hatte der Pächter die für die Bestandräumlichkeiten "zu entrichtenden Mietzinse samt Nebengebühren bei Fälligkeit zu bezahlen bzw der Verpächterin zu ersetzen". Dem Pächter wurde ein Kündigungsrecht unter Einhaltung einer vierteljährlichen Kündigungsfrist eingeräumt. Die Verpächterin war unter anderem berechtigt, den Pachtvertrag "einmonatig aufzukündigen", wenn der Pächter das Geschäft nicht "nach Art guter Gastwirte" führt; ihr stand (ua) das Recht zu, "den Pachtvertrag für sofort gelöst zu betrachten", wenn der Pächter das Gewerbe nicht fortlaufend betreibt und das Geschäft länger als einen Monat geschlossen hält oder wenn er die Bestandobjekte für andere als Gastwirtschaftszwecke verwenden würde. Dem Pächter war auch ausdrücklich untersagt, den Pachtgegenstand weiter zu verpachten oder den Gewerbebetrieb durch eine andere Person führen zu lassen. Das gesamte Inventar wurde vom Pächter auf eigene Kosten angeschafft. Er war daher berechtigt, dieses Inventar bei Beendigung des Pachtverhältnisses entweder als sein Eigentum mitzunehmen oder hiefür - im Falle einer neuerlichen Verpachtung - vom neuen Pächter eine angemessene Ablöse zu verlangen. Franz R*** kündigte das Pachtverhältnis zum 31.12.1977. Noch im Dezember 1977 vereinbarten Franziska S*** und der Beklagte dessen "Eintritt in das Pachtverhältnis mit allen Rechten und Pflichten" per 1.1.1978. Darüber wurde mit einigen Abänderungen und Ergänzungen der notarielle Pachtvertragsnachtrag vom 13.12.1977 errichtet, mit welchem dem Beklagten auch eine spätestens drei Monate vor Ablauf des mit 23.9.1981 befristeten und durch Zeitablauf endenden Pachtverhältnisses auszuübende Option auf Abschluß eines neuen Pachtvertrages eingeräumt wurde.

Franziska S*** verstarb am 28.12.1977. Ihr Nachlaß wurde mit Einantwortungsurkunde des Bezirksgerichtes Mödling vom 30.6.1978 zu je einem Drittel dem Josef G*** und der Zweit- und Drittklägerin eingeantwortet. Diese sind seither zu je einem Viertel Miteigentümer der Hausliegenschaft.

Der Beklagte hatte die Gastwirtschaft mit 1.1.1978 übernommen. Er löste dem früheren Pächter das von diesem angeschaffte Inventar ab und verwendete es weiterhin; er übernahm keine Angestellten. Da mit dem Tode der Franziska S*** die Konzession erloschen war und die Erben keine eigene Konzession hatten, mußte der Beklagte selbst eine Konzession erwerben. Sie wurde ihm am 18.8.1978 erteilt. Da es der Beklagte versäumte, von dem ihm eingeräumten Optionsrecht Gebrauch zu machen, wurde er sofort nach dem 23.9.1981 von der Hausverwaltung schriftlich aufgefordert, das Lokal zu räumen. Er suchte daraufhin in Begleitung seines rechtskundigen Onkels Franz Z*** Josef G*** in Mühlbach auf. Letztlich kam er mit diesem und der Zweit- und Drittklägerin überein, einen neuen Pachtvertrag mit einem geänderten Pachtzins abzuschließen. Der Hausverwalter Gotthard K*** hatte den drei Erben zwar geraten, das Gasthaus nicht mehr zu verpachten, sondern die Bestandräume an einen Supermarkt oder an eine Bank zu vermieten, weil so ein weitaus höheres Entgelt zu erzielen sei; die Erben wollten aber das Gasthaus weiterführen, um die Fortführung vom Onkel und der Tante begründeten Tradition aufrechtzuerhalten; auch waren sie als Landwirte und Weinbauern daran interessiert, daß eines der insgesamt sieben Kinder aus der Familie im Alter zwischen 16 und 22 Jahren nach Abschluß seiner Ausbildung und Ablauf der Pachtdauer die Gastwirtschaft betreibe und dort den eigenen Wein oder andere landwirtschaftliche Produkte absetze. Daß ihnen an der Weiterführung des Gasthausbetriebes aus diesen Gründen gelegen sei, betonten die drei Erben auch bei neuerlichen Vertragsgesprächen in der Kanzlei des Hausverwalters, bei denen für den Beklagten dessen Vater und der Onkel Franz Z*** anwesend waren. Es wurde vereinbart, daß der frühere Pachtvertrag nur in Bezug auf die Festsetzung eines neuen wertgesicherten Pachtzinses von S 7.000 abgeändert werden sollte. Daraufhin übersandte Franz Z*** dem Hausverwalter K*** einen Vertragsentwurf, welchen dieser in einigen Punkten abänderte. Der Beklagte unterfertigte den von den drei Erben bereits am 2.1.1982 unterschriebenen geänderten Pachtvertrag am 30.3.1982. Seinem Inhalt nach sollte das Pachtverhältnis am 1.1.1982 beginnen und auf die Dauer von zehn Jahren geschlossen werden. Der Beklagte verpflichtete sich zur Zahlung eines (wertgesicherten) monatlichen Pachtzinses von S 7.000 jeweils am Ersten eines jeden Monats im vorhinein.

Punkt 3) des Pachtvertrages lautete:

"Der Pächter hat überdies den für die in Bestand genommenen Gasthausräumlichkeiten einschließlich ehemalige Hausbesorgerwohnung Tür 2, sowie für die Dienstwohnung Tür 1, zu entrichtenden Pachtzins bzw. Mietzins samt Nebengebühren jeweils bei Fälligkeit zu bezahlen bzw. den Verpächtern zu ersetzen.

Dieser Bestandzins beträgt einschließlich Betriebskosten derzeit monatlich S 2.933 zuzüglich derzeit 8 % (acht Prozent) Umsatzsteuer, somit insgesamt S 3.167,64.".

Gemäß Punkt 4) des Pachtvertrages sollte das Pachtverhältnis seitens der Verpächter während der gesamten Pachtdauer unkündbar sein; der Pächter war dagegen berechtigt, das Pachtverhältnis unter Einhaltung einer jährlichen Kündigungsfrist aufzukündigen.

Punkt 5) lautete auszugsweise:

"Den Verpächtern steht unbeschadet der im vorstehenden Vertragspunkt vereinbarten Bestimmungen das Recht zu:

a) Den Vertrag in folgenden Fällen einmonatig aufzukündigen:

aa) Wenn der Pacht- bzw. Mietzins vom Pächter nicht innerhalb

acht Tagen seit Fälligkeit bezahlt wird, ......

b) den Pachtvertrag für sofort aufgelöst zu erklären:

......

bb) wenn der Pächter das Gewerbe nicht fortlaufend betreibt und

das Geschäft länger als einen Monat geschlossen hält ......

cc) wenn der Pächter die Bestandobjekte für andere als Gastwirtschaftszwecke verwenden würde oder die Betriebsart ohne Genehmigung der Verpächter in dem Maß ändert, daß eine neue Konzession erforderlich wäre,

dd) wenn dem Pächter die gewerbebehördliche Genehmigung entzogen werden sollte, und

ee) wenn der Pächter die Vertragsverpflichtung gemäß Punkt 6) (sechstens) dieses Vertrages verletzen sollte.".

(Gemäß Punkt 6) war der Pächter nicht berechtigt, die Pachtgegenstände weiter zu verpachten oder den Gewerbebetrieb durch eine andere Person - außer durch einen bestellten Geschäftsführer - führen zu lassen.)

Punkt 8) lautete auszugsweise:

"Der Pächter ist verpflichtet, vom Übernahmstag an sämtliche mit dem Betrieb zusammenhängenden Regien, wie Mietzins, Beleuchtung, Beheizung, Reinigungsgeld, Wassergebühren usw., sowie die Steuern und Abgaben aus Eigenem zu tragen und erklärt ausdrücklich, die Verpächter in dieser Hinsicht vollkommen klag- und schadlos zu halten.".

Die Frage der Überwälzbarkeit eines allenfalls zu erwartenden Erhaltungsbeitrages wurde bei den Vertragsverhandlungen nicht angeschnitten. Über die Möglichkeiten der Vertragsauflösung bzw Kündigung wurde nur insoferne gesprochen, als der Hausverwalter bekanntgab, daß die diesbezüglichen Bestimmungen aus dem Vertrag R*** unverändert übernommen würden.

Der Mietzins wurde in der Folge vom Hausverwalter direkt dem Beklagten vorgeschrieben und von diesem auch gezahlt. Ab Juni 1982 wurde den Klägern auch ein Erhaltungsbeitrag vorgeschrieben. Dessen Zahlung hat der Beklagte verweigert.

Mit Schreiben vom 5.3.1984 kündigte der Klagevertreter unter Hinweis auf einen bestehenden Mietzinsrückstand von S 38.466,35 dem Beklagten den Pachtvertrag "gemäß Punkt 5) a) aa) mit einem Monat auf, weil der jeweilige Mietzins nicht innerhalb 8 Tagen nach Fälligkeit bezahlt wurde". Der Pachtvertrag werde somit ein Monat, nachdem der Beklagte dieses Schreiben erhalten habe, erlöschen, worauf er das gesamte Bestandobjekt sofort zu räumen habe. Josef G*** und die Zweit- und Drittklägerin erhoben gegen den Beklagten zu 43 C 181/84 (nunmehr 43 C 405/86) des Erstgerichtes am 2.4.1984 eine Bestandzinsklage. Letztlich begehrten sie als Verpächter und Dritteleigentümer des an den Beklagten verpachteten Gastwirtschaftsunternehmens, betrieben im Geschäftslokal Tür 3, der ehemaligen Hausbesorgerwohnung Tür 2 und der Dienstwohnung Tür 1 im Haus Wien 5., Högelmüllergasse 2 A, das zu je einem Viertel im Miteigentum der drei Kläger stehe, an seit Juli 1982 rückständigem Bestandzins (bestehend aus den vorgeschriebenen Erhaltungsbeiträgen, welche der Beklagte neben dem vereinbarten Pachtschilling zahlen müsse, weil er vereinbarungsgemäß den Verpächtern gegenüber sämtliche Kosten übernommen habe, die diesen als den Hauptmietern der Räumlichkeiten erwachsen, in denen der Gasthausbetrieb geführt wird) den Betrag von S 33.415,88 sA. Am 16.4.1984 brachten dieselben drei Kläger zu 43 C 211/84 gegen den Beklagten unter Hinweis auf den mit der Vorklage geltend gemachten Bestandzinsrückstand eine zunächst auf § 1118, 2. Fall, ABGB, später auch auf die mit Schreiben vom 5.3.1984 gemäß den Bestimmungen des Pachtvertrages erfolgte außergerichtliche Aufkündigung des Pachtverhältnisses gestützte Räumungsklage ein. Mit Beschluß des Erstgerichtes vom 6.6.1984 wurden beide Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und die Bestandzinsklage zu 43 C 181/84 zum führenden Akt erklärt.

Der Beklagte hielt dem Räumungsbegehren entgegen, daß die Kläger auf die Geltendmachung einer sofortigen Auflösung des Pachtvertrages gemäß § 1118 ABGB durch die taxative Aufzählung der Auflösungsgründe im Vertrag verzichtet hätten. Dort sei nämlich für den Fall der Nichtzahlung des Zinses lediglich die einmonatige Kündigung vereinbart worden. Unter Berufung auf diesen Vertragspunkt sei der Pachtvertrag auch tatsächlich mit Schreiben des Klagevertreters vom 5.3.1984 aufgekündigt worden. Dabei hätten die Kläger aber übersehen, daß nunmehr auch Bestandverträge über Geschäftsräumlichkeiten nur gerichtlich aufgekündigt werden könnten. Im übrigen liege der vereinbarte Kündigungsgrund auch deshalb nicht vor, weil der Beklagte als Untermieter den vereinbarten Mietzins von Anbeginn an und laufend bis Mai 1984 an die Hausverwaltung überwiesen habe. Ihm sei nicht das ehemalige S*** Gasthaus als lebendes Unternehmen "verpachtet" worden, sondern er habe von den Klägern lediglich die Räume ohne Inventar, Konzession und nennenswertem Kundenstock "gemietet". Es liege daher Raummiete und nicht Unternehmenspacht vor, was sich schon daran zeige, daß im Nachlaß der Franziska S*** kein Unternehmen als Aktivpost aufgeschienen sei.

Das Erstgericht gab im ersten Rechtsgang dem Zahlungsbegehren der drei Kläger im führenden Akt mit dem Betrag von S 20.373,74 sA statt und wies das Mehrbegehren im Umfang von S 13.142,14 sA ab; dem Räumungsbegehren im verbundenen Akt wurde gleichfalls stattgegeben. Das Erstgericht stellte den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt fest und folgerte daraus rechtlich, daß ein Pachtvertrag über ein lebendes Gastwirtschaftsunternehmen mit vereinbarter Betriebspflicht vorliege. Der Beklagte habe neben dem Pachtschilling auch die Zahlung des jeweiligen Mietzinses samt Nebengebühren übernommen. Diese Verpflichtungserklärung sei im Wege der Vertragsergänzung so auszulegen, daß sie auch die Pflicht zur Zahlung von Erhaltungsbeiträgen umfasse. Dieser Verpflichtung sei aber der Beklagte seit Juni 1982 nicht nachgekommen, so daß die Kläger zur sofortigen Auflösung des Pachtvertrages gemäß § 1118, 2. Fall ABGB berechtigt gewesen seien.

Das Berufungsgericht bestätigte den abweisenden Teil dieses Urteils als Teilurteil; zugleich hob es aber den stattgebenden Teil der Entscheidung ohne Beisetzung eines Rechtskraftvorbehaltes auf und verwies die verbundenen Rechtssachen in diesem Umfang zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Das Gericht zweiter Instanz übernahm zwar die erstgerichtlichen Feststellungen im dargelegten Umfang und billigte im wesentlichen auch die Rechtsansicht der ersten Instanz; diese habe aber verkannt, daß die Voraussetzungen für die Vorschreibung des Erhaltungsbeitrages gemäß § 45 MRG an die Kläger doch noch überprüft werden müßten. Insoweit sei daher der festgestellte Sachverhalt ergänzungsbedürftig. Im zweiten Rechtsgang dehnten die Kläger ihr Zahlungsbegehren im führenden Akt auf S 76.522,44 sA aus. Das Erstgericht gab nach Verfahrensergänzung unter Bindung an die vom Berufungsgericht in seinem Aufhebungsbeschluß geäußerte Rechtsansicht dem Zahlungsbegehren und dem Räumungsbegehren zur Gänze statt. Es traf ergänzende Feststellungen über Zeit, Art und Inhalt der den Klägern gegenüber ergangenen Aufforderungen zur Entrichtung von Erhaltungsbeiträgen. In rechtlicher Hinsicht seinen damit alle Voraussetzungen gemäß § 45 Abs. 2 MRG erfüllt worden. Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach gemäß dem ihm mit Beschluß des Obersten Gerichtshofes vom 29.11.1988, 4 Ob 617/88-55, erteilten Auftrag mit Beschluß vom 31.1.1989, 48 R 568/87-57, ergänzend aus, daß die Revision im führenden Verfahren (Bestandzinsklage) nicht zulässig sei und daß der Wert des Streitgegenstandes im verbundenen Verfahren (Räumungsklage) S 300.000 übersteige. Entgegen der Meinung des Beklagten könnten die Kläger auch als Mehrheitseigentümer des Hauses zugleich Hauptmieter jener Räume sein, in denen der Gasthausbetrieb geführt werde. Mangels einer gesetzlichen Formvorschrift sei die Errichtung eines schriftlichen Mietvertrages nicht erforderlich. Im übrigen könnten Erhaltungsbeiträge auch von Miteigentümern gefordert werden, die ihr Nutzungsrecht aus einer Benützungsvereinbarung ableiten. Im Hinblick auf die im ersten Rechtsgang bereits gebilligte Rechtsansicht des Erstgerichtes sei das Räumungsbegehren schon deshalb gerechtfertigt, weil ein Rückstand des Beklagten hinsichtlich der den Klägern vorgeschriebenen Erhaltungsbeiträge bestehe, zu deren Zahlung der Beklagte aber gemäß ergänzender Auslegung des Pachtvertrages gleichermaßen verpflichtet gewesen wäre. Der Pachtvertrag sei daher rechtswirksam gemäß § 1118, 2. Fall ABGB aufgelöst worden. Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes über die rückständigen Erhaltungsbeiträge richtet sich die durch Nachholung der Zulassungsbeschwerde gemäß § 506 Abs. 1 Z 5 ZPO verbesserte außerordentliche Revision und gegen die Entscheidung über das Räumungsbegehren die (ordentliche) Revision des Beklagten wegen Nichtigkeit, Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Aufhebung der angefochtenen Entscheidung; hilfsweise beantragt er die Abänderung der Entscheidung iS der gänzlichen Klageabweisung.

Die Kläger stellen in ihrer Revisionsbeantwortung den Antrag, dem Rechtsmittel des Beklagten nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision im führenden Akt war gemäß § 508 Abs. 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO zurückzuweisen (§ 510 Abs. 3 ZPO).

Die (ordentliche) Revision im verbundenen Akt ist nicht berechtigt.

Der Beklagte macht geltend, das Urteil des Berufungsgerichtes sei gemäß § 477 Abs. 1 Z 4 ZPO nichtig, weil in der Berufungsverhandlung vom 2.3.1988 zwar Ruhen des Verfahrens eingetreten sei, das Gericht zweiter Instanz aber dennoch den damals von den Parteien erklärten, jedoch widersinnigen und unlogischen Verzicht auf die Anberaumung einer neuerlichen Berufungsverhandlung im Falle der Fortsetzung des Rechtsmittelverfahrens angenommen und außerdem noch am selben Tag, also nach eingetretener Unterbrechung des Berufungsverfahrens, das angefochtene Urteil gefällt habe. Dem ist jedoch folgendes entgegenzuhalten:

Die Parteien haben in der mündlichen Berufungsverhandlung vom 2.3.1988 nach Bekanntgabe durch den Vorsitzenden, daß die Nichtigkeitsberufung bereits in nichtöffentlicher Sitzung verworfen worden sei, Ruhen des Verfahrens vereinbart und zugleich für den Fall der Verfahrensfortsetzung auf die Anberaumung einer neuerlichen mündlichen Berufungsverhandlung verzichtet. Daraufhin wurde die Berufungsverhandlung für den Fall der Fortsetzung des Rechtsmittelverfahrens geschlossen. Am 6.6.1988 langte beim Berufungsgericht ein Schriftsatz des Beklagten ein, in welchem er die Fortsetzung des Verfahrens und die Anberaumung einer (neuerlichen) mündlichen Berufungsverhandlung beantragte. Aus dem angeschlossenen Akt des Berufungsgerichtes ergibt sich eindeutig, daß erst nach Einlangen dieses Fortsetzungsantrages, und zwar am 30.6.1988, folgende Entscheidungen in nichtöffentlicher Sitzung gefällt wurden: 1) Der Beschluß ON 47 a, mit dem der "Schriftsatz der beklagten Partei vom 6.6.1988, ON 45, soweit er Berufungsausführungen enthält", zurückgewiesen wurde (dieser Beschluß war bereits Gegenstand der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 29.11.1988, 4 Ob 617/88-55); 2) das nunmehr angefochtene Berufungsurteil, auf dessen Urschrift nur versehentlich die Korrektur des Entwurfdatums 2.3.1988 unterblieb. Wie der Rechtsmittelwerber selbst einräumt, können die Parteien gemäß § 492 Abs. 1 ZPO sogar überhaupt auf die Anordnung einer Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung über die Berufung verzichten. Gemäß § 483 Abs. 3 ZPO können sie überdies bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung vereinbaren, daß das Verfahren ruhen solle (§§ 168 bis 170 ZPO). Es muß daher schon kraft Größenschlusses umsomehr zulässig sein, nicht nur den in der Rechtsmittelschrift zunächst ausdrücklich gestellten Antrag auf Anberaumung einer mündlichen Berufungsverhandlung noch vor deren Abhaltung wieder zurückzuziehen, sondern auch bis zu deren Schluß anläßlich einer Vereinbarung des Ruhens des Berufungsverfahrens zugleich auf die Anberaumung einer weiteren mündlichen Berufungsverhandlung für den Fall eines Aufnahmeantrages zu verzichten. Ein derartiger Verzicht ist entgegen der Meinung des Beklagten auch nicht widersinnig oder unlogisch: Es wird ja dadurch nur jene Lage hergestellt, wie sie im Falle des Fehlens eines ausdrücklichen Antrages der Parteien auf Anberaumung einer mündlichen Berufungsverhandlung in ihren Rechtsmittelschriften von vornherein besteht. Das Berufungsgericht kann dann zwar dennoch eine mündliche Berufungsverhandlung anordnen, wenn ihm dies im einzelnen Fall erforderlich erscheint; ansonsten erfolgt aber die Entscheidung über die Berufung in nichtöffentlicher Sitzung ohne vorhergehende (weitere) Berufungsverhandlung (§ 492 Abs. 2 ZPO). Wenn daher das Berufungsgericht nach dem Fortsetzungsantrag des Beklagten entgegen seinem Verlangen keine (weitere) mündliche Verhandlung angeordnet, sondern über die Berufung in nichtöffentlicher Sitzung entschieden hat, so war dies im Hinblick auf die ausdrückliche Verzichtserklärung der Parteien vom 2.3.1988 zulässig. Der eigene, gesetzlich vorgesehene Verzicht, nicht aber ein ungesetzlicher Vorgang des Berufungsgerichtes, hat daher dem Beklagten die Möglichkeit entzogen, vor Gericht (weiter) zu verhandeln.

Der Revisionsgrund nach § 503 Abs. 1 Z 1 ZPO liegt daher ebensowenig vor, wie die in diesem Zusammenhang geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens (§ 510 Abs. 3 ZPO). Auch die Rechtsrüge der Revision erweist sich aus folgenden Gründen als unzutreffend:

Der Beklagte wendet sich nicht mehr dagegen, daß der mit ihm abgeschlossene Vertrag vom 2.1./30.3.1982 ein solcher über eine Unternehmenspacht war und nicht die Überlassung von Geschäftsräumlichkeiten zum bloßen Gebrauch beinhaltete. Insoweit kann daher auf die zutreffenden Ausführungen der Vorinstanzen im ersten Rechtsgang verwiesen werden (vgl auch Würth-Zingher, Miet- und Wohnrecht Rz 23 zu § 1 MRG; Würth in Rummel, ABGB Rz 2 zu § 1091; Schwimann/Binder, ABGB IV/1, § 1091 Rz 7 ff zu § 1091; MietSlg 39.102 uva). Der Rechtsmittelwerber zieht vielmehr aus Punkt 8) des Pachtvertrages und aus der festgestellten Tatsache, daß ihm die Mietzinse von der Hausverwaltung direkt zur Zahlung vorgeschrieben worden sind, den Schluß, daß insoweit eine privative Schuldübernahme vorliege, bei der er an die Stelle der Verpächter in ihrer Eigenschaft als Mietzinsschuldner getreten sei. Die Kläger hätten daher infolge seines Verzuges mit der Zahlung der Erhaltungsbeiträge nur das vertragliche Kündigungsrecht als vereinbarte mildere Sanktion gehabt, nicht aber daneben auch noch das gesetzliche Auslösungsrecht gemäß § 1118 ABGB in Anspruch nehmen können. Dieses Kündigungsrecht sei mit dem Schreiben vom 5.3.1984 konsumiert worden, weshalb daneben nicht auch noch eine Räumungsklage eingebracht werden könne. Diesen Ausführungen ist jedoch folgendes entgegenzuhalten:

    Der Beklagte hat mit Punkt 3) und 8) des Pachtvertrages den

Verpächtern gegenüber die Verpflichtung übernommen, neben dem

vereinbarten Pachtzins auch an ihrer Stelle noch deren

Mietzinsschulden zu begleichen. Es liegt daher insoweit keine

Schuldübernahme, sondern eine Erfüllungsübernahme vor, die das

Hauptmietverhältnis an den Geschäftsräumlichkeiten schon deshalb in

keiner Weise personell umgestalten konnte, weil es sich um eine

interne Vereinbarung zwischen den Klägern als Mietzinsschuldnern und

dem Beklagten als Erfüllungsnehmer handelte (vgl Koziol-Welser I8

287). Daran ändert auch nichts, daß den Klägern als

Dreiviertelmiteigentümern des Hauses in diesem Umfang zugleich

Gläubigereigenschaft zukam, weil sie den Pachtvertrag mit dem

Beklagten nicht in dieser Eigenschaft, sondern als Miteigentümer des

zu verpachtenden Gastwirtschaftsunternehmens und Hauptmieter der zu

diesem Unternehmen gehörigen Geschäftsräumlichkeiten abgeschlossen

haben. Noch viel weniger kann aus der Tatsache der

Mietzinsvorschreibungen an den Beklagten eine privative

Schuldübernahme abgeleitet werden, weil hiefür nur praktische Gründe maßgeblich gewesen sein konnten: Dem Hausverwalter waren ja die diesbezüglichen Vereinbarungen zwischen den Streitteilen bekannt, so daß mit dieser Vorgangsweise von vornherein ein sinnloser Mehraufwand (Vorschreibung an die Kläger und Weitergabe dieser Vorschreibungen durch diese an den Beklagten) vermieden wurde. Mit seinen Ausführungen zur mangelnden Berechtigung der Räumungsklage im Hinblick auf die mit Schreiben vom 5.3.1984 erfolgte vertragliche Aufkündigung des Pachtverhältnisses übersieht der Beklagte, daß die Kläger ihr Räumungsbegehren gerade auch auf diese außergerichtliche Aufkündigung gestützt haben. Pachtverträge über Unternehmen unterliegen aber nicht den Bestimmungen des MRG. Sie können daher - mangels Abwendbarkeit des § 33 Abs. 1 MRG - auch außergerichtlich im Sinne des § 1116 ABGB aufgekündigt werden. Die Wirksamkeit einer solchen Kündigung hängt ausschließlich von der Einhaltung der diesbezüglichen Vereinbarungen ab. Da eine außergerichtliche Aufkündigung aber seit der Aufhebung der verfahrensrechtlichen Regelung der §§ 565, 566 ZPO durch die ZVN 1983 nie mehr zu einem Exekutionstitel führen kann, zielt sie demnach auch nur mehr auf materiellrechtliche Wirkungen, nämlich auf die Beendigung eines Bestandverhältnisses außerhalb des Kündigungsschutzes, ab. Ihre - nach den vorliegenden vertraglichen Bestimmungen vom Beklagten zu Recht gar nicht mehr in Zweifel gezogene Wirksamkeit ist daher lediglich eine Vorfrage für den Räumungsprozeß (Würth-Zingher aaO Rz 12 f zu § 33 MRG; Würth aaO Rz 13 zu § 1116 ABGB). Wegen des Zahlungsrückstandes des Beklagten in Ansehung der den Klägern vorgeschriebenen Erhaltungsbeiträge ist der Pachtvertrag somit bereits durch die Aufkündigung vom 5.3.1984 aufgelöst worden. Das Räumungsbegehren der Kläger ist schon aus diesem Grunde gerechtfertigt, weshalb sich auch ein näheres Eingehen auf den von ihnen außerdem noch geltend gemachten Auflösungsgrund nach § 1118, 2. Fall ABGB erübrigt.

Der Beklagte hat in erster Instanz nie behauptet, daß die Kläger etwa durch längeres Zuwarten mit der Geltendmachung auf ihren Räumungsanspruch verzichtet hätten. Seine diesbezüglichen erstmaligen Ausführungen in der Revision sind daher als Neuerungen unzulässig und unbeachtlich.

Der Revision mußte aus allen diesen Gründen ein Erfolg versagt bleiben.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E20629

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0040OB00505.9.0424.000

Dokumentnummer

JJT_19900424_OGH0002_0040OB00505_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten