TE OGH 1990/4/24 4Ob513/90

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.04.1990
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Kodek, Dr. Niederreiter und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache des Antragstellers Max H***, Pensionist, Villach, Kanaltaler Straße 4, vertreten durch Dr. Gerhard Prett, Rechtsanwalt in Villach, wider die Antragsgegnerin Aloisia DE C***, Pensionistin, Villach, Kanaltaler Straße 4, vertreten durch Dr. Viktor Michitsch, Rechtsanwalt in Villach, wegen Bewilligung einer Bauführung unter Miteigentümern, infolge Revisionsrekurses des Antragstellers gegen den Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt als Rekursgericht vom 4. Jänner 1990, GZ 2 R 481/89-30, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Villach vom 9.November 1989, GZ 10 Nc 5/89-27, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluß dahin abgeändert, daß er zu lauten hat:

"Ob dem auf der Liegenschaft EZ 944 Grundbuch 75454 Villach errichteten Wohnhaus in Villach, Kanaltaler Straße 4, wird in der südlichen Hälfte des Dachgeschosses der Einbau zweier Mansardenfenster laut Bauplan des Zimmermeisters Eduard K*** auf Kosten des Hälfteeigentümers Max H*** bewilligt.

Diese Bewilligung ersetzt die fehlende Zustimmung der Hälfteeigentümerin Aloisia DE C***."

Text

Begründung:

Die Parteien sind je zur Hälfte Miteigentümer der aus den Grundstücken 610/20 und 1134/2 (jeweils Garten) sowie 891 und 1901 (jeweils Baufläche) bestehenden Liegenschaft EZ 944 Grundbuch 75454 Villach mit dem darauf befindlichen Wohnhaus in Villach, Kanaltaler Straße 4. Dabei handelt es sich um ein zweigeschossiges Gebäude mit einem mansardenartig ausgebauten Satteldach, dessen First in Nord-Süd-Richtung verläuft. Im Bereich des Satteldaches sind keine Fenster vorhanden. Die am 18.4.1896 geborene Antragsgegnerin bewohnt die Wohnung im Erdgeschoß, der am 11.10.1912 geborene Antragsteller jene im 1.Stock des Hauses. Auf Grund einer Benützungsvereinbarung der Parteien sind die beiden Räume samt Dachterrasse im südlichen Bereich des Dachgeschosses seit Jahren dem Antragsteller zur alleinigen Benützung zugewiesen. Sie werden von der Tochter des Antragstellers bewohnt. Die Räume werden nur auf der Seite der Terrasse durch eine Glastüre und ein Fenster belichtet. Der Antragsteller plant nun zur Belichtung der beiden Mansardenräume den Einbau je einer Schleppgaupe auf beiden Seiten der südlichen Dachhälfte. Die Schleppgaupen sollen bei einer Dachneigung von 15` mit Alublech eingedeckt und die Vorder- und Seitenteile mit Holzverschalungen versehen werden. Die Farbgebung der Kunststoff-Fensterstöcke soll sich dem Gesamtbild des Hauses anpassen.

Die Antragsgegnerin stimmt diesem Bauvorhaben nicht zu. Der Antragsteller begehrt daher den Ausspruch, daß er berechtigt sei, in der südlichen Hälfte des Dachgeschosses auf eigene Kosten zwei Mansardenfenster laut Bauplan des Zimmermeisters Eduard K*** einbauen zu lassen.

Die Antragsgegnerin begründet die Verweigerung der Zustimmung zur geplanten Baumaßnahme damit, daß diese keine offenbar vorteilhafte Veränderung der Liegenschaft mit sich bringe und auch nicht notwendig sei. Mit dem Umbau solle anscheinend für die Tochter des Antragstellers eine Art Büro errichtet werden, damit sie als Lehrerin Schularbeiten korrigieren und Nachhilfestunden geben könne. Der mit dem Umbau verbundene Lärm sei der Antragsgegnerin mit Rücksicht auf ihr Alter von 93 Jahren unzumutbar. Sie sei gebrechlich und der Umbau würde sie nervlich belasten. Mit Rücksicht auf ihren Gesundheitszustand werde der Antrag zur Unzeit gestellt. Der Einbau der Gaupen würde das Ortsbild stören und das Haus "verschandeln". Der Antragsteller benötige die Baumaßnahme nicht für sich selbst; seiner Tochter sei aber der bisherige Zustand ohne weiteres zumutbar. Für den Fall der Genehmigung des Umbaues beantragt die Antragsgegnerin die Auferlegung einer angemessenen Sicherheitsleistung.

Das Erstgericht wies den Antrag ab. Es traf noch folgende

Tatsachenfeststellungen:

Etwa 50 % der im Nahbereich des Hauses der Parteien gelegenen Ein- und Zweifamilienhäuser weisen im Satteldachbereich (laut

Protokoll über den Ortsaugenschein ON 5 S 22: "hervorstehende", offenbar gemeint: gaupenartige) Mansardenfenster auf. Die geplante Baumaßnahme würde das Ortsbild nicht stören. Sie kann bei guter Durchorganisation in einer Woche fertiggestellt werden, wenn in zwei Gruppen gearbeitet wird. Bei Übertragung der Arbeiten an eine "Firma" ist mit einer Arbeitsdauer von zwei Wochen zu rechnen, wobei für die Dauer von drei Tagen eine stärkere Lärmbelästigung (laut Sachverständigengutachten ON 14 hauptsächlich bei den Abbrucharbeiten und beim Aufstellen des Holzgerippes) auftritt. Eine leichte Staubentwicklung an der Dachaußenseite wird unvermeidbar sein. Das Aufstellen eines Baugerüstes ist nicht erforderlich; der Bauschutt kann über die Dachterrasse des Zubaus abtransportiert werden.

Die Antragsgegnerin befindet sich in einem ausreichenden Ernährungs-, aber stark reduzierten Allgemeinzustand; sie ist gebrechlich und leidet an einem dekompensierten Coronarschaden mit Angina-Pectoris-Anfällen, an einer Varicosis mit Unterschenkelgeschwür rechts sowie an hochgradiger psychischer Erregbarkeit. Bei Durchführung der beabsichtigten Baumaßnahme ist eine eventuell auch lebensbedrohende Verschlechterung ihres Zustandes infolge starker Erregung nicht auszuschließen. Selbst die Durchführung des Bauvorhabens in Abwesenheit der Antragsgegnerin könnte zu einer starken Erregung und zu einem lebensbedrohlichen Herzanfall führen (nach dem mündlichen Gutachten des medizinischen Sachverständigen ÄON 26 S 98Ü ist es insbesondere ein psychisches Problem, daß die Antragsgegnerin die geplanten Baumaßnahmen nicht durchführen lassen will. Diese negative Einstellung ist aber nicht steuerbar. Die mit der Baumaßnahme verbundene Lärm- und Staubentwicklung hat auf ihren organischen Gesundheitszustand keinen Einfluß). Die zwischen den Parteien bestehende Feindschaft würde sich bei der geplanten Baumaßnahme derart auswirken, daß die psychischen Emotionen der Antragsgegnerin so gesteigert werden, daß dies zu einem organischen Herzversagen führen könnte. Rechtlich folgerte das Erstgericht daraus, daß die geplante Baumaßnahme für die Eigentumsgemeinschaft zwar technisch und wirtschaftlich von Vorteil sei, weil nicht nur der Antragsteller die Mansarde besser nützen könne, sondern auch die Antragsgegnerin anteilig an der damit verbundenen Wertsteigerung des Hauses teilnehme; dem stehe aber die damit verbundene gesundheitliche Beeinträchtigung der Antragsgegnerin entgegen, weil bei Durchführung des Fenstereinbaues entgegen ihren Vorstellungen die akute Gefahr einer tödlichen Herzattacke bestehe. Diese Interessenabwägung führe zu derart wesentlichen Nachteilen der geplanten Baumaßnahme für die Antragsgegnerin, daß es nicht mehr gerechtfertigt erscheine, ihre fehlende Zustimmung durch Gerichtsbeschluß zu ersetzen. Das Rekursgericht bestätigte den erstgerichtlichen Beschluß und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nach § 14 Abs 1 AußStrG zulässig sei. Die geplante Baumaßnahme sei eine "wichtige Veränderung" im Sinne des § 834 ABGB, die vom baulichen Standpunkt aus für beide Parteien Vorteile bringe, weil auch die Antragsgegnerin an der dadurch bewirkten Werterhöhung des Hauses teilnehme. Auch immaterielle Interessen der Antragsgegnerin an der Erhaltung des Aussehens des Hauses oder des Ortsbildcharakters würden durch den Einbau der beiden Schleppgaupen nicht beeinträchtigt. Das Erstgericht habe aber zutreffend erkannt, daß die Genehmigung der Baumaßnahme und deren Durchführung gegen den Willen der Antragsgegnerin bei dieser eine lebensbedrohende Gesundheitsgefährdung auslöse. Ein derartiger rein subjektiver Nachteil für einen Miteigentümer müsse auch im Verfahren gemäß § 835 ABGB analog zur Teilungsklage Berücksichtigung finden. Er schließe daher im vorliegenden Fall die beantragte Genehmigung der Baumaßnahme aus.

Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs des Antragstellers mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne einer Stattgebung seines Begehrens.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil die Frage, ob bei einer Beschlußfassung gemäß § 835 ABGB auch psychische Folgen der Bewilligung auf den Gesundheitszustand des nicht zustimmenden Teilhabers zu berücksichtigen sind, noch nicht Gegenstand der höchstgerichtlichen Rechtsprechung war (§ 14 Abs 1 AußStrG); er ist auch berechtigt.

Die Vorinstanzen haben zunächst zutreffend erkannt, daß der beabsichtigte Einbau zweier Schleppgaupen mit Fenstern im Dachbereich des Hauses eine wichtige Veränderung im Sinne des § 834 ABGB ist, weil es sich hiebei um eine bauliche Veränderung handelt, die über den bloßen Erhaltungszweck hinausgeht (Klang in Klang2 III 1113; Gamerith in Rummel2, ABGB, Rz 1 und 6 zu § 834; SZ 51/5 ua). Können sich aber - wie im vorliegenden Fall - die Hälfteeigentümer über solche wichtige Veränderungen oder selbst über Maßnahmen der ordentlichen Verwaltung nicht einigen, dann hat darüber der Richter gemäß § 835 ABGB zu entscheiden (Klang aaO 1112; Jensik, Miteigentum und Wohnungseigentum 25, 28; Gamerith aaO Rz 18 zu § 835;

Schwimann/Hofmeister, ABGB III, § 835 Rz 6; SZ 58/129;

MietSlg 38.049 uva). Gegenstand der richterlichen Entscheidung ist also die Frage, ob die Veränderung ohne Einschränkung oder unter Bedingungen (Sicherstellung) bewilligt oder überhaupt abgelehnt wird (Klang aaO 1115; Gamerith aaO Rz 3 zu § 835; SZ 59/203). Das Gesetz stellt für diese richterliche Ermessensentscheidung keine bindenden Richtlinien auf. Ob die vom Hälfteeigentümer verweigerte Zustimmung zu einer wichtigen Veränderung mit oder ohne Auferlegung einer Sicherheit zu ersetzen oder die beantragte Maßnahme abzulehnen ist, hängt davon ab, ob die Veränderung offenbar vorteilhaft, bedenklich oder nachteilig ist. Ob dies der Fall ist, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab und ist vom Standpunkt der Gesamtheit der Miteigentümer und nicht von jenem des einen oder anderen Hälfteeigentümers allein zu beurteilen (Schimetschek in ImmZ 1980, 101; Gamerith aaO Rz 4 zu § 835; Schwimann/Hofmeister aaO § 835 Rz 7; MietSlg 25.048, 27.078; SZ 51/5; MietSlg 39.058 ua). In die solcherart vorzunehmende Abwägung der Gesamtinteressen der Eigentumsgemeinschaft hat freilich auch eine angemessene Berücksichtigung der subjektiven Lage der einzelnen Teilhaber, also der persönlichen und familiären Verhältnisse und Bedürfnisse einzufließen. Das ist insbesondere für den häufigsten Anwendungsfall des § 835 ABGB, nämlich die gerichtliche Benützungsregelung, in Lehre und Rechtsprechung anerkannt (Gamerith aaO Rz 7 zu § 835;

Schwimann/Hofmeister aaO § 835 Rz 24; MietSlg 23.057, 25.056, 34.101 uva) und folgt schon aus der innerhalb eines Gemeinschaftsverhältnisses bestehenden Treuepflicht, die auch die Rücksichtnahme auf die Interessen der übrigen Teilhaber erfordert (vgl Gamerith aaO Rz 11 zu § 825). Diese Pflicht kann aber niemals so weit gehen, daß sie die gesetzlich vorgesehene Rechtsdurchsetzung gegen einen Teilhaber schon daran scheitern läßt, daß dieser ein Unterliegen im Verfahren psachisch nicht verkraften würde. Eine solche subjektive Auswirkung der von der Rechtsordnung zur Schaffung des Rechtsfriedens vorgesehenen Entscheidung auf den anderen Teilhaber gehört nicht zu den bei der Interessenabwägung zu berücksichtigenden Tatbestandsmerkmalen. Eine solche Folge steht mit der Frage, ob die mangelnde Zustimmung des anderen Hälfteeigentümers zu einer wichtigen Veränderung zu ersetzen ist oder nicht, in keinem sachlichen Zusammenhang. Diese Auswirkung hat vielmehr als eine rein subjektive Folge des Verfahrensausganges bei der Sachentscheidung außer Betracht zu bleiben, selbst wenn daraus schwere gesundheitliche Nachteile befürchtet werden müßten. Könnte nämlich ein Beteiligter eine ihm drohende ungünstige Entscheidung schon damit abwenden, daß er behauptet und nachweist, sie wirke sich für ihn lebensbedrohend aus, müßte dies im ergebnis zur Verweigerung des Rechtsschutzes gegenüber den übrigen Beteiligten führen, weil die Interessenabwägung stets zugunsten jenes Beteiligten ausginge, dessen Gesundheit durch eine seinem Antrag widersprechende Entscheidung als solche gefährdet wird.

Im vorliegenden Fall steht fest, daß die Antragsgegnerin die vom Antragsteller geplante Baumaßnahme nicht durchführen lassen will und deshalb deren Genehmigung eine lebensbedrohliche Steigerung ihrer psychischen Emotionen zur Folge haben kann. Dieser Umstand muß aber nach den obigen Ausführungen entgegen der Meinung der Vorinstanzen bei der Sachentscheidung nach § 835 ABGB außer Betracht bleiben. Für diese ist vielmehr maßgeblich, daß die angestrebte wichtige Veränderung für beide Miteigentümer offenbar vorteilhaft ist, weil sie die Benützbarkeit und damit auch die Verwertbarkeit der südlichen Mansardenwohnung steigert. An dieser Wertsteigerung des Hauses nimmt auch die Antragsgegnerin im Fall der Auflösung der bestehenden Benützungsvereinbarung entsprechend teil. Andererseits beeinträchtigt der Einbau zweier Schleppgaupenfenster auch keine immateriellen Interessen der Antragsgegnerin (vgl SZ 51/5), weil dadurch weder das Aussehen des Hauses "verschandelt" noch das Ortsbild verändert wird. Da die mit der Durchführung der geplanten Baumaßnahme verbundene Lärm- und Staubentwicklung keinen Einfluß auf den organischen Gesundheitszustand der Antragsgegnerin hat, werden auch berücksichtigungswürdige subjektive Erfordernisse ihres hohen Alters nicht wesentlich berührt.

Aus allen diesen Gründen war daher in Stattgebung des Revisionsrekurses die beantragte Veränderung ohne Einschränkung (Sicherstellung) zu bewilligen.

Die vom Antragsteller verzeichneten Kosten konnten schon deshalb nicht zuerkannt werden, weil im außerstreitigen Verfahren, abgesehen von hier nicht in Betracht kommenden Aucnahmen, jeder Verfahrensbeteiligte seine Kosten selbst zu tragen hat und keine Kostenersatzpflicht herrscht (EFSlg 44.428, 58.130 ua).

Anmerkung

E20631

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0040OB00513.9.0424.000

Dokumentnummer

JJT_19900424_OGH0002_0040OB00513_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten