TE Vwgh Erkenntnis 2005/11/24 2005/07/0090

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Veröffentlicht am 24.11.2005
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
81/01 Wasserrechtsgesetz;

Norm

VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
WRG 1959 §111 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Graf und die Hofräte Dr. Bumberger, Dr. Beck, Dr. Hinterwirth und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Chlup, über die Beschwerde der ÖBB-Infrastruktur Bau AG, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1010 Wien, Singerstraße 17-19, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 30. März 2005, Zl. FA 13A- 30.40-744-05/1, betreffend eine wasserrechtliche Bewilligung (mitbeteiligte Partei: K-Ges.m.b.H & Co KG in L), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die mitbeteiligte Partei beantragte bei der Bezirkshauptmannschaft L die Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung für die Errichtung und den Betrieb eines Regenwasserkanals zur Ableitung der auf ihrem Betriebsgelände anfallenden Oberflächenwässer in den L-bach und weiter in die E über die Grundstücke Nr. 1484/3, 569/19 und 1465/1, KG L.

In der Verhandlungsschrift über die von der BH am 29. November 2004 durchgeführte mündliche Verhandlung findet sich folgende "Stellungnahme des Vertreters der ÖBB":

"Da die geplante Bauanlage im Bauverbotsbereich der ÖBB liegt, wurde um die Ausnahmebewilligung gem. § 38 EG 1957 bei den Österreichischen Bundesbahnen ... angesucht.

Mit den Bauarbeiten darf erst nach

1.

Erteilung der Ausnahmebewilligung nach § 38 EG 1957,

2.

Abschluss eines Grundbenützungsübereinkommens (mit den ÖBB),

3.

Abschluss eines Arbeitsübereinkommens mit den ÖBB

begonnen werden."

Mit Bescheid vom 28. Dezember 2004 erteilte die BH der mitbeteiligten Partei die beantragte wasserrechtliche Bewilligung.

Im Spruch dieses Bescheides findet sich folgender Passus:

"Im Sinne der Bestimmungen des § 111 Abs. 4 WRG war festzustellen, dass hinsichtlich der im Befund und den zugehörigen Plänen ersichtlichen geringfügigen Grundinanspruchnahmen die erforderliche Dienstbarkeit als eingeräumt anzusehen ist."

Gegen diesen Bescheid erhob die ÖBB-Immobilienmanagement GmbH "namens des Grundeigentümers" Berufung, wobei sie darauf hinwies, dass sie nach § 24 Abs. 1 Bundesbahn-Strukturgesetz 2003 mit der Verwaltung der Liegenschaften der ÖBB-Infrastruktur Bau AG beauftragt sei.

In der Berufung wurde geltend gemacht, ein Ausspruch nach § 111 Abs. 4 des Wasserrechtsgesetzes 1959 sei nur zulässig, wenn keine ausdrückliche Vereinbarung mit dem Grundeigentümer getroffen worden sei. Die ÖBB hätten aber mit einer der Berufung beiliegenden Einverständniserklärung vom 14. Dezember 2004 der mitbeteiligten Partei ausdrücklich die Verlegung der Regenwasserableitung auf Bahngrund gestattet. Da somit eine Vereinbarung vorliege, sei die Feststellung, dass die erforderlichen Dienstbarkeiten als eingeräumt anzusehen seien, in Bezug auf den Bahngrund unrichtig.

Der der Berufung beigelegten "Einverständniserklärung" sind vier Anlagen angefügt ("Technische Vorschreibungen", "Haftungsbestimmungen", "Kostenersatz", "Bahngrundbenützungsübereinkommen").

Das Bahngrundbenützungsübereinkommen sieht vor, dass der Bahngrundbenützer aus der Bewilligung zur Benützung von Bahngrund keinerlei dingliche Rechte für sich ableiten wird. Außerdem ist eine Kündigungsmöglichkeit vorgesehen.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 30. März 2005 hat die belangte Behörde "die Berufung der ÖBB-Immobilienmanagement GmbH" als unbegründet abgewiesen.

In der Begründung heißt es, in der mündlichen Verhandlung sei vom Vertreter der ÖBB hinsichtlich der Inanspruchnahme von Bahngrund keine Einwendung erhoben und auch keine ausdrückliche Vereinbarung über die Einräumung einer Dienstbarkeit vorgelegt worden. Die schriftliche Einverständniserklärung vom 14. Dezember 2004 sei der erstinstanzlichen Behörde erstmals im Zusammenhang mit der Berufung vorgelegt worden. Da somit die Voraussetzungen des § 111 Abs. 4 WRG 1959 zuträfen, würden mit der Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung auch die Rechtsfolgen dieser Bestimmung eintreten, ohne dass es eines diesbezüglichen bescheidmäßigen Ausspruches bedürfe. Die Aufnahme der Bestimmung des § 111 Abs. 4 WRG 1959 in den wasserrechtlichen Bewilligungsbescheid sei durchaus zulässig, da sie nur deklarativen Charakter habe. Der Ausspruch nach § 111 Abs. 4 WRG 1959 sei kein Zwangsrecht, sondern basiere auf der Fiktion der stillschweigenden Zustimmung des Grundeigentümers zur Grundinanspruchnahme, die darin gelegen sei, dass keine Einwendung erhoben worden sei. Abschließend werde festgehalten, dass der Verweis auf § 111 Abs. 4 WRG 1959 nicht im Widerspruch zur ohnehin abgeschlossenen Vereinbarung vom 14. Dezember 2004 stehe, mit der der mitbeteiligten Partei die "Entlangführung" einer Regenwasserableitung auf Bahngrund gestattet werde.

Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Partei zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte mit Beschluss vom 7. Juni 2005, B 535/05-3, ihre Behandlung ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die beschwerdeführende Partei durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht darauf verletzt, dass der mitbeteiligten Partei die wasserrechtliche Bewilligung nicht hätte erteilt werden dürfen, weil die beschwerdeführende Partei als betroffene Grundeigentümerin Einwendungen vorgebracht habe, welchen nicht bzw. noch nicht zur Gänze Rechnung getragen worden sei. Weiters erachtet sich die beschwerdeführende Partei dadurch in ihren Rechten verletzt, dass gemäß § 111 Abs. 4 WRG 1959 ohne Vorliegen der hierfür erforderlichen Voraussetzungen ausgesprochen worden sei, dass hinsichtlich der im Befund und den dazugehörigen Plänen ersichtlichen geringfügigen Grundinanspruchnahmen die erforderliche Dienstbarkeit in Bezug auf das Grundstück Nr. 1484/3 der beschwerdeführenden Partei als eingeräumt anzusehen sei.

In Ausführung dieses Beschwerdepunktes trägt die beschwerdeführende Partei vor, die Annahme der belangten Behörde, die beschwerdeführende Partei habe im Verfahren vor der BH keine Einwendungen erhoben, sei unzutreffend. Mit ihrem in der Verhandlungsschrift festgehaltenen Vorbringen habe sie unmissverständlich dargetan, dass sie mit der Inanspruchnahme von Bahngrund nur bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen einverstanden sei, und sie habe daher, da im Zeitpunkt der Verhandlung noch keine dieser Voraussetzungen erfüllt gewesen sei, ihr Einverständnis zu der für die Verwirklichung des Projektes notwendigen Grundinanspruchnahme vorerst nicht erteilt. Diesen Einwendungen sei bislang nicht vollinhaltlich Rechnung getragen worden, da der geforderte Abschluss eines Arbeitsübereinkommens mit der beschwerdeführenden Partei noch ausstehe. Die mittlerweile vorliegende Einverständniserklärung vom 14. Dezember 2004 hindere einen Ausspruch nach § 111 Abs. 4 WRG 1959. Wenn die belangte Behörde darauf hinweise, dass die Vereinbarung erstmals mit der Berufung der erstinstanzlichen Behörde vorgelegt worden sei, so nehme sie damit offenbar ein Neuerungsverbot an, welches nicht bestehe.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Die mitbeteiligte Partei hat ebenfalls eine Gegenschrift erstattet und beantragt, der Beschwerde keine Folge zu geben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Vor Eingehen in die Sache stellt sich die Frage der Zulässigkeit der Beschwerde.

Beschwerde erhoben wird von der ÖBB-Infrastruktur Bau AG. Der angefochtene Bescheid spricht aber über eine "Berufung der ÖBB-Immobilienmanagement GmbH" ab.

Bei dem Ausdruck "Berufung der ÖBB-Immobilienmanagement GmbH" handelt es sich um eine sprachlich ungenaue, weil doppeldeutige Formulierung. Es lag zwar keine der ÖBB-Immobilienmanagement GmbH zuzurechnende Berufung vor. Von einer "Berufung der ÖBB-Immobilienmanagement GmbH" kann aber insofern gesprochen werden, weil der Berufungsschriftsatz von dieser verfasst und eingebracht wurde. Angesichts des Umstandes, dass die ÖBB-Immobilienmanagement GmbH in der Berufung darauf hingewiesen hat, dass sie namens der beschwerdeführenden Partei Berufung erhebt und dass die belangte Behörde auf diese Berufung Bezug nimmt, besteht kein Zweifel, dass über eine der beschwerdeführenden Partei zuzurechnende Berufung entschieden wurde. Die Bezugnahme auf eine "Berufung der ÖBB-Immobilienmanagement GmbH" im angefochtenen Bescheid stellt eine verkürzte Ausdrucksweise für "namens der beschwerdeführenden Partei erhobene Berufung der ÖBB-Immobilienmanagement GmbH" dar.

§ 111 Abs. 4 WRG 1959 lautet:

"(4) Hat sich im Verfahren ergeben, daß die bewilligte Anlage fremden Grund in einem für den Betroffenen unerheblichen Ausmaß in Anspruch nimmt, und ist weder vom Grundeigentümer eine Einwendung erhoben noch von diesem oder vom Bewilligungswerber ein Antrag auf ausdrückliche Einräumung einer Dienstbarkeit nach § 63 lit. b gestellt noch eine ausdrückliche Vereinbarung über die Einräumung einer solchen getroffen worden, so ist mit der Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung die erforderliche Dienstbarkeit im Sinne des § 63 lit. b als eingeräumt anzusehen. Allfällige Entschädigungsansprüche aus diesem Grunde können in Ermangelung einer Übereinkunft binnen Jahresfrist nach Fertigstellung der Anlage geltend gemacht werden (§ 117)."

Zu den Voraussetzungen des § 111 Abs. 4 WRG 1959 zählt, dass vom Grundeigentümer keine Einwendung erhoben worden ist.

Diese Voraussetzung ist im Beschwerdefall nicht gegeben.

Der Vertreter der beschwerdeführenden Partei hat in der Verhandlung vor der BH erklärt, dass mit den Bauarbeiten erst bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen begonnen werden dürfe. Das kann nicht anders verstanden werden als die Einwendung, dass die Grundinanspruchnahme durch die mitbeteiligte Partei nicht eher erfolgen dürfe, bevor diese Bedingungen erfüllt sind (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. Februar 1991, 90/07/0090, VwSlgNF 13.377/A). Es kann daher keine Rede davon sein, dass keine Einwendung erhoben wurde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat allerdings im Erkenntnis vom 28. Februar 1996, 95/07/0176, ausgesprochen, dass der Ausspruch eines Bescheides nach § 111 Abs. 4 WRG 1959, dass die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der zur Verwirklichung des Projektes erforderlichen Grundstücke gegeben sind, weil die notwendigen Dienstbarkeiten als eingeräumt anzusehen sind, im Ergebnis auch dann zutreffend ist, wenn man davon ausgeht, dass § 111 Abs. 4 WRG 1959 wegen des Vorliegens einer ausdrücklichen Vereinbarung über die Grundinanspruchnahme nicht zur Anwendung kommt, da die erforderlichen Dienstbarkeiten dann eben durch diese Vereinbarung als eingeräumt anzusehen sind.

Es handelte sich also bei dieser Entscheidung um einen Fall, in welchen zwischen der Vereinbarung und der über § 111 Abs. 4 WRG 1959 zu begründenden Dienstbarkeit kein inhaltlicher Unterschied bestand.

Der Beschwerdefall ist aber anders gelagert.

Es genügt darauf hinzuweisen, dass nach dem "Bahngrundbenützungsübereinkommen" die Begründung einer Dienstbarkeit ausgeschlossen sein soll. Außerdem wird eine Kündigungsmöglichkeit vereinbart - etwas, was es bei einer durch § 111 Abs. 4 WRG 1959 als eingeräumt anzusehenden Dienstbarkeit nicht gibt.

Das zitierte Erkenntnis ist daher auf den Beschwerdefall nicht übertragbar.

Eine Feststellung des Inhalts, dass hinsichtlich der im Befund und den zugehörigen Plänen ersichtlichen geringfügigen Grundinanspruchnahmen die erforderliche Dienstbarkeit im Sinne des § 111 Abs. 4 WRG 1959 eingeräumt sei, durfte daher nicht erfolgen.

Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Die beschwerdeführende Partei hat an Schriftsatzaufwand EUR 1.635,-- und an Eingabegebühr EUR 180,-- also zusammen EUR 1.815,-- begehrt.

§ 1 Z. 1 lit. a der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003 sieht jedoch als Schriftsatzaufwand für die obsiegende Partei lediglich einen Betrag von EUR 991,20 vor. Das Mehrbegehren war daher abzuweisen.

Wien, am 24. November 2005

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete Rechtsgrundsätze Auflagen und Bedingungen VwRallg6/4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2005070090.X00

Im RIS seit

20.12.2005

Zuletzt aktualisiert am

07.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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