TE OGH 1990/4/25 2Ob610/89

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Veröffentlicht am 25.04.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Melber und Dr. Kropfitsch als Richter in der Rechtssache der Antragstellerin T*** F*** m.b.H.,

Fürstenweg 180, 6020 Innsbruck, vertreten durch Dr. Eckehard Erlacher, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die Antragsgegner

1)

Veronika E***, Landwirtin, Am Wackerrain 15e, 6170 Zirl,

2)

Josef H***, Landwirt, Bachgasse 1, 6020 Innsbruck, 3) Alfred D***, Landwirt, Kranebitter Allee 46, 6020 Innsbruck, und 4) Hedwig D***, Pensionistin, ebendort wohnhaft, alle vertreten durch Dr. Alois Schneider, Rechtsanwalt in Rattenberg, wegen Festsetzung von Enteignungsentschädigung, infolge Revisionsrekurses des Drittantragsgegners und der Viertantragsgegnerin gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 26. September 1989, GZ 1 b R 140/89-43, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 12.Juli 1989, GZ 1 Nc 3/88-37, teilweise abgeändert und teilweise aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Ein Zuspruch von Kosten des Verfahrens über den Revisionsrekurs findet nicht statt.

Text

Begründung:

Mit Bescheid vom 28.1.1988, Zl 153.019/4-I/502-1988, gab das Bundesministerium für öffentliche Wirtschaft und Verkehr den Berufungen der Antragsgegner gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 25.11.1987, Zl IIb2-Sch-230/68-1987, Folge und änderte diesen Bescheid dahin ab, daß auf Grund der §§ 97 und 99 Abs 1 und Abs 2 des Luftfahrtgesetzes, BGBl 1957/253 (LFG), unter Zugrundelegung des Planes des Dipl.Ing. M*** GZ 784/85 folgende Grundstücke vorbehaltlich ihrer genauen Vermessung in der Natur zu Gunsten der Antragstellerin enteignet wurden:

1) Aus der im Eigentum des Drittantragsgegners und der Viertantragsgegnerin stehenden Liegenschaft EZ 90051 KG Hötting aus der Grundparzelle Nr.1665/1 die Teilfläche von 1634 m2 und aus der Grundparzelle Nr 1666/1 die Teilfläche von 2318 m2;

2) aus der im Eigentum des Zweitantragsgegners stehenden Liegenschaft EZ 90019 KG Hötting die Grundparzellen Nr 1650 im Ausmaß von 2144 m2, Nr 1651 im Ausmaß von 1894 m2, Nr 1652 im Ausmaß von 2023 m2 und Nr 1642/3 im Ausmaß von 38 m2;

3) aus der im Eigentum der Erstantragsgegnerin stehenden Liegenschaft EZ 682 KG Hötting die Grundparzelle Nr 1647 im Ausmaß von 4977 m2.

Mit Bescheid vom 17.5.1988, Zl 153.019/8-I/502/88, ergänzte das Bundesministerium für öffentliche Wirtschaft und Verkehr seinen erstgenannten Bescheid vom 28.1.1988 dahin, daß der Punkt 1) des Spruches wie folgt zu lauten hat:

"1) Aus der im Eigentum des Alfred und der Hedwig D*** stehenden Liegenschaft EZ 90051 KG Hötting aus der Grundparzelle Nr 1665/1 die Teilfläche von 1634 m2, aus der Grundparzelle Nr 1666/1 die Teilfläche von 2318 m2 sowie die Restfläche im Norden."

Diese letztgenannte Restfläche wird in der Folge in Übereinstimmung mit dem Lageplan des Dipl.Ing. M*** GZ 784/85 als "Restfläche 16,17" bezeichnet.

Im vorliegenden Verfahren beantragte die Antragstellerin mit ihrem am 11.2.1988 beim Erstgericht eingelangten Antrag die Festsetzung einer Entschädigung für die im Bescheid des Bundesministeriums für öffentliche Wirtschaft und Verkehr vom 28.1.1988 genannten Grundflächen.

Die Antragsgegner (richtig wohl der Drittantragsgegner und die Viertantragsgegnerin) beantragten, die Restfläche 16,17 in das Verfahren einzubeziehen und ihnen auch für diese Restfläche eine Enteignungsentschädigung zuzuerkennen.

Dagegen sprach sich die Antragstellerin im wesentlichen mit der Begründung aus, daß hinsichtlich der Restfläche 16,17 ein rechtskräftiger Enteignungsbescheid der Verwaltungsbehörde nicht vorliege. Der Bescheid des Bundesministeriums für öffentliche Wirtschaft und Verkehr vom 17.5.1988 sei der Antragstellerin nicht zugestellt worden.

Das Erstgericht setzte unter Einbeziehung der Restfläche 16,17 bestimmte Entschädigungsbeträge für die Antragsgegner fest. Dem gegen diese Entscheidung gerichteten Rekurs der Antragstellerin gab das Rekursgericht mit dem angefochtenen Beschluß Folge. Es änderte die Entscheidung des Erstgerichtes zum Teil dahin ab, daß es den Antrag des Drittantragsgegners und der Viertantragsgegnerin auf Einbeziehung der Restfläche 16,17 in das Entschädigungsverfahren und auf Festsetzung einer Entschädigung für diese Teilfläche zurückwies. Im übrigen hob es die Entscheidung des Erstgerichtes auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf.

Die Zurückweisung des Antrages des Drittantragsgegners und der Viertantragsgegnerin auf Einbeziehung der Restfläche 16,17 in das Entschädigungsverfahren (nur dagegen wendet sich der vorliegende Revisionsrekurs des Drittantragsgegners und der Viertantragsgegnerin) begründete das Rekursgericht im wesentlichen damit, gemäß § 99 Abs 1 LFG seien hinsichtlich des Gegenstandes und des Umfanges der Enteignung, der Entschädigung, des Enteignungsverfahrens und des Vollzuges der Enteignung für Zwecke der Zivilluftfahrt die Bestimmungen des Eisenbahnenteignungsgesetzes 1954 (EisenbEntG) sinngemäß anzuwenden, wobei der Absatz 2 des § 99 LFG noch diverse modifizierende Regelungen treffe. § 23 Abs 1 EisenbEntG, der hier ohne weitere Besonderheiten anzuwenden sei, normiere, daß die Entschädigung auf Ansuchen des Eisenbahnunternehmens festgestellt werde; doch sei auch der Enteignete berechtigt, darum anzusuchen, wenn das Eisenbahnunternehmen dieses Ansuchen nicht innerhalb eines Jahres nach Rechtskraft des Enteignungsbescheides stelle. Im Unterschied zur Bestimmung des § 20 Abs 3 BStG, wonach die Antragsfrist ein Jahr ab Rechtskraft des Enteignungsbescheides auch für den Enteigneten betrage, sei im Sinne des § 23 Abs 1 EisenbEntG eine Sperrfrist von einem Jahr ab Rechtskraft des Enteignungsbescheides vorgeschaltet, innerhalb welcher Frist zunächst ausschließlich das Eisenbahnunternehmen berechtigt sei, einen entsprechenden Antrag auf Festsetzung der Entschädigung zu stellen. Erst nach Ablauf dieser Frist sei dann der Enteignete berechtigt, das Gericht zwecks Festsetzung der Entschädigung anzurufen.

Im vorliegenden Fall sei davon auszugehen, daß nach dem Inhalt des Verwaltungsaktes die Zustellung des Bescheides vom 17.5.1988 an den damaligen Vertreter der Antragsgegner am 1.6.1988 erfolgt sei. Eine Zustellung an die Antragstellerin sei nach dem gesamten Verfahrensinhalt nicht erfolgt.

Zum Zustandekommen eines Bescheides sei es erforderlich, daß er erlassen werde. Erst mit seiner Erlassung erlange ein Bescheid rechtliche Existenz. Die Erlassung schriftlicher Bescheide habe durch Zustellung bzw Ausfolgung zu erfolgen. Erlassen oder ergangen sei ein Bescheid diesfalls ab dem Zeitpunkt, ab dem eine rechtswirksame Zustellung vorliege. Erst die Erlassung eines Bescheides bewirke den Eintritt der mit ihm verbundenen Rechtswirkungen. Dies sei auch in subjektiver Hinsicht von Bedeutung, weil die Rechtswirkungen nur für die Personen einträten, an die der Bescheid erlassen (zugestellt oder verkündet) worden sei. Werde ein Bescheid gegenüber einer Person nicht erlassen, so sei er für sie ohne jede Wirkung. Zu unterscheiden sei zwischen der Bescheiderlassung, also der Frage, ob ein Bescheid rechtlich existent geworden sei, und dem Zeitpunkt der Rechtswirksamkeit eines erlassenen Bescheides. Rechtswirksam und rechtskräftig, wenn es sich um einen letztinstanzlichen Bescheid handle, werde dieser erst mit der Zustellung oder Verkündung an die betroffene Partei. Im Sinne des § 23 Abs 1 EisenbEntG habe der Ergänzungsbescheid des Bundesministeriums für öffentliche Wirtschaft und Verkehr gegenüber der Antragstellerin nicht rechtswirksam und rechtskräftig werden können, weil er an sie nicht zugestellt worden sei. Daher sei der die Jahresfrist auslösende Zeitpunkt der Rechtskraft des ergänzenden Enteignungsbescheides noch nicht eingetreten. Unter diesen Umständen seien der Drittantragsgegner und die Viertantragsgegnerin nicht legitimiert und befugt, einen Antrag auf Bemessung der Enteignungsentschädigung hinsichtlich der Restfläche 16,17 zu stellen. Demgemäß sei ihr diesbezüglicher Antrag zurückzuweisen.

Gegen diese Entscheidung des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs des Drittantragsgegners und der Viertantragsgegnerin. Sie bekämpfen sie insoweit, als ihr Antrag auf Einbeziehung der Restfläche 16,17 in das Entschädigungsverfahren zurückgewiesen wurde, wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß in diesem Umfang aufzuheben, "in der Sache sodann selbst zu entscheiden und den erstinstanzlichen Beschluß hinsichtlich der Einbeziehung der Restfläche im Norden der Grundstücke 1665/1 und 1666/1 in EZ 90051 KG Hötting vollinhaltlich zu bestätigen; hilfsweise beantragen sie, "den angefochtenen Zurückweisungsbeschluß aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Rekursgericht zurückzuverweisen."

Die Antragstellerin hat eine Rekursbeantwortung mit dem Antrag erstattet, dem Revisionsrekurs keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, sachlich aber nicht berechtigt.

Der im Revisionsrekurs vertretenen Rechtsansicht, der

Antragstellerin sei im Enteignungsverfahren keine Parteistellung

zugekommen, kann nicht gefolgt werden. Wie sich aus den eingangs

wiedergegebenen Bescheiden des Bundesministeriums für öffentliche

Wirtschaft und Verkehr ergibt, erfolgte die Enteignung der

Grundstücke der Antragsgegner zu Gunsten der Antragstellerin. Diese

war also Enteignungswerberin im Sinne des § 98 LFG. Gemäß § 99 Abs 1

LFG gelten (mit dem aus dem Absatz 2 dieser Gesetzesstelle

ersichtlichen Modifikationen) hinsichtlich des Gegenstandes und des

Umfanges der Enteignung, der Entschädigung, des

Enteignungsverfahrens und des Vollzuges der Enteignung für Zwecke

der Zivilluftfahrt die Bestimmungen des Eisenbahnenteignungsgesetzes

1954 sinngemäß. Gemäß § 18 Abs 1 EisenbEntG sind

Enteignungsbescheide unter anderem dem Eisenbahnunternehmen

(= Enteignungswerber) einzuhändigen; gemäß § 18 Abs 2 EisenbEntG

steht dem Eisenbahnunternehmen (= Enteignungswerber) insoweit ein

Rechtsmittel gegen den Enteignungsbescheid zu, als mit diesem dem von ihm gestellten Begehren nicht stattgegeben wurde. Die Parteistellung der Antragstellerin im Enteignungsverfahren ist daher nicht zu bezweifeln.

Gemäß § 23 Abs 1 EisenbEntG wird die Entschädigung auf Ansuchen des Eisenbahnunternehmens (= Enteignungswerbers) festgestellt; doch ist auch der Enteignete berechtigt, darum anzusuchen, wenn das Eisenbahnunternehmen (= der Enteignungswerber) dieses Ansichen nicht innerhalb eines Jahres nach Rechtskraft des Enteignungsbescheides stellt. Das Rekursgericht hat durchaus zutreffend ausgeführt, daß diese Gesetzesstelle nach ihrem klaren Wortlaut eine Sperrfrist für den Entschädigungsantrag des Enteigneten normiert; er darf erst dann einen Entschädigungsantrag stellen, wenn nicht der Enteignungswerber einen solchen Antrag innerhalb eines Jahres nach Rechtskraft des Enteignungsbescheides gestellt hat. Ein verfrühter Entschädigungsantrag ist zurückzuweisen (Brunner, Enteignung für Bundesstraßen 92; EvBl 1965/422).

Die Rechtskraft eines Enteignungsbescheides im Sinne des § 23 Abs 1 EisenbEntG setzt seine Wirksamkeit voraus. Die Erlassung von Bescheiden hat im Verwaltungsverfahren ihre rechtswirksame Zustellung zur Voraussetzung. Wird ein Bescheid gegenüber einer Person nicht erlassen, so ist er für sie ohne jede Wirkung (siehe dazu Walter-Mayer, Grundriß4 155 ff). Als Voraussetzung dafür, daß der Enteignungsbescheid Rechtswirkungen entfaltet, ist er allen Parteien des Enteignungsverfahrens zuzustellen (Kühne-Hofmann-Nugent-Roth, Eisenbahnenteignungsgesetz 117 Anm 1). Auch ein letztinstanzlicher Bescheid wird erst mit der Zustellung rechtswirksam und rechtskräftig (VwSlg NF 10253 A). Nach den Feststellungen der Vorinstanzen wurde der Bescheid des Bundesministeriums für öffentliche Wirtschaft und Verkehr vom 17.5.1988, mit dem erstmals die Enteignung der Restfläche 16,17 zu Gunsten der Antragstellerin angeordnet wurde, dieser nicht zugestellt. Dies bestätigen auch die Rechtsmittelwerber in ihrem Revisionsrekurs. Damit ist aber im Sinne obiger Rechtsausführungen die im § 23 Abs 1 EisenbEntG normierte Jahresfrist, während der allein die Antragstellerin einen Antrag auf Feststellung der Entschädigung für diese Grundfläche zu stellen berechtigt ist, noch nicht abgelaufen, sodaß es dem Drittantragsgegner und der Viertantragsgegnerin verwehrt war, bezüglich dieser Grundfläche einen Antrag auf Feststellung der Enteignungsentschädigung zu stellen.

Mit Recht hat daher das Rekursgericht den Antrag des Drittantragsgegners und der Viertantragsgegnerin auf Einbeziehung der Restfläche 16,17 in das vorliegende Entschädigungsverfahren und auf Festsetzung einer Entschädigung für diese Grundfläche zurückgewiesen.

Dem Revisionsrekurs des Drittantragsgegners und der Viertantragsgegnerin muß somit ein Erfolg versagt bleiben. Kosten waren weder den Rechtsmittelwerbern für ihren Revisionsrekurs noch der Antragstellerin für die erstattete Rekursbeantwortung zuzusprechen. Das Rechtsmittel des Drittantragsgegners und der Viertantragsgegnerin blieb erfolglos; eine Kostenersatzpflicht des Enteigneten gegenüber dem Enteignungswerber läßt sich aus § 44 EisenbEntG nicht ableiten (SZ 60/17).

Anmerkung

E20585

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0020OB00610.89.0425.000

Dokumentnummer

JJT_19900425_OGH0002_0020OB00610_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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