TE OGH 1990/4/25 9ObA102/90

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Veröffentlicht am 25.04.1990
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Herbert Vesely und Walter Bacher als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Ingrid R***, Serviererin, Mautern, Am Grünanger 11, vertreten durch Dr. Gerhard Delpin, Rechtsanwalt in Leoben, wider die beklagte Partei Peter M***, Inhaber des Hotels "Lukashansl", Bruck an der Glocknerstraße, vertreten durch Dr. Kurt Hanusch und Dr. Heimo Jilek, Rechtsanwälte in Leoben, wegen S 30.000,-- sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 25. Jänner 1990, GZ 8 Ra 111/89-32, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Leoben als Arbeits- und Sozialgericht vom 16. Juni 1989, GZ 21 Cga 189/88-28, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin ist schuldig, dem Beklagten die mit S 3.292,80 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (davon S 548,80 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war seit 16.2.1987 als Oberkellnerin im Hotel "Lukashansl" des Beklagten beschäftigt, der ihr für die Dauer des Dienstverhältnisses im 1. Stock des Personalwohnhauses ein Zimmer als Unterkunft zur Verfügung stellte. Die Klägerin bewahrte dort ihre Kleidung und ihre sonstigen persönlichen Gegenstände auf. Am 2.1.1988 brach in diesem Personalhaus ein Feuer aus, bei dem Kleidungsstücke und sonstige persönliche Sachen der Klägerin im Gesamtneuwert von S 50.000 verbrannten.

Die Klägerin begehrt vom Beklagten Schadenersatz in Höhe von S 30.000 sA, weil den Beklagten ein Verschulden am Ausbruck des Brandes treffe. Er habe die ca. 15 bis 16 Jahre alten Bewohner des Hauses über die Brandgefahren nicht aufgeklärt, im Personalwohnhaus sei kein Feuerlöscher vorhanden gewesen und der (den Brand auslösende) Elektrospeicherofen sei nicht durch ein Schutzbleck gegen den Holzboden gesichert gewesen.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens, weil ihn an dem Schaden der Klägerin kein Verschulden treffe. Der Brand sei dadurch verursacht worden, daß ein Kellnerlehrling eine blecherne Werkzeugkiste vor die Luftaustrittsschlitze des in seinem Zimmer aufgestellten Elektronachtspeicherofens gestellt habe, dadurch sei es zu einem Hitzestau im Ofen gekommen. Der Nachtspeicherofen sei ordnungsgemäß installiert und aufgestellt gewesen und erst kurze Zeit vor dem Brand durch einen Fachmann überprüft worden. Der Abschluß einer Versicherung für eingebrachte Sachen der Arbeitnehmer sei nicht möglich gewesen.

Das Erstgericht wies das Klagebegheren ab und traf folgende weitere wesentliche Feststellungen:

Der Beklagte ließ im Jahre 1987 einige Nachtspeicheröfen des Personalwohnhauses durch einen Elektroinstallateurmeister überprüfen und reparieren. Im Zimmer unter der Klägerin wohnten zwei Kellnerlehrlinge. Einer von ihnen stellte etwa am 17.12.1987 eine blecherne Werkzeugkiste hinter dem Nachtspeicherofen ab. Der dadurch hervorgerufene gänzliche Verschluß der Zugluftöffnungen dieses Heizgerätes führte am 2.1.1988 zur Entzündung des unter dem Heizkörper gelegenen Holzfußbodens. Die beiden Lehrlinge waren zu dieser Zeit nicht in ihrem Zimmer. Der Brand erfaßte in der Folge auch das Zimmer der Klägerin und vernichtete dort ihre Habe. Im Personalhaus waren im Dachgeschoß und im Abgang zum Keller Feuerlöscher angebracht, die aber in den letzten Jahren vor dem Brandausbruch nicht mehr gewartet worden waren. Der Beklagte hatte den im Personalhaus wohnenden Arbeitnehmern weder mündlich noch schriftlich Regeln für das Verhalten im Brandfalle erteilt. Die Aufstellung des Nachtspeicherofens entsprach den Richtlinien der Erzeugerfirma. Eine Abdeckung des Fußbodens war nach den Angaben der Erzeugerfirma bei den vorliegenden Verhältnissen nicht erforderlich. Es ist möglich, im Rahmen einer Feuerversicherung auch die eingebrachten Sachen von Arbeitnehmern gegen Verlust und Beschädigung mitzuversichern.

Das Erstgericht war der Ansicht, daß sich die in § 1157 Abs 1 ABGB geregelten Fürsorgepflichten des Arbeitgebers nach ständiger Rechtsprechung auch auf die Wahrung der Vermögensinteressen des Arbeitnehmers erstreckten. Der Arbeitgeber sei insbesondere verpflichtet, die Obsorge für die vom Arbeitnehmer üblicherweise in den Betrieb eingebrachten Sachen zu übernehmen. Hierüber enthalte § 14 Abs 4 ASchG eine ausdrückliche Regelung, die der Generalklausel des § 1157 Abs 1 ABGB vorgehe. Nach jener Bestimmung sei jedem Arbeitnehmer zur Aufbewahrung und zur Sicherung vor Wegnahme seiner Straßen- Arbeits- und Schutzkleidung eine geeignete Aufbewahrungsmöglichkeit sowie für die von ihm für die Verrichtung der Arbeitsleistung mitgebrachten Gegenstände und jener Sachen, die von ihm nach Verkehrsauffassung und Berufsüblichkeit zur Arbeitsstätte mitgenommen werden, eine ausreichend große versperrbare Einrichtung zur Verfügung zu stellen. Der Arbeitgeber hafte dem Arbeitnehmer für jeden durch die schuldhafte Verletzung dieser Pflicht verursachten Schaden. Dieser Verpflichtung habe der Beklagte entsprochen, weil er der Klägerin ein versperrbares, ausreichend großes Zimmer für die Aufbewahrung ihrer persönlichen Gegenstände und der Arbeitskleidung im Personalhaus zur Verfügung gestellt habe. Gemäß § 16 Abs 1 ASchG müßten Räume, die Arbeitnehmer für Wohnzwecke oder auch zur vorübergehenden Nächtigung zur Verfügung gestellt werden, den sonst für Wohnräume maßgebenden Erfordernissen entsprechen, soweit diese den Schutz des Lebens, der Gesundheit und der Sittlichkeit betreffen. Das Beweisverfahren habe keinen Hinweis darauf ergeben, daß der Beklagte diese Pflicht verletzt habe.

Nach § 12 Abs 2 ASchG müßten Feuerlöschgeräte den anerkannten Regeln der Technik, insoweit diese auch dem Schutz des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer dienen, entsprechen. Mit der Handhabung der Feuerlöschgeräte müsse eine für wirksame Brandschutzmaßnahmen ausreichende Anzahl von Arbeitnehmern vertraut sein. Diese Bestimmung habe zwar der Beklagte schuldhaft verletzt, doch habe diese Verletzung den der Klägerin entstandenen Schaden nicht verursacht, weil das Feuer im Zeitpunkte der Entdeckung durch sie bereits ein solches Ausmaß erreicht habe, daß es auch bei Vorhandensein von Feuerlöschgeräten auf ihr Zimmer übergegriffen hätte.

Der Fall einer Risikohaftung des Arbeitgebers nach § 1014 ABGB liege nicht vor.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge und sprach aus, daß die Revision nach § 46 Abs 1 Z 1 ASGG zulässig sei. Die Klägerin habe ihr Klagebegehren darauf gestützt, daß ihre Kleidung infolge eines vom Beklagten verschuldeten Brandes zerstört worden sei, nicht aber darauf, daß es der Beklagte nach dem Brande unterlassen habe, die durch das Feuer verschonten Sachen der Klägerin sicherzustellen und aufzubewahren. Die Behauptung der Klägerin, ihre Kleidung sei zum Teil erst durch Witterungseinflüsse unbrauchbar geworden, sei eine unzulässige Neuerung, da sie im Verfahren erster Instanz qualifiziert vertreten gewesen sei. Die Feststellung des Erstgerichtes, es wäre nicht mehr möglich gewesen, mit Hilfe von Feuerlöschern den Brand wirksam zu bekämpfen, entspreche der allgemeinen Erfahrung. Die Feststellungen des Erstgerichtes seien als unbedenklich zu übernehmen. Der Beklagte habe zwar § 12 Abs 2 ASchG verletzt, doch sei diese Verletzung für den Schaden der Klägerin nicht ursächlich gewesen. Im übrigen aber habe der Beklagte die ihm als Arbeitgeber obliegenden Fürsorgepflichten gegenüber der Klägerin erfüllt. Eine Pflicht des Beklagten zum Abschluß einer Versicherung hätte nur bei besonders gefährlichen Umständen im Zusammenhang mit der zu erbringenden Dienstleistung bestanden. Die Voraussetzungen für eine verschuldensunabhängige Haftung des Beklagten i.S. des § 1014 ABGB lägen nicht vor; diese Haftung greife nur bei Schäden ein, die dem Arbeitnehmer infolge typischer Gefahren eines vom Arbeitgeber erteilten Auftrages entstehen. Die Haftung der Gastwirte nach § 970 ff ABGB betreffe nur die von aufgenommenen Gästen eingebrachten Sachen.

Die Klägerin bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes mit Revision wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Sie beantragt, das angefochtene Urteil im Sinne des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise stellt sie Aufhebungsanträge. Der Beklagte beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision der Klägerin nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die Revisionswerberin macht (als Verfahrens- und Feststellungsmangel) geltend, der Beklagte hafte ihr für den entstandenen Sachschaden auch deshalb, weil er die durch das Feuer nicht zerstörte Kleidung nicht sichergestellt habe. Dazu habe die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 10.4.1989 ein ausreichendes Vorbringen erstattet, so daß die entsprechenden Feststellungen zu treffen gewesen wären.

Der gerügte Verfahrensmangel liegt aber nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Dem Schriftsatz der Klägerin ist nur zu entnehmen, daß sie vom Beklagten nicht verständigt wurde, daß noch brauchbare Kleider "vorhanden seien" (also vom Beklagten ohnehin geborgen wurden, was sich auch aus der Aussage der Zeugin Erika M*** ergibt, die diese Sachen sogar zu ihrer Vernehmung zum Bezirksgericht Zell am See mitgebracht hat). Weitere Behauptungen hat die Klägerin nicht aufgestellt. Es war vielmehr der Beklagte, der vorbrachte, die Klägerin habe sich um ihre Sachen überhaupt nicht gekümmert und das Arbeitsverhältnis ohne Kündigung beendet. Das hat die Klägerin nur unsubstantiiert bestritten und darauf nichts erwidert. Von einem neuen Vorbringen zu diesem Rechtsgrund war die Klägerin in zweiter Instanz ausgeschlossen, weil sie schon in erster Instanz von einem Funktionär (Arbeitnehmer) der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Steiermark i.S. des § 40 Abs 1 Z 2 ZPO vertreten worden war (§ 63 Abs 1 ASGG).

Auch die Rechtsrüge der Klägerin ist nicht begründet. Sie vermag ihren Schadenersatzanspruch nicht auf die Verletzung besonderer, die allgemeine Fürsorgepflicht (siehe unten) "konkretisierende" Schutzgesetze zu stützen. Wie schon das Erstgericht dargelegt hat, fällt den Beklagten weder eine Verletzung des § 14 Abs 4 noch des § 16 Abs 1 ASchG zur Last (§ 48 ASGG). Verletzt hat der Beklagte allerdings die zum Schutze des Lebens und der Gesundheit von Arbeitnehmern aufgestellte Schutznorm des § 12 Abs 2 ASchG, wonach Feuerlöschgeräte in regelmäßigen Zeitabständen von einer geeigneten, fachkundigen Person im Sinne des § 5 Abs 3 ASchG auf ihren ordnungsgemäßen Zustand zu prüfen sind und mit der Handhabung der Feuerlöschgeräte eine für wirksame Brandschutzmaßnahmen ausreichende Anzahl von Arbeitnehmern vertraut sein muß. Die Vorinstanzen haben jedoch festgestellt, daß zur Zeit der Entdeckung des Brandes dessen Bekämpfung auch durch entsprechend unterrichtete Personen mit Feuerlöschgeräten nicht mehr möglich gewesen wäre. Dabei handelt es sich um keine rechtliche Schlußfolgerung, sondern um eine Tatsachenfeststellung, die im Revisionsverfahren nicht mehr angefochten werden kann. Dem Beklagten als Übertreter eines Schutzgesetzes ist daher insofern der ihm obliegende Beweis gelungen, daß der Schaden auch bei vorschriftsmäßigem Verhalten (rechtmäßigem Alternativverhalten) eingetreten wäre (§ 1311 AGBG). Eine Verletzung von Aufklärungspflichten im Zusammenhang mit der Vermeidung von Brandgefahren im Personalhaus fällt dem Beklagten nicht zur Last, weil die Schadensursache (Aufstellen einer nicht brennbaren blechernen Werkzeugkiste hinter einem Speicherofen) für einen Laien nicht naheliegend und vorhersehbar war. Daß Vorbringen der Klägerin, auf die Gefahren des Verstellens von Lüftungsschlitzen einer Elektroheizung werde erfahrungsgemäß auf den Geräten hingewiesen, ist eine unzulässige Neuerung.

Der auch in der Rechtsrüge wiederholte Vorwurf, der Beklagte hätte die Klägerin über mögliche Folgeschäden an der durch das Feuer nicht zerstörten Kleidung infolge späterer Witterungseinflüsse aufklären müssen, ist - abgesehen von der unterlassenen Geltendmachung eines solchen Klagegrundes - auch deshalb unberechtigt, weil es in erster Linie ihre Angelegenheit gewesen wäre, sich nach dem Brand darum zu kümmern, was mit ihren Sachen geschehen ist und was davon noch zu retten gewesen wäre. Die Klägerin hat keine Gründe vorgetragen, die sie daran gehindert hätten, sich nach dem Brand um ihre Habe zu kümmern. Ob das Unterlassen des Abschließens eines - an sich zwar

möglichen - Feuerversicherungsvertrages, der auch den Schaden am Hausrat der im Personalhaus untergebrachten Arbeitnehmer mitgedeckt hätte, dem Beklagten als Verletzung seiner Fürsorgepflicht zur Last fiele, ist nicht zu prüfen, weil sich die Klägerin auf diesen Rechtsgrund in erster Instanz nicht gestützt hat. Sie hat das Klagebegehren ausschießlich und ausdrücklich auf ein Verschulden des Beklagten "am Brand" gestützt. Daß der Beklagte von sich aus behauptete, er hätte die Fahrnisse seiner Arbeitnehmer nicht gegen Feuer versichern können, ersetzt ein Vorbringen der dafür behauptungspflichtigen Klägerin nicht.

Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E20751

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:009OBA00102.9.0425.000

Dokumentnummer

JJT_19900425_OGH0002_009OBA00102_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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