TE OGH 1990/4/25 3Ob532/90

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Veröffentlicht am 25.04.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Hule als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber, Dr.Klinger, Dr.Angst und Dr.Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klgenden Partei Manfred S***, Frührentner, Kundl, Austraße 30, vertreten durch Dr.Heinz Mildner, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei G*** Gesellschaft mbH, Enns, Caracallastraße 16, vertreten durch Dr.Wolfgang Dartmann, Rechtsanwalt in Linz, wegen S 250.000,-- s.A. und Feststellung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 5.Dezember 1989, GZ 4 R 134/89-55, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Steyr vom 20.Februar 1989, 1 Cg 215/85-46, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat der beklagten Partei die mit S 12.983,40 (darin S 2.163,80 USt.) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger erlitt am 13.9.1982 beim Hochklappen der Auffahrtsrampe eines Tiefladers der Firm S*** einen Unfall, durch den er schwer verletzt wurde. Er war damals Kraftfahrer der Firma S***. Die bereits hochgekurbelte Auffahrtsrampe schnellte nach dem Anschlagen an die Zugsvorrichtung zurück und fiel auf den darunter stehenden Kläger. Dieser Unfall wurde durch einen Bruch des Zugankers und der Spannstange zur Hilfsfedereinrichtung der Auffahrtsrampe ausgelöst.

Der Kläger begehrte von der beklagten Partei die Bezahlung von S 250.000,-- an Schmerzengeld sowie die Feststellung, daß sie für künftige Schäden aus dem genannten Unfall zu haften habe. Er behauptete, die beklagte Partei habe den Tieflader gebaut und der Firma S*** verkauft. Ursache für den Bruch der genannten Bestandteile sei ein Konstruktionsfehler gewesen bzw. sei für die Spannstange ein schlechteres als dafür vorgesehenes Material verwendet worden. Die die Spannstange umhüllende Feder sei am Querträger aufgelegen, was zu einer Krümmung dieser Feder und damit auch zu einer Krümmung der Stange geführt habe. Daraus hätten sich Biegebeanspruchungen ergeben, die auch konstruktiv bedingt gewesen seien. Die verwendete Spannstange sei zu schwach gewesen. Es wäre technische zweckmäßig gewesen, das ganze Werkstück aus einem Material herzustellen. Der Bruch der Spannstange sei auf konstruktionsbedingte Fehler zurückzuführen. Die beklagte Partei hafte dem Kläger aus ihren Nebenverpflichtungen zum Kaufvertrag. Sie habe auch gegen die Maschinenschutzeinrichtungsverordnung vom 19.1.1961, sohin gegen eine öffentlich-rechtliche Schutznorm, verstoßen. Außerdem habe die beklagte Partei die sie als Produzent treffende Produktbeobachtungspflicht vernachlässigt. Die beklagte Partei beantragte die Klagsabweisung. Zwischen den Streitteilen sei es zu keiner Vertragsbeziehung gekommen. Bestritten wurde das Vorliegen eines Konstruktionsfehlers. Konstrukteur der Auffahrtsrampe sei die Firma G*** Fahrzeugwerk GmbH & Co in Memmingen gewesen, die wiederum von einer Stuttgarter Firma Bestandteile dazugekauft habe. Der Bruch der Spannstange sei auf die mangelnde Wartung des Tiefladers zurückzuführen. Bei ordnungsgemäßer Wartung und Bedienung wären keine Biegekräfte, die zum Bruch geführt haben, aufgetreten.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und traf neben den oben wiedergegebenen noch folgende Feststellungen:

Der Bruch der Spannstange ist auf eine unzulängliche Wartung und die dadurch verursachten zusätzlichen Spannungen und Beanspruchungen des Materials zurückzuführen. Dieser Bruch wäre bei ordnungsgemäßer Wartung nicht aufgetreten. Das für die zu Bruch gegangene Spannstange verwendete Material bietet im Ausmaß von etwa dem Drei- bis Vierfachen der bei ordnungsgemäßer Wartung vorhandenen Betriebsspannungen Sicherheit gegen Bruch und entspricht daher der nach den gültigen Regeln der Technik zu fordernden Sicherheit. Ein Konstruktionsfehler liegt nicht vor.

Rechtlich folgerte das Erstgericht, daß der von der beklagten Partei gelieferte Tieflader, eine ordnungsgemäße Wartung vorausgesetzt, keinen Unfall, wie er tatsächlich eingetreten ist, erwarten lassen habe. Der Unfall sei auf eine mangelhafte Wartung, möglicherweise auch auf eine zweckentsprechende Verwendung zurückzuführen. Der beklagten Partei könne daher kein Verschulden vorgeworfen werden, das zum Unfall geführt (oder zu dessen Entstehung beigetragen) habe.

Über Berufung der klagenden Partei bestätigte das Berufungsgericht mit dem angefochtenen Urteil diese Entscheidung. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es insgesamt entschieden hat, S 300.000,-- übersteigt. Das Berufungsgericht übernahm die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen. Es erwog rechtlich, daß sich der Kläger zur Begründung seines Produkthaftungsanspruches ausdrücklich nur auf einen Konstruktions-, nicht aber auch auf einen möglicherweise vorliegenden Instruktionsfehler berufen habe. Feststellungen, ob eine Verletzung der Aufklärungspflicht vorlag, seien daher entbehrlich gewesen. Bei der vom Kläger behaupteten Vertragshaftung der beklagten Partei gelte nicht die Beweislastumkehr nach § 1298 ABGB. Der Kläger sei aber seiner Pflicht, den den Unfall verursachenden Konstruktionsfehler, sohin die zum Unfall führende Schlechtleistung der beklagten Partei nachzuweisen, nicht nachgekommen. Eine Produkthaftpflicht der beklagten Partei sei daher nicht mehr weiter zu prüfen gewesen. Im übrigen liege auch kein den Unfall verursachender Verstoß gegen die Maschinenschutzeinrichtungsverordnung vor.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung, mit dem Antrag, dieses im Sinne einer Klagsstattgebung abzuändern, hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der Mängelrüge des Revisionswerbers ist ganz allgemein entgegenzuhalten, daß ein Verfahrensmangel, der vom Berufungsgericht als unbegründet erachtet worden ist, im Revisionsverfahren nicht noch einmal wiederholt werden kann (vgl. SSV 1/28 uva). Auch der Vorwurf, das Berufungsgericht habe die Beweisrüge des Klägers gegen das Sachverständigengutachten nur unvollständig behandelt, ist unberechtigt, weil die Argumentation des Berufungsgerichtes nachvollziehbar den gesamten Fragenkomplex behandelt. Im übrigen vermag der Revisionswerber auch nicht zu konkretisieren, welcher Verfahrensverstoß dem Berufungsgericht im einzelnen unterlaufen sein soll. Die Frage, ob ein weiteres Sachverständigengutachten zur Lösung der Tatfrage einzuholen ist, ist der Beurteilung der Beweiswürdigung zuzuordnen und kann daher im Revisionsverfahren nicht mehr geltend gemacht werden. Wie bei Behandlung der Rechtsrüge darzulegen sein wird, liegen auch die weiteren vom Revisionswerber behaupteten Verfahrensmängel nicht vor.

Unbestritten blieb, daß der den Unfall verursachende Bruch der Spannstange auf wechselnde Biegebelastungen zurückzuführen ist. Nach den Feststellungen der Unterinstanzen wurden diese wechselnden Biegebelastungen durch die fehlende Schmierung ausgelöst. Das diesen Feststellungen zugrunde liegende Sachverständigengutachten des Dipl.Ing.Erwin B*** macht die fehlende Schmierung für ein Festsitzen der Spannstangenanlenkung und des Rampengelenkes verantwortlich, sodaß das nach den konstruktiven Ausmaßen vorgesehene Freispiel nicht mehr gegeben war. Die Spannstange war von ihrer Dimensionierung her nur für die Aufnahme achsialer Kräfte geeignet (vgl. AS 47). Damit hat die beklagte Partei unabhängig davon, ob sie nur Händler, Importeur oder Erzeuger war, im Sinne des, im Unfallszeitpunkt noch gar nicht anwendbaren § 7 Abs 2 PHG nicht nur wahrscheinlich gemacht, sondern bewiesen, daß das Produkt den Fehler, der den Schaden verursacht hat, noch nicht hatte, als es in Verkehr gebracht worden ist.

Ein sogenannter Fabrikations- oder Konstruktionsfehler liegt damit nicht vor. Worin ein sogenannter Produktbeobachtungsfehler liegen sollte, wurde von der klagenden Partei nie aufgezeigt. Auch auf einen sogenannten Instruktionsfehler hat sich die klagende Partei nie berufen. Wenn dieser Fehlertypologie auch kein normativer Erkenntniswert zukommt (Fitz-Purtscheller-Reindl, Produkthaftung 81), so muß der Geschädigte bei der Schädigung durch ein an sich fehlerfreies Produkt doch geltend machen, worin der Instruktionsfehler liegen soll (mangelhafte Gebrauchsanweisung, unzureichende Warnung usf).

Da die Frage der Schmierung der Konstruktionsteile der Auffahrtsrampe bei der mündlichen Erörterung des Sachverständigengutachtens Gegenstand des Beweisverfahrens war und in diesem Zusammenhang auch von der klagenden Partei gerügt wurde, daß der dem Sachverständigengutachten beigelegte Schmierplan erst nach dem Unfallsdatum erstellt wurde (vgl. AS 116 ff und 174), also auf diese Tatumstände detailliert eingegangen wurde, kann in diesem Zusammenhang nicht von einer Verletzung der Anleitungspflicht durch das Gericht - gemeint kann wohl nur das Erstgericht sein, weil dem Berufungsgericht zufolge des Neuerungsverbotes eine solche Erörterung verwehrt war - gegenüber der rechtsfreundlich vertretenen klagenden Partei gesprochen werden. Nach dem Vorliegen des Sachverständigengutachtens mußte die klagende Partei damit rechnen, daß es nur mehr auf die Wartung dies Tiefladers ankommen könnte. Der beklagten Partei kann aber - abgesehen davon, daß sich die klagende Partei auf diese Verschuldenskomponente nicht berufen hat - auch keine Verletzung der Instruktionspflicht vorgeworfen werden.

Die Judikatur hat zwar in Übereinstimmung mit der Lehre (vgl. Bydlinski in Klang2 IV/2, 322 ff) stets ausgesprochen, daß der Verkäufer eines an sich fehlerfreien Produkts, dessen Verwendung in spezifischen Teilbereichen zu Schädigungen führen könnte, die Nebenverpflichtung zur Anleitung und Aufklärung hat (vgl. RZ 1982/49 sowie SZ 43/220). Die Haftung für "generell-abstrakt" fehlerfreie Produkte, die in "individuell-konkreten Teilbereichen" der Verwendung zu Schädigungen führen können und somit gefahrenträchtig sind, ist zu bejahen, wenn der Veräußerer mit einer derartigen Verwendung rechnen mußte und dennoch auf die drohenden Gefahren nicht hingewiesen hat (vgl. JBl. 1977, 146 mit Anmerkung von Rummel; RZ 1982/49).

Nach der vor dem Produzentenhaftpflichtgesetz geltenden Rechtslage kam aber eine Schadenersatzpflicht nur bei Verschulden des Verkäufers in Betracht. Die Rechtsprechung verneinte Aufklärungs- und Warnpflichten dann, wenn die mit dem Gebrauch des Produktes verbundenen Gefahren ganz offenkundig und für jedermann sogleich erkennbar sind (vgl. RZ 1982/49; 4 Ob 549/79). Somit wird die Schutzwürdigkeit des Bestellers oder Käufers nicht schon dadurch ausgeschlossen, daß er sachkundig ist oder sachverständig beraten wird (EvBl 1961/78; SZ 35/73; SZ 45/75). Wenn allerdings der Unternehmer oder Verkäufer vernünftigerweise erwarten darf, daß dem Besteller die mit dem Gebrauch des Gutes verbundenen Gefahren aufgrund seiner Sachkunde bekannt sind, braucht er ihn nicht zu warnen. Diesbezügliche Unklarheiten gingen zwar zu Lasten des Unternehmers. Er hätte zu beweisen, daß eine Warnung im konkreten Fall nicht erforderlich war (vgl. SZ 45/75; RZ 1982/49). Wenn die Grundsätze aber zum selbstverständlichen Wissensstand eines befugten Gewerbetreibenden gehören und damit zu rechnen ist, daß das Produkt durch solche Personen oder unter ihrer Heranziehung Verwendung findet, so entfällt die Warnpflicht (vgl. RZ 1982, 49). Dasselbe gilt, wenn die in spezifischen Teilbereichen drohenden Gefahren einem sachkundigen Verbraucher ohnedies offenkundig sind (vgl. JBl. 1977, 146; Welser, Kurzkommentar zum Produkthaftpflichtgesetz, § 5 Rz 28 f).

Die Tatsache, daß Gewinde und eine Rampenlagerung, aber auch ein Sicherungsbolzen in regelmäßigen Zeitabständen eingefettet werden müssen, um die Gebrauchsfähigkeit bzw. im vorliegenden Fall die Sicherungsfähigkeit zu erhalten, kann bei einem Benützer eines Tiefladers als allgemein bekannt vorausgesetzt werden, sodaß es dazu keiner speziellen Schmieranleitung bedurfte. Aufgrund der Erfahrungen des täglichen Lebens darf davon ausgegangen werden, daß bei der festgestellten Schwergängigkeit der Rampe offenkundig sein mußte, daß keine oder keine ausreichende Schmierung mehr vorliegt und damit die Sicherung der Zugankervorrichtung nicht mehr gegeben war. Bei dem Gewicht, das die Auffahrtsrampe offensichtlich aufwies, war auch nicht damit zu rechnen, daß die fehlende Schmierung nur zu einem Blockieren führt, sondern es mußte mit großer Wahrscheinlichkeit mit einem Herabfallen der senkrecht aufgestellten Rampe beim Ausfall des Sicherungsankers gerechnet werden. Der in der Revision angesprochene Schmierplan des Erzeugers könnte keinen anderen Inhalt gehabt haben, als die Aufforderung, in bestimmten Zeitabständen, bei Verschmutzung oder überdurchschnittlich großer Beanspruchung der Auffahrtsrampe eben häufiger, die entsprechenden Konstruktionsteile einzufetten.

Da den Feststellungen auch kein Verstoß gegen die Maschinenschutzverordnung vom 19.1.1961 (BGBl. 1961/43) entnommen werden kann, muß der unbegründeten Revision ein Erfolg versagt bleiben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E20601

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0030OB00532.9.0425.000

Dokumentnummer

JJT_19900425_OGH0002_0030OB00532_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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