TE OGH 1990/5/8 4Ob67/90

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Veröffentlicht am 08.05.1990
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Kodek, Dr. Niederreiter und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W***-S*** ZUR F*** L***

W*** IM IN- UND A***, Salzburg, Imbergstraße 17, vertreten durch Dr. Wolf Schuler, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei S*** A*** FÜR E***,

Salzburg, Schwarzstraße 44, vertreten durch Dr. Rupert Wöll und Dr. Robert Mühlfellner, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren S 450.000,-), infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 15. Februar 1990, GZ 5 R 12/90-10, womit der Beschluß des Landesgerichtes Salzburg vom 19. Dezember 1989, GZ 9 Cg 388/89-4, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Revisionsrekurses selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die beklagte Aktiengesellschaft, deren Geschäftszweck der Vertrieb von Strom und Erdgas im Land Salzburg ist, verteilte in diesem Land farbige Werbebroschüren mit dem Titel "Energie-Spar-Ratgeber - Die neue Informationsserie für Energiebewußte". Ein Heft dieser aus insgesamt vier Heften bestehenden Broschürenreihe trug den Untertitel "Warmes Wasser wirtschaftlich". Auf Seite 2 dieses Heftes war zu lesen:

"Das Energiesparbewußtsein hat in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht. Wärmedämmung von Gebäuden und Nutzung modernster Technik für Heizanlagen haben geholfen, die Energiekosten für den Energieverbraucher Nummer Eins im Haushalt, die Raumheizung, zu senken.

Viel weniger dachte man ans warme Wasser. Schließlich 'läuft' das ja vielfach ohnedies mit der Zentralheizung 'mit'. Als ob es ein 'Gratis-Nebenprodukt' der Heizanlage wäre. Leider stimmt das nicht. Denn um aus einem Liter kaltem Wasser einen Liter Warmwasser zu machen, muß Energie, meist in Form von Öl, Kohle, Gas oder Strom, eingesetzt werden. Über dieses Naturgesetz können wir nicht hinweg.

Was wir aber können, ist: Ihnen zu zeigen, wie dies möglichst wirtschaftlich mit geringem Energie- und Kosteneinsatz geschehen kann. Darüber wollen wir Sie in formieren.".

Die Seiten 4 und 5 enthielten unter der Überschrift "Warum möglichst nicht mit dem Heizkessel?" folgende Ausführungen:

Abbildung nicht darstellbar!

Mit der Behauptung, daß die Beklagte mit dieser Broschüre versuche, den Markt "Hausbrand" dem Brennstoff- und Mineralölhandel abzuwerben und dadurch zum Beziehen der elektrischen Energie zu überreden, daß sie in Form einer massiven vergleichenden Werbung nicht nur die Vorzüge ihrer eigenen Leistungen (unter Außerachtlassung ihrer Nachteile) anpreise, sondern zugleich damit die Nachteile der Waren und Leistungen des Brennstoff- und Mineralölhandels unter Außerachtlassung von deren Vorteilen darstelle, begehrt der klagende Wettbewerbsverband zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches, der Beklagten - soweit für das Revisionsrekursverfahren noch von Bedeutung - mit einstweiliger Verfügung aufzutragen, es ab sofort im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbes zu unterlassen, für die Verwendung des von ihr vertriebenen Produktes "Strom" und für den Einsatz elektrischer Geräte, wie elektrischer Wärmepumpen, elektrischer Warmwasseraufbereitungsanlagen etc., vergleichend dadurch zu werben, daß einerseits große Nachteile beim Einsatz von Ölheizungen, insbesondere für die Warmwasseraufbereitung, behauptet werden und andererseits diesen Nachteilen die Vorteile des Einsatzes von elektrischen Energie bzw. der Verwendung elektrischer Geräte, wie elektrischer Wärmepumpen, elektrischer Warmwasseraufbereitungsanlagen etc., gegenübergestellt werden. Die Beklagte beantragt die Abweisung des Sicherungsbegehrens. In der gesamten Broschüre werde das Produkt "Strom" in keiner Weise "in Wettbewerb zum Einsatz von Heizöl gebracht". Weder ausdrücklich noch sinngemäß werde auf die Nachteile anderer Energieträger gegenüber dem elektrischen Strom Bezug genommen; vielmehr werde nur aus technischen und energiewirtschaftlichen Überlegungen empfohlen, die Warmwasserbereitung vom Kessel zu trennen, weil - wie jedermann leicht einsehen könne - die Installation von Warmwasseraufbereitungsanlagen, die weit vom Verbraucher entfernt liegen, hohe Energieverluste bewirke. Es liege kein Produktvergleich, sondern die Gegenüberstellung zweier "Philosophien" vor. Der Vorschlag, elektrische Geräte dezentral zwecks Warmwasserbereitung einzusetzen, verstoße nicht gegen gesetzliche Bestimmungen; dazu gebe es, wenn man von Gasdurchlauferhitzern absehe, keine Alternativen. Ein Wettbewerbsverhältnis zwischen der Beklagten und Brennstoff- und Mineralölhändlern sei nicht zu unterstellen.

Der Erstrichter erließ die einstweilige Verfügung. Der Kläger sei gemäß § 14 UWG klageberechtigt. Auch wahrheitsgemäße Vergleiche verstießen dann gegen § 1 UWG, wenn sich der Werbende nicht mit einer Anpreisung der Vorzüge seiner Waren und Leistungen begnügt, sondern damit zugleich einen Hinweis auf die Nachteile der angebotenen Mitbewerber verbindet. Da die Beklagte im vorliegenden Fall nur die Nachteile der Warmwasseraufbereitung mit festen und flüssigen Brennstoffen und die Vorteile der Aufbereitung mit Strom aufzeige, verstoße ihre Werbung gegen § 1 UWG.

Das Rekursgericht wies den Sicherungsantrag ab und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,- übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Die Beklagte stehe in einem Wettbewerbsverhältnis zum Brennstoffhandel, weil sich beide an einen im wesentlichen gleichen Kreis von Abnehmern wendeten. Folgten die Konsumenten der Empfehlung der Beklagten, dann sei jedenfalls im Sommer ein Ansteigen des Stromverbrauches zu Lasten des Verbrauches von Heizöl oder anderen Brennstoffen zu erwarten. Die beanstandete Werbung sei als Systemvergleich zu werten, vergleiche doch die Beklagte die Herstellung von Warmwasser in Einfamilienhäusern im Sommer nach dem - als üblich unterstellten - Modell der zentralen Warmwasserbereitung mittels Heizkessels mit der "dezentralen" Warmwasserbereitung. Ein Systemvergleich dürfe nicht dazu mißbraucht werden, um durch den Hinweis auf die Minderwertigkeit der Waren oder Leistungen eines oder mehrerer bestimmter, namentlich genannter oder doch deutlich erkennbarer Mitbewerber für die eigenen Waren und Leistungen zu werben. Diese Voraussetzung liege aber hier nicht vor, weil an jeder Tankstelle Heizöl erhältlich sei. Unzulässig bleibe es auch, Konkurrenzprodukte in unsachlicher Weise durch eine Karikatur herabzusetzen und der Lächerlichkeit preiszugeben. Die Zeichnung auf Seite 4 der Broschüre lasse zwar einen gewissen komischen Kontrast zwischen der Sommerstimmung im Freien und der großen Flamme im Heizkessel erkennen; daß damit die Lieferanten fester oder flüssiger Brennstoffe herabgesetzt oder der Lächerlichkeit preisgegeben würden, könne aber nicht gesagt werden. Allenfalls könnte daraus der Eindruck gewonnen werden, die Beklagte wolle es als lächerlich hinstellen, wenn - im Sinne ihres Textes - im Sommer zur bloßen Warmwasserbereitung für das Händewaschen ein großer Heizkessel in Betrieb genommen werde. Auch unter diesem Gesichtspunkt sei daher der Systemvergleich nicht unzulässig. Entscheidend sei allerdings, daß der Systemvergleich nur dann zulässig sei, wenn er wahr ist. Da keine der Parteien die Wahrheit oder Unwahrheit der beanstandeten Aussage bescheinigt habe, komme es darauf an, welche Partei die Beweislast für die Richtigkeit oder Unrichtigkeit des Systemvergleiches zu tragen habe. Da der Systemvergleich in Wahrheit mangels Bezugnahme auf bestimmte oder bestimmbare Mitbewerber keine vergleichende Werbung und daher grundsätzlich zulässig sei, habe der Kläger die Unrichtigkeit des Systemvergleiches zu beweisen (bescheinigen). Da er dies nicht getan habe, sei der Sicherungsantrag abzuweisen.

Gegen diesen Beschluß wendet sich der Revisionsrekurs des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag den Beschluß des Erstrichters wiederherzustellen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte hat sich am Revisionsrekursverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Mit Recht hat das Rekursgericht in der beanstandeten Werbeaussage einen Systemvergleich erblickt. Ein solcher liegt dann vor, wenn in der Werbung allgemeine Systeme der Fertigung, der Beschaffung, des Vertriebes, der Arbeitsweise oder der Anwendung von Mitteln vergleichend gegenübergestellt werden, ihre Vor- und Nachteile erörtert werden und dabei jede erkennbare Bezugnahme auf bestimmte Mitbewerber vermieden wird (Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht15, 701 Rz 311 zu § 1 dUWG; Gamerith, Die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur vergleichenden Werbung - Verbotsprinzip oder Mißbrauchsprinzip?, HWR H 6, 7 ff Ä26Ü; ÖBl 1985, 92; ÖBl 1986, 63 ua). Da beim Systemvergleich die Bezugnahme auf namentlich genannte oder doch deutlich erkennbare Mitbewerber fehlt, liegt er definitionsgemäß außerhalb der vergleichenden Werbung (Baumbach-Hefermehl aaO; Gamerith aaO). Ein Systemvergleich ist grundsätzlich zulässig (Baumbach-Hefermehl aaO 703 Rz 314; Gamerith aaO 27); er darf aber nicht dazu mißbraucht werden, um durch Hervorheben der Minderwertigkeit der Waren oder Leistungen bestimmter Mitbewerber Propaganda zu machen (ÖBl 1985, 92; ÖBl 1986, 63 ua). Daß durch einen solchen Vergleich die Interessen von Mitbewerbern berührt werden, insbesondere den Vertretern des Systems, das bei dem Vergleich schlechter abschneidet, Wettbewerbsnachteile zugefügt werden, ist unvermeidlich und macht den Systemvergleich entgegen der Meinung des Klägers nicht unzulässig. Der Kläger kann auch aus seinem Hinweis darauf nichts gewinnen, daß die Beklagte als Anbieterin von Strom eine Monopolstellung innehat und ihre Werbeaussage von jedem Leser auf seinen jeweiligen Brennstofflieferanten bezogen werde, ändert doch dieser Umstand nichts daran, daß die Beklagte selbst auf keinen konkreten Mitbewerber Bezug nimmt. Der Kläger mißversteht den Begriff des Systemvergleiches auch insoweit, als er meint, die beanstandete Werbeankündigung sei deshalb nicht als Systemvergleich einzustufen, weil die Beklagte nicht alle Vor- und Nachteile der beiden einander gegenübergestellten Systeme enthalte. Maßgebend ist nur, daß die verglichenen Systeme mit ihren (angeblichen) Vor- und Nachteilen gegenübergestellt werden. Das trifft auf die Information auf den Seiten 4 und 5 des Heftes "Warmes Wasser wirtschaftlich" in der Reihe "Energie-Spar-Ratgeber" zu, wird doch dort dem aufwendigen System der zentralen Warmwasserbereitung das kostengünstige einer dezentralisierten Warmwasserbereitung gegenübergestellt. Ob die Beklagte dabei allfällige Vorteile des ersten Systems und möglich Nachteile des zweiten Systems vernachlässigt hat, entscheidet nicht darüber, ob ein Systemvergleich vorliegt, sondern nur darüber, ob er auch richtig ist.

Auch für den Systemvergleich gilt das Wahrheitsgebot (Baumbach-Hefermehl aaO, 703 f Rz 314 und 726 Rz 357; ÖBl 1983, 139); enthält der Systemvergleich unrichtige Angaben, dann verstößt er gegen § 2 UWG. Die Beweislast für die Unrichtigkeit einer Ankündigung trifft - von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen - den Kläger (ÖBl 1984, 97 uva). Soweit der Kläger unter Hinweis auf die Rechtsprechung zur grundsätzlichen Unzulässigkeit der vergleichenden Werbung die gegenteilige Auffassung vertritt, ist er darauf zu verweisen, daß der Systemvergleich nach dem oben Gesagten kein Fall der vergleichenden Werbung ist. Die bloße Vorlage der Werbeschrift der Beklagten schafft entgegen den Rechtsmittelausführungen des Klägers keinen "prima facie-Beweis" für die "Verzerrtheit und Unvollständigkeit" der beanstandeten Werbeaussage. In erster Instanz hat der Kläger die Unrichtigkeit dieses Werbetextes weder ausreichend konkret behauptet noch bescheinigt.

Dem Kläger kann auch darin nicht gefolgt werden, daß die Beklagte ihre Mitbewerber im Sinne der Entscheidung ÖBl 1975, 108 durch eine Karikatur lächerlich gemacht und damit herabgesetzt hätte. Durch die Zeichnung auf Seite 4 der Broschüre wird kein Brennstoff- und Mineralölhändler lächerlich gemacht; gezeigt wird nur die Absurdität, die darin liegt, daß ein großes Feuer mit entsprechender Rauchentwicklung entfacht werden muß, damit bei hochsommerlichen Temperaturen Warmwasser zum Händewaschen einer Person gewonnen wird. Damit soll nur drastisch die Unwirtschaftlichkeit des Systems einer zentralen Warmwasseraufbereitung vor Augen geführt werden, der gegenüber bei der jeweiligen Wasserentnahmestelle angebrachte Durchlauferhitzer ökonomischer seien. Eine solche Darstellung verstößt nicht gegen die guten Sitten; nur wenn sie einen sachlich unrichtigen Eindruck erwecken könnte, wäre sie unzulässig (§ 2 UWG).

Diese Erwägungen führen zur Bestätigung des angefochtenen Beschlusses.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsrekurses gründet sich auf §§ 78, 402 Abs 2 EO, §§ 40, 50 ZPO.

Anmerkung

E20644

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0040OB00067.9.0508.000

Dokumentnummer

JJT_19900508_OGH0002_0040OB00067_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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