TE Vwgh Erkenntnis 2005/11/24 2005/07/0084

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Veröffentlicht am 24.11.2005
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Index

83 Naturschutz Umweltschutz;

Norm

AWG 2002 §1 Abs3 Z1;
AWG 2002 §1 Abs3;
AWG 2002 §2 Abs1 Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Graf und die Hofräte Dr. Bumberger, Dr. Beck, Dr. Hinterwirth und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Chlup, über die Beschwerde des Dr. W K in Z, vertreten durch Dr. Thomas Gratzl, Rechtsanwalt in 4600 Wels, Pfarrgasse 15a, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 11. April 2005, Zl. UR-180124/5-20054-St/Hi, betreffend einen Behandlungsauftrag nach dem Abfallwirtschaftsgesetz 2002, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Bezirkshauptmannschaft U (BH) wurde zur Kenntnis gebracht, dass der Beschwerdeführer auf näher bezeichneten Grundstücken alte Eisenbahnschwellen aufgestellt bzw. als Umzäunung verwendet habe.

Die BH stellte einem Amtssachverständigen folgende Fragen:

"1. Ist bei der gegenständlichen Verwendung von gebrauchten Bahnschwellen mit einer Gefährdung der Umwelt insbesondere des Bodens bzw. des Grundwassers zu rechnen?

2. Ist bei der gegenständlichen Verwendung von gebrauchten Bahnschwellen mit relevanten Geruchsbelästigungen (Geruch speziell bei intensiver Sonneneinstrahlung) zu rechnen?"

In seinem Gutachten vom 10. Dezember 2003 führte der Amtssachverständige aus:

"1. Befund:

Beim Ortsaugenschein konnte festgestellt werden, dass auf diesem Grundstück Nr. 413/1 mind. 40 Stück Bahnschwellen als Einzäunung einer Pferdekoppel in Verwendung stehen.

...

Die Schwellen wurden entlang der Grundstücksgrenzen in einem Abstand von rund 3 m direkt in den Boden (Tiefe ca. 0,5 m) gesetzt. Die Schwellen waren teilweise bereits stark gebleicht bzw. konnte bei einigen starke Verwitterung festgestellt werden. Ein Teil der an der Nordseite in Verwendung stehenden Bahnschwellen zeigte auch deutliche Spuren von Imprägnierungsmitteln in brauner bis schwarzer Farbe.

Während des Lokalaugenscheines war überwiegend sonniges Wetter. Die Temperatur vor Ort betrug im Schatten ca. 10 bis 12 Grad C, es wehte fallweise leicht wahrnehmbarer Wind. Organoleptisch war nur in der Nähe bzw. in unmittelbarer Nähe der Bahnschwellen leichter Geruch nach aromatischen Kohlenwasserstoffen wahrnehmbar (bis ca. 0,3 m Entfernung bei Windstille, ca. 3 bis 4 m bei leichtem Wind).

...

2. Gutachten:

Allgemeines:

Eisenbahnschwellen aus Holz wurden zum Schutz vor Verwitterung vor dem Einbau, d.h. vor ihrer bestimmungsgemäßen Verwendung, druckimprägniert.

Laut einschlägiger Fachliteratur handelt es sich bei den früher bei der Bahnschwellenbehandlung verwendeten Imprägnierungsmitteln meist um organische Flüssigkeiten wie Teeröle (Steinkohlenöle, Braunkohlen- und Holzteeröle).

Entsprechend dem Vorkommen bzw. den allgemeinen Eigenschaften von Teeröl überwiegen dabei Verbindungen mit großen Molekülen, die schwer flüchtig und praktisch wasserunlöslich sind.

Das bekannteste Präparat ist 'Carbolineum', welches vorwiegend als Konservierungsmittel verwendet wurde.

Dieses ist ein öliges, wasserunlösliches, brennbares, braunrotes, teerig riechendes Gemisch aus Steinkohlenteerbestandteilen. Dementsprechend ist Carbolineum ein nicht näher bestimmbares Gemisch von Kohlenwasserstoffen mit relativ hohem Anteil an Aromaten (ringförmige Verbindungen).

Unter den aromatischen Verbindungen befinden sich auch Stoffe (wie polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe, Phenol und dessen Derivate), die als toxisch bzw. cancerogen gelten.

'Carbolineum' wurde neben der Verwendung als Imprägnierungsmittel für Bahnschwellen auch als konservierendes Anstrichmittel für Telegraphenstangen, Pfähle, etc. benutzt.

Bahnschwellen können zudem einsatzbedingt durch verschiedenste Stoffe wie z.B. Weichenöle und Herbizide kontaminiert sein.

Im Hinblick auf die Verwendung von Bahnschwellen zur Errichtung der ggst. Pferdekoppel ist festzuhalten, dass eine Beeinträchtigung der Umwelt grundsätzlich auf zwei Wegen erfolgen kann:

-

Auswaschung umweltgefährdender Kohlenwasserstoffverbindungen und schließlich Verfrachtung dieser in den Boden bzw. in das Grundwasser,

-

Geruchsbelästigung durch Abdampfen von Bestandteilen des Imprägnierungsmittels, insbesondere an heißen Sonnentagen.

Beantwortung der Beweisthemen:

              1.              Ist bei der ggst. Verwendung von gebrauchten Bahnschwellen mit einer Gefährdung der Umwelt insbesondere des Bodens bzw. des Grundwassers zu rechnen?

              2.              Ist bei der ggst. Verwendung von gebrauchten Bahnschwellen mit relevanten Geruchsbelästigungen (Geruch speziell bei intensiver Sonneneinstrahlung) zu rechnen?"

Zu. 1.:

Für eine Prognose über das tatsächliche Verhalten des Imprägnierungsmittels bzw. weiterer einsatzbedingter umweltgefährdender Stoffe (z.B. Weichenöle und Herbizide) ist es von Bedeutung, wie lange bzw. wo die Schwellen in bestimmungsgemäßer Verwendung waren. Sind beispielsweise Bahnschwellen während der bestimmungsgemäßen Verwendung über viele Jahre ungeschützt der Witterung ausgesetzt gewesen, kann davon ausgegangen werden, dass die leichter auswaschbaren Bestandteile des Imprägnierungsmittels bereits ausgewaschen wurden bzw. die leichter flüchtigen Bestandteile bereits verdampft sind.

Im geschilderten Fall erscheint eine Auswaschung relevanter Mengen an Schadstoffen infolge Niederschlagswasser aus den zur Errichtung der ggst. Pferdekoppel verwendeten ausgedienten Bahnschwellen eher wahrscheinlich. In diesem Zusammenhang darf auf mehrere an der Nordseite in Verwendung stehende Bahnschwellen, welche noch deutliche Spuren des Imprägnierungsmittels in brauner und schwarzer Farbe trugen, verwiesen werden.

Eine Beeinträchtigung (im Sinne der Auswaschung von Schadstoffen infolge Niederschlagswasser) des Bodens bzw. des Grundwassers hängt nicht zuletzt auch vom Bodenaufbau des vorgesehenen Einsatzortes ausgedienter Bahnschwellen ab.

Insbesondere polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe haften gut an kleinen Feststoffpartikeln, sodass ein Boden mit hohem Feinanteil über gutes Rückhaltevermögen verfügt und beispielsweise eine Barriere gegenüber der Verfrachtung von Schadstoffen in das Grundwasser darstellt.

Zudem ist von besonderer Bedeutung bzw. zu klären, inwieweit sich in unmittelbarer Nähe eines Einsatzortes von ausgedienten Bahnschwellen für die Verwendung als Trinkwasser bedeutende Grundwasservorkommen befinden.

Welche. bzw. in welchem Ausmaß Imprägnierungsmittel bzw. weitere einsatzbedingte umweltgefährdende Stoffe in den Boden gelangen, hängt also hauptsächlich - wie den Befundausführungen zu entnehmen ist - von der Art der Einsatzstoffe und der bisherigen Verwendung bzw. Verwendungsdauer der Schwellen ab.

Zusammenfassend bedeutet dies, dass eine relevante Kontamination des Bodens direkt unter den Bahnschwellen jedenfalls nicht ausgeschlossen werden kann. Auch eine Beeinträchtigung des Grundwassers im Nahbereich der verwendeten Bahnschwellen kann nicht ausgeschlossen werden, da die Möglichkeit von Schadstoffverfrachtungen zum Grundwasserkörper angenommen werden muss.

Zu 2.:

Aromatische Kohlenwasserstoffe verfügen über intensive charakteristische Gerüche und sind auch noch in sehr geringer Konzentration (im ppm-Bereich) von Menschen geruchlich wahrnehmbar.

Wie massiv Geruchsbelästigungen insbesondere bei wärmeren Witterungsperioden von ausgedienten Eisenbahnschwellen ausgehen, hängt im weiteren auch von der Anzahl der gelagerten Schwellen, vom Windaufkommen am Einsatzort, Einsatzstoffe, Lufttemperatur etc. ab.

Zur Beantwortung einer allfälligen Geruchsbelästigung in einem ähnlich gelagerten Fall wurden zur Klärung des Sachverhaltes durch einen Vertreter des chemisch-analytischen Zentrallabors des Amtes der Oö. Landesregierung ... im Beisein eines Amtssachverständigen der ehem. Unterabteilung Abfallwirtschaft Emissionsmessungen im Nahbereich von ca. 80 Stk. gestapelten Eisenbahnschwellen (Stützwand) vorgenommen.

Am Tage der Messungen lagen die Schwellen frei der Witterung ausgesetzt. Während der Durchführung der Messungen war sonniges Wetter, unterbrochen von kurzen bewölkten Perioden. Die Temperatur vor Ort betrug 28  Grad C.

Organoleptisch war nach Auskunft des Amtssachverständigen nur in unmittelbarer Nähe der Bahnschwellen leichter Geruch nach aromatischen Kohlenwasserstoffen wahrnehmbar (bis ca. 1 m Entfernung).

Es wurden zwei Messpunkte ausgewählt. Messpunkt 1 befand sich direkt über den Schwellen (Entfernung ca. 25 cm), Messpunkt 2 im Garten eines benachbarten Anwesens (Entfernung von den Schwellen ca. 3 m Luftlinie).

Im Hinblick auf das für Bahnschwellen verwendete Imprägnierungsmittel 'Carbolineum' wurde die Konzentration an Toluol, Xylolen, C3-C4-Benzolen, Styrolen und Naphthalin bestimmt.

Die Auswertung der Analysenergebnisse ergab, dass sowohl beim Messpunkt 1 als auch beim Messpunkt 2 keine nachweisbare Belastung der untersuchten Luft mit den oben genannten Schadstoffen vorlag. Die Konzentrationen lagen im Bereich üblicher Immissionswerte. Unter Zugrundelegung des Analysenergebnisses scheint zumindest im untersuchten Fall mit hoher Wahrscheinlichkeit nachgewiesen, dass durch die Verwendung von Eisenbahnschwellen zur Errichtung einer Stützwand zwar keine nachteiligen Emissionen verursacht werden, jedoch von diesen trotzdem relevante Geruchsbelästigungen ausgehen dürften.

Im ggst. Fall kann unter Zugrundelegung des beim durchgeführten Lokalaugenschein festgestellten Ergebnisses mit einiger Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass von der bestehenden Pferdekoppel aus Eisenbahnschwellen, insbesondere durch die an der Nordseite des Grundstückes Nr. 413/1 situierten Bahnschwellen, relevante Geruchsbelästigungen ausgehen dürften. Von den Geruchsbelästigungen dürften unter anderem auch die unmittelbar nördlich angrenzenden Grundstücksnachbarn betroffen sein.

Es darf weiters angemerkt werden, dass sich voraussichtlich im Laufe der Zeit eine Abschwächung der Geruchsprobleme ergeben dürfte, da durch die ständig fortschreitende Verwitterung der Bahnschwellen mit einem Nachlassen der Geruchsemission allmählich zu rechnen ist."

Der Amtsarzt der BH gab am 23. Jänner 2004 folgende Stellungnahme ab:

"Wie vom technischen Amtssachverständigen ausgeführt, ist hinsichtlich der Umweltgefährdung durch Bahnschwellen einerseits die Gefährdung der Umwelt, insbesondere des Bodens bzw. des Grundwassers zu diskutieren und andererseits eventuelle Geruchsbelästigungen, die seitens der gebrauchten Bahnschwellen ausgehen.

Im Rahmen des Ortsaugenscheines wurde festgestellt, dass das landwirtschaftliche Gut und die angrenzende landwirtschaftliche Freifläche von ca. 40 Bahnschwellen eingezäunt ist (Pferdekoppel).

Am Tage des Ortsaugenscheines herrschte sonniges Wetter, jedoch niedrige Temperaturen von 10 - 12 Grad.

Dabei konnte festgestellt werden, dass in unmittelbarer Nähe der Bahnschwellen von ca. 0,3 m der Geruch nach aromatischen Kohlenwasserstoffen eindeutig wahrnehmbar war, wobei dies besonders für die frischdruckimprägnierten Bahnschwellen zutrifft.

Wie vom technischen Amtssachverständigen ausgeführt, handelt es sich hiebei um Geruchsemittenten, die von Bahnschwellen ausgehen. Es handelt sich um organische Flüssigkeiten wie Teeröle (Steinkohlenöle, Braunkohlenöle und Holzteeröle).

Das bekannteste Präparat aus dieser Formengruppe ist das 'Carbolineum', ein teerig riechendes Gemisch aus Steinkohleteerbestandteilen. Es handelt sich dabei um polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe, die entsprechend den Marktwertbestimmungen als toxisch bzw. cancerogen anzusehen sind.

Hinsichtlich der abschließenden Stellungnahme, inwieweit eine Gefährdung der Umwelt, gerade des Bodens oder des Grundwassers gegeben ist, ist abzuklären, ob sich in der Nähe dieser aufgestellten Bahnschwellen Brunnenanlagen befinden, die zu Trinkwasserzwecken herangezogen werden.

Inwieweit von geologischer Seite her durch einen hohen Feinanteil ein gutes Rückhaltevermögen und somit eine Barriere bezüglich der Verfrachtung von Schadstoffen und das Grundwasser gegeben ist, wäre abzuklären.

Diesbezüglich ist der geologische Amtssachverständige zu kontaktieren.

Wie vom technischen Amtssachverständigen auch ausgeführt wird, ist eine relevante Kontamination des Bodens direkt unter den Bahnschwellen nicht auszuschließen.

Die Beeinträchtigung des Grundwassers ist abhängig vom Feinanteil des Bodens und somit von dem Umstand, inwieweit Schadstoffverfrachtungen zum Grundwasserkörper überhaupt möglich sind.

Was die Geruchsbelästigung anlangt, darf festgehalten werden, dass aromatische Kohlenwasserstoffe über intensive charakteristische Gerüche verfügen, jedoch beim Ortsaugenschein festzustellen war, dass auf Grund der relativ niedrigen Lufttemperatur lediglich die frisch beteerten behandelten Bahnschwellen als Emittenten im unmittelbaren Nahbereich wahrgenommen werden konnten.

Die Geruchsbelästigung ist temperaturabhängig.

Bezogen auf die organoleptische Messung vom Messpunkt 1, er war 25 cm von den Schwellen entfernt und Messpunkt 2 im Garten eines benachbarten Anwesens mit einer Luftlinie von ca. 3 m Entfernung ist festzuhalten, dass beim Messpunkt 1 sowie beim Messpunkt 2 keine nachweisbare Belastung der untersuchten Luft vorgelegen hat, sodass diesbezüglich keine signifikanten nachteiligen Emissionen und somit relevante Geruchsbelästigungen gegeben waren.

Wie die Situation im Sommer bei hohen Außentemperaturen zu bewerten ist, ist erst durch einen entsprechenden Ortsaugenschein möglich.

Die eher geringen Temperaturen von 10 - 12 Grad sind nicht repräsentativ."

Mit Bescheid vom 10. Mai 2004 erteilte die BH dem Beschwerdeführer gemäß § 73 Abs. 1 Z. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 sowie Abs. 4 Z. 3 und § 15 Abs. 3 des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002, BGBl. Nr. 102 (AWG 2002) folgenden Auftrag:

"Herrn (Beschwerdeführer) wird als gesetzlich Verpflichteten aufgetragen, die auf den Grundstücken Nr. 413/9 und 413/10, der KG I, der Gemeinde Z, aufgestellten bzw. als Umzäunung verwendeten Bahnschwellen in den Bereichen an der Nordseite (Grundstück Nr. 413/9 und 413/10) 15 Stück, an der Westseite (Grundstück Nr. 413/10) 11 Stück, an der Ostseite (Grundstück Nr. 413/9) 1 Stück und an der Südseite (Grundstück Nr. 413/9 und 413/10) 13 Stück, welche einen nicht gefährlichen Abfall im Sinne des AWG 2002 darstellen, ordnungsgemäß bis zum 30. Juni 2004 zu entfernen und einem gemäß § 25 AWG 2002 befugten Abfallsammler oder Behandler zu übergeben."

In der Begründung stützte sich die BH auf das Gutachten des technischen Amtssachverständigen und führte aus, zusammenfassend bedeute dies, dass eine relevante Kontamination des Bodens direkt unter den Bahnschwellen unter Zugrundelegung des Ergebnisses des Lokalaugenscheins jedenfalls nicht ausgeschlossen werden könne. Auch eine Beeinträchtigung des Grundwassers im Nahbereich der verwendeten Bahnschwellen könne nicht ausgeschlossen werden, da die Möglichkeit von Schadstoffverfrachtungen zum Grundwasserkörper angenommen werden müsse. Mit großer Wahrscheinlichkeit müsse auch davon ausgegangen werden, dass von der aus Eisenbahnschwellen bestehenden Pferdekoppel, insbesondere durch die an der Nordseite des Grundstückes Nr. 413/1 situierten Bahnschwellen, relevante Geruchsbelästigungen ausgingen.

Es sei amtsbekannt, dass es durch die Verwendung gebrauchter Eisenbahnschwellen als Gartenumzäunung, Böschungsbefestigung etc. immer wieder durch besorgte Anrainer zu Beschwerden über Geruchsbelästigungen und Befürchtungen einer Grundwassergefährdung sowie einer Gesundheitsgefährdung komme. Da die Bahnschwellen aus Hartholz zur besseren Haltbarkeit mit Steinkohlenteeröl druckimprägniert würden und dieses Öl laut Fachliteratur eine große Menge unterschiedlichster organischer bzw. chemischer Verbindungen enthalte, seien diese Beschwerden über mögliche Gesundheits- bzw. Umweltgefährdungen nicht unbegründet.

Weiters berief sich die BH auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. Jänner 2004, 2003/07/0121.

Der Beschwerdeführer berief.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 11. April 2005 gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge, änderte aber den Spruch des erstinstanzlichen Bescheides wie folgt ab:

"Herrn (Beschwerdeführer) wird als gesetzlich Verpflichteten aufgetragen, die auf den Gst. Nr. 413/9, 413/10 und 413/1, der KG I, Gemeinde Z, aufgestellten bzw. als Pfosten einer Umzäunung (Pferdekoppel) verwendeten Bahnschwellen in den Bereichen an der Nordseite (Gst. Nr. 413/9 und 413/10) 15 Stück, an der Westseite (Gst. Nr. 413/10) 9 Stück, an der Ostseite (Gst. Nr. 413/9) 1 Stück und an der Südseite (Gst. Nr. 413/1) 16 Stück, ordnungsgemäß binnen sechs Wochen ab Rechtskraft dieses Bescheides zu entfernen. Die Nachweise über die Beseitigung sind der Bezirkshauptmannschaft U binnen zwei Wochen vorzulegen."

In der Begründung zitierte die belangte Behörde zunächst das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. Jänner 2004, 2003/07/0121, und fuhr dann fort, im gegenständlichen Fall habe die Erstbehörde, den Ausführungen der Amtssachverständigen folgend, Feststellungen betreffend Gefahren für das Grundwasser bzw. über die Toxizität bzw. Cancerogenität der bei der Druckimprägnierung von Eisenbahnschwellen verwendeten creosothaltigen Imprägniermittel getroffen. Diese Feststellungen seien vom Beschwerdeführer unwiderlegt geblieben. Dass Eisenbahnschwellen einer entsprechenden Imprägnierung bzw. Konservierung bedürften, erkläre sich schon aus dem Umstand, dass sie jahrlang als Bestandteil einer Gleisanlage in Verwendung stehen müssten, wobei sie jeder erdenklichen Form der Witterung ausgesetzt seien. Schon auf Grund der allgemeinen Lebenserfahrung sei anzunehmen, dass Eisenbahnschwellen ohne Imprägnierung sehr rasch verwitterten und auf Grund dieser kurzen Lebensdauer als Material im Gleisbau ungeeignet wären. Dass aber früher zur Imprägnierung von Eisenbahnschwellen meist organische Flüssigkeiten wie Teeröle (Steinkohlenöle, Braunkohlen- und Holzteeröle) verwendet worden seien, habe der chemisch-technische Amtssachverständige in seinem erstinstanzlichen Gutachten ausgeführt und sei dies vom Beschwerdeführer unwidersprochen geblieben. Wenn der Beschwerdeführer rüge, dass Ermittlungen hinsichtlich jeder einzelnen Bahnschwelle unterlassen worden seien, sei dem entgegen zu halten, dass schon prima facie aus dem Umstand, dass vormals grundsätzlich alle Eisenbahnschwellen mit creosothaltigen Substanzen imprägniert worden seien, darauf geschlossen werden könne, dass auch diejenigen, welche auf seinem Grundstück aufgestellt worden seien, solche Substanzen enthielten. Einen Gegenbeweis habe der Beschwerdeführer nicht erbracht. Es sei daher davon auszugehen, dass die Eisenbahnschwellen die im Gutachten des chemisch-technischen Amtssachverständigen bzw. in den Feststellungen der Erstbehörde genannten schädlichen Substanzen beinhalteten, sodass deren Erfassung und Behandlung als Abfall im öffentlichen Interesse im Sinne des § 2 Abs. 1 Z. 2 AWG 2002 geboten gewesen sei. Sie stellten daher Abfall dar.

Was die in der Berufung gerügten Mängel im Zusammenhang mit der Situierung der Eisenbahnschwellen betreffe, so sei deren exakte Situierung festgestellt und im Spruch festgehalten worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Der Beschwerdeführer bringt vor, die von der belangten Behörde vorgenommene Spruchänderung sei nicht zulässig.

Eine unterschiedslose Behandlung sämtlicher Bahnschwellen sei unzutreffend, wenn man berücksichtige, dass sie zu unterschiedlichen Zeitpunkten Verwendung gefunden hätten. Es hätten Feststellungen hinsichtlich jeder einzelnen Schwelle getroffen werden müssen.

Es fehlten Aussagen über die Auswirkungen, die von den Bahnschwellen ausgehen könnten.

Es wäre auch zu prüfen gewesen, ob die Bahnschwellen nach den vor dem AWG 2002 geltenden Vorschriften Abfall gewesen seien.

Offen bleibe auch, ob es sich bei den Bahnschwellen, die im Erdreich fest verankert seien, um bewegliche Sachen handle.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 73 Abs. 1 AWG 2002 lautet:

"Behandlungsauftrag

§ 73. (1)

1. Werden Abfälle nicht gemäß den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes oder nach diesem Bundesgesetz erlassenen Verordnungen gesammelt, gelagert oder behandelt,

2. werden Abfälle nicht gemäß den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes oder der EG-VerbringungsV befördert oder verbracht oder

3. ist die schadlose Behandlung der Abfälle zur Vermeidung von Beeinträchtigungen der öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) geboten,

hat die Behörde die erforderlichen Maßnahmen, einschließlich der Untersagung des rechtswidrigen Handelns, dem Verpflichteten mit Bescheid aufzutragen."

Was das AWG 2002 unter Abfällen versteht, ergibt sich aus § 2. Dieser lautet auszugsweise:

"Begriffsbestimmungen

§ 2. (1) Abfälle im Sinne dieses Bundesgesetzes sind bewegliche Sachen, die unter die in Anhang 1 angeführten Gruppen fallen und

1. deren sich der Besitzer entledigen will oder entledigt hat oder

2. deren Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall erforderlich ist, um die öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) nicht zu beeinträchtigen.

(2) Als Abfälle gelten Sachen, deren ordnungsgemäße Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall im öffentlichen Interesse erforderlich ist, auch dann, wenn sie eine die Umwelt beeinträchtigende Verbindung mit dem Boden eingegangen sind. Die Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall im öffentlichen Interesse kann auch dann erforderlich sein, wenn für eine bewegliche Sache ein Entgelt erzielt werden kann.

(3) Eine geordnete Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist jedenfalls solange nicht im öffentlichen Interesse (§ 1 Abs. 3) erforderlich, solange

1.

eine Sache nach allgemeiner Verkehrsauffassung neu ist oder

2.

sie in einer nach allgemeiner Verkehrsauffassung für sie bestimmungsgemäßen Verwendung steht.

Der im § 2 Abs. 1 Z. 2 AWG 2002 angeführte § 1 Abs. 3 AWG 2002 hat folgenden Wortlaut:

"(3) Im öffentlichen Interesse ist die Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall erforderlich, wenn andernfalls

1. die Gesundheit der Menschen gefährdet oder unzumutbare Belästigungen bewirkt werden können,

2. Gefahren für die natürlichen Lebensbedingungen von Tieren oder Pflanzen oder für den Boden verursacht werden können,

3. die nachhaltige Nutzung von Wasser oder Boden beeinträchtigt werden kann,

4. die Umwelt über das unvermeidliche Ausmaß hinaus verunreinigt werden kann,

5.

Brand- oder Explosionsgefahren herbeigeführt werden können,

6.

Geräusche oder Lärm im übermäßigen Ausmaß verursacht werden können,

              7.              das Auftreten oder die Vermehrung von Krankheitserregern begünstigt werden können,

              8.              die öffentliche Ordnung und Sicherheit gestört werden kann oder

              9.              Orts- und Landschaftsbild erheblich beeinträchtigt werden können."

Die belangte Behörde geht davon aus, dass die Eisenbahnschwellen den Abfalltatbestand des § 2 Abs. 1 Z. 2 AWG 2002 (objektiver Abfallbegriff) verwirklichen.

Für die Verwirklichung dieses Abfallbegriffes reicht die bloße Möglichkeit einer Gefährdung von Schutzgütern im Sinne des § 1 Abs. 3 AWG 2002 aus (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Februar 1996, 95/07/0079, vom 20. Februar 2003, 2002/07/0133 und vom 16. Oktober 2003, 2002/07/0162).

Die belangte Behörde beruft sich auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. Jänner 2004, 2003/07/0121.

Aus diesem Erkenntnis ist jedoch für den Beschwerdefall nichts zu gewinnen.

Im Fall des Erkenntnisses 2003/07/0121 stand fest, dass von mit Kreosot behandelten Eisenbahnschwellen auf Grund der Lage des Falles Gefahren im Sinne des § 1 Abs. 3 AWG 2002 ausgehen konnten. Ob die Möglichkeit einer Beeinträchtigung öffentlicher Interessen im Sinne des § 1 Abs. 3 AWG 2002 im Beschwerdefall gegeben ist, kann nicht mit der erforderlichen Sicherheit beurteilt werden, da die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens hiezu nicht ausreichen.

Der technische Amtssachverständige bejaht in seinem Gutachten eine solche Möglichkeit. Dies steht allerdings mit dem übrigen Inhalt dieses Gutachtens nicht in Einklang.

Im Gutachten heißt es, eine Beeinträchtigung (im Sinne der Auswaschung von Schadstoffen infolge Niederschlagswasser) des Bodens bzw. des Grundwassers hänge nicht zuletzt auch vom Bodenaufbau des vorgesehenen Einsatzortes ausgedienter Bahnschwellen ab. Insbesondere polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe hafteten gut an kleinen Feststoffpartikeln, so dass ein Boden mit hohem Feinanteil über gutes Rückhaltevermögen verfüge und beispielsweise eine Barriere gegenüber der Verfrachtung von Schadstoffen in das Grundwasser darstelle.

Diese Ausführungen erwecken den Eindruck, als könne es bei entsprechendem Bodenaufbau zu keiner Beeinträchtigung öffentlicher Interessen im Sinne des § 1 Abs. 3 AWG 2002 kommen.

Auch der amtsärztliche Sachverständige äußerte sich im gleichen Sinn.

Ausführungen über den Bodenaufbau fehlen aber in den Gutachten. Es bleibt daher offen, wie der Amtssachverständige für Abfallwirtschaft zu dem Ergebnis kommt, dass eine Beeinträchtigung von Boden und Wasser möglich sei.

Der Amtssachverständige für Abfallwirtschaft geht auch von "relevanten Geruchsbelästigungen" aus. Auch für diese Annahme fehlt eine ausreichende Grundlage.

Geruchsentwicklungen können den Tatbestand des § 1 Abs. 3 Z. 1 AWG 2002 erfüllen, wenn sie von einer Intensität sind, dass sie als unzumutbare Belästigungen einzustufen sind.

Für eine Geruchsbelästigung im Ausmaß einer unzumutbaren Belästigung fehlt eine ausreichende Begründung.

Die Ausführungen des Amtssachverständigen in diesem Punkt sind weitgehend unverständlich. Zunächst scheint er sich auf eine Untersuchung zu beziehen, die nicht den Beschwerdefall, sondern einen vergleichbaren Fall betrifft. In diesem Zusammenhang heißt es im Gutachten, unter Zugrundelegung des Analysenergebnisses scheine zumindest im untersuchten Fall mit hoher Wahrscheinlichkeit nachgewiesen, dass durch die Verwendung von Eisenbahnschwellen zur Errichtung einer Stützwand zwar keine nachteiligen Emissionen verursacht würden, jedoch von diesen trotzdem relevante Geruchsbelästigungen ausgehen dürften. Diese Schlussfolgerung überträgt der Amtssachverständige offenbar auch auf den Beschwerdefall. Wie die beiden Aussagen, dass einerseits durch die Verwendung der Eisenbahnschwellen keine nachteiligen Emissionen verursacht werden, andererseits aber trotzdem von den Schwellen relevante Geruchsbelästigungen ausgehen dürften, miteinander in Einklang zu bringen sein sollen, ist nicht nachvollziehbar. Abgesehen davon besagt der Ausdruck "relevante Geruchsbelästigungen" ohne nähere Erläuterung nichts darüber, ob es sich dabei um Geruchsbelästigungen im Ausmaß einer unzumutbaren Belästigung handelt. Dies zu beurteilen ist Sache des ärztlichen Sachverständigen. Dessen Gutachten aber ist zu entnehmen, dass jedenfalls zur Zeit des Lokalaugenscheins keine relevanten Geruchsbelästigungen wahrgenommen werden konnten.

Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich der angefochtene Bescheid als rechtswidrig infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich im Rahmen des gestellten Antrages auf die §§ 47ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 24. November 2005

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2005070084.X00

Im RIS seit

25.12.2005

Zuletzt aktualisiert am

06.07.2012
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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