TE OGH 1990/5/8 4Ob52/90

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Veröffentlicht am 08.05.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Kodek, Dr. Niederreiter und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*** Österreichische Warenhandels-Aktiengesellschaft, Salzburg, Europastraße 150, vertreten durch Dr. Peter Raits und andere Rechtsanwälte in Salzburg, wider die beklagten Parteien 1. F*** Handelsgesellschaft AG, Dornbirn, Marktstraße 67, 2. F.M. Z*** Gesellschaft mbH & Co, Dornbirn, Wallenmahd 46, beide vertreten durch Dr. Leonhard Lindner, Rechtsanwalt in Dornbirn, wegen Unterlassung (Streitwert S 350.000,--) infolge Revisionsrekurses der beklagten Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes vom 12. Jänner 1990, GZ 4 R 46/89-19, womit infolge Rekurses der klagenden Partei der Beschluß des Landesgerichtes Feldkirch vom 28. Dezember 1988, GZ 5 Cg 376/88-3, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die Parteien haben die Kosten des Revisionsrekursverfahrens endgültig selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die Klägerin, die Erstbeklagte und die Zweitbeklagte betreiben in verschiedenen Standorten in Österreich den Einzelhandel mit Waren aller Art in der Betriebsform sogenannter Verbrauchermärkte. Seit 1. Juli 1988 betreibt die Erstbeklagte den "D***-Markt" in Wels, Ginzkeystraße 27. In einem Rundschreiben an Lieferanten vom 3. Oktober 1988 teilte die F.M. Z*** GmbH die Rechnungsadressen der zur sogenannten "Z***-Gruppe" gehörenden Unternehmen mit; dabei gab sie für den "D***-Markt" in Wels die Firma der Zweitbeklagten an.

Im Herbst 1988 wurden im "D***-Markt" in Wels die 500-Gramm-Flasche Maresi-Alpenmilch zum Endverbraucherpreis von S 17,90, die 10-Rollen-Packung Cosy-Toilettenpapier zum Endverbraucherpreis von S 29,70 und die 2-Liter-Dose Kronenöl zum Endverbraucherpreis von S 29,90 angeboten und verkauft. Diese Preise wurden auch in der Kundenzeitschrift "Tip der Woche" als die für alle "D***-Märkte" gültigen Preise angekündigt.

Zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches beantragt die Klägerin, der Erstbeklagten und der Zweitbeklagten mit einstweiliger Verfügung zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr Waren, insbesondere Maresi-Milch, Cosy-Toilettenpapier und Kronenöl, zum oder unter dem Einstandspreis zuzüglich der Umsatzsteuer und aller sonstigen Abgaben, die beim Verkauf anfallen, zu verkaufen oder zum Verkauf anzubieten. Die Zweitbeklagte fungiere gegenüber Lieferanten als Einkäuferin der im "D***-Markt" in Wels von der Erstbeklagten verkauften Waren. Die Beklagten hätten die genannten Waren unter dem Einstandspreis verkauft. Die F.M. Z*** GmbH als Hauptgesellschaft der sogenannten "Z***-Gruppe" habe mit Schreiben vom 20.September 1988 alle Lieferanten aufgefordert, bei Nachfragen von Schutzverbänden, Handelskammern etc., bei Gewerbe und Industrie im Zusammenhang mit der Verletzung des Verbotes des Verkaufes unter dem Einstandspreis keine Auskünfte über Einstandspreise der Z***-Verbrauchermärkte zu erteilen. Die Beklagten hätten mit den Preisen für die genannten Artikel gegen § 3 a Abs 1 NVG und damit auch gegen § 1 UWG verstoßen. Die Erstbeklagte und die Zweitbeklagte beantragen die Abweisung des Sicherungsantrages. Die Zweitbeklagte sei passiv nicht legitimiert, weil sie den Verbrauchermarkt in Wels nicht betreibe. Mit dem an Lieferanten gerichteten Rundschreiben vom 20.September 1988 sollte nur klargestellt werden, daß Einstandspreise dem Geschäftsgeheimnis unterliegen und darüber keine Auskunftspflicht bestehe. Die Klägerin selbst habe in ihrer Betriebsstätte im Messepark Dornbirn die 500-Gramm-Flasche Maresi-Alpenmilch zu einem Preis angeboten und verkauft, der unter ihrem eigenen Einstandspreis liege. Da sie somit selbst gegen § 3 a Abs 1 NVG verstoßen habe, sei sie zur Verfolgung eines gleichartigen Verstoßes durch einen Mitbewerber nicht berechtigt. Die von der Erstbeklagten verlangten Einkaufspreise lägen unter Berücksichtigung aller Konditionen, Preisnachlässe und Rabatte nicht unter dem Einstandspreis. Den Preis für die 2-Literdose Kronenöl habe die Erstbeklagte an den vom "C***" am 14.Oktober 1988 öffentlich angekündigten Preis angepaßt; diesem Mitbewerber sei der Verkauf des genannten Artikels um diesen Preis nicht untersagt worden. Es liege daher der Ausnahmetatbestand der Anpassung an die von Mitbewerbern offenbar zulässigerweise geforderten Preise gemäß § 3 a Abs 2 Z 4 NVG vor. Im Hinblick darauf, daß die Klägerin nur den Verkauf dreier Artikel unter dem Einstandspreis geltend gemacht habe, sei das beantragte Verbot, Waren schlechthin zum oder unter dem Einstandspreis zu verkaufen, zu weit gefaßt.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Auf Grund der von der Klägerin vorgelegten eidesstättigen Erklärungen traf es die weitere Feststellung, daß die festgestellten Endverbraucherpreise der drei genannten Artikel unter dem Einstandspreis gelegen seien, zu welchem diese Artikel für den Großmarkt in Wels von den jeweiligen Lieferanten nach Abzug aller Rabatte und sonstigen Preisnachlässe, die im Zeitpunkt der Rechnungslegung eingeräumt werden, erworben werden und jemals erworben wurden; die sehr günstigen Einstandspreise der Klägerin für diese Artikel lägen über den entsprechenden Endverbraucherpreisen der Beklagten. In rechtlicher Hinsicht bejahte zwar das Erstgericht die Sittenwidrigkeit des beanstandeten Verhaltens der Beklagten; es wies aber den Sicherungsantrag dennoch ab, weil auch die Klägerin gegen § 3 a Abs 1 NVG verstoßen habe.

Das Rekursgericht erließ - im zweiten Rechtsgang, nachdem seine einstweilige Verfügung vom 3.3.1989 (ON 8) vom Obersten Gerichtshof aufgehoben und die Sache zur neuerlichen Entscheidung an das Rekursgericht zurückverwiesen worden war - eine einstweilige Verfügung, mit der es der Erstbeklagten und der Zweitbeklagten verbot, im geschäftlichen Verkehr Kondensmilchprodukte, insbesondere Maresi-Milch, Toilettenpapier, insbesondere Cosy-Toilettenpapier, und Speiseöl, insbesondere Kronenöl, zum oder unter dem Einstandspreis - das ist der Preis, der sich nach Abzug aller Rabatte oder sonstigen Preisnachlässe ergibt, die vom Lieferanten im Zeitpunkt der Rechnungsstellung eingeräumt werden - zuzüglich der Umsatzsteuer und aller sonstigen Abgaben, die beim Verkauf anfallen, zu verkaufen oder zum Verkauf anzubieten; das darüber hinausgehende, auf ein Verbot des Verkaufes von Waren jeglicher Art zum oder unter dem Einstandspreis gerichtete Sicherungsbegehren wies es hingegen ab. Weiters sprach das Rekursgericht aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes hinsichtlich des Verkaufes eines jeden im Spruch seiner einstweiligen Verfügung angeführten Artikels jeweils S 50.000 übersteige und der Revisionsrekurs gemäß § 528 Abs 1 ZPO zulässig sei.

Das Rekursgericht traf nach Verfahrensergänzung über die Einstandspreise der Beklagten folgende Feststellung:

Die Einstandspreise für Unternehmer, die eine der Erstbeklagten vergleichbare Marktstärke als Käufer aufweisen, liegen etwa in der Höhe der Einstandspreise der Klägerin; sie betragen mehr als S 18,33 zuzüglich Umsatzsteuer für Maresi-Milch, mehr als S 30 zuzüglich Umsatzsteuer für Cosy-Toilettenpapier und mehr als S 35 zuzüglich Umsatzsteuer für Kronenöl. Nicht bescheinigt ist hingegen, daß die Einstandspreise der Erstbeklagten dennoch niedriger waren.

In rechtlicher Hinsicht führte das Rekursgericht folgendes aus:

Die Klägerin habe den sie treffenden Anscheinsbeweis von Tatsachen erbracht, die mit hoher Wahrscheinlichkeit auf einen Verkauf zum oder unter dem Einstandspreis schließen ließen; der Erstbeklagten und der Zweitbeklagten sei es hingegen nicht gelungen, die ernstliche Möglichkeit eines atypischen Verlaufes zu bescheinigen, nach welchem der Schluß von allgemeinen Großhandelspreisen auf ihren Einstandspreis nicht zwingend wäre. Der Verkauf unter dem Einstandspreis sei daher in allen drei beanstandeten Fällen bescheinigt. Mit dem Hinweis darauf, daß sie den Preis für Kronenöl an den Preis eines einzelnen Mitbewerbers - dessen Preis jedoch auffallend unter dem allgemeinen Preisniveau liege - angepaßt hätten, könnten sich die Erstbeklagte und die Zweitbeklagte nicht mit Erfolg auf den Ausnahmetatbestand des § 3 a Abs 2 Z 4 NVG berufen; die Beklagten hätten nicht bescheinigt, daß der Preis dieses Mitbewerbers "offenbar zulässigerweise gefordert" worden wäre. Die Erstbeklagte und die Zweitbeklagte hätten daher gegen § 3 a Abs 1 NVG und damit auch gegen § 1 UWG verstoßen. Die Klägerin könne diesen Verstoß auch dann geltend machen, wenn ihr ein gleichartiger Verstoß angelastet werden könnte. Die Erstbeklagte und die Zweitbeklagte hafteten als Betreiber des "D***-Marktes" in Wels für diesen Gesetzesverstoß. Die Klägerin habe jedoch nur Anspruch auf einen Exekutionstitel, der den Verkauf zum oder unter dem Einstandspreis jener Waren - bzw gleichartiger Waren - umfasse, welche die Erstbeklagte und die Zweitbeklagte bereits zum oder unter dem Einstandspreis verkauft hätten; das darüber hinausgehende, sämtliche Waren umfassende Sicherungsbegehren sei daher abzuweisen gewesen.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der wegen Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revisionsrekurs der Erstbeklagten und der Zweitbeklagten mit dem Antrag, die Entscheidung im Sinne der Abweisung des Sicherungsantrages abzuändern; hilfsweise stellen die Rechtsmittelwerberinnen auch einen Aufhebungsantrag. Die Klägerin beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht zulässig (§ 528 Abs 1 ZPO). Die gerügte Mangelhaftigkeit liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 iVm §§ 78, 402 EO).

In ihrer Rechtsrüge bekämpfen die Erstbeklagte und die Zweitbeklagte die Schlußfolgerung des Rekursgerichtes, daß der Einstandspreis der Klägerin im Hinblick auf deren starke Marktposition auch als üblicher Verkaufspreis der Lieferanten anzusehen sei. Die starke Marktposition eines Handelsunternehmens rechtfertige für sich allein nur die Annahme, daß es im allgemeinen günstig einkaufe, sage aber nichts darüber aus, zu welchem Preis es eine bestimmte Ware erworben habe; andernfalls müßte der Einstandspreis jedes marktstarken Händlers mit dem "üblichen Großhandelspreis" gleichgesetzt werden. Die Klägerin habe daher den behaupteten Verkauf unter dem Einstandspreis nicht bescheinigt.

Diesen Ausführungen kann nicht beigepflichtet werden:

Wie der Oberste Gerichtshof bereits mehrmals ausgeführt hat (ÖBl 1989, 174; 4 Ob 158/89; 4 Ob 3/90), kommt eine Umkehr der Beweislast bei Geltendmachung von Verstößen gegen das Verbot des Verkaufes zum oder unter dem Einstandspreis nicht in Betracht; vielmehr ist es Sache des Klägers, den Verkauf zum oder unter dem Einstandspreis - allenfalls nach den Grundsätzen des Prima-facie-Beweises (4 Ob 158/89; 4 Ob 3/90; 4 Ob 18/90; ÖBl 1989,

183) - nachzuweisen. Demzufolge hat der Kläger nur den "üblichen Einstandspreis" von Unternehmen nach Art des Beklagten, nicht aber dessen konkreten Einstandspreis zu beweisen (4 Ob 158/89 unter Billigung der von Fitz-Roth, Verkauf unter dem Einstandspreis - Zur Auslegung und Kritik des § 3 a Nahversorgungsgesetz, RdW 1989, 241 ff Ä245 ffÜ vertretenen Auffassung). Der Beklagte kann dann die ernstliche Möglichkeit eines atypischen Verlaufes dartun, also seinerseits eine Art von Anscheinsbeweis dafür erbringen, daß der Schluß vom allgemeinen Einstandspreisniveau auf seinen Einstandspreis nicht zwingend ist (Fitz-Roth aaO; 4 Ob 158/89; ÖBl 1989, 183). Die Ausführungen im Revisionsrekurs - mit denen die Zulässigkeit des Prima-facie-Beweises zum Nachweis eines Verstoßes gegen § 3 a NVG gar nicht in Zweifel gezogen wird - bieten keinen Anlaß, von diesen Grundsätzen wieder abzugehen. Nur die Zulässigkeit des Anscheinsbeweises - also die Frage, ob im konkreten Fall ein Tatbestand mit typisch formelhaftem Geschehensablauf vorliegt, der eine Verschiebung des Beweisthemas ermöglicht, und ob entsprechende Erfahrungssätze vorhanden sind - ist eine vom Obersten Gerichtshof zu prüfende Rechtsfrage; ob der Anscheinsbeweis im konkreten Fall erbracht und durch einen Gegenbeweis erschüttert wurde, ist hingegen eine Frage der Beweiswürdigung, die vom Obersten Gerichtshof nicht mehr überprüft werden kann (Fasching, LB2, Rz 897). Dazu gehört aber auch die vom Revisionsrekurs aufgeworfene Frage, ob die Klägerin als ein so nachfragestarkes Unternehmen anzusehen ist, daß von ihrem Einstandspreis auf den üblichen Einstandspreis von Unternehmen nach gleicher Art geschlossen werden kann.

Die übrigen Voraussetzungen für die Annahme eines Verstoßes gegen § 3 a Abs 1 NVG und § 1 UWG bekämpfen die Rechtsmittelwerberinnen nicht mehr; auch auf den Ausnahmetatbestand gemäß § 3 a Abs 2 Z 4 NVG kommen sie nicht mehr zurück. In diesem Umfang kann daher auf die zutreffenden Ausführungen des Rekursgerichtes verwiesen werden.

Da die Entscheidung somit von keiner erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO abhängt, mußte der Revisionsrekurs zurückgewiesen werden.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens gründet sich auf §§ 78, 402 EO, §§ 40, 50, 52 Abs 1 ZPO. Die Klägerin hat auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses nicht hingewiesen.

Anmerkung

E20639

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0040OB00052.9.0508.000

Dokumentnummer

JJT_19900508_OGH0002_0040OB00052_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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