TE OGH 1990/5/9 2Ob549/90

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Veröffentlicht am 09.05.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel, Dr. Melber, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C***-B***, Schottengasse 6, 1010 Wien, vertreten durch Dr. Felix Hurdes, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Dr. Wilhelm M***, emeritierter Rechtsanwalt, Getreidemarkt 13, 1060 Wien, vertreten durch Dr. Kurt Görlich und Dr. Roland Deissenberger, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 142.385,65 sA infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 19.Jänner 1990, GZ 4 R 264/89-66, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes

f. ZRS Wien, vom 25.September 1989, GZ 9 Cg 24/89-60, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichtes wird abgeändert und die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt.

Die klagende Partei ist schuldig, dem Beklagten die mit S 11.358,40 bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (einschließlich S 40,-- Barauslagen und S 1.886,40 Umsatzsteuer) und die mit S 16.791,40 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (einschließlich S 10.000,-- Barauslagen und S 1.131,90 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Partei begehrte vom Beklagten die Bezahlung des Betrages von S 142.385,65 sA. Zur Begründung brachte sie vor, daß sich der Beklagte ihr gegenüber fälschlicherweise als von der M*** Gesellschaft mbH beauftragt und ermächtigt ausgegeben habe, Mietzinsbeträge in der Gesamthöhe von S 142.385,65 in Empfang zu nehmen. Am 5.11.1984 sei dieser Betrag an den Beklagten zur Auszahlung gebracht worden. Der Beklagte habe ihn weder weitergeleitet noch rücküberwiesen. Die klagende Partei habe den Betrag von S 142.385,65 nochmals, und zwar an die Michael M*** Gesellschaft mbH überweisen müssen. Sie sei berechtigt, diese Summe aus dem Titel der ungerechtfertigten Bereicherung vom Beklagten zurückzufordern.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Er sei von der Michael M*** Gesellschaft mbH ermächtigt worden, Geldbeträge in Empfang zu nehmen. Ing. Günther S*** habe sich mit notariell beglaubigter Vollmacht der Michael M*** Gesellschaft mbH als Generalbevollmächtigter ausgewiesen und ihm namens der M*** Gesellschaft mbH die Mietzinse, die letztere von der klagenden Partei noch zu erhalten hatte, abgetreten bzw. zugesagt, diese Beträge unmittelbar nach Überweisung an den Beklagten weiterzuleiten. Der Beklagte habe keinen Grund gehabt, an der Gültigkeit der Generalvollmacht zu zweifeln. Mit dem Schreiben vom 9.11.1984 sei dem Beklagten durch die klagende Partei bekannt gegeben worden, daß die Gutschriften der Mietzinse auf dem Konto des Beklagten irrtümlich erfolgt seien. Ein Irrtum liege aber nicht vor, weil der Beklagte sowohl zum Einzug wie auch zur Empfangnahme der Mietzinse berechtigt war. Überdies sei er berechtigt gewesen, die einlangenden Mietzinsbeträge akonto seiner Kosten gegenüber der M*** Gesellschaft mbH zu verrechnen.

Die klagende Partei replizierte, daß die dem Ing. S*** von der Michael M*** Gesellschaft mbH erteilte Generalvollmacht rechtsunwirksam und ungültig sei, weil die Bestellung eines Generalbevollmächtigten im Rahmen einer Gesellschaft mbH unzulässig sei. Ing. S*** habe daher den Beklagten für die Michael M*** Gesellschaft mbH nicht rechtswirksam bevollmächtigen können. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf folgende Feststellungen:

Am 27.2.1984 wurde vom Notar Dr. P*** die Eintragung der Michael M*** GmbH in das Handelsregister beantragt und durchgeführt. Auch der Gesellschaftsvertrag wurde in dieser Kanzlei durch Eva S***, Private, 1190 Wien, Eroicagasse 11, und Michael M***, Trainer, 1060 Wien, Mittelgasse 22, errichtet. Mit dem Gesellschafterbeschluß vom gleichen Tag wurde Michael M*** zum selbständig vertretungsberechtigten Geschäftsführer der Michael M*** GmbH bestellt. Gleichzeitig erteilte Michael M*** in seiner Eigenschaft als selbständig vertretungsbefugter Geschäftsführer Ing. Günther S***, Kaufmann, 1100 Wien, Laxenburgerstraße 117 "Generalvollmacht, einschließlich der Prozeßvollmacht." Ing. Günther S*** wurde ermächtigt, den Geschäftsführer der Michael M*** GmbH in allen Belangen, die ihm als Geschäftsführer der genannten Gesellschaft zukommen, rechtswirksam zu vertreten. Die C***-B***, Filiale Troststraße, hat in diesem Haus Mietrechte. Die Liegenschaft ist im Kaufweg an die M*** GmbH übergegangen. Der Stichtag für den Vermögensübergang war der 1.10.1984. Die klagende Partei überwies den Klagebetrag auf das Konto der M*** GmbH bei der V*** in K***. Dieselbe

Summe wurde auch an den Beklagten überwiesen.

Der Beklagte erhielt von Ing. S*** als Generalbevollmächtigtem der Michael M*** GmbH Prozeßvollmacht. Diese ermächtigte ihn, unter anderem Geld und Geldeswert zu beheben, in Empfang zu nehmen, rechtsgültig zu quittieren, bei Kreditinstituten für die Michael M*** GmbH Konten und Depots zu eröffnen und über diese zu verfügen.

Dem Beklagten wurden von Ing. Günther S*** die der

M*** GmbH zustehenden Mietzinsforderungen zediert. Der Beklagte war berechtigt, sein Beratungshonorar gegen die Mietzinseingänge von der klagenden Partei aufzurechnen.

Rechtlich war das Erstgericht der Ansicht, daß dem Beklagten die Klagesumme von Ing. S*** als Generalbevollmächtigtem der Michael M*** Gesellschaft mbH zur Verrechnung mit dem dem Beklagten gegen die Gesellschaft zustehenden Honoraranspruch zediert worden sei, und der Beklagte keinen Grund zur Annahme gehabt habe, Ing. S*** sei nicht als Generalbevollmächtigter der M*** Gesellschaft mbH anzusehen. Die von der klagenden Partei getätigte Überweisung auf das Konto des Beklagten sei sohin zugunsten der M*** Gesellschaft mbH mit schuldbefreiender Wirkung für die klagende Partei erfolgt. Der Beklagte sei ermächtigt gewesen, diese Zahlung anzunehmen und auch mit der ihm zustehenden Honorarforderung gegenüber der M*** Gesellschaft mbH aufzurechnen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei Folge, änderte das erstgerichtliche Urteil ab und gab dem Klagebegehren statt. Es erklärte die Revision für zulässig, weil "vor allem" nur deutsche Rechtsprechung und Lehre zur Lösung des Rechtsfalles herangezogen werden könne. Rechtlich war es der Auffassung, daß dem Datum der Generalvollmacht keine Bedeutung zukomme, weil die M*** GmbH tatsächlich entstanden sei. Doch seien die Befugnisse des Geschäftsführers einer Gesellschaft mbH zur organschaftlichen Willensbildung und -erklärung und die damit verbundene Verantwortung unübertragbar. Daher könne der Geschäftsführer seine Vertretungsmacht nicht im ganzen durch einen anderen ausüben lassen. Eine vom Geschäftsführer erteilte Generalvollmacht sei selbst für den Fall, daß sie zeitlich begrenzt und widerruflich wäre, rechtsungültig. Die dem Ing. Günther S*** erteilte Generalvollmacht vom 27.2.1984 sei daher nichtig. Sie sei auch Dritten gegenüber unwirksam. Daraus ergebe sich, daß die von Ing. Günther S*** als Generalbevollmächtigtem der Michael M*** Gesellschaft mbH dem Beklagten erteilte Vollmacht ebenfalls ungültig ist; Ing. Günther S*** habe, da er nicht wirksam durch die Michael M*** Gesellschaft mbH bevollmächtigt war, dem Beklagten die Generalvollmacht nicht erteilen können. Dies bedeute aber, daß der Beklagte nicht berechtigt war, Geld für die Michael M*** Gesellschaft mbH in Empfang zu nehmen. Die rechtsgrundlose Zahlung berechtige die klagende Partei zur Rückforderung.

Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die Revision des Beklagten aus den Anfechtungsgründen des § 503 Z 2 und 4 ZPO mit dem Antrag, das angefochtene Urteil abzuändern und das Klagebegehren abzuweisen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei beantragt in der Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und berechtigt.

Das Berufungsgericht hat zwar zutreffend erkannt, daß Michael M*** für die im Stadium einer sogenannten "Vorgesellschaft" befindliche Gesellschaft mbH verbindliche rechtsgeschäftliche Erklärungen abgeben konnte (vgl. hiezu HS 11.394 und die dort umfassend zitierte Literatur und Judikatur); es hat sich aber bei Beurteilung der weiteren Frage, ob dieser dem Ing. Günther S*** wirksam die Vollmacht Beilage 4 erteilen konnte, zu Unrecht nur auf Judikatur und Literatur der Bundesrepublik Deutschland bezogen, die nicht auf der gleichen Grundlage beruht, wie sie § 28 öGmbHG vorsieht. Der Oberste Gerichtshof hat demgegenüber unter Bedachtnahme auf § 28 GmbHG und Gellis-Feil, GmbHG2 215 für den österreichischen Rechtsbereich ausdrücklich klargelegt, daß neben der Erteilung von Prokuren und Handlungsvollmachten auch die Bestellung eines sogenannten Generalbevollmächtigten zulässig ist (1 Ob 537/83 = RdW 1983/3). Auf eine allfällige Überschneidung mit deutschen Rechtsgrundsätzen braucht nicht näher eingegangen zu werden, weil auch dort eine sogenannte "rechtsgeschäftliche Generalvollmacht", wodurch der Vertreter ermächtigt wird, die Gesellschaft bei allen Rechtsgeschäften mit Ausnahme solcher zu vertreten, bei denen wegen des besonderen Charakters des Rechtsgeschäftes ein Handeln eines Organes der Gesellschaft erforderlich wäre, zulässig ist (Scholz, Kommentar zum GmbH-Gesetz I Rz 18 zu § 35). Ein organschaftliches Handeln ist aber darin nicht zu erblicken, daß Ing. S*** ermächtigt wurde, dem Beklagten Vollmacht zur Einhebung von Mietzinsen und Verrechnung derselben mit dessen Honorarforderungen zu teilen. Selbst wenn die dem Ing. S*** erteilte Generalvollmacht unzulässige Bestandteile enthielte, hätte dies nicht zur Folge, daß sie damit zur Gänze, also auch in dem diesem Rechtsstreit zugrunde liegenden, organschaftliches Handeln überhaupt nicht berührenden Teil, ungültig wäre:

Nach Lehre und Rechtsprechung entscheidet darüber, ob die Nichtigkeit des Teiles von Verträgen das Ganze ergreift oder nicht, insbesondere der Zweck des Verbotes (Gschnitzer in Klang IV/I, 169; SZ 44/166 ua). Ein solcher Zweck könnte aber im vorliegenden Fall höchstens in der Verhinderung des Handelns von Ing. S*** als Organ der Gesellschaft, nicht aber in der Vereitlung von rechtsgeschäftlichen Vertretungshandlungen desselben gegenüber Dritten erblickt werden. Die Ing. S*** erteilte Generalvollmacht berechtigte diesen daher jedenfalls, dem Beklagten die Befugnis einzuräumen, die offenen Mietzinse von der klagenden Partei einzuheben. Die von der klagenden Partei aus dem Titel der Bereicherung angestrebte Rückzahlung derselben ist daher durch den festgestellten Sachverhalt nicht gedeckt.

Demgemäß war der Revision des Beklagten Folge zu geben und die Entscheidung des Erstgerichtes unter Abänderung des Berufungsurteiles wiederherzustellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E20892

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0020OB00549.9.0509.000

Dokumentnummer

JJT_19900509_OGH0002_0020OB00549_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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