TE OGH 1990/5/10 6Ob551/90 (6Ob1517/90)

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Veröffentlicht am 10.05.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Schlosser, Dr. Redl und Dr. Kellner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. B*** Realitätenverwertung Gesellschaft mbH i. L., letzte Geschäftsanschrift Wien 14, Matznergasse 25/2-3, vertreten durch Dr. Franz Insam, Rechtsanwalt in Graz, und 2. Dagmar I***, Geschäftsfrau, Graz, Alexander Rollettweg 8, vertreten durch Dr. Johannes Schmidt, Rechtsanwalt in Graz, dieser vertreten durch Dr. Franz Insam, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagten Parteien

a)

Dr. Herbert G***, Rechtsanwalt, Wien 19, Peter Jordanstraße 27,

b)

Verlassenschaft nach dem am 31. März 1989 gestorbenen Josef L***, Pensionist, Wien 15, Sechshauserstraße 74/2/14, und

              c)              Dkfm. Dr. Hans Gert B***, Steuerberater, Wien 23, Johann Teufelgasse 81, wegen Wiederaufnahme des von den Wiederaufnahmsklägern gegen die Wiederaufnahmsbeklagten wegen Herausgabe (Teilstreitwert 500.000 S), Feststellung einer Schadenersatzpflicht (Teilstreitwert 500.000 S) und Zahlung von 3,382.815,40 S und 800.985,60 S zu 14 Cg 55/88 des Handelsgerichtes Wien anhängig gewesenen Rechtsstreites über den Antrag der klagenden Parteien auf Gewährung von Akteneinsicht und Abschriftnahme im Rechtshilfewege sowie hilfsweise auf Übersendung von Photokopien sämtlicher Aktenteile in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Antrag der klagenden Parteien auf Gewährung der Akteneinsicht in die zur Aktenzahl 6 Ob 551, 1517/90 beim Obersten Gerichtshof geführten Akten und auf Gestattung der Abschriftnahme im Wege des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Rechtshilfegericht, hilfsweise auf Übersendung von Photokopien sämtlicher Aktenstücke einschließlich der Entscheidungsurschrift, wird abgewiesen.

Text

Begründung:

Die Klägerinnen begehren Einsicht in die vom Obersten Gerichtshof geführten Akten über die Behandlung der von ihnen erhobenen Rechtsmittel sowie die Gestattung der Abschriftnahme - in Form der Herstellung von Photokopien - im Rechtshilfewege und zu diesem Zweck die Aktenübersendung an das Wohnsitzbezirksgericht der zweiten Klägerin. Hilfsweise begehren die Klägerinnen die Übersendung von Photokopien sämtlicher Aktenstücke, insbesondere der Urschrift der Rechtsmittelentscheidung des Obersten Gerichtshofes. Die Klägerinnen gründen ihr Begehren auf § 219 ZPO und führen aus, die gewünschten Ablichtungen für eine von ihnen auch wegen Verletzung - nicht näher bezeichneter - Konventionsrechte im Rechtsmittelverfahren vor dem Obersten Gerichtshof beabsichtigte Beschwerde nach Art 25 EuMRK zu benötigen.

Gemäß § 219 Abs 1 ZPO können die Parteien von sämtlichen ihre Rechtssache betreffenden, bei Gericht befindlichen Akten (Prozeßakten) mit Ausnahme der Entwürfe zu Urteilen und Beschlüssen, der Protokolle über Beratungen und Abstimmungen des Gerichtes und solcher Schriftstücke, welche Disziplinarverfügungen enthalten, Einsicht nehmen und sich davon auf ihre Kosten Abschriften und Auszüge erteilen lassen.

Soweit für den Fortgang des Verfahrens erhebliche Urkunden nicht zu den erstinstanzlichen Prozeßakten sondern zu den Rechtsmittelakten genommen werden sollten, unterlägen auch diese grundsätzlich der Einsicht- und Abschriftnahme durch die Parteien im Sinne der zitierten Gesetzesstelle.

Rechtliche Beurteilung

In Zivilrechtssachen bestehen die Rechtsmittelakten des Obersten Gerichtshofes in aller Regel nur aus den Ausfertigungen der vorinstanzlichen Entscheidungen, dem Berichtsbogen sowie internen Anweisungen über die Weiterleitung der Akten innerhalb der Behörde, gegebenenfalls aus Verwaltungsanweisungen an das Evidenzbüro. Der Berichtsbogen weist Vermerke über die Person des Berichterstatters und Daten über den internen Aktenlauf auf. Er enthält vor allem den Entscheidungsentwurf. Dieser wird in einer Vielzahl der Fälle zur Herstellung der Urschrift verwendet. Dabei gestatten Abänderungen, Streichungen und Ergänzungen des Entwurfes und ebenso das Vorhandensein oder Fehlen eines (im Falle der Photokopie abzudeckenden) Abstimmungsvermerkes weitreichende Rückschlüsse auf die Meinungsbildung im Senat und auf das Abstimmungsverhalten der einzelnen Senatsmitglieder.

Beratungen und Abstimmungen sollen aber nach dem Willen des Gesetzgebers auch den Parteien gegenüber geheim bleiben. Den Parteien wird die Entscheidung mittels einer durch die Geschäftsstelle beglaubigten Ausfertigung zugemittelt. Das muß - zumindest im Regelfall - zur vollen Wahrung ihrer verfahrensrechtlichen Interessen als hinreichend angesehen werden. Daß dies im vorliegenden Fall anders wäre, haben die Klägerinnen - auch mit ihrem nicht näher ausgeführten Hinweis auf eine beabsichtigte Beschwerde nach Art 25 EuMRK - nicht schlüssig dargetan.

Soweit aus den erstinstanzlichen Prozeßakten nicht entnehmbare Verfahrensvorgänge für die Parteien erheblich sein können, wird ihnen in dem durch § 219 ZPO gezogenen Rahmen Auskunft - in Form von Amtsbestätigungen - zu erteilen sein.

Die Rechtsmittelakten des Obersten Gerichtshofes sollen für dessen Gebrauch in gleichartigen oder ähnlichen Fällen stets zur Verfügung stehen. Eine Aktenübersendung ist aus diesem Grunde abzulehnen.

Zum Begehren auf Übersendung von Ablichtungen sämtlicher Aktenteile ist zu bemerken, daß abgesehen von den im § 219 Abs 1 ZPO genannten, von der Akteneinsicht ausgenommenen Stücken nur die Ausfertigungen der vorinstanzlichen Entscheidungen, interne Noten und Anweisungen über die Aktenbehandlung innerhalb des Gerichtshofes, verwaltungsinterne Anweisungen an das Evidenzbüro und der Berichtsbogen mit dem zur Urschrift ausgestalteten Entscheidungsentwurf bis zum Einlangen des vorliegenden Antrages den Akteninhalt bildeten.

Da der Entwurf und die Urschrift keiner gesonderten Behandlung im Zuge der Einsicht- und Abschriftnahme zugänglich sind, muß auch die Einsichtnahme in die Urschrift versagt bleiben. Der Antrag der klagenden Parteien war aus diesen Erwägungen abzuweisen.

Anmerkung

E20682

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0060OB00551.9.0510.000

Dokumentnummer

JJT_19900510_OGH0002_0060OB00551_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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