TE OGH 1990/5/10 13Os8/90

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Veröffentlicht am 10.05.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 10.Mai 1990 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hörburger, Dr. Brustbauer, Dr. Kuch und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Wolf als Schriftführer in der Strafsache gegen Christian F*** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des teils vollendeten und teils versuchten schweren Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127, 128 Abs. 2, 129 Z 1 sowie 15 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Christian F*** und Tilo F*** sowie die Berufungen der Angeklagten Christian F***, Tilo F***, Franz K*** und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 6.Juni 1989, GZ 6 a Vr 1852/89-69, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Gemäß dem § 390 a StPO haben die Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zu ersetzen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden der am 3.Juli 1951 geborene Christian F*** und der am 17.Mai 1944 geborene Tilo F*** des Verbrechens des teils vollendeten und teils versuchten Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127, 129 Z 1 und 15 StGB, Tilo F*** auch des schweren Diebstahls nach dem § 128 Abs. 2 StGB, schuldig erkannt. Darnach haben sie in Wien in der Zeit von 2.November 1988 bis 17.Februar 1989 im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit den zugleich verfolgten Franz K*** und Herbert J*** als Mittäter (in wechselnder Zusammensetzung) fremde bewegliche Sachen - Tilo F*** in einem 500.000 S übersteigenden Wert - durch Einbruch in ein Gebäude bzw. eine Wohnstätte mit Bereicherungsvorsatz, und zwar Tilo F*** in insgesamt 7 Fällen (Punkt I/A/ des Urteilssatzes) mit einem Wert von 1,303.269 S, Christian F*** in vier Fällen (Punkt I/A/c/) mit einem solchen von 444.583 S, den im Urteilsspruch angeführten Geschädigten weggenommen und in zwei Fällen (Punkt I/B/b/ und c/), Tilo F*** in drei Fällen (Punkt I/B/a/1.2., b/), wegzunehmen versucht. Diesen Schuldspruch bekämpfen die Angeklagten Christian F*** und Tilo F*** mit getrennt ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerden, die jeweils auf die Z 5 und 5 a, überdies von F*** auch auf die Z 4 und 10, von F*** auf die Z 3 des § 281 Abs. 1 StPO gestützt werden. Den Strafausspruch fechten sie (ebenso wie der Angeklagte Franz K*** und die Staatsanwaltschaft hinsichtlich aller Angeklagten) mit Berufung an.

Den Nichtigkeitsbeschwerden kommt keine Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten

Christian F***:

Soweit dieser Angeklagte unter dem Grund der Z 4 rügt, daß das Gericht keinen medizinischen Sachverständigen zur Klärung der Frage einer vollen Berauschung zur Tatzeit beigezogen hat, gebricht es mangels entsprechender Antragstellung des Beschwerdeführers in erster Instanz schon an den formellen Voraussetzungen für die Geltendmachung einer Verfahrensrüge.

In der Nichtaufnahme dieses Beweises liegt aber auch keine Nichtigkeit nach der Z 5 a des § 281 Abs. 1 StPO, die für die unvollständige Ausschöpfung von möglichen Beweisquellen ausnahmsweise in Betracht kommen kann (EvBl. 1988/108). Denn den Ausführungen in der Verfahrens- (Z 4) und der Tatsachenrüge (Z 5 a) zuwider ergeben sich für den Obersten Gerichtshof weder aus der Verantwortung des Angeklagten im Vorverfahren und in der Hauptverhandlung noch aus dem sonstigen Akteninhalt erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrundegelegten entscheidenden Tatsache, daß der Beschwerdeführer zur jeweiligen Tatzeit zwar unter Alkoholeinfluß stand, eine volle Berauschung aber nicht vorlag (II/S 124). Aus der Stellungsanzeige ergibt sich vielmehr, daß der Beschwerdeführer bei dem versuchten Einbruchsdiebstahl (Faktum I/B/c/), der am 17.Februar 1989 um ca. 14.15 Uhr zu seiner Festnahme führte (I/S 13), nach dem am gleichen Tage um 16.20 Uhr aufgenommenen amtsärztlichen Befund (I/S 63) orientiert und bei klarem Bewußtsein war, daß er sich an die Vorfälle, die zu seiner Anhaltung führten, vollkommen erinnern konnte und sein Gedankenablauf geordnet war. Demnach bescheinigte der Amtsarzt dem Angeklagten eine (bloß) mittelstarke Alkoholisierung zur Tatzeit und gelangte in seinem Gutachten zum Ergebnis, daß sich Christian F*** zur Tatzeit nicht in einem die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustand befand. Weder aus der mit dem Angeklagten vor der Polizei aufgenommenen Niederschrift (I/S 71 f) noch aus dem Protokoll über seine Vernehmung durch den Untersuchungsrichter (ON 11) ergeben sich Anhaltspunkte für das Vorliegen einer vollen Berauschung bei Begehung der anderen Straftaten. Der Beschwerdeführer bekannte sich auch zu Beginn der Hauptverhandlung ohne jede Einschränkung für schuldig. All dies in Verbindung mit seiner Verantwortung in der Hauptverhandlung (II/S 55), ihm sei bewußt gewesen, "daß das, was passiert, ein Einbruch ist", spricht nicht gegen die Verneinung eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes zur jeweiligen Tatzeit.

Auch die Mängelrüge (Z 5) entbehrt der Berechtigung. Entgegen dem Beschwerdevorbringen ergibt sich die Feststellung des Erstgerichtes über das Handeln des Angeklagten mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Tatvorsatz keineswegs nur aus der am Gesetzeswortlaut orientierten Tatindividualisierung im Urteilsspruch, sondern auch aus der Beschreibung der Tatausführungen in den Entscheidungsgründen.

Die behauptete Undeutlichkeit liegt demnach nicht vor. Im Hinblick auf die umfassend geständige Verantwortung des Angeklagten, die als Feststellungsgrundlage diente, konnte aber auch eine eingehendere Begründung der gerügten Urteilsannahmen zur subjektiven Tatseite unterbleiben.

Auch die Annahme der Zurechnungsfähigkeit wird - den Behauptungen der Rüge zuwider - durch das Geständnis des Angeklagten (II/S 110) und den ausdrücklichen Hinweis auf seine Verantwortung, daß er auf Grund des Alkoholgenusses keinesfalls in einem Zustand gewesen sei, der ihn nicht erkennen habe lassen, an Straftaten teilzunehmen (II/S 124), durchaus zureichend begründet. Das Vorbringen der Rechtsrüge schließlich läuft auf eine versuchte Umwertung der Verfahrensergebnisse hinaus, wenn - unter Umgehung der gegenteiligen Urteilskonstatierungen - das Vorliegen einer Rauschtat nach dem § 287 StGB behauptet wird. Weil der geltend gemachte Subsumtionsirrtum demnach nicht, wie dies das Gesetz für die Relevierung materieller Nichtigkeitsgründe fordert, aus einem Vergleich des als erwiesen angenommenen Sachverhalts mit den in Betracht kommenden Normen des materiellen Strafrechts abgeleitet wird, liegt keine gesetzmäßige Ausführung des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes vor (vgl. Mayerhofer/Rieder, StPO2, ENr. 30 bei § 281).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten

Tilo F***:

Der Vorwurf, die Angaben der in der Hauptverhandlung in seiner Abwesenheit vernommenen Mitangeklagten seien dem Beschwerdeführer nicht zur Kenntnis gebracht worden, ist unzutreffend. Denn dem Hauptverhandlungsprotokoll (vgl. II/S 91) ist zu entnehmen, daß der Beschwerdeführer über den Inhalt der während seiner Abwesenheit abgelegten Aussagen entsprechend der Vorschrift des § 250 Abs. 1 StPO informiert wurde. Zweifel an der Richtigkeit dieser Protokollierung sind auf Grund des Ergebnisses der vom Obersten Gerichtshof hiezu durchgeführten Erhebungen (§ 285 f StPO) auszuschließen. Denn die beeidete Schriftführerin Gabriele P*** bekräftigte unter Bezugnahme auf ihre stenographische Mitschrift, daß die kritisierte und zu überprüfende Formulierung den tatsächlichen Verhandlungsverlauf korrekt wiedergibt. Diese Stellungnahme findet zudem eine Stütze in der schriftlichen Äußerung des Beschwerdeführers vom 6.April 1990, aus der hervorgeht, daß dem Angeklagten die Aussagen der vernommenen Mitangeklagten in ihrem wesentlichen Inhalt (Übereinstimmung mit seinem schriftlichen Geständnis) mitgeteilt wurden.

Der behauptete Nichtigkeitsgrund der Z 3 des § 281 Abs. 1 StPO liegt daher nicht vor.

Die Mängelrüge geht davon aus, daß der Beschwerdeführer vom Erstgericht als "Haupttäter" und "Anführer" der Mitangeklagten angesehen worden sei, wofür das Urteil jede Begründung vermissen lasse.

Diese Rüge betrifft aber keine entscheidende Tatsache im Sinne der Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO. Denn die mit dieser Passage der Urteilsbegründung (II/S 115) zum Ausdruck gebrachte Überzeugung der Tatrichter, daß der Angeklagte F*** die "meiste Übersicht und auch kriminelle Erfahrung" hatte und die Mitangeklagten F*** und J*** in Kenntnis ihrer Alkoholabhängigkeit um sich scharte, um unkritisch Mitwirkende zur Hand zu haben, ist weder für die Frage der Schuld noch für die Wahl des anzuwendenden Strafsatzes von Bedeutung (vgl. Mayerhofer/Rieder, StPO2, ENr. 26 zu § 281 Z 5). Letztlich schlägt auch die Tatsachenrüge (Z 5 a) nicht durch. Das Erstgericht hat seine Feststellungen zur Schadenshöhe auf die Angaben der Geschädigten vor der Polizei und auf das - mit dem Schuldgeständnis verbundene - "Einbekenntnis" dieser Beträge durch die Angeklagten gegründet (II/S 124). Die einzigen in der Hauptverhandlung konkret erhobenen Einwendungen des Beschwerdeführers gegen die Bewertung der Diebsbeute im Faktum I/A/c/4 (vgl. II/S 89) sind für die von ihm zu vertretende Qualifikation nach dem § 128 Abs. 2 StGB nicht von Belang. Mit dem nicht näher begründeten Vorwurf, das Erstgericht hätte im Hinblick auf die abweichenden Angaben der Geschädigten und der Angeklagten von Amts wegen die Schadensbeträge genau überprüfen müssen, wird daher nicht aufgezeigt, daß die Pflicht zur amtswegigen Erforschung der materiellen Wahrheit in einer Weise verletzt worden wäre, die erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der festgestellten entscheidenden Tatsachen zu wecken vermöchte.

Beide Nichtigkeitsbeschwerden waren daher teils als offenbar unbegründet, teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt schon bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen (§ 285 d Abs. 1 Z 2 und Z 1 iVm § 285 a Z 2 StPO).

Über die Berufungen wird demnach das Oberlandesgericht Wien zu entscheiden haben.

Anmerkung

E20835

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0130OS00008.9.0510.000

Dokumentnummer

JJT_19900510_OGH0002_0130OS00008_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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