TE Vfgh Erkenntnis 2001/11/26 B1080/01

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Veröffentlicht am 26.11.2001
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Index

40 Verwaltungsverfahren
40/01 Verwaltungsverfahren außer Finanz- und Dienstrechtsverfahren

Norm

B-VG Art83 Abs2
AVG §13 Abs5
AVG §63 Abs5

Leitsatz

Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch Zurückweisung einer am letzten Tag der Berufungsfrist nach Ende der Amtsstunden mittels Telefax eingebrachten Berufung als verspätet; Rechtzeitigkeit der Berufung infolge Einbringung vor Ablauf des letzten Tages der Frist; Zeitpunkt des Einbringens, nicht aber des Einlangens für die Wahrung der Rechtsmittelfrist entscheidend

Spruch

Die Beschwerdeführerinnen sind durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Das Land Tirol ist schuldig, den Beschwerdeführerinnen zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit S 32.200,- (€ 2.340,07) bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Der Bürgermeister der Stadtgemeinde Schwaz erteilte mit Bescheid vom 18. Dezember 2000 die baubehördliche Bewilligung zum Abbruch des bestehenden und Wiederaufbau eines Wohnhauses auf dem Grundstück Nr. 751/4, KG Schwaz. Die dagegen von den nunmehrigen Beschwerdeführerinnen erhobenen Berufungen wurden mit Bescheiden des Stadtrates der Stadtgemeinde Schwaz vom 28. Februar 2001, den Beschwerdeführerinnen zugestellt am 5. März 2001, als unbegründet abgewiesen. Die zweiwöchige Rechtsmittelfrist endete daher am 19. März 2001. Dagegen erhoben die Beschwerdeführerinnen Vorstellungen, die sie mittels Telefax am 19. März 2001 um 20.43 Uhr bei der Stadtgemeinde Schwaz einbrachten. Die Tiroler Landesregierung als zuständige Vorstellungsbehörde wies die Vorstellungen mit Bescheid vom 7. Juni 2001 als verspätet zurück und begründete dies (gestützt auf §13 Abs5 AVG) im Wesentlichen damit, dass die mittels Telefax am 5. März 2001 nach den (von 8.00 bis 12.00 Uhr und 14.00 bis 17.00 Uhr dauernden) Amtsstunden eingebrachten Vorstellungen erst mit dem Wiederbeginn der Amtsstunden am 20. März 2001 als bei ihr eingelangt gelten und daher verspätet seien.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende auf Art144 B-VG gestützte Verfassungsgerichtshofbeschwerde, in welcher die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs2 B-VG) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des Bescheides beantragt wird.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie vorbringt, dass der Wortlaut des §13 Abs5 letzter Satz AVG keinen Interpretationsspielraum offen lasse, und die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II. Die Beschwerde erweist sich, da sämtliche Prozessvoraussetzungen gegeben sind, als zulässig; sie ist auch gerechtfertigt.

Der vorliegende Sachverhalt gleicht - hinsichtlich der von der belangten Behörde als verspätet beurteilten, mittels Telefax eingebrachten Vorstellungen - in allen wesentlichen Belangen jenem, welcher der zu B460/00 protokollierten Beschwerde zugrunde lag. Es genügt somit, auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs vom 26. Juni 2000 zu verweisen, aus welchem sich auch für den vorliegenden Fall entsprechend ergibt, dass die Beschwerdeführerinnen im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs2 B-VG) verletzt wurden.

Der angefochtene Bescheid ist daher aufzuheben.

III. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von S 4.950,-

(€ 359,73) und ein Streitgenossenzuschlag in der Höhe von S 2.250,-

(€ 163,51) enthalten.

IV. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 Z2 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Verwaltungsverfahren, Berufung, Berufungsfrist

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2001:B1080.2001

Dokumentnummer

JFT_09988874_01B01080_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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