TE OGH 1990/6/7 7Ob576/90

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Veröffentlicht am 07.06.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Egermann, Dr. Niederreiter und Dr. Schalich als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am 17. November 1988 verstorbenen Maria S***, infolge Revisionsrekurses des Wolfgang S***, Angestellter, Krems an der Donau, Mühlgasse 10, vertreten durch Dr. Herwig Hammerer und Dr. Alois Autherith, Rechtsanwalt in Krems, gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Krems an der Donau als Rekursgericht vom 8. März 1990, GZ 3 R 25/90-26, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Krems an der Donau vom 1. Februar 1990, GZ A 680/88-21, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Als Erben der am 17. 11. 1988 verstorbenen Maria S*** kommen ihre drei Kinder Elisabeth W***, Dr. Karl Friedrich S*** und Wolfgang S*** in Betracht. Noch vor Abgabe von Erbserklärungen überließ das Erstgericht den Genannten mit rechtskräftigem Beschluß vom 6. 2. 1989 die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses. Inzwischen haben Elisabeth W*** und Dr. Karl Friedrich S*** aufgrund des Gesetzes je zu einem Drittel des Nachlasses eine unbedingte Erbserklärung abgegeben. Die Erblasserin war alleinige Gesellschafterin der S*** GmbH, deren Gegenstand der Groß- und Einzelhandel mit Waren aller Art ist und deren (alleinige) Geschäftsführerin Elisabeth W*** war. Die Erblasserin hinterließ eine letztwillige Verfügung mit folgendem Wortlaut: "Mein letzter Wille. Ich wünsche, daß meine Tochter Elisabeth W*** das Geschäft bekommt. Wenn sich Wolfi nach 5 Jahren bewährt, soll er dann auch, wenn er will, in das Geschäft einsteigen können. Den übrigen Besitz verteilt nach Rücksprache untereinander (nicht nach bewährtem Muster), in Gerechtigkeit, in Frieden, ohne Streit."

Bei der von der Geschäftsführerin Elisabeth W*** einberufenen Generalversammlung vom 27. 12. 1989 beschlossen die obgenannten Kinder der Erblasserin einstimmig, Elisabeth W*** als Geschäftsführerin abzuberufen, und gegen die Stimme des Wolfgang S***, Doris S***, die Tochter des Dr. Karl Friedrich S***, zur Geschäftsführerin zu bestellen.

Das Erstgericht genehmigte den "Generalversammlungsbeschluß" abhandlungsbehördlich mit der Begründung, daß mehrere Miterben, denen die Besorgung und Verwaltung der Verlassenschaft übertragen worden sei, den Nachlaß grundsätzlich zur ungeteilten Hand verwalteten. Sie bildeten eine Verwaltungsgemeinschaft, auf die die §§ 833 f ABGB sinngemäß anzuwenden seien. Im Innenverhältnis entscheide daher bei Maßnahmen der ordentlichen Verwaltung die Mehrheit der Anteile. Gemäß § 39 GmbHG genüge, falls der Gesellschaftsvertrag nichts anderes bestimme, die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Dies habe auch im Falle der verwaltenden Erbengemeinschaft zu gelten. Die abhandlungsbehördliche Genehmigung sei daher zu erteilen, da die Handlungsfähigkeit der Gesellschaft sicherzustellen und durch den Wechsel in der Geschäftsführung für den Nachlaß kein Nachteil zu befürchten sei. Die neue Geschäftsführerin erhalte Unterstützung von der bisherigen Geschäftsführerin. Sie verfüge überdies über Erfahrungen in der Textilbranche, sodaß eine den Interessen der Gesellschaft entsprechende Ausübung der Geschäftsführertätigkeit zu erwarten sei. Das Rekursgericht bestätigte den nur im Ausspruch über die Genehmigung der Geschäftsführerbestellung von Wolfgang S*** angefochtenen erstgerichtlichen Beschluß. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 50.000,- übersteigt und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig ist.

Das Rekursgericht billigte die Rechtsansicht des Erstgerichtes über die Stellung der Miterben, denen die Besorgung und Verwaltung der Verlassenschaft überlassen worden ist. Es führte ergänzend aus, daß im Hinblick auf die verschiedenen Interessen die Erben als Verwalter des Nachlasses unter gerichtlicher Aufsicht stünden. Der Nachlaß unterliege der Obsorge des Abhandlungsgerichtes. Streitigkeiten der Erben über die Nachlaßverwaltung seien daher vom Abhandlungsgericht zu entscheiden. Die Rekurslegitimation des Wolfgang S*** in seiner Eigenschaft als Mitverwalter des Nachlasses sei demnach zu bejahen. In der Sache selbst teilte das Rekursgericht die Auffassung des Erstgerichtes.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revisionsrekurs des Wolfgang S*** ist nicht berechtigt. Wie schon das Rekursgericht hervorgehoben hat, ist der Beschluß über die Überlassung der Verwaltung der Verlassenschaft an die Erben in Rechtskraft erwachsen, sodaß dahingestellt bleiben kann, daß die Voraussetzungen für eine Überlassung nicht vorlagen (vgl. Welser in Rummel2 Rz 1 zu § 810). Rechtsträger der Geschäftsanteile ist die Verlassenschaft, den diese verwaltenden einzelnen Erben kommt nicht die Stellung von Gesellschaftern der GmbH zu. Gleichwohl kann jedoch die Frage auf sich beruhen, ob die von den Erben gewählte Form der Beschlußfassung ihrer Rechtsstellung entsprach. Wie schon die Vorinstanzen richtig dargelegt haben, bilden mehrere Erben, denen die Besorgung und Verwaltung überlassen wurde, in Ansehung ihrer Befugnisse eine Verwaltungsgemeinschaft, wobei über Streitigkeiten der Miterben betreffend die Nachlaßverwaltung das Verlassenschaftsgericht im Außerstreitverfahren zu entscheiden hat (SZ 50/56; SZ 38/168; SZ 23/75; Welser aaO Rz 21 und 23). Dies gilt auch bei der Verwaltung von Handelsvermögen. Bei der zu treffenden Entscheidung hat das Abhandlungsgericht die Interessen aller Erben zu berücksichtigen. Gehen diese auseinander, so ist im Regelfall, wenn der Grad des Interesses bei allen gleich hoch anzunehmen ist, jener Gruppe der Erben der Vorrang einzuräumen, welche die Mehrheit der Erbanteile für sich hat (Demelius, Das kaufmännische Nachlaßverfahren in Österreich 144). Beizupflichten ist dem Rechtsmittelwerber darin, daß im Falle der Annahme des Legates durch ihn Dr. Karl Friedrich S*** von Todes wegen keinen Geschäftsanteil erhalten könnte und daß eine Abberufung der Geschäftsführerin durch ihn erheblich erschwert wäre. Bei der gegenseitigen Interessenbewertung ist zu erwägen: Das Recht des Legatars entsteht zwar mit dem Anfall, es wird jedoch erst mit dem Zahlungstag fällig (§ 685 ABGB). Der Vermächtnisnehmer erwirbt sein Recht zwar ohne Annahmeerklärung, er kann es aber auch ausdrücklich annehmen oder ausschlagen (Welser aaO Rz 11 zu § 647). Zum sachenrechtlichen Erwerb bedarf es aber eines Verfügungsgeschäftes. Ist ein Geschäftsanteil Gegenstand des Legates, so hat der Erbe diesen Geschäftsanteil an den Legatar zu übertragen (SZ 59/219). Solange der in Betracht kommende Erwerbsakt nicht erfolgte, gehört die vermachte Sache zum Nachlaß. Die Verwaltung des Nachlasses kann sich daher auch auf sie erstrecken. Da die Verwaltung der Verlassenschaft allen in Betracht kommenden Erben überlassen wurde, könnte Dr. Karl Friedrich S*** von der Beteiligung an die vermachte Sache betreffenden Verwaltungsakten, entgegen der Meinung des Rechtsmittelwerbers, grundsätzlich nicht ausgeschlossen werden. Der Rechtsmittelwerber hat bisher nicht nur keine Erbserklärung abgegeben - seine Beteiligung an der Verwaltung beruht auf dem rechtskräftig gewordenen, die Voraussetzungen einer Verwaltungsüberlassung vernachlässigenden Beschluß des Erstgerichtes -, er zieht offensichtlich, wie sich aus seinen Rechtsmitteln ergibt, auch die Möglichkeit einer Ausschlagung des Vermächtnisses in Betracht. Wenngleich der Legatar in der Regel nicht zu einer Erklärung darüber verhalten ist, ob er annimmt oder ausschlägt, wäre doch im vorliegenden Fall wegen der besonderen Interessenlage eine Klarstellung angebracht gewesen (vgl. Kralik-Ehrenzweig, Erbrecht 236), zumal die Übertragung auch bereits gefordert werden könnte. Unterließ der Rechtsmittelwerber aber eine Klarstellung, muß dies bei der Interessenabwägung zu seinem Nachteil ins Gewicht fallen. Die Enthebung der bisherigen Geschäftsführerin, der auch der Rechtsmittelwerber zustimmte und die rechtskräftig genehmigt wurde, erfordert eine Vorsorge für die Vertretung der Gesellschaft. Dem Rechtsmittelwerber ist zwar zuzugeben, daß diese auch durch ein Verlassenschaftsprovisorium bzw. durch Bestellung eines Notgeschäftsführers erfolgen könnte. Hier fällt aber ins Gewicht, daß es sich schon nach dem Gesellschaftsvertrag um ein Familienunternehmen handelte und daß dieser Charakter ganz offensichtlich nach dem Willen der Erblasserin erhalten bleiben soll. Die Bestellung eines Außenstehenden kann auch nicht im Interesse der Mitlegatarin liegen. Die bestellte Geschäftsführerin gehört zwar nicht zu den Erben, aber zur Familie der Erblasserin. Daß von ihr eine entsprechende Geschäftsführung nicht zu erwarten ist, wurde vom Rechtsmittelwerber nicht einmal behauptet. Nach den obgenannten Grundsätzen für die vom Außerstreitrichter zu treffende Entscheidung kann nach dem Gesagten ein Rechtsirrtum der Vorinstanzen nicht erkannt werden. Unerörtert bleiben kann die Frage der Anwachsung beim Mitvermächtnis (vgl. Koziol-Welser8 II 355). Demgemäß ist dem Revisionsrekurs ein Erfolg zu versagen.

Anmerkung

E21436

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0070OB00576.9.0607.000

Dokumentnummer

JJT_19900607_OGH0002_0070OB00576_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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