TE OGH 1990/6/12 15Os39/90

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Veröffentlicht am 12.06.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 12.Juni 1990 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Hon.Prof. Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Dr. Ungerank als Schriftführer in der Strafsache gegen Kassian S*** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens nach § 12 Abs 1, Abs 2 erster Fall, Abs 3 Z 3 SGG und anderer strafbarer Handlungen über die noch unerledigten Teile der Nichtigkeitsbeschwerden und über die Berufungen der Angeklagten Kassian S***, Markus G*** und Klaus R*** sowie weiters über die Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten Christian C*** gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 10.Oktober 1989, GZ 35 Vr 551/89-211, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Jerabek, und der Verteidiger Dr. Heiss, Dr. Obitsch, Dr. Lechner und Dr. Eppacher, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Kassian S***, Markus G*** und Klaus R*** werden, soweit sie der Erledigung im Gerichtstag vorbehalten waren, verworfen.

Gemäß § 290 Abs 1 StPO wird jedoch das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in dem gegen den Angeklagten Markus G*** ergangenen Schuldspruch lt. Punkt VII/15 sowie in dem diesen Angeklagten betreffenden Strafausspruch (nur) nach dem Finanzstrafgesetz aufgehoben; gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO wird im Umfang der Aufhebung unter Ausschaltung des bezeichneten Schuldspruchs in der Sache selbst erkannt:

Markus G*** wird für die ihm nach den aufrecht gebliebenen Schuldsprüchen weiterhin zur Last fallenden Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhehlerei nach §§ 37 Abs 1 lit a, 38 Abs 1 lit a FinStrG (VII/3, 4, 7-12 und 14) und des gewerbsmäßigen Schmuggels nach §§ 35 Abs 1, 38 Abs 1 lit a FinStrG (VI/1, 2) gemäß §§ 21, 35 Abs 4, 37 Abs 2, 38 Abs 1 FinStrG zu einer Geldstrafe von 250.000 S (zweihundertfünfzigtausend Schilling), an deren Stelle gemäß § 20 FinStrG für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von zweieinhalb Monaten tritt, verurteilt. Den Berufungen der Angeklagten S***, G***, R*** und Christian C*** sowie der Staatsanwaltschaft wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen allen Angeklagten auch die Kosten dieses Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

I. Zu den Nichtigkeitsbeschwerden:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Kassian S***, Markus G*** und Klaus R*** des - seitens der Angeklagten G*** und R*** teilweise beim Versuch (§ 15 StGB) gebliebenen - Verbrechens nach § 12 Abs 1, Abs 2 erster Fall, Abs 3 Z 3 SGG, des Vergehens nach § 16 Abs 1 SGG sowie der Finanzvergehen des gewerbsmäßigen Schmuggels nach §§ 35 Abs 1, 38 Abs 1 lit a FinStrG - S*** und R*** zum Teil als Beteiligte nach § 11 (dritter Fall) FinStrG - und der gewerbsmäßigen Abgabenhehlerei nach § 37 Abs 1 lit a, S*** auch lit b, § 38 Abs 1 lit a FinStrG, S*** und G*** überdies des Verbrechens nach § 14 Abs 1 SGG und G*** auch noch des Vergehens nach § 14 a SGG schuldig erkannt.

Rechtliche Beurteilung

Die Nichtigkeitsbeschwerden der genannten Angeklagten gegen dieses Urteil wurden jeweils mit Ausnahme jenes Teils, der auf § 281 Abs 1 Z 10 StPO gestützt ist, bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückgewiesen, welcher Entscheidung auch die näheren Tatumstände entnommen werden können. Der darum noch im Gerichtstag zu erledigende Teil dieser Rechtsmittel richtet sich gegen die erstgerichtliche Annahme der Idealkonkurrenz des Verbrechens nach § 12 Abs 3 SGG mit Schmuggel und Abgabenhehlerei.

Soweit die Angeklagten S*** und G*** eine Eingangsabgabenpflicht für Suchtgifte und damit die Verwirklichung der Finanzvergehen nach §§ 35, 37 FinStrG bei der vorliegenden Fallgestaltung in Abrede stellen, weil eine derartige Verpflichtung nach "logischen Denkgesetzen" nur hinsichtlich solcher Waren vorstellbar wäre, die "zulässiger Weise in den Wirtschafts- und Handelskreislauf eines Zollgebietes" eingeführt werden könnten, verkennen sie die Rechtslage:

Seit dem Inkrafttreten der neuen Zolltarifgesetznovelle BGBl. 1976/669 am 1.Jänner 1977 unterliegen entgegen den Bestimmungen des Suchtgiftgesetzes eingeführte Suchtgifte einem Gewichtszoll. Dasselbe gilt zufolge des am 1.Jänner 1981 in Kraft getretenen Wertzollgesetzes 1980, BGBl. 221, auch in Ansehung der (auf Grundlage eines von Verkehrsverboten unabhängigen Zollwertes festzusetzenden) Einfuhrumsatzsteuer: § 3 Abs 2 Z 1 lit a dieses Gesetzes normiert nämlich ausdrücklich, daß auf gesetzlichen Vorschriften beruhende Einschränkungen bezüglich der Verwendung und des Gebrauchs der Waren durch den Käufer der Heranziehung des Kaufpreises als Zollwert nicht entgegenstehen. Schließlich hat auch die mit 1.Jänner 1982 in Kraft getretene Außenhandelsförderungs-Beitragsgesetz-Nov. 1981/484 eine Beitragspflicht für jegliche Wareneinfuhr (ohne Einschränkung auf zumindest auch im legalen Handel befindliche Waren) statuiert (vgl. Dorazil-Harbich-Reichel-Kropfitsch Punkt 15 zu § 35 FinStrG). Die insbesondere vom Angeklagten S*** zitierten Entscheidungen des "Europäischen Gerichtshofes" (richtig: Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften) hingegen, denenzufolge bei der Einfuhr von Betäubungsmitteln, die nicht Gegenstand des (von den zuständigen Stellen streng überwachten) Vertriebes zur Verwendung für medizinische und wissenschaftliche Zwecke sind, keine Zollschuld entsteht, basieren - was in den Beschwerden übersehen wird - auf den durch den EWG-Vertrag geschaffenen Rechtsverhältnissen, die für den österreichischen Rechtsbereich außer Betracht zu bleiben haben, ganz abgesehen davon, daß nach den zitierten Entscheidungen auch den einzelnen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft das Recht unbenommen bleibt, Verstöße gegen ihre Betäubungsmittelvorschriften mit angemessenen Sanktionen zu belegen, und zwar mit allen Rechtsfolgen auch finanzieller Art, die sich daraus ergeben. Als nicht stichhältig erweist sich des weiteren das Vorbringen des Angeklagten R***, der den Schmuggel und die Abgabenhehlerei als durch die Aburteilung nach dem Suchtgiftgesetz konsumiert erachtet. Der Annahme einer solcherart scheinbaren Idealkonkurrenz steht nämlich schon die mit der Suchtgiftgesetznovelle 1985 (BGBl. 184) geschaffene, hier nicht anwendbare Bestimmung des § 24 a SGG entgegen, die eine Bestrafung sowohl nach dem Suchtgiftgesetz als auch nach dem Finanzstrafgesetz nur in bestimmten Fällen ausschließt, also von einem ansonsten eintätigen Zusammentreffen derart konkurrierender Tatbestände ausgeht.

Die auf den Nichtigkeitsgrund nach Z 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten S***, G*** und R*** waren sohin zu verwerfen.

II. Zur Maßnahme nach § 290 Abs 1 StPO:

Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde war jedoch von Amts wegen wahrzunehmen (§ 290 Abs 1 StPO), daß das Erstgericht jene Tat, mit der G*** am 20.März 1989 in Innsbruck ein Suchtgift in einer großen Menge, nämlich 95 Gramm Kokain mit einer Kokainbase von 33 Gramm, mit dem Vorsatz erworben und besessen hat, daß es in Verkehr gesetzt wird (IV des Schuldspruchs), rechtsirrig nicht nur als Vergehen nach § 14 a SGG, sondern auch als Finanzvergehen der Abgabenhehlerei abgeurteilt hat (VII/15). Gemäß § 24 a SGG entfällt nämlich beim eintätigen Zusammentreffen mit dem Vergehen nach § 14 a SGG die Strafbarkeit wegen des betreffenden Finanzvergehens. Die darnach gebotene Ausschaltung dieses Schuldspruches (lt. Punkt VII/15) erfaßt auch den unangefochten gebliebenen Strafausspruch nach dem Finanzstrafgesetz und erfordert dazu eine Strafneubemessung.

Unter Berücksichtigung der schon vom Erstgericht verwerteten Strafzumessungsgründe und des nunmehr reduzierten Strafrahmens entspricht eine Geldstrafe von 250.000 S dem Schuld- und Unrechtsgehalt der Finanzstraftaten des G*** (§ 23 Abs 1 und 2 FinStrG) und berücksichtigt auch die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit dieses Täters (§ 23 Abs 3 FinStrG). Die Ersatzfreiheitsstrafe ist der Geldstrafe adäquat.

III. Zu den Berufungen:

Die Nichtigkeitswerber und ihr Mitangeklagter Christian C***, der gleichfalls wegen des Verbrechens nach § 12 Abs 1, Abs 2 erster Fall, Abs 3 Z 3 SGG, des Vergehens nach § 16 Abs 1 SGG sowie der Finanzvergehen des gewerbsmäßigen Schmuggels nach §§ 35 Abs 1, 38 Abs 1 lit a FinStrG und der gewerbsmäßigen Abgabenhehlerei nach §§ 37 Abs 1 lit a, 38 Abs 1 lit a FinStrG schuldig erkannt wurde, jedoch keine Nichtigkeitsbeschwerde erhoben hat, haben ebenso wie die Staatsanwaltschaft (zum Nachteil aller Angeklagten) Berufung ergriffen. Die Berufungen richten sich durchwegs gegen die nach dem Suchtgiftgesetz verhängten Freiheitsstrafen; R*** wendet sich auch gegen die nach dem Finanzstrafgesetz über ihn verhängte Geldstrafe und gegen die nach § 13 Abs 2 SGG über ihn verhängte Wertersatzstrafe. Nach § 12 Abs 3 SGG unter Bedachtnahme auf § 28 StGB verurteilte das Schöffengericht S*** zu viereinhalb, C*** zu dreieinhalb, G*** zu fünf und R*** zu vier Jahren Freiheitsstrafe. Es wertete dabei als erschwerend bei allen Angeklagten das Zusammentreffen von Verbrechen mit Vergehen, die zweifache Qualifikation und die verschiedenen Begehungsformen des Verbrechens nach § 12 SGG; die jeweils weit über der Grenze des § 12 Abs 3 Z 3 SGG gelegenen Suchtgiftmengen und den Umstand, daß bei keinem die Sucht Antrieb zur Tat war; bei G*** fiel überdies erschwerend ins Gewicht, daß er auch harte Drogen (Kokain) in großer Menge in Verkehr gesetzt hat, und bei S*** dessen einschlägige Vorstrafen.

Mildernd waren demgegenüber: das umfassende, reumütige und der Wahrheitsfindung dienende Geständnis aller Angeklagten, die Unbescholtenheit von G*** und R*** sowie, daß bei diesen Angeklagten jeweils eine Tat beim Versuch geblieben ist, und ferner bei C*** dessen verminderte Zurechnungsfähigkeit auf Grund seines einfältigen und naiven persönlichen Eindrucks in der Hauptverhandlung.

Die Staatsanwaltschaft ist vor allem darauf hinzuweisen, daß die Gewerbsmäßigkeit (als Qualifikation im Sinne des § 12 Abs 2 SGG) und der damit verbundene finanzielle Gewinn ebenso wie die äußerst hohen Suchtgiftmengen vom Schöffengericht ohnehin als erschwerend gewertet wurden. Der in der Hauptverhandlung gewonnene persönliche Eindruck der Tatrichter aber, aus dem sie ersichtlich den Milderungsumstand eines schwachen Verstandes des Angeklagten C*** gefolgert haben (§ 34 Z 1 StGB), steht diesbezüglichen Zweifeln der Anklagebehörde entgegen. Schließlich wurden den Angeklagten, die weitgehend nur im Umfang ihrer in der Hauptverhandlung abgelegten Geständnisse verurteilt worden sind, diese auch durchaus zutreffend als mildernd zugute gehalten. Daß weniger geständige Angeklagte damit weniger bestraft wurden, ist nicht, wie die Staatsanwaltschaft in ihrer Berufung vermeint, eine Belohnung ihres Leugnens, sondern die Konsequenz ihrer geringeren Verurteilung, deren Umfang zu kritisieren im Rahmen einer Berufung nicht mehr zusteht. Zusätzliche Milderungsgründe kann keiner der Verurteilten aufzeigen; auch das im Gerichtstag vorgelegte Gutachten betreffend Markus G*** zeigt keinen weiteren, allenfalls nach § 34 Z 1 StGB zu wertenden Milderungsgrund auf. Ihre besonders herausgestrichenen Geständnisse wurden ohnehin in jeder Richtung ausreichend gewürdigt und gewertet. Ihre Suchtgiftdelinquenz war auch kein "schnelles Geschäft", sondern ein monatelang fortgesetzter schwunghafter Handel mit überaus großen Mengen von Suchtgift. Indem die Erstrichter dennoch die bis zu fünfzehn Jahren reichende Freiheitsstrafdrohung weitgehend nicht einmal bis zu einem Drittel ausschöpften, haben sie bei der Bemessung der Strafdauer keinesfalls zu hoch gegriffen. Diese hindert die von R*** und C*** zudem angestrebte bedingte Nachsicht eines Teils der Strafe (§ 43 a Abs 4 StGB). Aber auch die bei R*** gleichermaßen wie bei den übrigen Angeklagten in Höhe der Hälfte der auf das geschmuggelte und verhehlte Suchtgift entfallenden Eingangsabgaben von 284.746 S bestimmten Geldstrafe (von 142.373 S) nach dem Finanzstrafgesetz ist entgegen der Ansicht dieses Angeklagten nicht zu hoch ausgemessen worden. Er kann für sein Herabsetzungsbegehren auch keinerlei Argumente nennen, welches das Erstgericht übersehen hätte. Demgemäß besteht auch kein Anlaß zu einer diesbezüglichen Strafreduktion, zumal die Erstrichter solcherart ohnehin nur ein Achtel des Strafrahmens (§§ 35 Abs 4, 37 Abs 2, 38 Abs 1 FinStrG) ausgeschöpft haben.

Zu der von R*** weiters begehrten Reduzierung der Wertersatzstrafe von 150.000 S argumentiert dieser, nach den getroffenen Feststellungen des Ersturteils sei davon auszugehen, daß er einen maximalen Erlös von 90.000 S und keinen Gewinn, sondern nur Schaden gehabt habe. Tatsächlich aber konnten die nicht ergriffenen Erlöse nicht festgestellt werden, weshalb auf den Wert zurückgegriffen wurde. Dabei wurde dem Wert ohnehin nicht der im Ersturteil ebenfalls genannte Grammpreis zugrunde gelegt, sondern jener weit geringere, der sich für eine Menge von jeweils einem Kilogramm ergibt. Damit bestand auch zu einer Herabsetzung dieser Strafe kein Anlaß.

Anmerkung

E20849

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0150OS00039.9.0612.000

Dokumentnummer

JJT_19900612_OGH0002_0150OS00039_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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