TE OGH 1990/6/12 15Os44/90 (15Os45/90)

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Veröffentlicht am 12.06.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 12.Juni 1990 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Hon.Prof. Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Dr. Ungerank als Schriftführer in der Strafsache gegen Reinhard Radek H*** und Gabriele H*** wegen des Verbrechens des versuchten Diebstahls durch Einbruch nach §§ 15, 127, 129 Z 1 StGB, AZ 2 a Vr 9193/89 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, (1.) über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen sowie (2.) über die Beschwerden jeweils beider Angeklagten gegen (zu 1.) das Urteil und (zu 2.) den Beschluß dieses Gerichtes als Schöffengericht jeweils vom 20.Februar 1990, ON 28, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Wasserbauer, beider Angeklagten sowie der Verteidiger Dr. Ringelhann (für Reinhard Radek H***) und Dr. Hintersteininger (für Gabriele H***) zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.

Beiden Berufungen und der Beschwerde des Angeklagten Reinhard Radek H*** wird nicht Folge gegeben.

Der Beschwerde der Angeklagten Gabriele H*** wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluß, der im übrigen unberührt bleibt, in den Aussprüchen über das Absehen vom Widerruf der ihr mit dem Urteil des Kreisgerichtes Ried im Innkreis vom 25.November 1986, GZ 8 Vr 792/86-30, gewährten bedingten Strafnachsicht sowie über die Verlängerung der ihr mit diesem Urteil bestimmten Probezeit aufgehoben.

Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Reinhard Radek H*** und dessen Ehegattin Gabriele H*** des Verbrechens des versuchten Diebstahls durch Einbruch nach §§ 15, 127, 129 Z 1 StGB schuldig erkannt.

Darnach haben sie am 30.August 1989 in Wien im bewußten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter fremde bewegliche Sachen, und zwar "zumindestens Wert- bzw. Gebrauchsgegenstände, wie zB Getränke- und Bierdosen" (gemeint: für sie verwertbares Gut, wie etwa Bier oder sonstige Getränke in Dosen), Verfügungsberechtigten der Firma "M***" durch Einsteigen mit dem Vorsatz wegzunehmen versucht, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem sie durch Übersteigen eines ca. 2 m hohen Eingangstores in einen Lagerplatz eindrangen.

Rechtliche Beurteilung

Den auf § 281 Abs 1 Z 5, 5 a, 9 lit b und 10 StPO gestützten, in einer gemeinsamen Rechtsmittelschrift ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerden beider Angeklagten gegen dieses Urteil kommt keine Berechtigung zu.

Nur auf die Dauer der Beschäftigung des Erstangeklagten bei der im "M***"-Markt betriebenen Filiale der Firma "M*** M***" ("durch einen Monat hindurch"), mit der das Schöffengericht die Überlegung verband, daß ihm demzufolge die leichte Zugänglichkeit verschiedener auf dem Lagerplatz aufbewahrter Sachen bekannt war (US 6/7), bezieht sich an anderer Stelle des Urteils die Beifügung "angeblich" (US 9), und nicht, wie die Beschwerdeführer in der Mängelrüge (Z 5) behaupten, auf das Beschäftigungsverhältnis als solches; von einer Undeutlichkeit oder Widersprüchlichkeit der Entscheidungsgründe in Ansehung von dessen vormaligem Bestand kann daher keine Rede sein.

Auch hat das Erstgericht, einer weiteren Beschwerdebehauptung zuwider, mit Beziehung auf das von den Angeklagten bei der Tat getragene Schuhwerk keineswegs festgestellt, sie hätten schon beim Verlassen ihrer Wohnung einen Diebstahl geplant; dazu hat es vielmehr - mit der ausdrücklichen Klarstellung, daß die aus ihrer Fußbekleidung in Verbindung mit den Witterungsverhältnissen zur Tatzeit abgeleiteten "gewissen Verdachtsmomente" bei der Sachverhaltsfeststellung nicht ausschlaggebend waren - lediglich darauf hingewiesen, daß letztere "eher" für ein (solcherart) planmäßiges Diebstahlsvorgehen sprächen als für ein von den Beschwerdeführern vorgegebenes Einsteigen in den Lagerplatz bloß zur ungestörten Ausübung eines Geschlechtsverkehrs (US 10). Schon deswegen ist insoweit für die Annahme einer inneren Widersprüchlichkeit des Urteils in Ansehung entscheidender Tatsachen, die im Hinblick darauf reklamiert wird, daß der Zweitangeklagten anderseits ihre (im übrigen gar nicht auf einen Zeitpunkt erst unmittelbar vor der Tatbegehung bezogene) Verleitung durch ihren Ehegatten zur Tat als mildernd zugutegehalten wurde (US 12), gleichfalls kein Raum.

Die mit der Tatsachenrüge (Z 5 a) ins Treffen geführten Argumente der Angeklagten aber, mit denen sie die Überzeugungskraft der gerichtlichen Beweisführung bei der Konstatierung ihres Diebstahlsvorsatzes in Frage zu stellen und ihre soeben relevierte leugnende Verantwortung glaubhaft zu machen trachten, sind nach sorgfältiger Prüfung im Licht der gesamten Aktenlage in keiner Weise geeignet, gegen die Richtigkeit der ihren Tatplan betreffenden Urteilsfeststellungen Bedenken zu erwecken.

Nicht stichhältig schließlich ist der Vorwurf von

Begründungs- (Z 5) und Feststellungsmängeln (Z 10) über die genaue Höhe und Beschaffenheit des von den Beschwerdeführern überstiegenen Eingangstores; denn das Überklettern eines etwa 2 m hohen (und demgemäß sehr wohl eine Barrierefunktion erfüllenden) Tores entspricht entgegen ihrer Auffassung selbst dann, wenn es keine besondere Geschicklichkeit erfordert, jedenfalls dem Begriff "Einsteigen" in § 129 Z 1 StGB. Damit ist auch der von den Angeklagten zudem angestrebten Annahme einer Straflosigkeit ihrer Tat (Z 9 lit b) als nicht qualifizierter Diebstahlsversuch (§§ 15, 127 StGB) mangels Strafwürdigkeit (§ 42 StGB) oder als versuchte Entwendung (§§ 15, 141 Abs 1 StGB) mangels Ermächtigung (§ 141 Abs 2 StGB) - und zwar nach der ersten Variante infolge des qualifikationsbedingten Strafrahmens (§ 42 StGB am Anfang) sowie nach der zweiten wegen des mit der Qualifikation verbundenen Privilegierungsausschlusses (§ 141 Abs 1 StGB am Ende) - der Boden entzogen.

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher zu verwerfen. Das Schöffengericht verurteilte beide Angeklagten nach § 129 StGB zu Freiheitsstrafen, die es beim Erstangeklagten mit zehn und bei der Zweitangeklagten unter Anwendung des § 41 (Abs 1 Z 5) StGB mit fünf Monaten ausmaß sowie letzterer unter Bestimmung einer Probezeit in der Dauer von drei Jahren bedingt nachsah (§ 43 Abs 1 StGB).

Dabei wertete es bei beiden ihr Alter unter 21 Jahren (zur Tatzeit) und den Umstand, daß ihr Vorhaben nur auf eine geringwertige Diebsbeute gerichtet war sowie lediglich bis zum Versuch gediehen ist, und zudem bei der Zweitangeklagten deren Verleitung durch ihren Ehegatten als mildernd, wogegen es beiden ihre (bei Reinhard Radek H*** fünf und bei Gabriele H*** eine) einschlägigen Vorstrafen, die beim Erstangeklagten den Voraussetzungen des § 39 StGB entsprechen, sowie jenem außerdem die Verleitung seiner Ehegattin als erschwerend anlastete; die Gewährung bedingter Strafnachsicht, allenfalls in Ansehung eines Teils der Freiheitsstrafe, hielt es bei Reinhard Radek H*** im Hinblick auf sein (belastetes) Vorleben für nicht gerechtfertigt. Ferner widerrief das Schöffengericht die dem Erstangeklagten in zwei Vorverfahren jeweils gewährte bedingte Nachsicht von zusammen zehn Monaten Freiheitsstrafe und seine bedingte Entlassung aus einer weiteren Freiheitsstrafe mit einem Strafrest von zwei Monaten (§ 494 a Abs 1 Z 4 StPO); bei der Zweitangeklagten hingegen sah es vom Widerruf der bedingten Nachsicht einer zweimonatigen Freiheitsstrafe ab, wobei es die Probezeit auf fünf Jahre verlängerte (§ 494 a Abs 1 Z 2 und Abs 7 StPO).

Mit ihren Berufungen streben beide Angeklagten eine Strafherabsetzung sowie Reinhard Radek H*** überdies die Gewährung bedingter Strafnachsicht an; ferner haben der Erstangeklagte gegen den Widerruf und die Zweitangeklagte gegen die Verlängerung der Probezeit Beschwerde ergriffen; auch von diesen Rechtsmitteln kommt nur der von Gabriele H*** erhobenen Beschwerde Berechtigung zu. Die Strafdauer erweist sich bei beiden Berufungswerbern nach ihrer tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld (§ 32 StGB) als angemessen; die neuerliche Gewährung bedingter Strafnachsicht kommt bei Reinhard Radek H*** aus Gründen der Spezialprävention nicht in Betracht (§ 43 Abs 1 StGB). Sein wiederholter Rückfall trotz mehrmaliger Gewährung bedingter Strafnachsicht und bedingter Entlassung zeigt, daß nunmehr die Vollziehung jener Strafen und Strafreste zusätzlich zu seiner neuerlichen Verurteilung geboten ist, um ihn von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten (§ 53 Abs 1 StGB). Den Berufungen und der Beschwerde des Erstangeklagten mußte daher gleichfalls ein Erfolg versagt bleiben. Bei der Zweitangeklagten hingegen kamen ein Absehen vom Widerruf der bedingten Strafnachsicht und eine Verlängerung der Probezeit (§ 53 Abs 1 und Abs 2 StGB) gemäß § 494 a Abs 1 Z 2 und Abs 7 StPO zur Zeit der Urteilsfällung am 20.Februar 1990 nicht mehr in Betracht, weil im betreffenden Vor-Verfahren mit Beschluß vom 16.dM, GZ 8 Vr 792/86-57 des Kreisgerichtes Ried im Innkreis, inzwischen - obgleich unter Verwendung eines falschen Formulars, betreffend ein endgültiges Absehen von einer Bestrafung iS § 46 Abs 6 JGG 1961, nichtsdestoweniger aber doch der Sache nach unmißverständlich - bereits die endgültige Nachsicht der Strafe (§ 43 Abs 2 StGB) ausgesprochen worden war (§ 497 StPO). Insoweit war daher der bekämpfte Beschluß in Stattgebung ihrer Beschwerde ersatzlos aufzuheben.

Anmerkung

E21106

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0150OS00044.9.0612.000

Dokumentnummer

JJT_19900612_OGH0002_0150OS00044_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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