TE OGH 1990/6/20 1Ob4/90

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Veröffentlicht am 20.06.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann, Dr.Schlosser, Dr.Graf und Dr.Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Josefine M***, Pensionistin, Niederhof 24, 5662 Gries im Pinzgau, vertreten durch Dr.Klaus Weber, Rechtsanwalt in Mittersill, wider die beklagte Partei R*** Ö***, vertreten durch die Finanzprokuratur, Singerstraße 17-19, 1011 Wien, wegen Feststellung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 14.November 1989, GZ 12 R 60/89-20, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 19.Mai 1989, GZ 8 Cg 159/88-14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 9.887,40 (einschließlich S 1.647,90 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Michael M*** ist am 21.3.1967 unter Hinterlassung eines Testamentes verstorben, in dem er seinen Sohn Christian M*** zum Alleinerben einsetzte und seiner Ehegattin, der Klägerin, auf die Dauer ihres Witwenstands auf Lebenszeit das Wohnungsrecht in den Räumen im Erdgeschoß des Hauses Niederhof Nr. 24 vermachte. Michael M*** war Eigentümer der Liegenschaften EZ 121 und 125 KG Reith, Grundbuch Taxenbach. Das Haus Niederhof Nr. 24 gehört zur EZ 121. Zufolge eines Versehens wurde in das Verlassenschaftsverfahren A 29/67 des Bezirksgerichtes Taxenbach nur die Liegenschaft EZ 125 KG Reith einbezogen, auf der sich jedoch nicht das Wohnhaus, sondern nur eine Garage befand, so daß nach dem Ergebnis der Abhandlung auf Grund des Erbübereinkommens vom 5.6.1967 und der Verbücherungsanordnung der Einantwortungsurkunde vom 13.6.1967 das Eigentumsrecht für Christian M*** und die Dienstbarkeit der Wohnung zugunsten der Klägerin nur auf der Liegenschaft EZ 125 KG Reith (am 20.11.1967) verbüchert wurden.

Zu Beginn des Jahres 1977 erfuhr Notar Dr.Karl H*** durch eine Mitteilung der Bewertungsstelle des Finanzamtes Zell am See, daß der Verstorbene Michael M*** noch immer Eigentümer einer Liegenschaft sei. Nach Überprüfung wurde festgestellt, daß diese Mitteilung die Liegenschaft EZ 121 KG Reith betraf. Am 20.4.1977 beantragte der Testamentserbe Christian M*** die Durchführung einer Nachtragsabhandlung. Am gleichen Tag wurde Notar Dr.Karl H*** zum Gerichtskommissär zur Durchführung der Nachtragsabhandlung bestellt. Im Protokoll vom 25.5.1977 erteilte Christian M*** seine Einwilligung, daß ob der Liegenschaft EZ 121 KG Reith die Dienstbarkeit der Wohnung im Sinne und Umfang des Erbübereinkommens vom 5.6.1967 zugunsten der Klägerin einverleibt werde. Dabei belehrte der Gerichtskommissär die Klägerin dahin, daß ihr Wohnungsrecht auch auf dieser Liegenschaft von Amts wegen eingetragen werde. Er forderte sie nicht auf, daß sie selbst dazu etwas unternehmen müsse. Auf diese Mitteilung verließ sich die Klägerin. Mit Beschluß des Bezirksgerichtes Taxenbach vom 1.9.1977 wurde Christian M*** die im Verlassenschaftsprotokoll vom 5.6.1967 irrtümlich nicht angeführte Liegenschaft EZ 121 KG Reith im Nachhang zur Einantwortungsurkunde vom 13.6.1967 zugewiesen und die bücherliche Einverleibung des Eigentumsrechtes ob der dem Michael M*** zur Gänze gerhörigen Liegenschaft EZ 121 zugunsten des Erben angeordnet (das Wohnungsrecht der Klägerin fand in diesem Beschluß keine Erwähnung). Über Antrag des durch Dr.Karl H*** vertretenen Christian M*** wurde dessen Eigentumsrecht ob der EZ 121 KG Reith am 30.3.1978 einverleibt. Die Verbücherung des Wohnungsrechtes der Klägerin unterblieb.

Da die Klägerin wegen der finanziellen Lage ihres Sohnes Christian M*** Bedenken wegen ihres Wohnungsrechtes hatte, wandte sie sich an das Bezirksgericht Taxenbach und erhielt dort die Auskunft, daß ihr Wohnungsrecht ohnedies eingetragen sei; sie wußte allerdings nicht, daß diese Auskunft sich nur auf die Liegenschaft EZ 125 KG Reith bezog. Im Jahr 1984 teilte Christian M*** der Klägerin mit, daß ihr Wohnungsrecht auf der Liegenschaft EZ 121 KG Reith nicht eingetragen sei. Daraufhin wandte sich die Klägerin an Notar Dr.Karl H***, bevollmächtigte ihn und erwirkte sodann am 28.1.1985 die Eintragung ihres Wohnungsrechtes. In der Zwischenzeit waren jedoch ab der Verbücherung des Eigentumsrechtes des Christian M*** (30.3.1978) in der EZ 121 KG Reith mehrere Vertrags- und zahlreiche Zwangspfandrechte eingetragen und bereits mit Beschlüssen vom 18.7.1984 (EZ 121) und 30.10.1984 (EZ 125) die Zwangsversteigerung der Liegenschaften bewilligt worden. Der Schätzwert der Liegenschaft EZ 121 betrug ohne Zubehör S 1,406.518, jener für das Zubehör S 55.300, so daß das geringste Gebot S 730.909 betrug. Im September 1985 erfuhr die Klägerin, daß bei Versteigerung der Liegenschaft EZ 121 KG Reith ihr Wohnungsrecht verlorengehen werde. Um die Liegenschaft für die Familie zu erhalten, ersteigerte die Schwiegertochter der Klägerin und Gattin des Verpflichteten Christian M***, Monika M***, beide Liegenschaften als einzige Bieterin zum geringsten Gebot = Meistbot von S 843.733,50. Um dieses Meistbot berichtigen zu können, benötigte sie einen Kredit, den ihr die Salzburger Sparkasse, die mit einem Pfandrecht von S 500.000 nicht zum Zug gekommen war und ein Überbot in Erwägung zog, unter der Bedingung gewährte, daß das Wohnungsrecht der Klägerin nicht nur auf der EZ 121, wo es ohnedies nachrangig war, sondern auch auf der EZ 125 gelöscht werde. Die Löschung erfolgte (mit Zustimmung der Klägerin) am 15.7.1986. Die Klägerin übt ihr - seither nicht mehr intabuliertes - Wohnrecht nach wie vor in den Räumen aus, in denen es ihr gemäß dem Erbübereinkommen mit ihrem Sohn zusteht. Das Einkommen des Christian M*** ist bis auf das Existenzminimum gepfändet. Die Klägerin befürchtet, ihr Sohn und ihre Schwiegertochter könnten die finanzielle Lage nicht meistern. Im Jahr 1987 wurde zugunsten der Ansprüche zweier Gläubiger die zwangsweise Verwertung der beiden Liegenschaften bewilligt, in beiden Fällen jedoch die Exekution wieder zur Einstellung gebracht. Zu 6 Cg 498/86 des Erstgerichtes hatte die Klägerin Notar Dr.Karl H*** auf Schadenersatz in Anspruch genommen. Sie gründete das Begehren auf die Verletzung von Schutz- und Sorgfaltspflichten des Notars gegenüber ihrem Sohn Christian M*** bzw. auf die Verletzung der dem Notar ihr gegenüber obliegenden Sorgfaltspflicht, nicht hingegen auf seine Tätigkeit als Gerichtskommissär. Notar Dr.Karl H*** habe sie entgegen der herrschenden Judikatur darauf hingewiesen, daß die grundbücherliche Sicherstellung der Dienstbarkeit des Wohnungsrechtes amtswegig durchgeführt werde. Dieses Verfahren endete mit einem Prozeßverlust der Klägerin (hg. 1 Ob 15/88).

Nach erfolgloser Aufforderung vom 15.3.1988 begehrt die Klägerin mit der am 15.7.1988 überreichten Amtshaftungsklage die Feststellung, die beklagte Partei hafte für alle künftigen Schäden, die ihr daraus entstehen, daß die Einverleibung der Dienstbarkeit der Wohnung gemäß dem Erbübereinkommen vom 5.6.1967 zugunsten der Klägerin ob der EZ 121 KG Reith anläßlich der am 30.3.1978 erfolgten Einverleibung des Eigentumsrechtes für Christian M***, spätestens vor Einverleibung der bestrangigen Hypothek im Lastenblatt dieser Liegenschaft unterblieben sei. Die beklagte Partei hafte als Rechtsträger, weil Notar Dr.Karl H*** als Gerichtskommissär sie unrichtig dahin beraten habe, daß ihr Wohnungsrecht von Amts wegen einverleibt werde. Daß dies nicht der Fall gewesen sei, sei ihr bis Ende 1984 verborgen geblieben. Als sodann das Wohnungsrecht einverleibt worden sei, seien diesem Hypotheken von mehr als S 1,5 Mio - im Rang - vorangegangen. Dies habe aber noch nicht zur Kenntnis eines möglichen Schadens geführt, weil für die Klägerin eine drohende Zwangsversteigerung noch nicht zu erkennen gewesen sei. Der Schaden sei erst durch die Löschung des Wohnungsrechtes am 15.7.1986 eingetreten. Seither sei ihr Wohnungsrecht, insbesondere im Hinblick aufdie Vermögenslage der nunmehrigen Liegenschaftseigentümerin, gefährdet.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und machte geltend, daß der Anspruch verjährt sei. Der Klägerin sei der Schaden zufolge der Eintragung ihres Wohnungsrechtes im Rang nach mehreren Pfandrechten schon früher als drei Jahre vor ihrem Aufforderungsschreiben vom 15.3.1988 bekannt geworden. Das schädigende Verhalten des Gerichtskommissärs sei schon im Jahr 1977 gesetzt worden, so daß auch die zehnjährige Verjährungsfrist des § 6 Abs. 1 AHG Platz greife.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Der Lauf der Verjährungsfrist habe erst mit dem Zeitpunkt begonnen, in welchem die Klägerin mit dem Verlust ihres Wohnungsrechtes als wahrscheinlich habe rechnen müssen. Dies sei erst mit dessen Löschung am 15.7.1986 der Fall gewesen, weil sie vorher zwar ihr Wohnungsrecht gefährdet sehen, aber doch noch damit rechnen habe können, daß die Zwangsversteigerung von ihrem Sohn abgewendet werden könnte.

Das Gericht zweiter Instanz bestätigte das Urteil des Erstgerichtes und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000 übersteigt. Gemäß § 6 Abs. 1 zweiter Satz AHG verjähre ein Amtshaftungsanspruch zehn Jahre nach Entstehung des Schadens. Der Schaden müsse daher bereits eingetreten, wenn auch für den Geschädigten (noch) nicht erkennbar geworden sein. Im vorliegenden Fall sei der Klägerin erst mit dem Verlust der dinglichen Sicherheit ihres Wohnungsrechtes durch dessen Löschung am 15.7.1986 ein Schaden erwachsen. Die kurze Verjährung gemäß § 6 Abs. 1 erster Satz AHG setze zusätzlich voraus, daß der (bereits eingetretene) Schaden dem Geschädigten bekannt geworden sei. Die Verjährungseinrede der beklagten Partei versage demnach.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen das Urteil der zweiten Instanz erhobene Revision der beklagten Partei ist nicht berechtigt.

Gemäß § 6 Abs. 1 AHG verjähren Amtshaftungsansprüche in drei Jahren nach Ablauf des Tages, an dem der Schaden dem Geschädigten bekannt geworden ist, keinesfalls aber vor einem Jahr nach Rechtskraft einer rechtsverletzenden Entscheidung oder Verfügung. Ist dem Geschädigten der Schaden nicht bekannt geworden (...), so verjährt der Ersatzanspruch erst nach zehn Jahren nach der Entstehung des Schadens.

Für den Beginn des Fristenlaufes stellen die Verjährungsbestimmungen des AHG daher im Gegensatz zur allgemeinen Schadenersatzverjährungsbestimmung des § 1489 ABGB nicht auf das schädigende Ereignis und die Kenntnis des Schädigers, sondern auf die Entstehung (= Wirksamkeit) des Schadens und (bei der dreijährigen Verjährungsfrist auf) dessen Kenntnis ab (Schragel AHG2 Rz 221). Die bloße Gefahr eines späteren Schadenseintrittes ist der Kenntnis des Schadens nicht gleichzusetzen. Mit der positiven Kenntnis des Schadens beginnt die Verjährungsfrist zu laufen. Dabei ist freilich nicht erforderlich, daß dem Geschädigten bereits sämtliche Schadensfolgen bekannt oder daß schon alle Schadensfolgen eingetreten sind, weil einer allfälligen Verjährung von Ersatzansprüchen für erst später entstehende (weitere) Schäden mit der Feststellungsklage zu begegnen ist (Schragel aaO Rz 222). Im vorliegenden Fall trat ein Schaden im Vermögen der Klägerin, die das Wohnungsrecht weiterhin ausübt, nicht schon durch die fehlerhafte Rechtsbelehrung des Notars Dr.Karl H*** und die unterbliebene Verbücherung des Wohnungsrechtes ein. Auch die nachfolgende Verbücherung nach umfangreichen hypothekarischen Belastungen bzw. die Löschung des Wohnungsrechtes, um die Versteigerung der Liegenschaft abzuwenden, bewirkten unter den konkreten Umständen noch keinen Schaden. Es liegen insgesamt nur schadensträchtige Ereignisse vor, die die Verjährungsfrist nicht in Lauf setzten. Gleichwohl erscheint die Klärung der Rechtslage durch die vorliegende Feststellungsklage zweckmäßig, so daß das Feststellungsinteresse (§ 228 ZPO) zu bejahen ist.

Demzufolge ist der Revision der Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E21344

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0010OB00004.9.0620.000

Dokumentnummer

JJT_19900620_OGH0002_0010OB00004_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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