TE OGH 1990/6/26 10ObS240/90

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Veröffentlicht am 26.06.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Angst als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter Dr. Franz Köck (Arbeitgeber) und Franz Eckner (Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Oswald R***, ohne Beschäftigung, 3871 Alt-Nagelberg, Glasweg 50, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wider die beklagte Partei P*** DER A*** (Landesstelle Wien), 1092 Wien, Roßauer Lände 3, vertreten durch Dr. Anton Rosicky, Rechtsanwalt in Wien, wegen Invaliditätspension, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 9. März 1990, GZ 34 Rs 8/90-36, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Krems an der Donau als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 6. Juli 1989, GZ 16 Cgs 82/88-32, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid vom 29.1.1988 lehnte die beklagte Partei den Antrag des Klägers vom 29.10.1987 auf Invaliditätspension mangels Invalidität ab.

Die dagegen rechtzeitig erhobene, auf die abgelehnte Leistung im gesetzlichen Ausmaß ab Anfallstag gerichtete Klage stützte sich im wesentlichen darauf, daß der Kläger aus gesundheitlichen Gründen seinen überwiegend ausgeübten angelernten Beruf als Glasmacher nicht mehr ausüben könne.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage. Das Erstgericht wies die Klage ab.

Nach seinen wesentlichen Feststellungen war der am 13.8.1940 geborene Kläger von 1954 bis Anfang 1988 bei der S*** K*** GesmbH (zunächst) etwa ein halbes Jahr als Glaseinträger, sodann als Glasmacher (Mundglasbläser) tätig. In diesem Betrieb wurde Flakonglas, Hohlglas, Preßglas sowie Beleuchtungs(Dispersions)glas erzeugt, und kam auch halbautomatische Glaserzeugung vor. Der Kläger durchlief von Jugend auf in allen diesen Sparten alle Stationen der Glasmacherausbildung "von der Pike auf". Diese universelle Verwendbarkeit hatte er nach einer Anlernzeit zwischen zwei und drei Jahren erreicht. Er war sehr geschickt und von rascher Auffassung, weshalb er bald im Dreischichtbetrieb im Akkord eingesetzt wurde und dadurch ein hohes Einkommen erzielte. Er konnte sämtliche handwerklichen Fähigkeiten eines Glasbläsers beim Herstellen von Glasgegenständen anwenden und erlernte auch die aufwendige und schwierige Tätigkeit des Stielziehens. Er konnte Hohlglasformen durch Mundblasen herstellen, war aber an der Herstellung von Glasröhren, wozu er befähigt gewesen wäre, nicht beteiligt, weil solche im Betrieb nicht erzeugt wurden. Er beherrschte auch die Hohlglaserzeugung mit Hilfe von Formen und war auch in der maschinellen Hohlglasformung eingesetzt. Die Tätigkeiten eines Glaseinträgers, -anfängers und -abschneiders waren ihm vertraut. Er kannte die Eigenschaften und die Behandlungs- und Anwendungsmöglichkeiten von Glas, hinsichtlich von Röhren und Stäben jedoch nur bei Hartglas (Porosilikat), nicht aber von Normalglas, besaß ausreichende Kenntnisse über Transport und Lagerung von Glas und der Stoffe, aus denen Glas erzeugt wird, deren Eigenschaften, Anwendung und Behandlung, allerdings nicht hinsichtlich aller Glasarten. Er konnte das Auftreiben, Zusammensetzen, Biegen und Trennen durchführen. Zu Einschmelzvorgängen wurde er nicht herangezogen, weil dies innerbetrieblich Spezialisten vorbehalten blieb, die ausschließlich mit der Steuerung der Schmelzvorgänge und der Zusammensetzung des Glases befaßt waren. Auch die Kaltbearbeitung von Glas war dem Kläger nicht vertraut. Er arbeitete zwar nicht nach Zeichnungen und Mustern, wohl aber mit Schablonen und Formen. Das Herstellen von Entwürfen und Zeichnungen oblag einem Designer. Der Kläger war nicht im Apparatebau eingesetzt, praktizierte aber das Blasen mit Pfeife und in Form, war jedoch überwiegend am Glasofen eingesetzt, an dessen Bühne im Sommer Temperaturen zwischen 60 und 70o (C) herrschten, im Winter 35 bis 40o (C) nicht unterschritten wurden. Er verarbeitete vielfach auch erkaltete und halberkaltete Rohprodukte weiter und stellte durch Auftreiben, Zusammensetzen oder Biegen endgültig die richtige Form her. Er beherrschte auch die schwierigen Vorgänge im Zusammenhang mit dem Abkühlen, die große Kenntnisse der Materialbeschaffenheit erfordern, damit das "richtige Tempo" gefunden wird. Weiters beherrschte er das Zentrifugieren in der halbautomatischen Produktion und arbeitete mit einer Glasbohrmaschine, nicht jedoch mit einer Trennmaschine. Wegen seiner Verwendbarkeit in allen Produktionssparten des Betriebes wirkte er an der Herstellung aller dort erzeugten Gegenstände mit, zB der Bodenvasen, Bierpfeifen, Flakons und Flaschen aller Art und Formungen sowie aller Arten von Trinkgläsern.

Der Beruf des Glasmachers (Mundglasbläsers) konzentriert sich auf Glashütten und ist ein typischer Anlernberuf. Unter Glasmachen iS des Mundglasblasens versteht man in erster Linie die Erzeugung von Glasprodukten (Hohlglas und Beleuchtungskörperglas) mit der Glasmacherpfeife vor dem Ofen der Glasschmelze. Das - vom Erstgericht näher beschriebene - Glasmachen ist eine reine Akkordarbeit. Die Anlernzeit hängt sehr von der Geschicklichkeit des einzelnen ab, wird aber im allgemeinen mit vier bis sechs Monaten angenommen. Im erstgerichtlichen Urteil heißt es diesbezüglich zwar "Wochen", doch handelt es sich dabei, wie sich aus dem Vergleich mit dem dieser Feststellung zugrundeliegenden schriftlichen Gutachten ON 17 S 2 AS 52, aber auch mit der aus dem selben Gutachten übernommenen nachfolgenden Feststellung über die Dauer der von der Arbeitsmarktverwaltung bezahlten innerbetrieblichen Schulungen von vier Monaten ergibt, um einen offenbaren Schreibfehler. Dieser verhältnismäßig kurze Schulungszeitraum ist dadurch bedingt, daß das Glasmachen in Nagelberg alte Tradition ist, weshalb fast alle Personen, die zum Glasmachen mit dem Mund zugelassen wurden, durch familiäre Überlieferung bereits theoretische Grundkenntnisse besaßen. Nach etwa einem halben Jahr kann man mit hoher Wahrscheinlichkeit sagen, ob jemand Glasbläser wird. Um als solcher ausgereift zu sein, werden mindestens zwei, wenn nicht drei Jahre benötigt, vor allem dann, wenn das Ausbildungsprogramm das komplizierte Stielziehen umfaßt, bei dem einem schon erkalteten, fertigen Glas mit heißem Glas ein Griff etc anzusehen ist. Bei den Mundglasbläsern der S*** K*** GesmbH in Nagelberg handelt es sich wegen der dortigen Technologie (kleine Serien, Einzelstückanfertigungen) um ausgesprochen hochqualifizierte Spezialisten.

Der Glasmacherberuf hat mit dem vom Erstgericht näher beschriebenen dreijährigen Lehrberuf "Glasbläser und Glasinstrumentenerzeuger" absolut nichts zu tun. Der Tätigkeitsbereich in diesem Lehrberuf umfaßt die Herstellung von Apparaten und Instrumenten für den Laborbedarf in Medizin, Biologie, Chemie usw, Thermometern, Barometern für den Labor- und den Krankenhausbedarf, Neonröhren und künstlerischen Erzeugnissen (zB Figuren und Christbaumschmuck), weiters die Reparatur dieser Erzeugnisse. Der Glasbläser- und Glasinstrumentenerzeuger übt seine Tätigkeit, deren wichtigste die Warmbearbeitung des Werkstückes (Verformung) mit Hilfe des Gasbrenners ist, vorwiegend in gewerblichen Kleinbetrieben, mitunter auch in Labors an Universitäten, Instituten oder in Industriebetrieben aus, und zwar in Werkstätten, wo ihm Arbeitstische mit Gasbrennern und die benötigten Werkzeuge und Maschinen (zB Glasbohrmaschine, Drehmaschine) zur Verfügung stehen. Dem Kläger fehlen wesentliche Kenntnisse und Fähigkeiten des genannten Lehrberufes, dafür würde er eine Anlernzeit von vier bis sechs Monaten brauchen. Die Tätigkeit eines Glasmachers (Mundglasbläsers) stellt vor allem wegen der starken Hitzebelastung eine körperlich schwere, ausschließlich im Stehen und im Akkord zu verrichtende Arbeit dar, während der größere Flüssigkeitsmengen getrunken werden müssen. Die Teiltätigkeit des Preßglasmachers, die im Stehen und im Akkord verrichtet wird, ist mit mittelschweren, teilweise schweren körperlichen Arbeiten verbunden. Bei der Teiltätigkeit des Einträgers sind mittelschwere Hebe- und Tragearbeiten im Gehen zu leisten. Der Glasbläser und Glasinstrumentenerzeugerberuf und seine verwandten Lehrberufe sind mit vorwiegend mittelschweren körperlichen Belastungen verbunden. Die Tätigkeit eines Qualitätskontrollors in der Glaserzeugung, bei der die Konsistenz des Glases, seine Härte und der Reinheitsgrad mit verschiedenen Prüfverfahren kontrolliert werden, erfordert eine Anlernzeit von etwa drei Monaten, dabei handelt es sich nicht um eine Teiltätigkeit des genannten Lehrberufes. Sie ist eine eher leichte Arbeit im Sitzen, wird aber als Schichtarbeit ausgeführt, die als körperliche Schwerarbeit anzusprechen ist.

Beim Kläger bestehen eine vornehmlich an der Herzhinterwand lokalisierte Muskelschädigung mit Zeichen intraventrikulärer Reizleitungsstörung einigermaßen unklarer Genese und Zeichen einer mäßigen Leberschädigung, wie sie bei oder nach alimentär-toxischer Lebersteatose gegeben ist. Beide Gesundheitsstörungen zusammen machen ihn für körperliche Schwerarbeiten und für regelmäßige mittelschwere körperliche Arbeiten ungeeignet. Er kann nur während der normalen Arbeitszeit und den üblichen Arbeitspausen leichte, gelegentlich ganz kurz auch mittelschwere körperliche Arbeiten leisten. Mehrfache Beanspruchungen seiner Aufmerksamkeit und Körperfunktionen, wie sie im bisherigen Berufsleben aufgetreten sind, muß er wegen der Herzmuskelschädigung meiden. Das Herzleiden, dessen Genese nicht geklärt ist, kann über Jahre zurück verfolgt werden. Der Zustand wechselte in seinen Erscheinungen und Auswirkungen. Eine wesentliche Besserung ist nicht auszuschließen, aber nicht abzusehen. Das Leistungskalkül gilt seit der Antragstellung.

Die Leistungsfähigkeit des Klägers wird in mehreren vom Erstgericht genannten und beschriebenen nicht qualifizierten Tätigkeiten nicht überschritten.

Nach der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichts sei der Kläger nicht überwiegend in einem angelernten Beruf tätig gewesen, weil er als Glasmacher (Mundglasbläser) keine Tätigkeit ausgeübt habe, für die es erforderlich gewesen sei, durch praktische Arbeit qualifizierte Kenntnisse oder Fähigkeiten zu erwerben, welche jenen im Lehrberuf "Glasbläser und Glasinstrumentenerzeuger" gleichzuhalten seien. Seine Invalidität sei daher nach § 255 Abs 3 ASVG zu beurteilen und wegen zumutbarer Verweisungstätigkeiten zu verneinen.

Das Berufungsgericht gab der wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung des Klägers Folge und änderte das erstgerichtliche Urteil dahin ab, daß es das auf eine Invaliditätspension im gesetzlichen Ausmaß vom 1.11.1987 an gerichtete Klagebegehren als dem Grunde nach zu Recht bestehend erkannte und der beklagten Partei auftrug, dem Kläger vom 1.11.1987 bis zur rechtskräftigen Beendigung des Rechtsstreites eine vorläufige Zahlung von monatlich 4.000 S zu erbringen. Nach der rechtlichen Beurteilung der zweiten Instanz fehlten dem Kläger zwar bestimmte Kenntnisse und Fähigkeiten des Lehrberufes "Glasbläser und Glasinstrumentenerzeuger", doch beherrsche er zufolge der bei der S*** K*** GesmbH angewendeten Technologie damit gleichartige und gleichwertige qualifizierte Kenntnisse und habe eine vielseitige hochqualifizierte Spezialtätigkeit ausgeübt, weil er in verschiedenen Produktionsarten vielfältige Kenntnisse über verschiedene Glasarten habe anwenden müssen und auch das Stielziehen beherrsche. Er gelte daher als invalid im Sinn des § 255 Abs (1 und) 2 ASVG.

Dagegen richtet sich die nicht beantwortete Revision der beklagten Partei wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, unrichtiger Tatsachenfeststellung im Berufungsverfahren und unrichtiger rechtlicher Beurteilung (der Sache) mit den Anträgen, das angefochtene Urteil durch Wiederherstellung des klageabweisenden erstgerichtlichen Urteils abzuändern oder es allenfalls aufzuheben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Nach § 255 Abs 2 ASVG liegt ein angelernter Beruf im Sinne des Abs 1 leg.cit. vor, wenn der Versicherte eine Tätigkeit ausübt, für die es erforderlich ist, durch praktische Arbeit qualifizierte Kenntnisse oder Fähigkeiten zu erwerben, welche jenen in einem erlernten Beruf gleichzuhalten sind. Schon aus der Formulierung "welche jenen in einem erlernten Beruf gleichzuhalten sind", ergibt sich, daß die durch praktische Arbeit erworbenen qualifizierten Kenntnisse oder Fähigkeiten nicht jene eines bestimmten gesetzlich geregelten Lehrberufes sein, sondern nur den in einem Lehrberuf erworbenen an Umfang und Qualität entsprechen müssen. Die wirtschaftliche Entwicklung und die Spezialisierung in Großunternehmen haben es etwa notwendig gemacht, für ganz bestimmte qualifizierte Aufgaben Arbeiter entweder in eigenen Werkstätten und Ausbildungskursen oder am konkreten Arbeitsplatz selbst auszubilden (anzulernen), weil die durch die herkömmlichen Lehrberufe vermittelte Ausbildung für die besonderen Aufgaben einerseits nicht genügen, andererseits in der Praxis entbehrlich sind (SSV-NF 1/70 ua).

Aus diesen Erwägungen sind Umfang und Qualität der durch praktische Arbeit erworbenen qualifizierten Kenntnisse und Fähigkeiten des Klägers entgegen der vom Erstgericht und der beklagten Partei vertretenen Rechtsansicht nicht am Lehrberuf "Glasbläser und Glasinstrumentenerzeuger" zu messen, der nach den zu beurteilenden Feststellungen mit dem vom Kläger seit Eintritt in das Berufsleben ausgeübten Beruf eines Glasmachers (Mundglasbläsers) in einer Glashütte "absolut" nichts zu tun hat.

Der Kläger übte als Glasbläser in der industriellen Produktionsform (Glashütte) eine Tätigkeit aus, für die es erforderlich war, durch praktische Tätigkeit qualifizierte Kenntnisse und Fähigkeiten zu erwerben, die jenen in einem erlernten Beruf entsprechen. Dafür spricht auch, daß für die universelle Verwendbarkeit des Klägers als "ausgereifter" Glasbläser einschließlich des komplizierten Stielziehens eine Anlernzeit von etwa drei Jahren erforderlich war (vgl. auch SSV-NF 1/48). Nach einer Anlernzeit von etwa einem halben Jahr kann man ja erst mit hoher Wahrscheinlichkeit sagen, ob ein noch nicht qualifizierter Arbeiter in der industriellen Glaserzeugung Glasbläser werden kann. In diesem Zusammenhang sei erwähnt, daß die vom Kläger ausgeübte Tätigkeit als Glasbläser in der österreichischen Berufskartei nicht den angelernten Arbeitern in der Glaserzeugung (Berufsblatt 55), sondern in der Arbeitsbeschreibung der Tätigkeit des Glasbläsers in der Glashütte bei der Herstellung von Hohlglasformen durch Mundblasen und der Herstellung von Glasröhren des Berufsblattes 61 sogar dem Glasbläsermeister zugeordnet wird.

Die Invalidität des Klägers ist daher nach § 255 Abs 1 ASVG zu beurteilen. Danach würde der Kläger als invalid gelten, wenn seine Arbeitsfähigkeit infolge seines körperlichen oder geistigen Zustandes auf weniger als die Hälfte derjenigen eines körperlich und geistig gesunden Versicherten von ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen in jedem dieser Berufe herabgesunken wäre. Entgegen der Meinung der Revisionswerberin kann dies auf Grund der in einem mängelfreien Beweisverfahren gewonnenen bisherigen Feststellungen verläßlich beurteilt werden.

Der Sachverständige für Innere Medizin wies in seinem schriftlichen Gutachten vom 12.6.1988 ON 9 S 4 AS 32 ua darauf hin, daß in Anbetracht des noch relativ geringen Alters des Klägers bei weiterer Alkoholabstinenz eine weitergehende Besserung seines körperlichen Leistungsvermögens durchaus möglich erscheine und daher eine wesentliche Besserung nicht auszuschließen, derzeit aber noch nicht absehbar sei. In der Tagsatzung vom 7.10.1988 ON 11 AS 38 erklärte dieser Sachverständige zunächst, der Kläger solle zum Jahresende neuerlich in der kardiologischen Ambulanz der

1. Universitätsklinik untersucht werden. Vom Ergebnis dieser Untersuchung werde es abhängen, inwieweit eine Besserungsfähigkeit des (nach dem schriftlichen Gutachten jedenfalls seit der Antragstellung) vorliegenden Zustandes angenommen werden könne. Dann führte er noch aus (AS 40), eine Besserung des vorliegenden Zustandes könnte bei Ansatz einer allenfalls geeigneten Therapie frühestens nach einem Jahr eintreten. In der Tagsatzung vom 6.7.1989 ON 30 AS 100 beantragten die Parteien ua zur Frage der Besserung der körperlichen Leistungsfähigkeit des Klägers die Ergänzung des ärztlichen Gutachtens, wobei der Kläger auch die Beischaffung der Krankengeschichte über seinen auf Herzbeschwerdeen zurückgehenden stationären Aufenthalt im Krankenhaus Gmünd vom 19.4. bis 20.5.1989 beantragte. Das Erstgericht lehnte diese Anträghe ab und begründete dies in seinem Urteil damit, daß der ärztliche Sachverständige eine kalküländernde Besserung zwar nicht ausgeschlossen, aber als nicht absehbar bezeichnet habe. Die Parteien hätten aber eine solche kalküländernde Besserung nicht einmal behauptet.

Diese Begründung ist zwar insoweit nicht ganz richtig, als der ärztliche Sachverständige in der Tagsatzung vom 7.10.1988 eine Besserung des (damals) vorgelegenen Zustandes bei Ansatz einer allenfalls geeigneten Therapie frühestens in einem Jahr für möglich erachtet hatte, wodurch seine Aussage in der Tagsatzung vom 12.6.1988, daß (damals) eine wesentliche Besserung nicht abzusehen sei, modifiziert wurde. Daß eine solche allenfalls geeignete Therapie bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung in erster Instanz am 6.7.1989 bereits beendet und damit bis dahin eine wesentliche Besserung des Leistungskalküls eingetreten gewesen wäre, wurde von den Parteien in erster Instanz nicht behauptet. Der Kläger behauptete sogar in der Tagsatzung vom 6.7.1989 unter Hinweis auf den erwähnten stationären Aufenthalt im Krankenhaus Gmünd, daß sich sein Leistungskalkül nicht geändert habe, ohne daß dies von der beklagten Partei ausdrücklich bestritten wurde.

Unter diesen Umständen konnte das Erstgericht ohne Ergänzung des ärztlichen Gutachtens davon ausgehen, daß sich der Zustand des Klägers und seine davon abhängige Leistungsfähigkeit bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung nicht wesentlich gebessert hatten. Damit steht aber auch fest, daß die Arbeitsfähigkeit des Klägers jedenfalls bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung in erster Instanz infolge seines körperlichen Zustandes auf weniger als die Hälfte derjenigen eines körperlich und geistig gesunden Versicherten von ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten in jedem dieser Berufe herabgesunken war, weil alle entsprechenden Tätigkeiten mehr als gelegentlich und ganz kurzfristig auch mittelschwere körperliche Arbeiten verlangen. Da dieser Gesundheitszustand des Klägers nach den Feststellungen bereits Jahre hindurch besteht, ist die Frage, ob sein Zustand allenfalls besserungsfähig wäre, auch für die Entscheidung, ab wann ihm die Invaliditätspension zuzuerkenenn ist, ohne Bedeutung. Eine Verweisung auf die Tätigkeit eines Qualitätskontrollors scheidet schon deshalb aus, weil dafür keine dem angelernten Beruf des Klägers ähnliche Ausbildung und gleichwertigen Kenntnisse und Fähigkeit erforderlich sind.

Weil die geltend gemachten Revisionsgründe nicht vorliegen, war der Revision nicht Folge zu geben.

Anmerkung

E21254

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:010OBS00240.9.0626.000

Dokumentnummer

JJT_19900626_OGH0002_010OBS00240_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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