TE OGH 1990/6/28 8Ob516/90

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Veröffentlicht am 28.06.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch, Dr.Huber, Dr.Graf und Dr.Jelinek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Francisco Jorge Ferreira L*** & Ca. Lda, Rue de Coldeiroa, Apartado 155, 4801 Guimaraes, Portugal, vertreten durch Dr.August Rogler, Rechtsanwalt in Vöcklabruck, wider die beklagte Partei "I***"

Österreichische Gesellschaft für Transport und Verkehrswesen Gesellschaft mbH, Bleibtreustraße 2, 1111 Wien, vertreten durch Dr.Hans Bichler und Dr.Wolfgang Spitzy, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 507.152,- sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 23. Juni 1989, GZ 3 R 60/89-64, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 6.Dezember 1988, GZ 15 Cg 26/88-60, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 27.945,60 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (einschließlich S 3.857,60 USt.) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Partei begehrte vom beklagten Spediteur die Bezahlung von S 507.152,- sA. Sie behauptet, Joao Mateus S*** auftragsgemäß Kleidungsstücke verkauft und an die L*** Transport Lda, Porto, zum Transport nach Österreich übergeben zu haben. Die von dieser als weiterer Spediteur beauftragte beklagte Partei habe eine Sperrverfügung der klagenden Partei nicht beachtet und die Ware an Joao Mateus S*** herausgegeben, ohne die Fakturenbeträge zu kassieren und das sogenannte FCR-Papier (Forwarder Certificate of Receipt) zu verlangen, welches die Bezahlung der Fakturen sichergestellt hätte. Zufolge Zahlungsunfähigkeit des Käufers S*** sei die Kaufpreisforderung nun uneinbringlich. Der Einwand fehlender Passivlegitimation sei nicht berechtigt, weil sich der Speditionsversicherer auf Leistungsfreiheit mangels rechtzeitiger Schadensanzeige (§ 10 SVS) berufen habe.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Die Forderung sei gemäß der CMR, Handelsbrauch und der AÖSp verjährt. Die klagende Partei arbeite mit einem Rohgewinnaufschlag von wenigstens 80 %. Selbst bei Vorliegen einer Haftung der beklagten Partei stehe der klagenden Partei nur der damalige Warenwert (Kaufpreis minus Rohgewinnaufschlag) zu, weil die klagende Partei gleiche Ware immer wieder mit demselben Gewinnaufschlag hätte verkaufen können. Die Ware sei "entmodet" gewesen, sodaß Lagerspesen zwischen Einlagerung und gedachter Auslagerung einen Restwert der Ware überschritten hätten. Die Klageforderung sei im Hinblick auf Art 23 CMR überhöht, weil der danach anzusetzende Warenwert am Ort und im Zeitpunkt der Absendung höchstens 10 % des Kaufpreises ausgemacht habe. Der klagenden Partei sei kein Schaden aus einer Kreditaufnahme entstanden, weil sie die Rückführung des Kredites ohne wirtschaftliche Notwendigkeit unterlassen habe. Es läge ein Haftungsausschluß gemäß § 41 a AÖSp vor, weil die beklagte Partei ihrer einzig relevanten Verpflichtung zur "Eindeckung von SVS" nachgekommen sei (AS 241). Die klagende Partei habe es verabsäumt, ihren Kunden in Österreich in Anspruch zu nehmen, solange er noch solvent war.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es ging von der Außerstreitstellung aus, daß zwischen der klagenden Partei und der beklagten Partei keine Vertragsbeziehungen bestanden und daß der Vertragspartner der beklagten Partei nur L*** Transport Lda war.

Es traf - zusammengefaßt dargestellt - folgende Feststellungen:

Die portugiesischen Allgemeinen Spediteurbedingungen enthalten ua folgende Bestimmung:

Art 32: Jeder, der auf Grund der Haftung des Spediteurs Ansprüche gegenüber demselben geltend macht, hat dies nur innerhalb einer Frist von sechs Monaten ab Beginn der Dienstleistung zu tun, später erfolgte Geltendmachung gilt als verjährt.

Joao Mateus S***, Inhaber der MS Trading Agency (in der folge kurz S***), bestellte im Jahr 1982 unter Angabe von Muster und Maßen teils telefonisch, teils schriftlich bei der klagenden Partei, einer im Handelsregister eingetragenen GesellschaftmbH in Portugal 11.600 Stück mens Sweat-Shirts, cotton, zu einem Preis von S 507.152,00. Es wurden zwei Fakturen zu je S 253.576,00 ausgestellt. Die Zahlung der Ware sollte vor deren Ausfolgung erfolgen bzw dadurch sichergestellt werden, daß die Ware erst gegen Vorlage eines "FCR-Dokuments", einer Bestätigung der dem Empfänger bekannten Bank, daß dieser an die klagende Partei bezahlt hatte, ausgefolgt wird.

Die klagende Partei, die zu diesem Zeitpunkt die ersten Exportgeschäfte vornahm, beauftragte die portugiesische Firma L*** Transport Lda, die Versendung der Waren in 2 Lieferungen vorzunehmen. Diese stellte zwei Spediteur-Versand-Bescheinigungen aus, in denen sie den Erhalt der Ware sowie deren Weiterleitung nach Wien bestätigte. Darin schien als Absender/Sender die klagende Partei als Spediteur/Receiving die "forwarder Intercontinentale GmbH" auf. Außerdem war ein Vermerk "Verladen mit LKW ab Porto nach Wien am 18.11.1982 bzw 10.11.1982" angebracht. Mit diesen Dokumenten erhielt die klagende Partei bei ihrer Bank, der Banco Espirito Santo e Comercial de Lisboa, Kredit in Höhe der Fakturenbeträge. Die Papiere wurden an die österreichische Bank weitergegeben. Die Firma L*** Transport Lda übergab die Waren mittels zweier "Bordereaus", die den Vermerk "Auslieferung nur gegen Vorlage unserer Original Spediteur-Bescheinigung laut Kopie" enthielten, an die beklagte Partei zum Transport nach Wien. Diese schloß gemäß dem Speditionsversicherungsschein eine Speditionsversicherung ab. Der Versicherungsnehmer war die "Intercontinentale zugunsten ihres Auftraggebers."

Die Waren wurden von der beklagten Partei noch im November 1982 auf Lager gelegt, weil sich S*** in finanziellen Schwierigkeiten befand und die Ware nicht prompt übernahm. Die OR-TRA-CO HandelsgesellschaftmbH bezog von S*** mehrmals Sweat-Shirts portugiesischer Herkunft. Schon im Jänner 1983 sollte S*** diesem Unternehmen für die Firma K*** bestimmte Sweat-Shirts liefern, doch erst Ende Februar 1983 beauftragte S***, die Ware für den Kunden und Käufer OR-TRA-CO zu verzollen. Der Sachbearbeiter der beklagten Partei, Fritz S***, befand sich zwei Mal kurz im Krankenstand. Dadurch blieb die Arbeit liegen. Schließlich wurde die Ware, ohne die Spediteurbescheingungen einzukassieren, am 10.3.1983 "über Weisung S*** ausgefolgt". Die Spesen wurden vom Endempfänger OR-TRA-CO kassiert. Anfangs 1984 wurde die klagende Partei von ihrer Bank zur Zahlung aufgefordert, erfuhr, daß kein Geld von der österreichischen Bank eingegangen sei, und reklamierte bei der Firma L*** Transport Lda. Dessen Exportleiter C*** machte in Februar 1984 den Vizedirektor für den Importbereich Europa der beklagten Partei aufmerksam, daß die Ware noch nicht bezahlt worden sei. Ende Februar 1984 teilte die Firma L*** Transport Lda der klagenden Partei mit, daß die beklagte Partei die Ware versehentlich ohne Sicherstellung der Bezahlung an S*** ausgefolgt hatte. Am 13.3.1984 erstattete das Rechtsbüro der beklagten Partei auf Grund des fehlenden Inkassos dem Versicherungsbüro Dr. F*** eine Schadensmeldung mit dem Hinweis, daß sie wegen Verjährung - der Fall läge länger als ein Jahr zurück - Leistung gegenüber der klagenden Partei abgelehnt habe. Das Versicherungsbüro lehnte sowohl die Leistung gegenüber der beklagten Partei als auch gegenüber der klagenden Partei ab und berief sich dabei sowohl auf Verjährung als auch auf die Monatsfrist des § 10 SVS.

Rechtlich war das Erstgericht der Ansicht, daß österreichisches Recht anzuwenden sei. Die beklagte Partei sei auf Grund eines Speditionsvertrages für die Ablieferung an den Empfänger verantwortlich gewesen. Die Empfangsspedition sei keine Speditionstätigkeit, doch würden die allgemeinen Speditionsbedingungen auch für Tätigkeiten von Spediteuren gelten, die nicht Spediteure im Sinne des § 407 HGB seien. Der vom Hauptspediteur beauftragte Empfangsspediteur sei Zwischenspediteur. Zwischen dem Zwischenspediteur und dem Versender bestünden öeine vertraglichen Rechte und Pflichten. Schadenersatzansprüche gegen den Zwischenspediteur könne nur der Spediteur geltend machen. Ein deliktisches Verhalten der beklagten Partei sei nicht erwiesen. Selbst bei Annahme eines Vertragsverhältnisses zwischen den Parteien wäre die Haftung infolge der Eindeckung von SVS gemäß § 41 a AÖSp ausgeschlossen. Die klagende Partei müsse die AÖSp kraft Handelsbrauch gegen sich gelten lassen, zumal Ähnlichkeiten zu den der klagenden Partei zweifellos bekannten portugiesischen Spediteurbedingungen bestünden.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei Folge und verurteilte die beklagte Partei gemäß dem Klagebegehren. Zur Begründung seiner Entscheidung führte es an: Gemäß §§ 36, 48 Abs 1 IPRG sei österreichisches Recht anzuwenden. Zwischen dem portugiesischen Versenderspediteur und der beklagten Partei als Zwischenspediteur seien die AÖSp als stillschweigend vereinbart anzusehen. Zwar könnten nach früherem oberstgerichtlichen Standpunkt aus dem Vertrag abgeleitete Schadenersatzansprüche gegen den Zwischenspediteur nur vom Hauptspediteur geltend gemacht werden, doch habe der Oberste Gerichtshof später ein unmittelbares Klagerecht des Dritten im Rahmen der Drittschuldnerliquidation bejaht (EvBl 1979/86). Außerdem seien auf den Auftraggeber eines Spediteurs Grundsätze eines Vertrages mit Schutzwirkungen zugunsten Dritter anzuwenden. Die beklagte Partei habe durch die weisungswidrige Ausfolgung des Speditionsgutes den Eigentumsverlust der klagenden Partei an den Waren bewirkt und damit in ein absolut geschütztes Rechtsgut eingegriffen. Der klagende Partei sei gemäß § 38 lit a AÖSp ein unmittelbarer Anspruch auf Versicherungsschutz gegen den Versicherer zugestanden. Es könnte sogar ein Vertrag zugunsten Dritter angenommen werden, weil die Beachtung der der Sicherheit des Kaufpreises dienenden Weisung und der Versicherungsschutz hauptsächlich der klagenden Partei zum Vorteil gereichen sollte. Die klagende Partei sei zur unmittelbaren Geltendmachung eines "eigenen Schadens aus fremdem Vertrag" berechtigt. Die Haftungsbefreiung nach § 41 lit a AÖSp komme nicht zum Tragen, weil die beklagte Partei grobes Verschulden zu verantworten habe. Es könne daher dahingestellt bleiben, ob die klagende Partei auch einen Anspruch gegen den Speditionsversicherer hat. Der Lauf der Frist des § 10 Z 1 Speditionsversicherungsscheins setze die Kenntnis des Versicherten vom Schaden und die Kenntnis des Umstandes voraus, daß die Speditionsversicherung vom Spediteur gedeckt wurde. Die klagende Partei habe aber erst im Februar 1984 erfahren, daß die Rechnung nicht bezahlt worden war. Es wäre im übrigen Aufgabe der beklagten Partei gewesen, zu behaupten und zu beweisen, daß nach wie vor Versicherungsdeckung vorliege. Verjährung sei schon deshalb nicht anzunehmen, weil die Schadenersatzansprüche der klagenden Partei nicht nach § 64 AÖSp, sondern nach § 1489 ABGB zu beurteilen seien; selbst bei Anwendung der CMR wäre wegen des grob fahrlässigen Verhaltens der beklagten Partei eine dreijährige Verjährungsfrist anzunehmen. Der Schadenersatzbetrag entspreche jenem, den die beklagte Partei als Spediteur einheben bzw sichern hätte sollen, also dem festgestellten Betrag von S 507.152,00. Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Anfechtungsgrund des § 503 Z 4 ZPO mit dem Antrag, das angefochtene Urteil abzuändern und das Klagebegehren abzuweisen.

Die klagende Partei beantragt in der Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die beklagte Partei meint in ihrer Revision, daß zwischen ihr und der L*** Transport Lda kein Speditionsvertrag, sondern ein Frachtvertrag abgeschlossen worden sei; zumindest sei sie nur als deren "Zwischengehilfe" tätig geworden. Die klagende Partei habe einen eigenen Anspruch gegen den Vertragspartner L*** Transport Lda, sodaß kein Bedürfnis nach Anerkennung eines direkten Anspruches gegen die beklagte Partei bestünde. Die beklagte Partei habe durch die Mißachtung der Sperrverfügung auch nicht in fremdes Eigentum eingegriffen. Im übrigen komme der in SZ 24/33 zitierte Grundsatz, wonach die klagende Partei mangels Vertragsverhältnisses keinen eigenen Anspruch gegen die beklagte Partei geltend machen könne, voll zum Tragen. Für Ansprüche aus der sogenannten "Drittschuldnerliquidation" oder nach dem Grundsatz von Schutzwirkungen eines Vertrages zugunsten Dritter sei Voraussetzung, daß der Dritte sonst keine Ansprüche gegen die beiden anderen Personen geltend machen könnte. Versicherter des Speditionsversicherungsvertrages sei die L*** Transport Lda gewesen; die klagende Partei könnte höchstens als jene angesehen werden, der das "versicherte Interesse" im Sinne des § 1 SVS zustand. Die Schadensmeldung sei im übrigen nicht von der beklagten Partei vorzunehmen gewesen. Schließlich sei die Klageforderung auch nach § 414 Abs 1 HGB verjährt.

Dazu war zu erwägen:

Dem Berufungsgericht ist zunächst in der Ansicht beizustimmen, daß auf den vorliegenden Rechtsfall jedenfalls österreichisches

Sachrecht anzuwenden ist: Soweit Ansprüche aus der Vertragsbeziehung zwischen der L*** Transport Lda und der beklagten Partei sowie deren vertragliche Auswirkungen zugunsten der klagenden Partei zu beurteilen sind, ist mangels Rechtswahl § 36 IPRG maßgebend (vgl Schütz in Straube, HGB, Rz 52 zu § 407); soweit aber außervertragliche Schadenersatzansprüche geltend gemacht werden, kommt § 48 Abs 1 IPRG zur Anwendung. In beiden Fällen ist demnach österreichisches Sachrecht berufen.

Die beklagte Partei hat im Verfahren erster Instanz selbst vorgebracht, "immer nur Spediteur gewesen" zu sein (AS 241); sie hat demgemäß auch eine Speditionsversicherung abgeschlossen (S. 6 der erstgerichtlichen Feststellungen) und die Ware mittels zweier Bordereaus (d.s. die Ladung begleitende Ladelisten) übernommen. In der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, die Beklagte sei Zwischenspediteur, kann nach dieser Sachlage kein Irrtum erblickt werden.

Es ist zwar richtig, daß zwischen dem ursprünglichen Versender und dem Zwischenspediteur keine Vertragsbeziehungen bestehen (SZ 24/33; Schütz in Straube aaO, Rz 29 zu § 407). Nach den von der Lehre entwickelten und von der Rechtsprechung nun auch anerkannten Grundsätzen von den Schutzwirkungen, die Verträge zugunsten Dritter entfalten (vgl hiezu SZ 46/31), können aber auch diese derart in den Schutzbereich eines Vertrages einbezogen werden, daß ihnen gegenüber der insoweit "belastete" Vertragsteil in gleicher Weise Schutzpflichten und Pflichten zu sorgfältigem Verhalten bei der Erbringung seiner Leistung wie gegenüber seinem Vertragspartner hat (vgl Larenz, Lehrbuch des Schuldrechtes14 I, 229). Die Identität des Versenders (als des Dritten) stand im vorliegenden Fall durch die Eintragung im Bordereau auch für den beklagten Zwischenspediteur fest oder ließ sich zumindest unschwer durch ihn feststellen. Der Versender stand somit in der geforderten unmittelbaren Leistungsnähe zum Vertrag, sodaß sich dessen Schutzwirkungen auch auf ihn und seine von ihm gelieferten Waren erstrecken müssen (vgl Koziol, Haftpflichtrecht II2; Bydlinski, JBl 1960, 364; SZ 43/236; JBl 1976, 210; SZ 60/91; Peters aaO, 364; auch Harrer in Schwimann, ABGB, Rz 20 der Vorbemerkungen zu § 1293; Larenz aaO). Zutreffend verweist in diesem Sinne auch Peters (Zum Problem der Drittschuldnerliquidation, 361 f) etwa darauf, daß ein Vertragspartner, der mit einem Spediteur kontrahiert, stets damit rechnen muß, daß das Gut, um das es geht, einem Dritten - eben dem Versender - gehört, und dieser durch ein Fehlverhalten eines Kontrahenten gefährdet werden kann (Peters aaO, 360). Gleiches gilt auch unabhängig von den Eigentumsverhältnissen an dem Gut - der Eigentumsübergang könnte sich etwa im Sinne des § 429 ABGB schon verwirklicht haben - bezüglich der die Kaufpreisforderung sichernden Auslieferungsanweisungen des versendenden Verkäufers, durch die dem Insolvenzrisiko beim empfangenden Käufer vorgebeugt werden soll. Durch die Mißachtung solcher Anweisungen droht dem Versender in gleicher Weise ein Vermögensschaden, wenn - wie hier - in der Folge der empfangende Käufer insolvent wird und der Kaufpreis damit uneinbringlich ist. Dieser Schaden ist aber für die Mißachtung der das Insolvenzrisiko absichernden Sperrverfügung des Versenders geradezu typisch. Der Versender kann deshalb auch direkt - und ohne Abtretung der Ansprüche des Hauptspediteurs - den Zwischenspediteur auf Ersatz des ihm aus der Mißachtung seiner Anweisungen bezüglich der Ablieferung des Gutes an den Empfänger entstandenen Schadens in Anspruch nehmen. Ob die klagende Partei noch weitergehende oder anders geartete Ansprüche als die nun geltend gemachten Schadenersatzansprüche aus der Verletzung der zitierten Sperrklausel durch die beklagte Partei hat, ist entgegen der Ansicht der beklagten Partei nicht entscheidend.

Das Verhalten des beklagten Spediteurs hat das Berufungsgericht mit Recht als grob fahrlässig beurteilt. Die beklagte Partei kann sich demgemäß nicht auf die Haftungsbefreiung nach § 41 lit a AÖSp berufen (SZ 53/80 ua). Ob sie auch gegen ihre Verpflichtung zur rechtzeitigen Schadensmeldung verstoßen hat - was ebenfalls eine Haftungsbefreiung ausschlösse - (vgl hiezu JBl 1983, 378; VersR 1980, 591; SZ 37/164; SZ 32/153; Krien-Hey, Die allgemeinen deutschen Spediteurbedingungen 605), braucht daher nicht weiter untersucht zu werden.

Zur Schadenshöhe ist auf die insoweit nicht weiter umstrittene Begründung des Berufungsgerichtes (vgl Schütz in Straube, HGB, Rz 34 zu § 407) zu verweisen. Schließlich ist auch die auf § 414 HGB gestützte Behauptung der Verjährung des erhobenen Schadenersatzanspruches verfehlt, weil durch diese Bestimmung nur Ansprüche gegen Spediteure wegen Verlustes, Minderung, Beschädigung oder verspäteter Ablieferung betroffen werden, der Klageanspruch aber auf schuldhafte Nichtbefolgung einer Sperrklausel beruht, und dieser Schadenersatzanspruch ist gemäß § 1489 ABGB erst nach 3 Jahren verjährt (HS 8605/8 und die dort zitierte Judikatur). Die Revision erweist sich daher in allen Belangen als unberechtigt, weshalb ihr der Erfolg zu versagen war. Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E21476

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0080OB00516.9.0628.000

Dokumentnummer

JJT_19900628_OGH0002_0080OB00516_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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