TE OGH 1990/7/5 Okt20/90

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Veröffentlicht am 05.07.1990
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Kopf

Das Kartellobergericht beim Obersten Gerichtshof hat durch seinen Vorsitzenden Senatspräsident des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden sowie durch seine weiteren Mitglieder Kommerzialräte Dr. Bauer, Dkfm. Dr. Grünwald, Dr. Lettner, Dr. Placek, Dr. Reindl und Dr. Schwarz in der Kartellrechtssache der Antragstellerin R*** Ö***,

vertreten durch die Finanzprokuratur, wider die Antragsgegnerin N*** Ö*** Gesellschaft mbH, Wien 1., Davidgasse 90, vertreten durch Dr. Klaus Braunegg, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufforderung zum Antrag auf Genehmigung eines Wirkungskartells gemäß § 57 KartG 1988, infolge Rekurses der Antragsgegnerin gegen den Beschluß der Stellvertreterin des Vorsitzenden des Kartellgerichtes beim Oberlandesgericht Wien vom 9. Februar 1990, Kt 1345/89-8, den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluß aufgehoben und dem Erstgericht eine neue Entscheidung allenfalls nach Ergänzung des Verfahrens aufgetragen.

Text

Begründung:

Mit dem angefochtenen Beschluß forderte die Stellvertreterin des Vorsitzenden des Kartellgerichts beim Oberlandesgericht Wien die Antragsgegnerin über Antrag der Amtspartei R*** Ö***, vertreten durch die Finanzprokuratur, gemäß § 57 KartG 1988 ohne Prüfung der tatsächlichen Voraussetzungen (§ 57 Abs. 2 S 1), aber mit Belehrung über die Rechtsfolgen der Nichtbefolgung des Auftrags (§ 57 Abs 2 und § 130) und über die notwendige Vertretung durch einen Kartellbevollmächtigten (§ 54), als Mitglied eines Wirkungskartells auf, binnen einem Monat ab Zustellung des Beschlusses beim Kartellgericht die Genehmigung dieses Kartells zu beantragen.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen von der Antragsgegnerin durch einen gewählten Rechtsanwalt erhobene Rekurs ist zulässig und im Ergebnis berechtigt. Gemäß § 43 KartG 1988 entscheiden das Kartellgericht und das Kartellobergericht in Angelegenheiten nach diesem Bundesgesetz im Verfahren außer Streitsachen. Nach § 9 Abs 1 AußStrG kann Rekurs erheben, wer sich durch die Verfügung der ersten Instanz über einen Gegenstand der Gerichtsbarkeit außer Streitsachen beschwert erachtet. Voraussetzung der Zulässigkeit eines Rechtsmittels ist daher ein schlüssig behaupteter Eingriff in die geschützte Rechtssphäre (SZ 42/176; SZ 50/41 ua.). Unter einer anfechtbaren Verfügung ist eine auf die Erzeugung von Rechtswirkungen gerichtete prozessuale Willenserklärung des Gerichtes zu verstehen, deren Abänderung oder Aufhebung das dagegen erhobene Rechtsmittel bezweckt. Bei Prüfung in dieser Richtung ist kein kleinlicher Maßstab anzulegen. Die Zulässigkeit eines Rechtsmittels ist also mangels einer ausdrücklichen gesetzlichen Bestimmung nur dort abzulehnen, wo die Rechtsstellung des Beteiligten nicht gefährdet ist (SZ 50/41 mwN).

Durch den angefochtenen Beschluß wird die Rechtsstellung der Antragsgegnerin verändert, und sie ist hiedurch auch - sollte sie tatsächlich Mitglied eines Wirkungskartells sein - beschwert. Bis zum Ablauf der gesetzten Frist durfte die Antragsgegnerin nämlich gemäß § 18 Abs 1 Z 1 KartG ein allenfalls bestehendes solches Kartell auch ohne Genehmigung durchführen. Nach fruchtlosem Verstreichen der gesetzten Frist wäre ihr jedoch die auch nur teilweise weitere Durchführung gemäß § 57 Abs 3 KartG sogar unter strafgerichtlicher Sanktion (§ 130 Abs 1 KartG) verboten. Die Erhebung des vorliegenden Rekurses durch einen gewählten Rechtsanwalt statt einen Kartellbevollmächtigten war erlaubt. Die vom Stellvertreter des Vorsitzenden des Kartellgerichtes gemäß § 57 Abs 2 KartG in den Beschluß aufgenommene Belehrung über die Bestimmung des § 54 KartG - wonach sich die Kartellmitglieder vor dem Kartellgericht und dem Kartellobergericht durch einen im Inland wohnhaften Kartellbevollmächtigten vertreten lassen müssen - gilt noch nicht für das Rechtsmittelverfahren über die Aufforderung durch das Kartellgericht zur Antragstellung, weil hier noch keine Gemeinschaftsrechte auszuüben sind oder betroffen werden (siehe die Möglichkeit nach § 57 Abs 1 KartG, ohne Bestellung eines Kartellbevollmächtigten um Fristverlängerung anzusuchen; vgl. auch § 54 Abs 2 KartG und Jelinek, ÖBl. 1968, 25 Ä28Ü).

In der Sache selbst ist bei der allseitigen rechtlichen Überprüfung des angefochtenen Beschlusses im Sinne des Hinweises der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft wahrzunehmen, daß der bekämpfte Auftrag der Stellvertreterin des Vorsitzenden des Kartellgerichtes dem § 57 Abs 1 KartG 1988 schon formell nicht

entspricht. Auf Antrag einer Amtspartei sind d i e

Mitglieder unter anderem von Wirkungskartellen, die kein

Bagatellkartell sind, aufzufordern, binnen einem Monat beim Kartellgericht die Genehmigung des Kartells zu beantragen. Nach dieser klaren Gesetzesbestimmung kann die Aufforderung nicht wirksam allein an ein angebliches Mitglied eines Wirkungskartelles gerichtet werden. Eine solche Aufforderung wäre auch sachlich ohne Sinn. Dem einzelnen Aufgeforderten wäre zwar sodann die weitere Durchführung des Kartells untersagt (§ 57 Abs 3 KartG), nicht aber allen übrigen möglichen Kartellanten. Nur die Zustellung der Aufforderung genügt gemäß § 57 Abs 2 KartG an ein einziges Kartellmitglied. Das ist zwar auch nicht immer zielführend, weil sich ein Kartellmitglied, dem kein Verschulden an einer weiteren Durchführung des Kartells vorgeworfen werden kann (etwa infolge nicht einmal fahrlässiger Unkenntnis der Aufforderung), sich nicht nach § 130 KartG strafbar macht; die Bestimmung mag aber bei vermuteten Wirkungskartellen großen Umfangs und häufig wechselnden Teilnehmern ihren Sinn haben. Im allgemeinen ist jedoch auch die Zustellung an alle bekannten Kartellmitglieder zu empfehlen.

Das Erstgericht wird daher den vorliegenden Antrag der Amtspartei Republik Österreich zunächst dahin zu prüfen haben, welche gerichtsbekannten oder von dieser Amtspartei namhaft gemachten Mitglieder des angeblichen Wirkungskartells im Sinn des § 57 KartG zur Antragstellung auf Genehmigung des Kartells aufzufordern sind.

Auf die weiteren, im Rekurs angeschnittenen Rechtsfragen betreffend die Zulässigkeit dieses Auftrages ist vorläufig nicht einzugehen, um die möglichen übrigen Antragsgegner nicht zu präjudizieren.

Anmerkung

E21063

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:000OKT00020.9.0705.000

Dokumentnummer

JJT_19900705_OGH0002_000OKT00020_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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