TE OGH 1990/7/11 9ObA1007/90 (9ObA1008/90)

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Veröffentlicht am 11.07.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Martin Meches und Anton Prager als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Josef D***, Gipser, Kaindorf, Frühwirtstraße 4 a, vertreten durch Dr. Leo Häusler, Rechtsanwalt in Leibnitz, wider die beklagte Partei E**B*** BAU Gesellschaft mbH, Gössendorf, Mondscheinweg 2, vertreten durch Dr. Reinhard Tögl, Rechtsanwalt in Graz, wegen S 12.920,55 sA (Revisionssteitwert S 11.771,25 sA), infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 9.Mai 1990, 7 Ra 24/90-15, den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508 a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 46 Abs 2 Z 1 ASGG zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der Kläger war beim beklagten Bauunternehmen seit 28.3.1988 als Arbeiter beschäftigt. Ab 12.10.1988 war er wegen Arbeitsunfähigkeit im Krankenstand. Während seines Krankenstandes herrschte bei einer Arbeitspartie, zu der auch der Vater des Klägers, Friedrich D***, gehörte, Unzufriedenheit. Die Angehörigen dieser Arbeitspartie gaben gegenüber dem Prokuristen der Beklagten, Helmut E***, am Donnerstag, den 20.10.1988 zu erkennen, daß sie nicht mehr arbeiten wollten. Die Geschäftsführerin der Beklagten, Annemarie E*** (Schwägerin des Helmut E***), drohte dem Kläger - an den sie sich deshalb wandte, weil er ein Telefon hatte - die Entlassung der ganzen Arbeitspartie an. Der Kläger erwiderte, daß er noch im Krankenstand sei, übernahm es aber, die übrigen Mitglieder der Arbeitspartie von der Androhung der Geschäftsführerin der Beklagten zu verständigen. Er erreichte aber nur seinen Vater. Als er dies der Geschäftsführerin am selben Tage fernmündlich mitteilte, entgegnete sie, er brauche nicht weiterzureden, sie seien alle entlassen. Am darauffolgenden Samstag oder Sonntag (22. oder 23.10.1988) fragte aber der Kläger trotzdem bei Helmut E*** fernmündlich an, ob er weiterarbeiten solle. Helmut E*** entgegnete, der Kläger solle sich am Montag, den 24.10.1988 um 7,30 Uhr, an einem bestimmten Treffpunkt (zwecks Abholung zur Arbeit) einfinden. Der Kläger wartete an diesem Ort, doch wurde er von Helmut E*** nicht abgeholt. Dieser ließ vielmehr dem Kläger mitteilen, daß er am nächsten Tag (25.10.1988) zur Arbeit geholt werde. Auf der gemeinsamen Fahrt zur Arbeitsstelle am darauffolgenden Tag sagte Helmut E*** zum Kläger, er habe ihn schon bei der Gebietskrankenkasse abgemeldet, der Kläger solle aber "so", d.h. ohne Anmeldung bei der Gebietskrankenkasse, weiterarbeiten. Tatsächlich langte bei der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse am 28.10.1988 eine mit 24.10.1988 datierte Abmeldung des Klägers ein, in der dieser Tag auch als "Ende des Beschäftigungsverhältnisses" angegeben war. Ob der Kläger dem Vorschlag des Helmut E*** zustimmte, konnte nicht festgestellt werden. Der Kläger arbeitete zwar am 25.10.1988 bis 15,30 Uhr, lehnte aber das Ansinnen, am 26.10.1988 (Nationalfeiertag) zu arbeiten, ab. Er wartete am 27.10.1988 nicht auf die Abholung durch Helmut E*** und ging auch nicht zum Telefon, als dieser in seiner Wohnung anrief, weil er nicht unangemeldet weiterarbeiten wollte. Hierauf wurde er von der Geschäftsführerin der Beklagten am 27.10.1988 telefonisch (neuerlich) entlassen.

Beide Vorinstanzen gaben dem Begehren des Klägers auf Kündigungsentschädigung mit dem Betrag von S 11.771,25 sA statt. Das Berufungsgericht sprach aus, daß die Revision nach § 46 Abs 2 Z 1 ASGG nicht zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen das Urteil des Berufungsgerichtes erhobene außerordentliche Revision der Beklagten ist unzulässig. Die Beklagte begründet die Zulässigkeit ihres Rechtsmittels damit, daß zur Frage, ob einem Arbeitnehmer wegen der Abmeldung durch den Arbeitgeber bei der Sozialversicherung ein Leistungsverweigerungsrecht zustehe, keine Rechtsprechung bestehe. Von dieser Frage hängt aber die angefochtene Entscheidung nicht ab.

Die am 20.10.1988 von der Geschäftsführerin der Beklagten wegen angeblicher Arbeitsverweigerung anderer (!) Arbeitnehmer der Beklagten ausgesprochene Entlassung des Klägers war ungerechtfertigt, weil sich der Kläger wegen Arbeitsunfähigkeit im Krankenstand befand und daher der Arbeit berechtigt ferngeblieben war. Ist die Entlassung wirksam erklärt und damit das Dienstverhältnis aufgelöst, kann diese Rechtsgestaltung nicht mehr einseitig widerrufen werden; vielmehr ist das Einvernehmen mit dem früheren Vertragspartner erforderlich (Arb 6.099, 6.866, 10.142 = DRdA 1984, 460; DRdA 1986, 420; Krejci in Rummel, ABGB2 Rz 167 zu § 1162; Kuderna, Das Entlassungsrecht 24 mwH). Zu einem Einvernehmen, das Arbeitsverhältnis unter denselben Bedingungen fortzusetzen, ist es jedoch nicht gekommen.

Der Prokurist der Beklagten beantwortete die Anfrage des Kläger, ob er weiterarbeiten solle, damit, daß er den Kläger für den nächsten Arbeitstag zu einem bestimmten Treffpunkt bestellte. Diese Erklärung war in bezug auf das Arbeitsverhältnis nicht eindeutig; sie konnte als Zurückziehung der Entlassung und damit als Zustimmung zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu den bisherigen Bedingungen verstanden werden, sie konnte aber auch nur bedeuten, daß der Prokurist der Beklagten die Angelegenheit erst mit dem Kläger besprechen oder mit ihm einen neuen Arbeitsvertrag abschließen sollte. Daß der Kläger am Montag den 24.10.1988 vereinbarungswidrig nicht am besprochenen Treffpunkt abgeholt wurde, mußte ihn sogar in der Annahme bestärken, die Entlassung sei nicht zurückgenommen worden. In Übereinstimmung damit eröffnete der Prokurist der Beklagten dem Kläger während der ersten gemeinsamen Fahrt zur Arbeitsstelle am nächsten Tag, er habe ihn bei der Stmk. Gebietskrankenkasse bereits abgemeldet, der Kläger solle aber "so", nämlich ohne Versicherungsschutz weiterarbeiten. Tatsächlich langte bei der Stmk. Gebietskrankenkasse die Abmeldung des Klägers mit 24.10.1988 ("Ende des Beschäftigungsverhältnisses") ein. Die Entlassung vom 20.10.1988 blieb daher aufrecht.

Der Kläger hat auch das neue Anbot der Beklagten, das Beschäftigungsverhältnis zu den geänderten Bedingungen fortzusetzen, weder ausdrücklich noch schlüssig angenommen. In der Arbeitsleistung am 25.10.1988 liegt keine den Anforderungen des § 863 ABGB entsprechende schlüssige Zustimmung zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter den vorgeschlagenen Bedingungen, befand sich doch der Kläger, als ihm dieser - gesetzwidrige - Vorschlag auf der Fahrt zur Arbeitsstelle gemacht wurde, in einer gewissen Zwangslage; er konnte nicht wissen, wie der Prokurist auf eine Weigerung reagieren und ob er ihn daraufhin wieder zum vereinbarten Treffpunkt zurückbringen würde. Weitere Arbeitsleistungen (am 26. und 27.10.1988) hat aber der Kläger verweigert und damit zu erkennen gegeben, daß er das Ansinnen der Beklagten ablehne. Die neuerliche Entlassung durch die Beklagte war mangels Vorliegens eines Arbeitsverhältnisses wirkungslos. Der Kläger kann daher seine Ansprüche auf die ungerechtfertigte Entlassung vom 20.10.1988 stützen. Die Frage eines Leistungsverweigerungsrechts stellt sich nicht, sodaß eine erhebliche Rechtsfrage iS des § 46 Abs 2 Z 1 ASGG weder vom Revisionswerber geltend gemacht wurde noch vorliegt. Die Revision ist daher zurückzuweisen.

Anmerkung

E21232

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:009OBA01007.9.0711.000

Dokumentnummer

JJT_19900711_OGH0002_009OBA01007_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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