TE OGH 1990/7/11 2Ob574/90

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Veröffentlicht am 11.07.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel, Dr. Melber, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als weitere Richter in der Familienrechtssache der Antragstellerin Maria D***, im Haushalt, Wankhamerstraße 10, 4800 Attnang-Puchheim, vertreten durch den Sachwalter Dr. Martin Morscher, Rechtsanwalt in Vöcklabruck, wider den Antragsgegner Alois D***, Monteur, Preising 28, 4844 Regau, vertreten durch Dr. Alois Heigl, Rechtsanwalt in Schwanenstadt, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens infolge Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Wels als Rekursgericht vom 7. März 1990, GZ R 144/90-24, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Vöcklabruck vom 29. Dezember 1989, GZ 1 F 1/88-20, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin ist schuldig, dem Antragsgegner die mit 8.029,80 S bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens (darin 1.338,30 S an Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Der Antragsgegner unterfertigte am 8.1.1980 in Polen eine Erklärung, daß er die Antragstellerin, mit der er am 5.1.1980 in Polen die Ehe geschlossen hatte, und ihre aus erster Ehe stammende Tochter zu sich nach Österreich zum ständigen Aufenthalt einlade und sich verpflichte, für ihren Unterhalt, Wohnung und nötigenfalls für ihre ärztliche Betreuung aufzukommen. Diese Verpflichtungserklärung war Voraussetzung für die Ausreise der Antragstellerin und ihrer Tochter nach Österreich, die im Herbst 1981 erfolgen konnte. Nach ihrer Übersiedlung nach Österreich bezog der Antragsgegner mit der Antragstellerin, die nach wie vor polnische Staatsangehörige ist, und deren Tochter die Ehewohnung (Eigentumswohnung, Wankhamerstraße 10), die der Antragsgegner mit Kaufvertrag vom 7.12.1979 um 190.000,-- S erworben hatte. Bücherlicher Eigentümer dieser Wohnung wurde der Antragsgegner erst nach der Eheschließung. Die Wohnung ist 51 m2 groß und besteht aus Wohnküche mit Kochnische, zwei Zimmern, Vorraum und Badezimmer mit WC. Im August 1983 zog der Antragsgegner aus der Ehewohnung aus. Er lebt seither bei seiner Mutter in deren aus Küche, 3 Zimmern und Bad bestehenden Einfamilienhaus in Preising 28. Außer dem Antragsgegner und seiner Mutter wohnen dort noch die beiden alleinstehenden 38 und 39 Jahre alten Brüder des Antragsgegners. Der Antragsgegner arbeitet seit ca. 2 Jahren als Monteur im Inland und verdient im Monatsdurchschnitt 15.000 S bis 16.000 S netto. Er hat am 10.3.1989 in Eisenhüttenstadt, Bezirk Frankfurt an der Oder, Doris G*** geheiratet. Seine nunmehrige Frau arbeitet in der DDR als Küchengehilfin, sie hat beim Antragsgegner derzeit keine Wohnmöglichkeit. Seitdem die Antragstellerin in Österreich ist, kann sie aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr arbeiten. Sie wurde und wird vom Antragsgegner erhalten. Dieser trägt die Kosten für die Eigentumswohnung und bezahlt einen monatlichen Unterhaltsbetrag von

3.300 S. Die nunmehr etwa 16 Jahre alte Tochter der Antragstellerin besucht die 7. Klasse des Oberstufenrealgymnasiums der Schulschwestern in Vöcklabruck; die Antragstellerin erhält für sie keinen Unterhalt, sondern nur die Familienbeihilfe. Die Antragstellerin verfügt auch über keinerlei Ersparnisse und kein Vermögen. Sie wurde während der Ehe mehrmals im Wagner-Jauregg-Krankenhaus stationär behandelt, wobei eine Legierungspsychose diagnostiziert wurde. Im Scheidungsverfahren wurde bei der Antragstellerin eine Geisteskrankheit festgestellt, die nach dem Erscheinungsbild mehr dem manischdepressiven Formenkreis als einer schizophrenen Prozeßpsychose zuzuordnen ist. Diese Geisteskrankheit kann nur vorübergehend beherrscht, nicht aber behoben werden und ist als Dauererkrankung anzusehen.

Mit dem am 10.2.1988 rechtskräftig gewordenen Urteil des Kreisgerichtes Wels vom 26.6.1987 (7 a Cg 94/84-96) wurde die am 5.1.1980 geschlossene Ehe der Parteien wegen Geisteskrankheit der beklagten Ehefrau gemäß § 51 EheG geschieden; das Urteil enthält den Ausspruch, daß den Antragsgegner ein Verschulden an der Zerrüttung der Ehe trifft (§ 61 Abs 2 EheG). Der Ehe entstammen keine Kinder. Die Antragstellerin wurde vom Bezirksgericht Vöcklabruck (SW 24/85) gemäß Art. 16 des polnischen Zivilcodex teilweise entmündigt. Zu ihrer gesetzlichen Vertretung und zur Durchsetzung ihres Anspruchs auf Unterhalt und auf wohnungsmäßige Unterbringung sowie zur Regelung der Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens wurde Rechtsanwalt Dr. Martin Morscher bestellt. Der im Sachwalterverfahren beigezogene Sachverständige stellte bei der Antragstellerin ein Defektsyndrom einer Psychose fest, das einen Dauerzustand bedeutet. Die Antragstellerin kann nur einfache körperhygienische Vorgänge selbst erledigen, jedoch nur, wenn sie überwacht wird. Es kann bei ihr jederzeit zu einer Antriebsstörung kommen (Vernachlässigung des Haushaltes, Unterlassung des Einkaufens von Nahrungsmitteln), sodaß sie einer Überwachung bedarf. Die Antragstellerin begehrte die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens dahin, daß ihr ein lebenslängliches unentgeltliches Wohnungsrecht an der Ehewohnung und das Eigentum an der gesamten Wohnungseinrichtung sowie am Hausrat eingeräumt werde; hilfsweise stellte sie den Antrag, ihr die Eigentumswohnung zu übertragen. Da sie infolge ihrer Geisteskrankheit außerstande sei, einer Berufstätigkeit nachzugehen und eine andere Wohnung zu erwerben, sei sie auf die Ehewohnung angewiesen. Der Antragsgegner verfüge über eine Wohnung in Regau, Preising 28.

Der Antragsgegner sprach sich nicht gegen die Überlassung des Hausrates und der Wohnungseinrichtung an die Antragstellerin aus, wohl aber gegen die Einräumung eines Wohnungsrechtes an der Ehewohnung oder deren Zuweisung an die Antragstellerin, und beantragte die Zuweisung der Ehewohnung an sich, allenfalls unter der Verpflichtung zur Leistung einer billigen Ausgleichszahlung an die Antragstellerin.

Das Erstgericht räumte der Antragstellerin ein lebenslängliches unentgeltliches - das Recht ihrer Tochter zum Mitbewohnen umschließendes - Wohnungsrecht hinsichtlich der Eigentumswohnung ein und verpflichtete den Antragsgegner, in die Einverleibung der Dienstbarkeit des lebenslänglichen, unentgeltlichen Wohnungsrechtes für die Antragstellerin einzuwilligen; außerdem wies es der Antragstellerin das Eigentum an der beweglichen Wohnungseinrichtung der Ehewohnung zu. Die Anträge des Antragsgegners wies es hingegen ab.

Bei der rechtlichen Beurteilung des vorliegenden Sachverhaltes ging das Erstgericht von der Anwendung österreichischen Sachrechts aus (§§ 20 und 18 Abs 1 Z 2 IPRG). Mit der Einräumung eines Wohnungsrechtes an die geisteskranke und erwerbsunfähige Antragstellerin sei gewährleistet, daß sie - im Interesse ihrer Gesundheit - in ihrer gewohnten Umgebung verbleiben könne. Die Antragstellerin bedürfe einer Überwachung und Hilfe durch eine dritte Person und müsse daher mit ihrer Tochter zusammenleben. Mangels Möglichkeit, eine Ausgleichszahlung aufzubringen, habe der Antragstellerin auch nicht die Leistung einer solchen auferlegt werden können.

Das Gericht zweiter Instanz gab dem Rekurs des Antragsgegners teilweise Folge und änderte den erstgerichtlichen Beschluß dahin ab, daß es 1.) den Verbleib des Eigentumsrechtes an den Miteigentumsanteilen, mit denen Wohnungseigentum an der Ehewohnung verbunden ist, beim Antragsgegner feststellte und die ehemalige Ehewohnung dem Antragsgegner zuwies (Punkt 1. des Spruches), das Eigentum an der beweglichen Wohnungseinrichtung und dem Hausrat der Antragstellerin zuwies (Punkt 2. des Spruches), die Antragstellerin schuldig erkannte, die ehemalige Ehewohnung bis 31.12.1992 von ihren Fahrnissen zu räumen und dem Antragsgegner mit sämtlichen Schlüsseln zu übergeben, wobei es der Antragstellerin das alleinige Benützungsrecht an dieser Wohnung bis zu diesem Zeitpunkt einräumte (Punkt 3. des Spruches) und den Antragsgegner bis zum 31.12.1992 zur Bezahlung sämtlicher Betriebs-, Verwaltungs- und sonstiger mit der Benützung der ehemaligen Ehewohnung verbundenen laufenden Kosten verhielt (Punkt 4. des Spruches), dem Antragsgegner die Leistung einer Ausgleichszahlung von 100.000 S in zwei Teilbeträgen von je 50.000 S bis 31.12.1991 bzw. 31.12.1992 auferlegte (Punkt 5. des Spruches) und zur Besicherung dieser Ausgleichszahlung die Verpfändung der Miteigentumsanteile des Antragsgegners, mit welchen Wohnungseigentum an der Ehewohnung verbunden ist, anordnete sowie den Antragsgegner schuldig erkannte, in die Einverleibung dieses Pfandrechtes einzuwilligen (Punkt 6. des Spruches). Schließlich sprach es aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteigt und der ordentliche Revisionsrekurs nach § 14 Abs 1 AußStrG zulässig sei.

In Erledigung der im Rekurs erhobenen Rechtsrüge führte das Rekursgericht im wesentlichen folgendes aus:

Nach dem festgestellten Sachverhalt seien beide Ehegatten zur Sicherung ihrer Lebensbedürfnisse auf die Weiterbenützung der Ehewohnung angewiesen, weshalb die Ehewohnung jedenfalls nach § 82 Abs 2 EheG in die Aufteilung einzubeziehen sei. Für die im Aufteilungsverfahren zu treffende Entscheidung sei somit weniger der Zeitpunkt wesentlich, zu welchem der Antragsgegner das grundbücherliche Eigentum an der Ehewohnung erworben habe als die Frage, aus wessen Mitteln die Ehewohnung - bereits vor der Eheschließung - erworben worden sei. § 83 Abs 1 EheG enthielte das Gebot, die Aufteilung nach Billigkeit vorzunehmen; dieses habe die Anpassung der Rechtsfolgen an die besondere Lage des Einzelfalles zum Ziel, damit die durch die Vielgestaltigkeit der Lebensverhältnisse notwendige Differenzierung vorgenommen und einen dem natürlichen Gerechtigkeitsempfinden entsprechende Entscheidung gefällt würden. Es sollten die Folgen der Scheidung in wirtschaftlicher Hinsicht in einer für beide Teile möglichst ausgeglichenen Weise geregelt werden (EFSlg 57.350 f). Quantitativ hat die Aufteilung in erster Linie nach dem Gewicht und dem Umfang des Beitrages jedes Ehegatten zu erfolgen. Das Verschulden an der Ehescheidung könne bei der Aufteilung nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben, doch komme ihm nur untergeordnete Bedeutung zu. Im konkreten Fall sei davon auszugehen, daß die häusliche Gemeinschaft der Ehegatten - diese sei erst nach Ausreise der Antragstellerin aus Polen möglich gewesen - nur knapp 2 Jahre gedauert habe. In dieser Zeit, in der die Antragstellerin den gemeinsamen Haushalt geführt habe, hätten die Ehegatten allenfalls mit Ausnahme der Wohnungseinrichtung und des Hausrates, deren Einbeziehung in das Aufteilungsverfahren offensichtlich von beiden Ehegatten gebilligt werde, offenbar kein der Aufteilung unterliegendes Vermögen erworben. Das der Aufteilung unterliegende Vemögen stamme daher, soweit dies die Ehewohnung betreffe, jedenfalls aus Mitteln des Antragsgegners, zu deren Erwerb die Antragstellerin nicht - auch nicht durch

Konsumverzicht - beigetragen habe. Der Beitrag des Antragsgegners sei daher nach Auffassung des Rekursgerichtes grundsätzlich höher zu gewichten als jener der Antragstellerin; es erscheine eine Aufteilung im Verhälntis von rund 2 : 1 zu Gunsten des Antragsgegners angemessen. Der Antragstellerin als dem an der Scheidung schuldlosen Teil wäre zwar grundsätzlich ein Optionsrecht zuzubilligen, ihrem Aufteilungsvorschlag -

Zuweisung der Ehewohnung samt Einrichtung und Hausrat an sie - könnte aber nur bei gleichzeitiger Auferlegung einer Ausgleichszahlung Rechnung getragen werden, weil ohne eine solche eine Aufteilung nach Billigkeit nicht erzielt werden könne. Auch das dem schuldlosen Teil zustehende Optionsrecht dürfe nicht dazu führen, daß der andere Teil wesentlich schlechter gestellt werde als der Optierende, weil dieser sich nur in der Lage sehe, eine unverhältnismäßig niedrige Ausgleichszahlung zu leisten (EFSlg 57.421). Zutreffend verweise der Antragsgegner im Rekurs auf die Rechtsprechung, daß Vermögenslosigkeit und geringes Einkommen eines Ehegatten nicht dazu führen dürfen, daß der andere Ehegatte sein Eigentum entschädigungslos oder gegen eine unverhältnismäßig geringe Gegenleistung aufgeben müsse (EFSlg 57.353); de facto käme auch die Einräumung eines lebenslänglichen unentgeltlichen Wohnrechtes an der Ehewohnung an die Antragstellerin einer Aufgabe des Eigentumsrechtes des Antragsgegners gleich. Eine Zuweisung der Ehewohnung an die Antragstellerin, ohne ihr eine Ausgleichszahlung aufzuerlegen, stehe daher mit den Aufteilungsgrundsätzen nach § 83 EheG in Widerspruch, weil sie zu einer Art entschädigunglosen Enteignung des Antragsgegners führte. Da die Antragstellerin zu einer Ausgleichszahlung - auch im Weg einer Kreditaufnahme - nicht in der Lage sei, könne trotz der gebotenen Rücksicht auf ihr Wohnbedürfnis an der ehemaligen Ehewohnung ihrem Aufteilungswunsch nicht entsprochen werden. Die Ehewohnung sei daher dem Antragsgegner, aus dessen Mitteln sie auch angeschafft worden sei, zuzuweisen; damit blieben die bestehenden Eigentumsverhältnisse unverändert. Daß für die Antragstellerin im Vergleich zu einem gesunden Menschen ein Wohnungswechsel schwerer zu bewältigen sei, brauche nicht näher erörtert werden, allein der Gesundheitszustand der Antragstellerin könne aber eine den Grundsätzen des § 83 EheG widersprechende Entscheidung im Aufteilungsverfahren nicht rechtfertigen. Es dürfte auch nicht übersehen werden, daß die Antragstellerin in der Vergangenheit trotz bereits bestehender Erkrankung eine Übersiedlung in ein fremdes Land und damit eine wesentlich größere Umstellung in ihren Lebensverhältnissen bewältigt habe. Auch die Verpflichtungserklärung des Antragsgegners vom 8.1.1980 stehe der Zuweisung der Ehewohnung an den Antragsgegner nicht entgegen, weil - unabhängig davon, wie diese Erklärung rechtlich zu qualifizieren sei - sie der Antragstellerin keinen Anspruch auf eine bestimmte Wohnung verschaffe; der Antragsgegner habe zudem ohnehin im Rahmen seiner Unterhaltspflicht für die Lebensbedürfnisse seiner geschiedenen Frau, zu denen auch das Wohnen zähle, aufzukommen. Der Gesundheitszustand der Antragstellerin erfordere allerdings insofern Rücksichtnahme, als ihr ein längerer Zeitraum eingeräumt werden müsse, um sich mit der bevorstehenden Änderung in ihren Lebnesverhältnissen vertraut zu machen und - mit Unterstützung des Sachwalters - die notwendigen Schritte für den Erwerb einer anderen Wohnung zu setzen. Das Rekursgericht billige daher der Antragstellerin noch einen Zeitraum bis zum 31.12.1992 zu, in welchem die Antragstellerin die Ehewohnung noch benützen dürfe. Bis zu diesem Zeitpunkt stehe der Antragstellerin ein alleiniges und unentgeltliches Wohnrecht an der Ehewohnung zu, welches auch das Recht einschließe, ihre Tochter bei sich aufzunehmen. Der Antragsgegner habe für den Zeitraum der Benützung der Wohnung der Antragsstellerin - längstens bis zum 31.12.1992 - sämtliche Instandhaltungs-, Verwaltungs-, Betriebs- und sonstige laufende Kosten (insbesondere für Strom, Heizung) der Wohnung zu bezahlen, zumal er ohnehin nur einen bescheidenen Unterhalt leiste. Um einen Ausgleich im Aufteilungsverfahren herzustellen, sei der Antragstellerin die Wohnungseinrichtung samt Hausrat zuzuweisen. Die Zuweisung der Einrichtung stelle allerdings noch kein Äquivalent für die Zuweisung der Ehewohnung dar, auch wenn man die hier zu veranschlagenden Beiträge des Antragsgegners ins Kalkül ziehe. Dem Antragsgegner sei daher eine Ausgleichszahlung aufzuerlegen, welche mit 100.000 S bewessen werde. Die Ausgleichszahlung erleichtere der Antragstellerin die Beschaffung einer neuen Wohnung. Da der Antragsgegner mit seinem als durchschnittlich zu bezeichnenden Arbeitseinkommen der Antragstellerin Unterhalt zu leisten und auch für die Kosten der Ehewohnung aufzukommen habe, sei ihm die Leistung der Ausgleichszahlung in zwei Raten aufzuerlegen und der Antragstellerin die Möglichkeit zur grundbücherlichen Sicherstellung ihrer Forderung einzuräumen gewesen. Mit der vom Rekursgericht gewählten Lösung sei einerseits sichergestellt, daß die Antragstellerin ausreichend Zeit habe, sich mit der bevorstehenden Änderung der Verhältnisse vertraut zu machen, anderseits erscheine der noch verbleibende Zeitraum von etwa 2 3/4 Jahren ausreichend, sich um eine geeignete Ersatzwohnung zu bemühen. Die Behinderung, die die Antragstellerin durch ihre Krankheit zu erleiden habe, fiele insoferne nicht entscheidend ins Gewicht, als der Antragstellerin ein Sachwalter, welcher ihr bei der Wohnungssuche behilflich zu sein habe, zur Seite stehe.

Den Ausspruch über die Zulässigkeit des Revisionsrekurses begründete das Rekursgericht damit, daß der Frage, ob auch einem geistig behinderten, schuldlos geschiedenen Ehegatten die Ehewohnung nicht zugewiesen werden könne, wenn er zur Leistung einer Ausgleichszahlung nicht in der Lage sei, erhebliche Bedeutung zukomme und dazu eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes nicht vorliege.

Gegen diese Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich der Revisionsrekurs der Antragstellerin mit dem Antrag, den Beschluß des Rekursgerichtes im Sinne der Einräumung eines lebenslänglichen unentgeltlichen Wohnungsrechts im Sinne der erstgerichtlichen Entscheidung abzuändern.

Der Antragsgegner beantragte in seiner Rechtsmittelgegenschrift die Zurückweisung des Revisionsrekurses und hilfsweise, dem Revisionsrekurs keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht zulässig.

Der Oberste Gerichtshof hat auch bei der Entscheidung über einen ordentlichen - vom Rekursgericht gemäß § 13 Abs 1 Z 3 AußStrG für zulässig erklärten - Revisionsrekurs zunächst zu prüfen, ob der Revisionsrekurs nach § 14 Abs 1 AußStrG überhaupt zulässig ist. Der Oberste Gerichtshof ist hiebei an einen Ausspruch des Rekursgerichtes über die Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht gebunden.

Es entspricht der Lehre und ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, daß Vermögenslosigkeit und geringes Einkommen eines Ehegatten nicht dazu führen darf, daß der andere Gatte sein Eigentum entschädigungslos oder gegen eine unverhältnismäßig geringe Gegenleistung aufgeben muß (Bernat in Schwimann, ABGB I, Rz 3 zu § 94 EheG; EFSlg 46.409 f, 51.832, 54.660, 57.353). Mit Recht weist der Antragsgegner in seiner Rechtsmittelgegenschrift darauf hin, daß es wirtschaftlich belanglos ist, aus welchem Grunde ein Ehegatte zur Leistung einer - der Billigkeit entsprechenden - Ausgleichszahlung nicht imstande ist, ob dies etwa auf sein fortgeschrittenes Alter oder seine Arbeitsunfähigkeit infolge körperlicher Leiden oder einer psychischen Erkrankung zurückzuführen ist. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang ja nur der Umstand, daß es praktisch zu keiner entschädigungslosen Vermögensübertragung kommen darf. Bei dieser Sachlage kann keine Rede davon sein, daß die Entscheidung des Rekursgerichtes von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhinge, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt.

Der vorliegende Revisionsrekurs wäre daher vom Rekursgericht nicht zuzulassen gewesen und mußte deshalb als unzulässig zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 234 AußStrG; da der Antragsgegner in seiner Revisionsrekursbeantwortung die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses geltend gemacht hat, entspricht es der Billigkeit, ihm Kosten für seine Rechtsmittelgegenschrift, allerdings im Hinblick darauf, daß im Rechtsmittelverfahren nur mehr die Wohnung strittig war, ausgehend von einer Bemessungsgrundlage zwischen 180.000,-- S und 200.000,-- S zuzusprechen.

Anmerkung

E20901

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0020OB00574.9.0711.000

Dokumentnummer

JJT_19900711_OGH0002_0020OB00574_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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