TE OGH 1990/7/12 6Ob619/90

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Veröffentlicht am 12.07.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Schlosser, Dr. Redl und Dr. Kellner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Erich F***, Schreiner, D-8395 Hauzenberg, Aubach 36, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Dr. Erich Meusburger, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei M*** S*** AM S***

M***, 5760 Saalfelden, vertreten durch Dr. Wolfgang Berger, Dr. Josef Walter Aichlreiter, Dr. Wilhelm Sluka, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen S 84.239,42 sA und Feststellung (Streitwert S 20.000), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 20. März 1990, GZ 1 R 63/90-23, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Zwischenurteil des Landesgerichtes Salzburg vom 26. November 1989, GZ 2 Cg 143/89-18, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 6.172,20 bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin enthalten S 1.028,70 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 17.August 1988 ereignete sich im Gemeindegebiet von Saalfelden auf dem Fuchssteig zur Steinalm ein Bergunfall, bei dem die Gattin des Klägers ums Leben kam. Am Beginn des Fuchssteiges befindet sich eine Tafel mit der Aufschrift "Fuchssteig zur Steinalm, nur für geübte Wanderer".

Die beklagte Partei ist Halterin dieses Weges.

Der Kläger begehrte von der beklagten Partei S 84.239,42 sA und die Feststellung, daß die beklagte Partei dem Kläger für künftige Schäden und Nachteile aus dem Unfall vom 17.August 1988 im Ausmaß von zwei Dritteln hafte. Der Kläger brachte vor, er sei am Unfallstag mit seiner Familie auf dem Fuchssteig in Richtung Steinalm gegangen. Nach einer kurzen Wegstrecke seien sie zu einer Weggabelung gekommen, wo ein Steig geradeaus weitergeführt habe, während ein anderer Steig nach links abgebogen sei. Da sie auf dem geradeaus weiterführenden Steig andere Wanderer wahrgenommen hätten, seien sie auf diesem Weg weitgegangen, in der Annahme, es sei jener, welcher zur Steinalm führe. An einer steil abfallenden Grasmulde sei die Ehefrau des Klägers abgerutscht, in der Folge über eine ca. 20 m hohe Felswand gestürzt und dabei getötet worden. Erst nachträglich habe sich herausgestellt, daß es sich bei diesem vom Kläger und seiner Familie nach der Weggabelung begangenen Steig um einen angeblich bereits aufgelassenen Steig gehandelt habe, welcher zur Unfallszeit nicht entsprechend gekennzeichnet gewesen sei. Erst nach dem Unfall habe die beklagte Partei als zuständiger Wegehalter die entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen getroffen, in dem sie im Bereich der Weggabelung in Richtung des vom Kläger und seiner Familie begangenen Steiges eine Absperrung errichtet und eine rote Markierung angebracht habe. Die Unterlassung der entsprechenden Absicherung zur Unfallszeit stelle eine grobe Fahrlässigkeit der beklagten Partei dar, zumal sich an der selben Stelle bereits ein Jahr zuvor ein tödlicher Unfall ereignet habe.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wandte ein, der Unfall sei auf das Alleinverschulden der Verunglückten zurückzuführen. Die beklagte Partei selbst treffe an diesem Unfall höchstens eine leichte Fahrlässigkeit, wofür sie allerdings nach § 1319 a ABGB nicht hafte. Bei dem vom Kläger und seiner Familie irrtümlich benützten Seitenweg habe es sich nicht um einen aufgelassenen Steig gehandelt, sondern um eine von Ortskundigen fallweise benützte Abkürzung, welche nur ganz am Beginn als zweiter Wegverlauf habe angenommen werden können. Diese Abkürzung habe sich bereits vor Erreichen der steilen Grasrinne, in welcher die Gattin des Klägers gestürzt sei, im Gelände verloren. Schon einige Meter nach der Weggabelung wäre für geübte Wanderer erkennbar gewesen, daß sich der irrtümlich eingeschlagene Weg völlig verliere, während der richtige Steig klar erkennbar in die andere Richtung führe.

Mit Zwischenurteil sprach das Erstgericht aus, daß die Ansprüche des Klägers aus dem Unfall auf Zahlung von S 84.239 sA und auf Feststellung der Haftung der beklagten Partei für alle künftigen Schäden im Ausmaß von zwei Dritteln dem Grunde nach zu Recht bestehen. Es traf dabei folgende wesentliche Feststellungen:

Der Kläger besuchte am 17.August 1988 mit seiner Frau Marietta und seinen beiden 9 und 13 Jahre alten Söhnen Saalfelden, um dort einen Urlaub zu verbringen. Noch am Ankunftstag unternahm er mit seiner Familie eine Wanderung. Sie stiegen zur Einsiedelei auf und erkundigten sich dort nach dem Schwierigkeitsgrad des Fuchssteiges. Dieser Fuchssteig bildet eine Verbindung zwischen dem Weg vom Tal zur Einsiedelei einerseits und dem Weg vom Tal zur Steinalm andererseits. Für Wanderer, die von der Einsiedelei weiter zur Steinalm gehen wollen, bildet er somit eine Abkürzung, die dem Wanderer den Weg zurück ins Tal und den neuerlichen Anstieg erspart. Der Fuchssteig führt durch felsiges Gelände und ist teilweise ziemlich steil. Der Kläger erhielt in der Einsiedelei daher die Auskunft, daß der Weg nur für Geübte sei und ein Stück enthalte, wo man aufpassen müsse. Der Kläger wurde vom Einsiedler auch auf die Tafel am Beginn des Steiges "Nur für geübte Wanderer" hingewiesen. Der Weg zur Einsiedelei ist rund 1 m breit und mit Ausnahme des letzten treppenartig ausgebildeten Teiles relativ flach. Talwärts ist dieser Weg durch ein doppeltes Holzstangengeländer gesichert, obwohl das angrenzende Waldgelände in diesem Bereich gar nicht so steil ist, daß Absturzgefahr bestünde. Beim Fuchssteig steigt gleich am Beginn des bedeutend steiler werdenden Weges, der zunächst noch keine Stufen aufweist, links neben dem deutlich ausgetretenen Pfad mit einer Breite von 1/2 bis 3/4 m eine Felswand ca. 15 m hoch an. Rechts fällt das Waldgelände zunächst steil ab. Etwa 10 m nach dem Beginn des Steiges ist der Weg treppenartig ausgebildet und führt dann etwas von der Felswand weg und serpentinenartig einen steilen Grashang empor. Der Steig führt dabei immer wieder dicht an die Felswand heran "und fällt rechts beinahe senkrecht ab". Der steile Waldhang geht dort schließlich überhaupt in eine Felswand über. Nach einer Strecke von etwa 200 m kommt man zu der "klagsgegenständlichen Abzweigung", die nunmehr abgesperrt ist. Zum Unfallszeitpunkt waren im gesamten Wegbereich keine Absperrungen und Seilsicherungen vorhanden.

Im Bereich der Abzweigung des Pfades führt der Fuchssteig in einer lang gezogenen Rechtskurve bergan. Im letzten Teil vor der Abzweigung ist er stufenartig ausgebildet. Der Fuchssteig läuft hier frontal auf eine überhängende Felswand zu und führt dann nach links "rückwärts" in einem Winkel von 300 bis 320 Grad weiter. Der abzweigende Pfad führt annähernd gerade aus mit etwa der gleichen Rechtskrümmung wie der Verlauf des Pfades vorher nach rechts über treppenartig ausgebildete Baumwurzeln, über eine kleine Kuppe um den Felsen herum und dann etwa 10 m über einen baumbestandenen Grashang bis zu einer steilabfallenden Grasrinne. Ab der Kuppe nach den Baumwurzeln wird der Pfad deutlich schlechter als der Fuchssteig vorher. Er ist hier nicht mehr so stark ausgetreten und die Oberfläche des Weges ist auch nicht waagrecht ausgebildet, sondern in Hangneigung talwärts. Zum Unfallszeitpunkt war an der Abzweigung weder eine Absperrung oder Seilsicherung, noch eine deutlich sichtbare Farbmarkierung an der Felswand vorhanden. Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß sich dort eine verblaßte Markierung befunden hat. Für einen aufsteigenden Wanderer, der sich ausschließlich auf den Weg konzentriert, mußte der abzweigende Pfad zunächst als natürliche Fortsetzung des Fuchssteiges erscheinen. Der nach links "rückwärts" abbiegende Fuchssteig, der in der Folge sehr schmal an einer Felswand entlang führt, war leicht zu übersehen. Die steile Grasrinne, die ca. 10 m nach den Baumwurzeln beginnt, hat eine Breite von rund 6 m und ein Gefälle von 45 bis 50 Grad. Sie geht nach einer Länge von ca. 20 m in einen von oben nicht sichtbaren Felsabbruch über. Im Bereich der Grasrinne ist der Fußpfad noch sichtbar, weil dort der Grasbewuchs ausgetreten ist. Der Weg ist aber nicht eben sondern fällt ziemlich stark nach rechts ab. Die Wegneigung ist nur wenig geringer als die Neigung des Geländes. Auf der anderen Seite der Grasrinne ist eine Fortsetzung des Weges nicht erkennbar. Der Pfad verliert sich dort im felsigen Waldgelände.

Als der Kläger mit seiner Frau zur Abzweigung des Pfades kam, waren seine beiden Söhne bereits etwas voraus auf dem abzweigenden Pfad weitergegangen. Der Kläger sah zwar den nach links "rückwärts" weiterführenden Steig, dieser kam ihm aber ziemlich steil vor. Dann rief ein Sohn zurück, daß es rechts weitergehe, weil dort auch andere Leute seien. Tatsächlich waren vor dem Kläger und seiner Familie Peter T*** mit seiner Frau und seinen beiden vier und sieben Jahre alten Kindern und die Familie L*** mit ebenfalls zwei Kindern aufgestiegen und hatten den abzweigenden Pfad irrtümlich für die Fortsetzung des Fuchssteiges gehalten, weil sie "den Linksschwenk" übersehen hatten. Sie waren bis zur Grasrinne vorgegangen und dort stehen geblieben. Peter T***, der seinen Sohn auf den Schultern hatte, rief Herrn L*** nach vor und wollte, daß dieser schauen sollte, wie es auf der anderen Seite der Grasrinne weitergehe. Der Weg kam ihm, obwohl er auch schon vorher steil gewesen war, nunmehr erstmals gefährlich vor. Zu diesem Zeitpunkt kam von hinten der Kläger nach. Der Kläger hatte seine beiden Söhne überholt und ging voran. Er war sicher, daß der Fuchssteig hier weiterführen müsse. T*** und L*** ersuchten daher den Kläger, er solle ihnen von der anderen Seite der Grasrinne mitteilen, wie der Weg weitgehe. Sowohl dem Kläger, als auch Peter T*** war vor Beginn der Wanderung mitgeteilt worden, daß beim Fuchssteig eine gefährliche Stelle sei. Beide dachten nun, daß es sich hier um diese Stelle handle. Der Kläger nahm daher seinen jüngeren Sohn an der Hand und überquerte die Grasrinne. Dahinter folgte der zweite Sohn. Als die zum Schluß gehende Ehefrau des Klägers die Grasrinne überquerte, rutschte sie in der Mitte der Rinne aus, fiel zu Boden, rutschte die Grasrinne hinunter und stürzte dann über die Felswand. Dabei erlitt sie tödliche Verletzungen. Es gab keinen besonderen Grund für das Ausruschen, es rutschte das weiche Erdreich unter ihren Füßen weg. Die Gattin des Klägers hatte jahrelang einen Turnverein geleitet und war gut trainiert. Sie ging auch mit dem Kläger jedes Jahr ein oder zwei Bergtouren und hatte dabei schon schwierigeres Gelände zu bewältigen als an der Unfallstelle. Der Kläger und seine Familie trugen Wanderschuhe, die über den Knöchel reichten und eine griffige Sohle aufwiesen.

Der Fuchssteig wird von der beklagten Partei betreut. Er wurde erst vor ca. 20 Jahren ausgebaut und entstand dadurch, daß bereits vorher viele Leute eine Abkürzung zum Weg zur Steinalm gegangen waren. Der abzweigende Pfad ist möglicherweise eine der früheren Wegvarianten. Der beklagten Partei war bekannt, daß der Fuchssteig von sehr vielen Leuten begangen wird, darunter auch von Kindern. Zum Unfallszeitpunkt waren das Wetter schön und der Boden trocken.

Ca. ein Jahr vorher, am 20.August 1987 war an der selben Stelle ein deutscher Staatsbürger ums Leben gekommen. Dieser war ebenfalls bei der Linkskehre des Fuchssteiges vom richtigen Weg abgekommen, ohne dies bemerkt zu haben, und auf der steilen Grasrinne ausgerutscht. Dieser Unfall führte bei der beklagten Partei zu keinerlei Überlegungen, beim Fuchssteig etwas zu ändern. Man ging davon aus, daß der Wegverlauf deutlich genug erkennbar sei. Der Fuchssteig wurde von dem zuständigen Bediensteten der beklagten Partei, wie dies auch bei den übrigen Wanderwegen der Fall war, jährlich zwei- bis dreimal zur Überprüfung abgegangen. Der Fremdenverkehrsverband, an dem die beklagte Partei beteiligt ist, gibt einen Fremdenverkehrsprospekt mit Wandervorschlägen heraus. Dabei findet sich auch folgende Wanderroute:

"Saalfelden-Bürgerau-Kahlenbach, Weg zur Steinalpe, Abstieg zurück auf dem Anmarschweg oder über Einsiedelei, Ofenbach-Bachwinkel-Saalfelden. Gehzeit 3 bis 4 Stunden". Unter dem Weg zurück über die Einsiedelei ist der Fuchssteig gemeint. Erst nach dem gegenständlichen Unfall errichtete die beklagte Partei im Bereich der Wegabzweigung eine Absperrung, brachte am Felsen eine deutlich sichtbare rote Pfeilmarkierung in Richtung der Fortsetzung des Fuchssteiges an und sicherte die steilen Stellen mit Stahlseilen.

In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht aus, die Anbringung der Tafel mit der Aufschrift "Nur für Geübte" am Beginn des Fuchssteiges allein sei nicht ausreichend, die Haftung für nicht geübte Wanderer auszuschließen. Zu den Pflichten des Wegehalters gehöre neben der Instandhaltung auch eine entsprechende Markierung des Weges. Im vorliegenden Fall sei zu der jedenfalls stark mangelhaften Markierung des Weges hinzugekommen, daß ein abzweigender Weg in die Irre geführt habe. Dies hätte für die beklagte Partei Anlaß sein müssen, entweder den abzweigenden Weg zu rekultivieren, daß er nicht mehr als solcher auffalle oder in diesem Bereich eine entsprechend deutliche und augenfällige Markierung anzubringen, die den richtigen Wegverlauf anzeige. Im Hinblick darauf, daß die beklagte Partei nicht einmal auf den tödlichen Unfall ein Jahr zuvor reagiert habe, könne ihr Verschulden nicht mehr als leicht eingestuft werden. Dem Verschulden des Klägers und seiner Familie, das darin gelegen sei, daß er trotz der starken Verschlechterung des Wegzustandes und trotz des Wissens, daß links ein Weg weitergeführt habe, die gefährliche Querung unternommen habe, sei mit einem Drittel ausreichend Rechnung getragen worden. Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei keine Folge und billigte die Rechtsansicht des Erstgerichtes. Es führte dazu noch aus, die aufgestellte Tafel "Fuchssteig zur Steinalm, nur für geübte Wanderer" sei als bloße Warnung nicht aber als Verbot für eine bestimmte Personengruppe, den Weg zu benützen, zu verstehen. Für die Ehefrau des Klägers, die sich auf Grund ihrer in der Vergangenheit unternommenen Bergtouren und ihrer zweckmäßigen Ausrüstung als "geübter Wanderer" habe ansehen dürfen, sei nicht zu erkennen gewesen, daß ihr die Benützung des Weges hätte untersagt werden sollen. Verkehrssicherungspflichten im alpinen Gelände dürften zwar nicht allzu weit ausgedehnt werden, es müsse aber davon ausgegangen werden, daß der Großteil der Bergwanderer auf die ausgebauten Bergpfade und deren deutliche Markierung vertraue. Gerade weil der abzweigende Pfad als Fortsetzung des Fuchssteiges habe erscheinen müssen und dessen richtige Weiterführung leicht zu übersehen gewesen sei, wäre eine deutlich sichtbare Farbmarkierung an der Felswand oder eine Absperrung erforderlich gewesen. Wegstrecken von unterschiedlicher Breite und Schwierigkeit seien im Gebirge nicht ungewöhnlich. Es sei daher naheliegend gewesen, daß der Kläger und seine Familie bei der steil abfallenden Grasrinne angekommen noch versucht hätten, ein Stück weiterzugehen in der Hoffnung, der Weg werde wieder besser. Dies stelle keine solche Sorglosigkeit dar, die über ein Mitverschulden hinaus zu einem völligen Ausschluß der Haftung der beklagten Partei führe. Dieser sei grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen, weil sie ihr zumutbare Sicherungsmaßnahmen im Bereich der späteren Unfallstelle auch nach dem tödlichen Unfall eines Urlaubers im Sommer 1987 nicht getroffen habe. Die beklagte Partei treffe daher das überwiegende Verschulden. Da eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur entscheidungswesentlichen Frage der Markierungspflicht eines Wegehalters im alpinen Gelände nicht vorliege, sei die ordentliche Revision zuzulassen gewesen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der beklagten Partei ist zwar aus den zutreffenden Gründen des Berufungsgerichtes zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

Ein Verfahrensmangel liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Zutreffend haben schon die Vorinstanzen ausgeführt, daß eine Tafel mit der Aufschrift "nur für geübte Wanderer" am Beginn eines Bergwanderweges ihrem Inhalt nach als bloße Warnung zu verstehen ist, nicht aber als Verbot für eine bestimmte Personengruppe, den Weg zu benützen. Es fehlt bei einem solchen bloßen Hinweis jede eindeutige Abgrenzung zwischen "Geübten" und "Ungeübten". Welcher Grad der Übung und welche Kenntnisse gerade beim vorliegenden Weg erforderlich wären, wird auf der Tafel nicht zum Ausdruck gebracht (vgl. SZ 60/189). Für die Frau des Klägers, die sich jedenfalls nicht als völlig ungeübte Bergwanderin ansehen mußte, war aus dieser Tafel nicht erkennbar, daß ihre Kenntnisse und Fähigkeiten für die Benützung dieses Weges nicht ausreichten, dies umso weniger, als sich der Fuchssteig in der nahen Umgebung von Saalfelden befindet, nur bis auf eine Höhe von 1269 m (Steinalm) führt und in den Wandervorschlägen des Fremdenverkehrsverbandes Saalfelden, entgegen anderen vorgeschlagenen Wanderungen, keine eigenen Hinweise auf Ausrüstung (gutes Schuhwerk, Bergkleidung) oder Steilheit des Geländes enthalten waren. Es ist zwar richtig, daß es auf Grund der besonderen Bedingungen im Gebirge so gut wie ausgeschlossen ist, einen Weg stets in gefahrlosem Zustand zu halten, und dies jedem Benützer bekannt sein muß. § 1319 a Abs 2 letzter Satz ABGB verpflichtet den Weghalter aber zu jenen Maßnahmen im einzelnen, die nach der Art des Weges, besonders nach seiner Widmung, für seine Anlage und Betreuung angemessen und zumutbar sind. Der Umfang der Sorgfaltspflicht des Halters kann daher nicht allgemein bestimmt werden und darf gerade im Gebirge nicht allzu weit gespannt werden. Bei der Prüfung, welche Maßnahmen zumutbar sind, kommt der Frage, wie die Halter ähnlicher Wege vorgehen, eine gewisse Bedeutung zu (vgl. EB 856 BlgNR XIII. GP 7). Das bloße Anbringen einer Hinweistafel "Nur für geübte Wanderer" genügt daher insbesondere dann nicht, wenn der Weg in einem Prospekt über Wandervorschläge für Urlaubsgäste aufgenommen wird und bekannt ist, daß dieser Weg häufig im Rahmen von Familienausflügen sogar mit Kindern benützt wird. Gerade solche Bergwanderer vertrauen auf ausreichend sichere Wege und insbesondere auf deutliche Markierungen, die in Österreich in den Fremdenverkehrsgebieten für beschriebene und empfohlene Wanderwege als Selbstverständlichkeit vorausgesetzt werden. An Stellen, die wie hier, die Gefahr in sich bergen, daß ein ortsunkundiger Wanderer vom Wanderweg abkommt und in lebensgefährliches Gelände gerät, ist es einem Wegerhalter keineswegs unzumutbar, eine gut sichtbare Markierung, einen Wegweiser oder eine Absperrung, die einen Irrtum über den weiteren Verlauf des Wanderweges ausschließen, anzubringen. Die Anbringung ist auch mit keinem ins Gewicht fallenden Aufwand verbunden. Daß der richtige Verlauf des Steiges wegen der extremen Linkskehre entlang der Felswand und des als natürliche Fortsetzung erscheinenden alten Steiges keineswegs leicht erkennbar war, ergibt sich auch aus der Tatsache, daß am Unfallstag nicht nur der Kläger und seine Familie, sondern vor ihnen schon zwei weitere Familien dem gleichen Irrtum unterlegen waren. Gerade die Tatsache, daß der vom Wanderweg abweichende Pfad zunächst als natürliche Fortsetzung des Fuchssteiges erschien, hätte zumindest die Anbringung einer Markierung oder eines Wegweisers erfordert, welche sich auch mit dem von der Revisionswerberin angesprochenen Landschafts- und Umweltschutz durchaus in Einklang hätte bringen lassen. Als grobe Fahrlässigkeit muß die Unterlassung der beklagten Partei aber zugerechnet werden, weil die Möglichkeit eines Irrtumes von Wanderern über den weiteren Verlauf des Weges spätestens durch den tödlichen Unfall im August 1987 offenkundig wurde. Daß die beklagte Partei von diesem Unfall Kenntnis hatte, hat das Berufungsgericht auf Grund von Schlußfolgerungen im Tatsächlichen angenommen, welche im Revisionsverfahren nicht mehr bekämpft werden können. Im Unfallerhebungsbericht des Gendarmeriepostenkommandos Saalfelden vom 28. August 1987 wurde die selbe Stelle, an welcher der dann tödlich Verunglückte vom Weg abgekommen war, nicht nur beschrieben, sondern auch fotografisch belegt. Daß die beklagte Partei auch danach in keiner Weise zur Absicherung der für Wegunkundige gefährlichen Stelle Maßnahmen ergriffen hat, muß als auffallende Sorglosigkeit gewertet werden, die ihre Haftung nach § 1319 a ABGB zur Folge hat. Da auch gegen die Annahme eines Mitverschuldens der Verunglückten von einem Drittel aus den zutreffenden Argumenten der Vorinstanzen keine Bedenken bestehen, war der Revision ein Erfolg zu versagen.

Der Ausspruch über die Kosten der Revisionsbeantwortung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E21195

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0060OB00619.9.0712.000

Dokumentnummer

JJT_19900712_OGH0002_0060OB00619_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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