TE OGH 1990/7/12 8Ob11/89

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Veröffentlicht am 12.07.1990
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch, Dr. Huber, Dr. Graf und Dr. Jelinek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M.R. D*** Kommanditgesellschaft, Johannesgasse 18, 1010 Wien, vertreten durch Dr. Ernst Gruber, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Dr. Erich D***, Rechtsanwalt, Maria-Theresienstraße 19, 4600 Wels, als Masseverwalter in den Konkursen über das Vermögen der Wilhelm P*** Hoch- und Tiefbau Gesellschaft mbH & Co KG (S 45/85 KG Wels) und der Wilhelm P*** Hoch- und Tiefbau Gesellschaft mbH (S 46/85 KG Wels), wegen S 85.000 sA, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 22. November 1988, GZ 4 R 114/88-24, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Wels vom 9. Februar 1988, GZ 9 Cg 147/86-17, unter Rechtskraftvorbehalt aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Über das Vermögen der Wilhelm P*** Hoch- und Tiefbau Gesellschaft mbH & Co KG und ihrer Komplementärgesellschaft Wilhelm P*** Hoch- und Tiefbau Gesellschaft mbH, beide in Bad Goisern Nr. 202, wurde vom Kreisgericht Wels am 17. Juli 1985 der Konkurs eröffnet (S 45, 46/85-8). Zum Masseverwalter wurde jeweils Dkfm. Dr. Walter S*** bestellt, die Anmeldungsfrist wurde mit 1. Oktober 1985 festgesetzt und die allgemeine Prüfungstagsatzung wurde für den 10. Oktober 1985 anberaumt. Mittlerweile ist Dkfm. Dr. Walter S*** gestorben, an seine Stelle ist als Masseverwalter der Beklagte getreten.

Die klagende Partei hat der Gemeinschuldner-KG (in der Folge G***) im April 1984 eine Rammax Vibro Grabenwalze RW 1402 unter Eigentumsvorbehalt verkauft und geliefert. Im Zeitpunkt der Konkurseröffnung war noch eine Restkaufpreisforderung von S 120.000 unberichtigt. Mit Schreiben vom 10. September 1985 an den Masseverwalter hat der Kreditschutzverband von 1870 namens der klagenden Partei unter Hinweis auf den Eigentumsvorbehalt das Aussonderungsrecht an der Grabenwalze geltend gemacht. Ein gleichlautendes Aussonderungsbegehren enthielt die Forderungsanmeldung der klagenden Partei vom 25. September 1985, die beim Konkursgericht am 26. September 1985 und beim Masseverwalter am 30. September 1985 - dort zusammen mit rund 1.200 weiteren Forderungsanmeldungen - einlangte.

Die strittige Grabenwalze wurde noch vor der Prüfung der Forderungsanmeldung am 1. Oktober 1985 durch den gerichtlich beeideten Schätzmeister Kurt K*** mit S 25.000 bewertet und am selben Tag vom Masseverwalter um S 35.000 an die S*** Baugesellschaft mbH verkauft. Am 14. November 1985 hat die klagende Partei im Konkursverfahren eine Masseforderung von S 120.000 geltend gemacht, die der Masseverwalter jedoch ablehnte. Infolge eines Abhilfeantrages der klagenden Partei wurde der Masseverwalter vom Konkursgericht angewiesen, den Verkaufserlös von S 35.000 an die klagende Partei auszufolgen; die Anweisung wurde vollzogen. Mit ihren weitergehenden Ersatzansprüchen wurde die klagende Partei auf den Rechtsweg verwiesen.

Mit der vorliegenden Klage begehrt die klagende Partei vom Masseverwalter die Zahlung des restlich aushaftenden Kaufpreises von S 85.000 als Masseforderung aus dem Rechtsgrund des Schadenersatzes und nimmt die Haftung der Konkursmassen beider G*** gemäß §§ 44 Abs. 2, 46 Abs 1 Z 5 KO in Anspruch. Das Verschulden des Masseverwalters wird darin erblickt, daß er die Grabenwalze trotz des angemeldeten Aussonderungsanspruches, der in der Folge anerkannt worden sei, verkauft habe. Dazu komme, daß das etwa ein Jahr alte Gerät noch einen Zeitwert von knapp S 200.000 gehabt habe, so daß es ein weiteres Verschulden des Masseverwalters sei, die auffällige Betragsdifferenz zwischen der Schätzung und dem ortsüblichen Zeitwert des Gerätes kritiklos zur Kenntnis genommen und das Gerät um S 35.000 verkauft zu haben.

Der Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, der Verkauf der Grabenwalze sei vor seiner Kenntnis des von der klagenden Partei geltend gemachten und von ihm späterhin anerkannten Aussonderungsrechtes durchgeführt worden. Er habe nämlich das mit 10. September 1985 datierte Schreiben des Kreditschutzverbandes von 1870 erst am 3.Oktober 1985 erhalten und die Forderungsanmeldung der klagenden Partei, die ihm am 30. September 1985 vom Konkursgericht übermittelt worden sei, bis zum tatsächlichen Verkauf der Grabenwalze nicht zur Kenntnis nehmen können, sodaß ihm wegen des außergewöhnlichen Umfangs und der Schwierigkeit der Konkursverfahren kein Vorwurf zu machen sei. Im übrigen habe er sich auf die Wertermittlung des gerichtlichen Sachverständigen verlassen können. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte fest, daß die Grabenwalze von der in Bad Goisern eingerichteten Verkaufs- und Verwertungsstelle des Masseverwalters in Unkenntnis des Eigentumsvorbehaltes der klagenden Partei verkauft worden sei. Der Aussonderungsantrag des Kreditschutzverbandes von 1870 vom 10. September 1985 sei beim Masseverwalter erst am 3. Oktober 1985 eingelangt. Wegen des großen Umfangs der vorhandenen Fahrnisse und der raschen Entwertung von Baugeräten sei auch ein sofortiger Verkauf der Fahrnisse erforderlich gewesen. Überdies sei das Gerät etwa ein halbes Jahr lang im Hochgebirgseinsatz gestanden und habe deshalb nicht nur Motor- und Hydraulikschäden, sondern auch starke äußere Abnützungserscheinungen aufgewiesen.

In seiner rechtlichen Beurteilung verneinte das Erstgericht einen Verstoß des Masseverwalters gegen die ihm auferlegten Sorgfaltspflichten. Der Verkauf sei zu einem über dem festgestellten Schätzwert, auf den sich der Masseverwalter verlassen habe dürfen, gelegenen Preis erfolgt und wegen des raschen Wertverlustes von Baugeräten der sofortige Verkauf auch notwendig gewesen. Infolge Berufung der klagenden Partei hob das Berufungsgericht das Urteil des Erstgerichtes unter Beisetzung eines Rechtskraftvorbehaltes auf. Das Gericht zweiter Instanz bemerkte zu der in der Beweisrüge bekämpften erstgerichtlichen Feststellung, das Schreiben des Kreditschutzverbandes von 1870 vom 10. September 1985 sei dem Masseverwalter erst am 3. Oktober 1985 zugekommen und es mute merkwürdig an, daß ein am 10. September 1985 geschriebener Brief den Adressaten erst am 3. Oktober 1985 erreicht haben solle; es hielt jedoch eine Beweiswiederholung (und damit eine Behandlung dieser Beweisrüge) für entbehrlich, weil ein haftungsbegründendes Verschulden des Masseverwalters beim Verkauf der streitverfangenen Grabenwalze schon aus dem unstrittigen Sachverhalt abzuleiten sei. Der Masseverwalter habe nämlich bei dem ohne begründeten Zeitdruck am 1. Oktober 1985 vor der Prüfung der Forderungsanmeldungen (in denen üblicherweise auch Aussonderungsrechte geltend gemacht würden) sowie vor Durchführung der Prüfungstagsatzung vorgenommenen Verkauf voreilig gehandelt. Zwar unterlägen Aussonderungsrechte weder dem Anmeldungszwang noch dem Prüfungsverfahren, im Konkurs eines überwiegend fremdfinanzierten Unternehmens hätte aber damit gerechnet werden müssen, daß an Betriebsvermögen Fremd(Vorbehalts-)eigentum bestehe, so daß ein sorgfältiger Masseverwalter mit der Verwertung des Massevermögens erst beginnen werde, wenn er sich einen Überblick über die Aussonderungsrechte verschafft hätte. Der Masseverwalter sei allen am Konkurs Beteiligten, zu denen auch die Aussonderungsberechtigten zählten, für die Sorgfalt verantwortlich, die die Führung seines Amtes verlange. Nicht hingegen sei zu beanstanden, daß der Masseverwalter sich auf die Bewertung der Grabenwalze durch einen erfahrenen Schätzmeister verlassen habe. Im fortgesetzten Verfahren werde jedoch zu prüfen sein, ob die klagende Partei tatsächlich einen Schaden erlitten habe, so daß die Feststellung des tatsächlichen Wertes der Grabenwalze im Verkaufszeitpunkt notwendig sei. Der Rechtskraftvorbehalt beruhe auf der Erwägung, daß Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs über die Sorgfaltspflicht des Masseverwalters bei der Verwertung des Konkursvermögens, insbesondere über seine Pflicht zur Wahrung möglicher Aussonderungsansprüche, nicht vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes erhobene Rekurs des Beklagten ist zulässig, weil die Frage nach dem Maß der Sorgfaltspflicht des Masseverwalters bei der Verwertung des Konkursvermögens im Zusammenhang mit der Pflicht zur Wahrung der Rechte aussonderungsberechtigter Gläubiger von erheblicher Bedeutung für die Rechtssicherheit ist; er ist jedoch nicht berechtigt. Die klagende Partei gründet ihren Anspruch gegen den beklagten Masseverwalter der beiden GS auf die schuldhafte Verletzung ihres, der Klägerin, Vorbehaltseigentums durch die Verwertung der strittigen Grabenwalze. Die beispielhaft zum Verschulden des Masseverwalters vorgebrachten Umstände, er habe das Aussonderungsschreiben nicht beachtet und unter dem objektiven Wert verkauft, wurden zwar im Verfahren erster Instanz nicht erwiesen, dessen ungeachtet stand es dem Berufungsgericht in Befolgung des Gebotes zur materiellen Prozeßleitung (§§ 180 Abs 3, 182 Abs 1 ZPO) frei, andere aus dem Verfahren hervorgekommene Umstände zur Verschuldensfrage aufzugreifen. Zutreffend hat aber das Gericht zweiter Instanz dem Masseverwalter als Verschulden angelastet, daß er die Grabenwalze ohne Überprüfung der Eigentumsverhältnisse, etwa durch Befragung der Geschäftsleitung der GS und/oder durch Einsicht und Prüfung der entsprechenden Aufzeichnungen der Buchhaltung verkauft hat. Die von Bauunternehmungen verwendeten Baumaschinen sind erfahrungsgemäß auf Kredit oder unter Zuhilfenahme von Fremdmitteln angeschafft worden. Damit mußte der Masseverwalter auch im vorliegenden Falle ebenso rechnen wie mit der weiteren Erfahrungstatsache, daß zur Kreditbesicherung regelmäßig vom Eigentumsvorbehalt Gebrauch gemacht wird, so daß diese Betriebsmittel meist im Fremdeigentum stehen. Wegen der großen Wahrscheinlichkeit dieser Umstände ist es jedenfalls Pflicht des Masseverwalters, sich vor der Verwertung von Betriebsmitteln der Konkursmasse zunächst zu vergewissern, daß diese Sachen Massevermögen und nicht Fremdeigentum sind. Die von der Rechtsprechung und der Lehre zu § 366 HGB für den gutgläubigen Eigentumserwerb an solchen Gegenständen durch den Erwerber entwickelten Grundsätze der Überprüfungsanforderungen (siehe dazu Schuhmacher in Straube, HGB, § 366 Rz 11 mwH) können auch hier herangezogen werden. Die im vorliegenden Fall vom Masseverwalter unterlassene Überprüfung bewirkt seine Haftung gegenüber der aussonderungsberechtigten klagenden Partei im Sinne des § 81 Abs 3 KO sowie die Haftung der beiden Konkursmassen gemäß § 46 Abs 1 Z 5 KO (vgl. auch Jaeger, dKO8 § 82 Anm. 9).

Da somit die vom Berufungsgericht angeordnete Verfahrensergänzung in erster Instanz auf einer für zutreffend erachteten Rechtsansicht beruht, bleibt der Rekurs des Masseverwalters erfolglos.

Der Rekurskostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E21492

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0080OB00011.89.0712.000

Dokumentnummer

JJT_19900712_OGH0002_0080OB00011_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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