TE Vfgh Beschluss 2008/3/12 B281/08, G24/08, KI-1/08

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Veröffentlicht am 12.03.2008
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Index

25 Strafprozeß, Strafvollzug
25/02 Strafvollzug

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
EMRK Art13
StVG §120, §122
ZPO §63 Abs1 / Aussichtslosigkeit

Leitsatz

Abweisung eines Verfahrenshilfeantrags als aussichtslos; keineZuständigkeit des VfGH zur Überprüfung von Akten der Gerichtsbarkeiteinschließlich der Verwaltungsgerichtsbarkeit; Unzulässigkeit einesIndividualantrags auf Aufhebung einer Bestimmung desStrafvollzugsgesetzes über die Anrufung des Aufsichtsrechtes wegenWiderspruchs zum Recht auf eine wirksame Beschwerde iSd EMRK; keinAnhaltspunkt für das Vorliegen eines negativen Kompetenzkonfliktszwischen Gerichten und Verwaltungsbehörden

Spruch

Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wird abgewiesen.

Begründung

Begründung:

1. Der Einschreiter beantragt die Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Einbringung eines Antrages gemäß Art140 B-VG auf Aufhebung des §122 des Strafvollzugsgesetzes, BGBl. 144/1969, und zur Erhebung einer Beschwerde nach Art144 B-VG gegen einen näher bezeichneten Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes sowie einen Bescheid der Vollzugskammer beim Oberlandesgericht Wien.

2. Weder Art144 B-VG noch eine andere Rechtsvorschrift räumt dem Verfassungsgerichtshof die Zuständigkeit ein, Akte der Gerichtsbarkeit (einschließlich der Verwaltungsgerichtsbarkeit) auf Grund einer an ihn gerichteten Beschwerde zu überprüfen (zB VfSlg. 14.735/1997; VfGH 2.2.2004, B162/04, sowie der - gegenüber dem Einschreiter ergangene - Beschluss vom 23. November 2007, B2148/07-2). Eine Rechtsverfolgung durch Erhebung einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erscheint somit als offenbar aussichtslos, zumal bei der gegebenen Lage sogar die Zurückweisung der Beschwerdebehandlung zu gewärtigen wäre.

3. Insoweit der Einschreiter die Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Beschwerdeführung gegen den Bescheid der Vollzugskammer beim Oberlandesgericht Wien beantragt, besteht unter Bedachtnahme auf den Inhalt des anzufechtenden Bescheides kein Anhaltspunkt für die Annahme, dass der Bescheid auf einer rechtswidrigen generellen Norm beruht oder dass bei der Gesetzeshandhabung ein in die Verfassungssphäre reichender Fehler unterlaufen wäre; es ergeben sich vielmehr ausschließlich Fragen der richtigen Rechtsanwendung, die jedoch nicht in den Zuständigkeitsbereich des Verfassungsgerichtshofes fallen. Eine Rechtsverfolgung durch Erhebung einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erscheint somit als offenbar aussichtslos, zumal bei der gegebenen Lage sogar die Ablehnung der Beschwerdebehandlung zu gewärtigen wäre.

4. Gemäß Art140 Abs1 letzter Satz B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung und ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist.

4.1. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation im Normenprüfungsverfahren ist, dass die Norm nicht bloß faktische Wirkung zeitigt, sondern in die Rechtssphäre der betreffenden Person eingreift und sie im Fall der Rechtswidrigkeit verletzt. Diese Anfechtungsberechtigung kann - wie der Verfassungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat (siehe schon VfSlg. 8009 und 8060/1977; vgl. weiters VfSlg. 9497/1982, 13.620/1993, 13.869/1994, 15.390/1998 und 15.665/1999) - von Vornherein nur einem Rechtsträger zukommen, an den oder gegen den sich die angefochtene Norm wendet (Normadressat).

4.2. Soweit der Antragsteller daher beabsichtigt, die Bestimmung des §122 StVG mittels Individualantrages nach Art140 B-VG insbesondere mit der Begründung zu bekämpfen, sie verletze das Recht auf eine wirksame Beschwerde nach Art13 EMRK, übersieht er, dass der die "Anrufung des Aufsichtsrechtes der Vollzugsbehörden" regelnde §122 StVG kein in der Konvention festgelegtes Recht iSd Art13 EMRK darstellt. Vielmehr räumt §120 StVG den Strafgefangenen das Recht ein, sich gegen jede ihre Rechte betreffende Entscheidung oder Anordnung und über jedes ihre Rechte betreffende Verhalten der Strafvollzugsbediensteten zu beschweren, ausgenommen über die Art der drztlichen Behandlung. Eine Rechtsverfolgung durch Einbringung eines Antrages gemäß Art140 B-VG an den Verfassungsgerichtshof erscheint somit schon deshalb als offenbar aussichtslos.

5. Insoweit der Antragsteller eine Entscheidung eines negativen Kompetenzkonfliktes nach Art138 Abs1 B-VG zwischen Gerichten und Verwaltungsbehörden herbeizuführen beabsichtigt, ist darauf hinzuweisen, dass in keiner Weise ersichtlich ist, inwiefern im vorliegenden Fall Anhaltspunkte für das Vorliegen eines derartigen Konfliktes vorliegen.

Der Antrag war sohin mangels der Voraussetzungen des §63 Abs1 ZPO (§35 Abs1 VfGG) abzuweisen.

Dies konnte gemäß §72 Abs1 ZPO iVm §35 Abs1 VfGG in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

VfGH / Verfahrenshilfe, VfGH / Zuständigkeit, VfGH /Individualantrag, VfGH / Kompetenzkonflikt, Strafvollzug,Beschwerderecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2008:B281.2008

Zuletzt aktualisiert am

18.08.2010
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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