TE OGH 1990/8/7 15Os73,74/90-7

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Veröffentlicht am 07.08.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 7.August 1990 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, Dr. Reisenleitner, Hon.Prof. Dr. Brustbauer und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Mende als Schriftführer in der Strafsache gegen Renate Ö*** wegen des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs. 1 StGB über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen die Beschlüsse des Jugendgerichtshofes Wien vom 6. Oktober 1989, GZ 17 b U 518/89, ON 47 und 48 nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Jerabek, jedoch in Abwesenheit der Verurteilten zu Recht erkannt:

Spruch

Im Verfahren zum AZ 17 b U 518/89 des Jugendgerichtshofes Wien wurde am 6.Oktober 1989 durch die Beschlußfassung dieses Gerichtes gemäß § 494 a Abs. 1 Z 4 StPO über die der Renate Ö***, vormals S***, mit Entschließung des Bundespräsidenten gnadenweise gewährte bedingte Nachsicht (1.) einer Freiheitsstrafe sowie (2.) des Restes einer Freiheitsstrafe, die unter den AZ (zu 1.) 22 U 523/84 und (zu 2.) 22 U 311/86, jeweils desselben Gerichtes, über sie verhängt worden waren, das Gesetz verletzt, und zwar (zu 1. und 2.) in den Bestimmungen des § 494 a Abs. 1 StPO und des § 56 StGB sowie (zu 2.) in Ansehung der zuletzt relevierten Nachsicht überdies in dem im XX. Hauptstück der StPO verankerten Grundsatz der materiellen Rechtskraft.

Gemäß § 292 letzter Satz StPO werden die betreffenden Beschlüsse, ON 47 und ON 48, sowie alle darauf beruhenden gerichtlichen Verfügungen aufgehoben.

Text

Gründe:

Mit den im Spruch angeführten Beschlüssen wurde die der Renate Ö*** am 12.Dezember 1986 in Ansehung der beiden Vor-Verurteilungen gnadenweise (und damit rechtskräftig) gewährte bedingte Strafnachsicht widerrufen.

Rechtliche Beurteilung

Zur Zeit ihrer Erlassung, also am 6.Oktober 1989, lagen jedoch - im Hinblick darauf, daß die mit dem Gnadenakt bestimmt gewesene jeweils einjährige Probezeit unter Bedacht auf die Fortdauer des seinerzeitigen Haftvollzuges bis zum 18.Dezember 1986 (§ 49 StGB) in beiden Fällen schon am 18.Dezember 1987 abgelaufen und bei deren Ablauf (noch) kein (neuerliches) Strafverfahren gegen die Verurteilte anhängig gewesen war - unabhängig von ihrem meritorischen Inhalt bereits die prozessualen Voraussetzungen für eine derartige Beschlußfassung im hier aktuellen späteren Verfahren nicht mehr vor.

Denn eine Zuständigkeit des später erkennenden Gerichts im Fall einer neuerlichen Verurteilung des betreffenden Täters wegen einer vor Ablauf der Probezeit nach einer bedingten Strafnachsicht oder einer bedingten Entlassung begangenen strafbaren Handlung zur Entscheidung über jene bedingte Nachsicht ist nach § 494 a Abs. 1 StPO nur dann vorgesehen, wenn dabei (noch) ein Widerruf (Z 4) oder ein Absehen vom (an sich noch zulässigen) Widerruf (Z 2), allenfalls in Verbindung (Abs. 7 nF) mit begleitenden Maßnahmen iS § 53 Abs. 2 StGB, in Betracht kommt (§§ 53 Abs. 1 und Abs. 2, 55 Abs. 1 StGB). Ist hingegen zu dieser Zeit (schon) die endgültige Strafnachsicht auszusprechen (§ 43 Abs. 2 StGB), dann ist für die Annahme einer Kompetenz des später erkennenden Gerichts zur dahingehenden Entscheidung nach der Prozeßordnung kein Raum; insoweit obliegt die Beschlußfassung vielmehr ungeachtet des späteren Verfahrens nach wie vor dem Gericht erster Instanz ihn jenem Verfahren, in dem die bedingt nachgesehene Strafe verhängt wurde.

Eben diese prozessuale Situation aber lag im gegebenen Fall vor, weil nach § 56 StGB - wonach die in § 53 StGB vorgesehenen Verfügungen wegen einer (wie hier teilweise) während der Probezeit begangenen strafbaren Handlung nur bis spätestens sechs Monate nach deren Ablauf oder nach der Beendigung eines zur Zeit ihres Ablaufs gegen den Rechtsbrecher anhängigen Strafverfahrens getroffen werden dürfen - ein Widerruf nicht mehr zulässig und demgemäß iS § 43 Abs. 2 StGB bereits die endgültige Strafnachsicht auszusprechen war. Die von der Generalprokuratur mit Recht gerügte Beschlußfassung vom 6.Oktober 1989 verstieß daher primär schon in prozessualer Hinsicht gegen § 494 a Abs. 1 StPO sowie nach dem zuletzt Gesagten zudem gegen die materiellrechtlichen Bestimmungen des § 56 StGB. Mit Rücksicht darauf schließlich, daß in bezug auf den der Renate Ö*** seinerzeit bedingt nachgesehenen Straf-Rest im betreffenden Vor-Verfahren mit Beschluß vom 27.Jänner 1988 in der Tat bereits rechtskräftig (vgl. ÖJZ-LSK 1979/137 ua) die endgültige Strafnachsicht ausgesprochen worden war, wurde durch den darauf bezogenen Widerrufsbeschluß (ON 47) das Gesetz außerdem - zwar nicht in den materiellrechtlichen Vorschriften der §§ 43 Abs. 2, 53 Abs. 1 StGB, wohl aber - in dem im XX. Hauptstück der StPO verankerten Grundsatz der materiellen Rechtskraft verletzt. In Stattgebung der von der Generalprokuratur erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes waren sohin die aufgezeigten Gesetzesverletzungen (mit der ihren Sitz betreffenden Maßgabe) wie im Tenor festzustellen und nach § 292 letzter Satz StPO zu beheben.

Anmerkung

E21311

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0150OS00073.9.0807.000

Dokumentnummer

JJT_19900807_OGH0002_0150OS00073_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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